In einem Kommentar zu meinem Text “Gibt es Wetterfronten” zeichnete Karl Mistelberger ein schönes Bild, dem ich nicht nur einen Antwort-Kommentar sondern – zum Wochenende – einen ganzen Text widmen möchte. Er schrieb: “(Wissenschafts-)Philosphen sind wie Zahnärzte, die Löcher bohren und dann nicht wissen, wie sie diese füllen sollen. Ob man solche Leute brauchen kann ist nicht so sicher.”
Die Arbeit des Zahnarztes besteht ja, nach meiner teilweise schmerzlichen Erfahrung, aus zwei Schritten: Erst wird mit dem Bohrer die schmerzende Stelle freigelgt und gesäubert. Das ist zumeist der unangenehmere Teil, der aber oft schon Linderung verschafft. Manchmal wird das so geschaffene Loch sogar über einige Tage offen gelassen und die entzündete Stelle mit Medikamenten behandelt.
Erst im zweiten Schritt, der weit angenehmer ist, wird die Lücke wieder geschlossen und der Zahn erstrahlt, vollständig geheilt, wieder in alter Schönheit.
Vor dem Bohren liegt allerdings noch das Lokalisieren des entzündeten Ortes – auch das ist oft sehr schmerzhaft.
Ich denke, Karl Mistelberger hat Recht: Der Philosoph kann nicht mehr als das: die Quelle des Schmerzes lokalisieren und freilegen. Er tut das, indem er Fragen stellt – vielleicht sprechen wir deshalb auch von “bohrenden Fragen”.
Dass die Schmerzen bereits da waren, bevor die Philosophen sich einmischten, kann man nicht nur hier bei ScienceBlogs, sondern in der ganzen Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts sehr gut sehen. Die Schmerzen der Naturwissenschaftler ergeben sich aus der Rolle, die den Wissenschaften innerhalb der Gesellschaft zugewiesen wird oder die sie beansprucht. Damit ruft sie Kritiker und Gegner auf den Plan.
Die Philosophen, von Carnap und Popper über Kuhn und Feyerabend bis hin zu Cartwright und van Fraassen haben dabei immer auf der Seite der Wissenschaftler gestanden – aber sie haben Fragen gestellt – bohrende Fragen. Und wie jeder weiß, ist der Bohrer des Zahnarztes oft schmerzhafter als der Zahnschmerz zuvor – weshalb man den Kontakt zum Zahnarzt auch meidet und sich selten darüber freut, wenn man auf seinem Behandlungsstuhl liegt.
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