Es ist weithin akzeptierter Stand der Klimaforschung, dass die Industrialisierung der Gesellschaft merklichen Einfluss auf die Entwicklung des Klimas der Erde hat. Die genauen Auswirkungen der einzelnen antropogenen Einflüsse sind allerdings höchst unterschiedlich. Erstaunlicherweise wird über manche in der Öffentlichkeit sehr viel gesprochen, über andere nicht.
Die Wärmebilanz der Atmosphäre ergibt sich zu fast 100 % aus der Differenz zwischen der Sonneneinstrahlung und der Abgabe von Strahlung in den Weltraum. Zu einer Erwärmung kann es also auf zweierlei Weise kommen: Die Atmosphäre kann mehr Energie „hereinlassen” oder weniger „herauslassen”.
Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass die Erhöhung der Konzentration der so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre dazu führt, dass weniger Energie in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Wie in einem Glashaus oder in einem Zimmer mit großen Fenstern kommen die Sonnenstrahlen zwar herein und erwärmen die Erde, die Wärmestrahlung des Bodens aber wird von den Treibhausgasen wie vom Glas zum großen Teil nicht wieder herausgelassen.
Wer es im Haus nicht ganz so warm haben will, zieht die Vorhänge zu (oder putzt seltener die Fensterscheiben). Damit verhindert man, dass die Sonnenstrahlung überhaupt ins Innere kommt und den Boden erwärmen kann. Genau das haben die Menschen seit Beginn der Industrialisierung getan: vor allem durch die Abgabe von Ruß aus den Schornsteinen der Kraftwerke und Fabriken haben wir einen Vorhang über die Nordhalbkugel gezogen, der sich nun – seit ca. 30 Jahren, wieder lichtet.
Sulfate z.B. reflektieren das Sonnenlicht. Der Effekt von Ruß hängt davon ab, in welcher Höhe er sich befindet – dadurch, dass er das Sonnenlicht absorbiert, erwärmt er die Luft in seiner unmittelbaren Umgebung. Drew Shindell und Greg Faluvegi (Nature Geosciences 2, pp294-300, 2009) haben berechnet, dass 45 % der Erwärmung über der Arktis in den letzten 30 Jahren auf solche Effekte und nicht auf die Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen zurückzuführen ist. Ein großer Teil des gegenwärtigen Erwärmungstrends vor allem auf der Nordhalbkugel könnte also paradoxerweise durch den Umweltschutz hervorgerufen werden.
Ein anderer interessanter Zusammenhang könnte diese paradoxe Situation noch verstärken. Wie jeder weiß, wird das Licht durch einen Vorgang nicht nur schwächer, sondern auch diffuser. Diesen Effekt hat auch die industrielle Verschmutzung der Luft. Lina Mercado u.a. (nature 458, pp 1014-1017) haben in Feldstudien herausgefunden, dass die Photosynthese in diffusem Licht besser funktioniert als unter direkter Sonneneinstrahlung. Für die Zeit zwischen 1960 und 1999 schätzen die Forscher, dass die Bindung von CO2 durch die globale Verdunklung um 25% erhöht wurde. Wenn nun die Luft wieder reiner und das Licht wieder klarer wird, wird weniger CO2 gebunden, was zu einer merklichen Verstärkung des Treibhauseffektes führt
Erstaunlicherweise sprechen die Klimaforscher selten über diese Einflüsse menschlicher Tätigkeit auf das Klima. Das Treibhaus Erde wird beschworen, der antropogene Vorhang, den dieses Treibhaus seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekam und der seit 30 Jahren Umweltschutz wieder „aufgezogen” wird, wird selten erwähnt. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Haben die Wissenschaftler Sorge, dass wir von der Komplexität zweier entgegengesetzter Effekte des Umweltschutzes überfordert sein könnten? Das wäre eine fatale Entmündigung, die letztlich auf die Mahner selbst zurückfällt. Denn in der globalen Informationsgesellschaft bleibt zum Glück kein Forschungsergebnis „geheim”. Das Verschweigen von „unerwünschten Nebenwirkungen” hilft letztlich niemandem.
Würde denn wirklich jemand auf die Idee kommen, dass weiterer Umweltschutz nicht nötig ist, weil die Auswirkungen der menschlichen Tätigkeit sich am Schluss gegenseitig aufheben? Wohl kaum – denn die tatsächliche Verbesserung unserer Lebensqualität durch Umweltschutz bemerkt jeder. der durch die Industriegebiete des 20. Jahrhunderts kommt.
Klimaforscher sollten aber so ehrlich sein darauf hinzuweisen, dass ein großer Teil des gegenwärtigen Erwärmungstrends sozusagen eine Rücknahme des Effektes ist, den die globale industrielle Verdunkelung hervorgerufen hat – und damit ein Grund zur Freude ist.
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