Man kann Theologie an Universitäten studieren, man kann promovieren und sich habilitieren, es gibt Fachzeitschriften, Kongresse und Symposien – und trotzdem fällt es schwer, die Frage, die diesem Artikel die Überschrift gab, einfach mit “Ja” zu beantworten.
Mich interessiert hier nicht, ob dieser oder jener Theologe oder ob gar der Theologe dort im Vatikan auf dem Petrusstuhl ein Wissenschaftler ist, ob er wissenschaftlich arbeitet, dies könnte man vielleicht auch bei diesem oder jenem Physiker oder Ökonomen fragen, ich will auch nicht wissen, ob irgendeine konkrete theologische Arbeit unwissenschaftlich genannt werden muss, so wie man manch einem konkreten Produkt eines Naturwissenschaftlers Unwissenschaftlichkeit zuschreibt – hier steht die Frage zur Diskussion, ob eine “Lehre von Gott” (oder von den Göttern) genauso als Wissenschaft anzusehen ist wie eine “Lehre vom Leben”, ob Theologie als Disziplin ebenso ein Recht auf den Namen Wissenschaft hat wie Physik und Mathematik.
Die “älteren” unter meinen verehrten Lesern werden sich vielleicht erinnern dass der erste Artikel, den ich in diesem Blog veröffentlicht habe, den Titel Wann ist Wissenschaft trug. Die These darin war, dass als wissenschaftliches Werk anzuerkennen ist, was nach den unter Wissenschaftlern anerkannten Regeln der Systematik, der Logik, der Strenge entstanden, einen wissenschaftlichen Prüfprozess (z.B. den des peer review) durchlaufen hat und in einer anerkannten Zeitschrift veröffentlicht worden ist.
Eine nach diesen Kriterien funktionierende Theologie ist möglich, und sie wird, jedenfalls im Bereich der christlichen Theologien, auch praktiziert. Auf diese Weise wird z.B. untersucht, wie sich die Religionspraxis aus den heiligen Schriften herleiten lässt, es werden historische und lokale Ausprägungen des Glaubens beschrieben und in ihrer Dynamik analysiert, es werden die heiligen Schriften selbst in ihrer Bedeutung untersucht, in ihren historischen Kontext eingeordnet, mit anderen, nicht kanonischen Texten verglichen usw.
Man kann sagen, dass dies dann im strengeren Sinne nicht mehr Theologie ist, dass es sich dann vielleicht um Soziologie, um Geschichtswissenschaft, um Literaturwissenschaft handelt. Aber all dieses kann auch mit der Grundannahme des Wirkens eines Gottes geschehen – und dann ist es mit Sicherheit Theologie.
Damit nähern wir uns der schwierigsten Stelle des Problems: Setzt Theologie vielleicht die Existenz von etwas voraus, was eine Wissenschaft nicht voraussetzen darf? Muss Wissenschaft nicht voraussetzungslos betrieben werden? Befindet sich die Theologie vielleicht in einem Zirkelschluss, indem sie das voraussetzt, was sie als existent beweisen will?
Tatsächlich hat die Theologie die Existenz eines Gottes, von dem sie spricht (oder lehrt) vorraus. Aber sie will diese Existenz auch nicht beweisen – diese Existenz ist dem Theologen selbstverständlich. Klar ist natürlich, für wen es diese Selbstverständlichkeit nicht gibt,der könnte keine Theologie betreiben.
Aber kann man der Theologie deshalb die Wissenschaftlichkeit abstreiten?
Auch andere Wissenschaften haben solche Selbstverständlichkeiten. Die strengste aller Wissenschaften, die Physik, setzt die mathematische Beschreibbarkeit der Welt voraus. Ohne diese Voraus-Setzung wäre moderne Physik unmöglich.
Penrose beschreibt in seinem wunderbaren Buch The Road to Reality: A Complete Guide to the Laws of the Universe (Vintage) wie wunderbar und mysteriös es ist, dass die Welt der Mathematik so gut zur physikalischen Welt passt – eine Voraus-Setzung, die moderne Physik erst möglich macht.
Dass eine Disziplin Voraussetzungen hat, die sie nicht beweisen kann, ist also kein Gegenkriterium zu ihrer Wissenschafts-Fähigkeit. Deshalb ist Theologie als Wissenschaft auch anzuerkennen. Warum auch nicht – viellecht gibt es ja eines Tages auch einen Theologen bei den ScienceBlogs? Den Philosophen würde es erfreuen.
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