Dieser Tage ist im Zuge des Fipronil-Skandals wieder viel von Grenzwerten bzw. deren Überschreitung die Rede. Das ist nicht ungewöhnlich. Menschen wollen informiert werden, wenn irgendwas passiert, das möglicherweise Auswirkungen auf ihre Leben haben könnte. Und wenn in Lebensmitteln die Konzentration bestimmter Stoffe zu groß wird, ist das ein guter Grund, hellhörig zu werden. In vielen Medien wird aber leider das Überschreiten von Grenzwerten sofort mit einer tatsächlichen Gefährdung gleichgesetzt (und noch viel viel häufiger in den zugehörigen Kommentarspalten der Onlineausgaben, wo Leute ihrem Unmut mit zu Haare raufen schlechten Argumenten Luft machen).

Weil auch auf den Scienceblogs hin und wieder die Frage auftaucht, folgt jetzt ein kurzer Abriss darüber, was eigentlich ein Grenzwert ist, wie er festgelegt wird und welche Maßnahmen aus seiner Verletzung folgen.

 

Was ist ein Grenzwert

Ganz allgemein kann man definieren: Der Grenzwert einer Messung ist eine im Vorfeld festgelegte Schwelle, bei deren Verletzung durch die Messgröße etwas ausgelöst wird. Dieses Etwas kann eine Meldung, Alarmierung, Aktivierung von Notfallplänen oder sonstige Maßnahme sein. Im einfachsten Fall wird einfach ein Automatismus ausgelöst, der die Messgröße so beeinflusst, dass sie einen Wert annimmt, durch den der Grenzwert nicht mehr verletzt ist.

Grenzwerte findet man überall: Raumthermostate steuern oft die Temperatur mit einer Zweipunktregelung, bei der bei Unterschreiten des unteren Grenzwertes die Heizung ein- und bei Überschreiten des Oberen Grenzwertes wieder ausgeschaltet wird – das ist ein Beispiel für Grenzwerte, die ganz normal im normalen Betriebsablauf erreicht werden. Sie dienen nicht dem Schutz, sondern der Steuerung einer Anlage. An der Zapfsäule schaltet die Pumpe automatisch aus, wenn der Tank voll ist und ein aufblasbares Zelt wird durch eine Druckmessung geschützt, die das Bersten der Streben beim Aufstellen verhindert. Diese Grenzwerte dienen dem Schutz des Autos bzw. Zeltes, damit der Tank nicht überläuft oder das Zelt platzt.

Wir beziehen uns hier für das Folgende auf den Spezialfall des Grenzwertes für die Konzentration eines Stoffes im umgebenden Medium, sei es Luft, Wasser oder ein beliebiges Lebensmittel, denn solche Grenzwerte sind von öffentlichem Interesse und werden auch immer mal wieder in den Medien genannt. Sie müssen so niedrig sein, dass bei ihrer Verletzung keine unmittelbare Gefährdung von Menschen zu erwarten ist. Gleichzeitig muss der Grenzwert hoch genug sein, dass der jeweilige Stoff bei routinemäßigen Messungen sicher detektiert werden kann.

 

Die Höhe des Grenzwerts ermitteln

Die Konkrete Höhe ermittelt man, weil es leider nicht anders geht, heute vor allem im Tierversuch. Tierversuche sind ein ethisches Problem, denn man experimentiert mit fühlenden, lebenden Wesen, um aus ihrer Reaktion Rückschlüsse auf das Gefährdungspotenzial eines Stoffes zu ziehen und nimmt dabei ihren Tod in Kauf oder führt ihn willentlich herbei. Sie sind aber auch ein technisches Problem, denn Tiere sind keine Messgeräte, können nicht kalibriert werden und liefern evtl. nur eingeschränkt vergleichbare Ergebnisse. Wo möglich wird man ein Messgerät oder einen Versuch in der Petrischale dem Tierversuch vorziehen, aber in vielen Fällen sind sie leider das Beste, was man zurzeit hat.

Ein gängiges Verfahren ist z.B. verschiedene Gruppen von Versuchstieren über einen längeren Zeitraum – zwischen zwei Jahren und der gesamten Lebenszeit – mit Nahrung zu füttern, die jeweils unterschiedliche aber für jede Gruppe feste Konzentrationen des zu untersuchenden Stoffes enthält. Aus vergleichen der Gruppen untereinander und mit Kontrollgruppen, die mit nichtkontaminierter Nahrung gefüttert wurden, lässt sich dann abschätzen, bis zu welcher Konzentration der Stoff harmlos ist. Wenn z.B. die Gruppen 1 bis 10, die mit Konzentrationen von 0,0 % bis 0,09 % keine Reaktion auf den Stoff zeigen und ab Gruppe 11 mit 0,1 % eine zunächst sehr kleine, aber konzentrationsabhängig steigende Reaktion folgt, dann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass man eine physiologisch wirksame Schwelle überschritten hat.

Dabei gibt es ein Problem: Die Gefährdung durch einen Stoff ist ein statistischer Vorgang, d.h. eine Aussage à la: Der Stoff X ist in einer Konzentration von 0,1 %vol ungefährlich ist strenggenommen gar nicht wahr. Näher an der Wahrheit wäre: Der Stoff X hat in einer Konzentration von bis zu 0,1 %vol bei weniger als 0,13 % der Versuchstiere signifikante Reaktionen hervorgerufen.

Gefährdungen haben etwas mit dem Risiko zu tun, definiert als Produkt aus Schadensausmaß und Schadenseintritts-Wahrscheinlichkeit. Da das Risiko ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten und Abschätzungen ist, enthält es eine Komponente fundamentaler Unsicherheit. Ein Grenzwert ist aber schwarz/weiß – er ist entweder verletzt oder nicht verletzt. Dazwischen gibt es nichts.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und die fundamentale Unsicherheit statistischer Vorgänge zumindest in eine praktisch handhabbare Form zu bringen, werden die Grenwerte unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors, gängiger wese in der Größenordnung von 100, festgelegt. Das bedeutet, dass eine Stoffkonzentration in Höhe des Grenzwertes multipliziert mit 100 gerade so die Schwelle erreicht, bei der sich im Tierversuch die ersten Reaktionen gezeigt haben. Der Grenzwert für den Stoff in unserem Beispiel würde also bei 0,001 %vol festgelegt – 10 ml/m³.

Dieser Wert muss bei Routinekontrollen sicher detektiert werden können und das ist unter Umständen gar nicht so einfach, denn je nach Einsatzgebiet und Anforderung werden besondere Anforderungen an die Messtechnik, vor allem die verwendeten Analysengeräte gestellt. Vereinfacht ausgedrückt gibt es zur Konzentrationsmessung zwei Klassen von Analysengeräten, die man Labor- und Betriebsmessgeräte nennen könnte.

Labormessgeräte sind genauer und haben eine höhere Auflösung, dafür reagieren sie empfindlicher auf die Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Vibration, etc) und die Aufbereitung der Probe. Beispiele dafür sind Gaschromatographen und Massenspektrometer. Im Labor werden für gewöhnlich diskontinuierlich gezogene Proben gemessen. Betriebsmessgeräte sind nicht so genau, aber dafür robuster. Sie sind oft für kontinuierlichen Einsatz vorgesehen, z.B. Gaswarngeräte oder pH-Messungen oder die Luftmessungen in den Innenstädten.

 

Eskalierendes Grenzwertkonzept

Die Erfahrung lehrt, dass es nicht zweckmäßig ist, für die Konzentration eines potentiell gefährlichen Stoffes nur einen einzelnen Grenzwert festzulegen.

Im einfachsten und am häufigsten zu findenden Fall werden zwei Grenzwerte festgelegt – ein niedriger, bei dem zunächst nur alarmiert wird und ein hoher, bei dem Maßnahmen ergriffen werden. In Rheinland-Pfalz heißt der erste Grenzwert Informationsschwelle, bei deren Überschreiten das Landesamt für Umwelt die Bevölkerung informiert. Wichtig ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht! Das Überschreiten der Informationsschwelle bedeutet eine Abweichung von der Norm in einer Größenordnung, die nicht mehr durch zufällige Schwankungen erklärt werden kann, die also eine nachvollziehbare Ursache haben muss. Wenn das passiert, wissen die Verantwortlichen, dass sie die Messwerte und besonders die Tendenz (steigt oder fällt der Messwert mit der Zeit?) besonders gut im Auge behalten müssen. Gleichzeitig können sie schon mögliche Ursachen abklopfen: Gab es einen Störfall in einem Unternehmen oder eine andere Katastrophe, z.B. einen Unfall mit Gefahrstoffen oder einen Großbrand? Ist es ein Terroranschlag? Oder hat es gar eine natürliche Ursache?

Erst wenn ein zweiter Wert, der in Rheinland-Pfalz Alarmschwelle heißt überschritten wurde werden Maßnahmen getroffen. Diese können kurz- oder langfristige Auswirkungen haben: Aus meiner Kindheit sind mir noch deutlich die regelmäßigen Fahrverbote im Hochsommer erinnerlich, wenn über einer heißen Landstraße ein feiner aber deutlich wahrnehmbarer Ozongeruch lag. Heute sind Ozonwarnungen eher selten (nebenbei ein Zeichen dafür, wie viel besser die allgemeine Luftqualität im Vergleich zu vor 25 Jahren ist), dafür rückten Feinstaub und Stickoxide in den Vordergrund. Zum Schutz der Bevölkerung wurden in vielen Städten mittlerweile Umweltzonen eingerichtet, in denen nur noch Autos zugelassen sind, die einen bestimmten Schadstoffausstoß unterschreiten. Ein zeitlich begrenztes Fahrverbot ist eine kurzfristige Maßnahme, eine Erweiterung der Umweltzone eine langfristige. Das Überschreiten der Alarmschwelle bedeutet immer noch nicht, dass jetzt zwingend eine Gefährdung vorliegt! Es bedeutet aber, dass jetzt gehandelt werden muss, damit es gar nicht erst so weit kommt!

 

Grenzwerte sind Menschenwerk

Wenn man über Grenzwerte redet und ggf. auch streitet muss man sich klarmachen, dass sie – wie alle Technik – nicht vom Himmel schneien, sondern von Menschen so festgelegt wurden. Natürlich gründen sie in einer angenommenen Gefährdung, aber ihre konkrete Höhe richtet sich nicht nur danach, sondern vor allem daran, wie sicher man die Konzentration des jeweiligen Stoffes messen kann, wie viel Zeit zwischen dem Überschreiten des Grenzwerts und dem Einleiten von Maßnahmen vergeht und welcher Sicherheitsfaktor von den Beteiligten akzeptiert wird.

An dieser Stelle möchte ich etwas sehr deutlich sagen: Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit zu dieser Frage etwas beitragen kann. Das ist eine gewagte These und sie muss natürlich begründet werden: Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung versteht nicht genug von Messtechnik, Risikomanagement und Sicherheitskonzepten, um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Nicht etwa, weil sie zu doof dazu wäre, sondern weil es in unserer äußerst arbeitsteilig organisierten Welt schon schwer genug ist, einigermaßen breit über das eigene Fachgebiet informiert zu bleiben, geschweige denn mehr als die allergröbsten Grundlagen von anderen Fachgebieten zu erlernen. Ich erlebe zwar sehr häufig, dass ein tiefes Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass es absolute Sicherheit nicht gibt, aber praktisch kein Wissen um die Art und Weise, wie man mit technischen Risiken im Allgemeinen umgeht, geschweige denn für den besonderen Spezialfall der Festlegung von Grenzwerten. So müssen ich und andere, die damit beruflich zu tun haben, zunächst eine Menge Fragen klären und falsche Vorstellungen ausräumen, die für uns so grundlegend sind, dass wir im Tagesgeschäft kaum mehr darüber nachdenken. Das ist Mühsam und hat wieder nichts mit den doofen Leuten zu tun, sondern mit der Tatsache, dass niemand auch nur halbwegs über alle Spezialgebiete informiert sein kann, die es so gibt[1]. Das führt zu der Frage, wem man glauben soll, wenn man nicht selbst zufälligerweise Fachkraft ist. Den Experten in den Laboratorien oder benannten Stellen, den Umweltverbänden oder den Politikern? Am Ende das Tages – und das solle man sich in aller Schärfe klarmachen! – hängt die eigene Meinung zu Themen wie Grenzwerten für potenziell gefährliche Stoffe zu einem Gutteil daran, wem man glaubt. Ich wiederhole mich noch mal: Nicht aus Doofheit, sondern weil es gar nicht anders geht. Über sein eigenes Fachgebiet ist man vielleicht im Bilde, über ein oder zwei andere hat man sich informiert, aber mehr ist nicht drin. Und für ein wirklich ausgewogenes Urteil reichen ein paar Zeilen aus der Wikipedia oder einer Zeitung nicht. Ich erlebe das selbst an mir immer wieder – beide Seiten der Medaille. Ich will damit nicht sagen, dass man sich auf alles blind verlassen sollte, aber wenn Mehrzahl der Experten, die für nichts anderes da sind als für Risikoabschätzungen ein Urteil veröffentlicht, dann darf man durchaus annehmen, dass da was Substanzielles dran ist. Das ist äußerst unbefriedigend, aber wie man das Problem wirklich lösen kann, weiss ich auch nicht. Wenn jeder alles wissen wollte, müssten wir ja einen Kopf wie ein Bierfass haben.

Für die Akzeptanz von Grenzwerten ist die Beteiligung der Öffentlichkeit aber immens wichtig. De facto kann man sie nur informieren, aber wenigstens das muss tun und zwar bevor etwas passiert. In früheren Zeiten mag es in Ordnung gewesen sein, wenn Experten im stillen Kämmerlein ihr Ding machen, aber heute geht das nicht mehr. Was in meinen Augen ein großer Fortschritt ist, auch wenn es allen viel Arbeit macht. Was ich allerdings auch immer wieder erlebe ist, wie mit ironischem Unterton die wohl berühmteste Zeile nach einer öffentlich bekanntgemachten Grenzwertverletzung zitiert wird: Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung

 

 


 

 

 

 

[1] Das hat zwar mit dem Thema des Artikels nichts zu tun, aber im Sanitätsdienst trifft man immer wieder auf Leute, die nicht begreifen, warum man was bei wem in welcher Reihenfolge tut oder lässt. Das ist im besten Fall lästig, im schlimmsten Fall halten sie den Helfer vom Helfen ab.

Kommentare (18)

  1. #1 Hobbes
    11. September 2017

    Guter Artikel. Ich habe eine gewisse Zeit im Rettungsdienst gearbeitet und fahre jetzt noch ab und an ehrenamtlich. Des weiteren habe ich in meinem Studium zum Ingnieur eine Zeit lang in einer Erdölraffinerie ein Praktikum gemacht und hatte dort viel mit der Werksfeuerwehr und den Sicherheitskonzepten zu tun. Das reicht zwar bei weitem nicht um sich Experte im Bereich Risikomanagement zu nennen, aber es reicht für einen ausreichend guten Einblick in die Gefahrenwahrnehmung der Menschen. Und diese ist mehr als miserabel.
    Ich will jetzt nicht darüber her ziehen wie Dumm andere Menschen sind sondern zähle mal ein paar meiner Dummheiten auf.
    Ich trinke gerne Alkohol obwohl ich weiß was es anrichtet.
    Ich verschleppe so ziemlich jede Erkältung obwohl ich weiß was das fürs Herz bedeutet.
    Ich hebe grundsätzlich zu schwere Gegenstände wenn die alternative zu umständlich erscheint.
    Ich fahre Fahrrad ohne Helm. Und das obwohl ich im Dienst schon zwei Tote hatte bei denen der Helm es wohl verhindert hätte.
    Ich fahre auch gerne 70 wo 50 erlaubt ist. Und das obwohl ich schon bei weit mehr als einem Autounfall war und obwohl ich weiß, dass v bei der Berechung der kinetischen Energie quadratisch ist .
    Mir fällt bestimmt noch jede Menge mehr ein wenn ich noch nachdenke.
    Damit will ich eigentlich nur sagen, dass ich den Satz: “Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit zu dieser Frage etwas beitragen kann” voll und ganz unterstütze. Uns (und die Öffentlichkeit) interessiert nur gefühlte Sicherheit. Die reale ist mehr oder weniger egal. Wenn Subjektivität und objektiver Sachverhalt so weit auseinander liegen sollte die Entscheidung Spezialisten überlassen werden.

  2. #2 tomtoo
    11. September 2017

    Will mal so sagen , klar hab ich keinen Einblick als Laie. Aber mir sind dann unabhängige Experten doch lieber wie wenn z.B BASF Experten über keine Wassergefährdung (bei Störfall) im Rhein sprechen. Ist immer so ein bischen wie VW Experten und Dieselabgase.

    • #3 Oliver Gabath
      11. September 2017

      Das kann ich gut verstehen (Ich bin ja auch so ein BASF-Experte), wobei wir in meinen Augen da sind, wo Hobbes mit seiner Anmerkung zum subjektiven und objektiven Sachverhalt hin wollte.

      Ein tatsächlicher Schaden in Form von mehr Kranken, kürzerer Lebenserwartung, etc. durch die überhöhten Stickoxidwerte ist schwierig sicher nachweisbar, wenn überhaupt. Aber die Dreistigkeit und Hartnäckigkeit mit der die Manipulationen im Konzern verleugnet wurden ist ein riesen Skandal. Genau so was ist der Grund dafür, dass man Experten aus der Industrie nicht traut. Genau so was verspielt einen Kredit, den man sich durch offene Informationspolitik aufbauen kann.

      In etwas mehr als einem Monat kannst Du an dieser Stelle einen mal wieder sehr persönlichen Artikel lesen, der das Thema zumindest in gewisser Weise streift.

  3. #4 roel
    no gods, no kings, no courts
    11. September 2017

    @Oliver Gabath

    Ich würde dieses hier: “aber wenn Mehrzahl der Experten, die für nichts anderes da sind als für Risikoabschätzungen ein Urteil veröffentlicht, dann darf man durchaus annehmen, dass da was Substanzielles dran ist.” anders ausdrücken. In etwa so:

    …aber wenn die Mehrzahl der Experten, die für nichts anderes da sind als für Risikoabschätzungen ein Urteil veröffentlicht, dann darf man durchaus annehmen, dass das dem aktuellen Wissensstand entspricht.

    Wobei die Mehrzahl besagt, dass es auch Ausnahmen gibt, die entweder den gestrigen Wissenstand haben oder bereits über Wissen verfügen, das noch nicht so breit gestreut ist. Ansonsten wären es ja keine Experten. Wie dem auch sei, wenn sich diese Ausnahmen laut zu Wort melden, ist das eine Verunsicherung der Öffentlichkeit.

    • #5 Oliver Gabath
      11. September 2017

      Das ist klasse formuliert – so gut, dass ich mich ärgere, weil ich auf diese Nuance nicht gekommen bin 😉

      In diesem unseren Land herrscht, wenn auch manchmal nicht einfach zu ertragen, allen Unkenrufen zum Trotz noch Meinungspluralismus (mit einer Ausnahme, über die ich alles andere als glücklich bin, aber die gehört gerade nicht hierher). Und so manche Meinung hängt leider an den Fakten von vor 40 Jahren. Ich will da aber keinen Stein werfen – wer weiss, was ich dereinst so für Standpunkte vertrete, wenn eine neue Generation von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern schon ein paar Schritte weiter in der Zukunft ist als ich?

  4. #6 rolak
    11. September 2017

    Schön zusammengefaßt, eindeutig ein Kandidat für die Liste der verlinkbaren Standard(Grundlagen)Texte.

  5. #7 Intensivpfleger
    11. September 2017

    Und das wichtigste bei einer Experteneinschätzung heisst “Vertrauen” und “fachliche Kompetenz”.

    Geht mir ja in meinem Job als Intensivpfleger nicht anders: ich richte täglich bei meinen Patienten individuell auf diese zugeschnitten die Grenzwerte der überwachten Parameter ein. Die Patienten und Angehörigen müssen darauf vertrauen, dass ich das nach fachkompetenter Einschätzung richtig mache und nicht nur, um meine Ruhe zu haben…

    Von Ingenieuren und anderen, mit der Überwachungstechnik betrauten Personen, erwarte ich auch, dass diese ihre Aufgabe im Interesse der Allgemeinheit (auch zum Nachteil des verursachenden/verantwortlichen Unternehmens) wahrnehmen. Dieses Vertrauen zu verspielen haben sich ja leider schon zu viele Unternehmen geleistet, wodurch der Ruf nach unabhängigen Kontrollinstanzen umso gerechtfertigter wird.

    Gruß vom
    Intensivpfleger

  6. #8 tomtoo
    11. September 2017

    @Hobbes
    Ist ja alles nicht so einfach. Trink ich ein Bier zuhause, gefährde ich mich. Bzw. meine Leber. Meine Sache, absehbar für mich. Bläst das Unternehmen “XY” 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin ab, siehts halt anders aus. Da muss ich mich auf die Experten verlassen können.

  7. #9 tomtoo
    11. September 2017

    sry Nachtrag: Und zwar mit extremer Sicherheit.

  8. #10 Joseph Kuhn
    11. September 2017

    Die Kommentare von Hobbes und Intensivpfleger machen auf die Unschärfe des Grenzwertbegriffs aufmerksam. Der wissenschaftlich ermittelte Grenzwert für die gesundheitliche Relevanz eines Schadstoffs ist etwas anderes als der rechtlich fixierte Grenzwert, den die Industrie einhalten muss, der etwas anders als der Grenzwert für das zuträgliche Maß an Alkohol am Tag, oder an Zusatzstoffen in Lebensmitteln, oder Normwerte für Cholesterin.

    Ein zwar schon älterer, aber immer noch lesenswerter kleiner Text zum Thema Grenzwerte bei Schadstoffen: Die neue Gefahrstoffverordnung: Grenzwerte und Schutzmaßnahmen

  9. #11 Dr. Webbaer
    12. September 2017

    Klingt alles sehr zustimmungsfähig, auch das mit dem Grenzwert als Menschenwerk.
    An sich ist der Grenzwert eine theoretische Größe der Mathematik, dort nicht sonderlich zu hinterfragen, im übertragenden Sinne wird er zunehmend als politische Größe gesucht, dann zu hinterfragen.
    Kleine Mini-Anekdote an dieser Stelle :
    Dr. W steht auf den Einkauf von Lebensmitteln, die den Grenzwert “Best before” knapp überschritten haben und insofern oft drastisch reduziert zum Verkauf angeboten werden.
    In aller Regel ist der Konsum dann wie gewohnt, nur deutlich günstiger, manchmal, ganz manchmal gibt es dann aber doch Geschmacksveränderungen, Saures sozusagen.
    Als Wette sozusagen ist dieser Versuch abär sehr wirtschaftlich.
    MFG + gute Arbeit,
    Dr. Webbaer

  10. #12 Dr. Webbaer
    12. September 2017

    Der wissenschaftlich ermittelte Grenzwert für die gesundheitliche Relevanz eines Schadstoffs ist etwas anderes als der rechtlich fixierte Grenzwert (…)

    Yup, es ist etwas anderes. Politiker sind zum Eigenschutz oft defensiver, der ‘wissenschaftlich ermittelte Grenzwert’ ist aber auch eine weiche Größe, eine Einschätzung, deren Beurteilung an Hand von Risk-Reward-Überlegungen sich ändern kann, Menschenwerk eben.
    Zudem gibt es hier nie weder politisch, noch wissenschaftlich einen letztlichen Konsens.

  11. #13 pederm
    12. September 2017

    Bitte korrigieren, im 7. Absatz muß es logischerweise heißen “… die Gruppen 1 bis 10, die mit Konzentrationen von 0,0 % bis 0,09 % keine Reaktion auf den Stoff zeigen und ab Gruppe 11 mit 0,1 % eine zunächst sehr kleine …”!

  12. #15 pederm
    12. September 2017

    Danke übrigens für den schönen knappen Abriss, das mach ich wie @rolak. Erspart Selberschreiben.

  13. #16 tomtoo
    12. September 2017

    Das ganze wird halt auch extrem komplex da so ein Grenzwert ja sozusagen statistische Variablen enthält und das menschliche Bauchgefühl und Statistik oft inkompatibel sind. Nicht einfach. Ich halt mich da wohl gerne an die alte Anhalterregel ‘Don’t panic’ verringert ja auch das Herzinfarkt Risiko.

  14. #17 Karl Mistelberger
    13. September 2017

    > #1 Hobbes, 11. September 2017
    > … Ich fahre Fahrrad ohne Helm. …

    Wer sich bisher nur Banales gegönnt hat sollte diesbezüglich seinen Horizont erweitern. Aktuelle Lektüre im Angebot:

    https://sciencebasedmedicine.org/faith-and-supplements-b17/

    https://www.spektrum.de/news/die-reaktorkatastrophe-von-majak/1501007

  15. […] Tobias hat mal wieder einen neuen Geigerzähler für den Hausgebrauch getestet, diesmal das eher stationäre Model des Messininstruments, dass es schon als Smartphoneversion im Test gab. Leider schneidet das neue Gerät nicht so gut ab. […]