Versprochen war, dass der Film sich an Goethes „Wahlverwandtschaften” anlehnt, „frei nach…” konnte man in verschiedenen Ankündigungen lesen. Das stimmt jedoch nur für die Grundkonstellation der Geschichten, im Verlauf der Handlung entfernt sich der Film immer weiter von der genau 200 Jahre alten Vorlage – leider, muss man sagen. Denn Goethes folgerichtige Tragödie wird so durch eine wenig plausible Geschichte mit seichtem Happy End ersetzt.

Wahlverwandtschaften, damit beschrieb man in der Chemie zu Goethes Zeiten das Verhalten der Naturstoffe, sich anzuziehen oder abzustoßen. Darum geht es auch in Goethes Roman und Schippers Film: Ein Paar, Thomas und Hanna, zieht glücklich in ein altes Haus aufs Land. Nach einer Zeit voller Liebe lädt Thomas seinen Bruder Friedrich (bei Goethe der Baron einen Freund, den Hauptmann) ein, einige Zeit bei ihnen zu wohnen, woraufhin Hanna ihr Patenkind Augustine (bei Goethe die Nichte Ottilie) zu Besuch kommen lässt. Bald zeigen sich die Wahlverwandtschaften: Thomas und Augustine lieben McDonnalds, Hanna und der Friedrich trinken lieber Tee.

So wie Goethes Roman eine Geschichte über die Veränderung von Zuneigungen und Zielen in Zeiten der Veränderung ist, hätte auch Schippers Film der Frage nachgehen können, was passiert, wenn das Leben unmerklich aus gewohnten Bahnen getrieben wird, wenn neue Erfahrungen neue Möglichkeiten eröffnen. Ein Stück weit tut er das auch, aber durch die wenig glaubwürdige Verkörperung der Charaktere kann man ihm eigentlich schon nach einer halben Stunde nicht mehr folgen.

Bei Goethe geht die Sache tragisch aus, Schipper spendiert uns ein unglaubliches glückliches Ende. Der Baron zieht in den Krieg, aber Thomas ist für jede Flucht zu feige oder zu träge. Unverständlich bleibt, warum Hanna das erträgt, was sie am Schluss, wenn der August vorbei ist, noch in dem Haus und bei Thomas hält.

Am Schluss hat man das Gefühl, wenn nicht im falschen Film, dann doch im falschen Kino gewesen zu sein: Ein Mainstream-Ende im Programmkino.