Dem Vortrag eines Evolutionsforschers konnte ich vor einiger Zeit entnehmen, dass es bei Vogelarten, die wir gemeinhin als Zugvögel ansehen, immer Individuen gibt, denen – im Gegensatz zur Mehrheit der Artgenossen – das Bleiben und Überwintern am Ort “in den Genen” liegt, so wie es bei anderen Arten, die wir als sesshaft ansehen, auch immer einzelne Exemplare gibt, die die Strapazen des Fortziehens in wärmere Gegenden dem Frieren vorziehen.

Das ist eine “kluge Erfindung” der Evolution, die auch bei Klimaschwankungen für das Überleben der Art sorgt. Wenn die Winter mild sind, überleben die meisten von denen, die “zu faul” zum Fortfliegen waren, sie können zeitig mit dem Nestbau und dem Brüten beginnen, ihr Anteil innerhalb der Population wächst, wenn aber kalte Winter die Zahl der Faulenzer dezimieren, kommen im Frühjahr immer noch genug Zugvögel von ihrer strapaziösen Reise zurück, um die Art zu erhalten.

Ob man es für das “Wesen der Art” hält, sich auf das Überwintern im Kalten einzustellen, oder ob man meint, es läge diesen Vögeln im Blut, sich im Herbst auf den strapaziösen Weg in den Süden zu machen, hängt also von den Umweltbedingungen ab, die gerade in dem Moment herrschen, in dem wir die Tiere beobachten. Mancher mag die Zurückbleibenden, die sich nicht dem Schwarm anschließen, der gen Süden fliegt, für Außenseiter halten, die dem Untergang geweiht sind oder nur durch Glück und günstige Umstände den Winter überstehen, aber vielleicht sind sie auch diejenigen, die durch ihr unnormales, abwegiges Verhalten das Überleben der ganzen Art sichern, wenn “die Zeiten sich ändern”.

Man sagt heute oft, der Forscherdrang, das Erreichen von Fortschritten in Wissenschaft und Technologie, die Erkenntnis der Welt, liege im Wesen des Menschen begründet. “Der Mensch” will die Welt verstehen, sucht schon immer nach Erklärungen für die Ereignisse, die er beobachtet und die sein Leben beeinträchtigen, und er versucht schon immer, sich seine Umgebung besser, angemessener, “lebenswerter” zu gestalten.

Verwiesen wird auf die großen Vorbilder, die auch in Zeiten des Stillstandes nach neuen Techniken gesucht haben, die den ersten Stein zum Werkzeug geformt, den ersten Kanal durch die Wüste gezogen, das Rad erfunden haben. Sie sollen als Zeugen dafür dienen, dass der Mensch schon immer ein Wissenschaftler war (vor allem sind sie seit den Zeiten aufgeschriebener Geschichte Zeugen dafür, dass Technologie vor allem dazu dienen kann, Macht über andere Menschen, weniger über die Bedingungen des Lebens aller zu erreichen).

Aber diese “Helden” sind nichts anderes als die Außenseiter unter den Zugvögeln, die lieber den harten Winter überstehen als die Strapazen des langen Fluges in wärmere Gefilde auf sich zu nehmen. Erst, wenn die Bedingungen sich ändern, werden sie zur Mehrheit, und scheinen dann “das Wesen” der ganzen Gattung zu verkörpern. Das “Wesen” ist aber nicht ein Merkmal der Art, sondern der Zeit, in der die Art gerade überlebt.

Und die Zeiten ändern sich, die Bedingungen, unter denen der Mensch sich einzurichten hat, verschieben sich weiter, und nicht etwa in eine vorher-bestimmte, klar erkennbare Richtung, sondern in einer unbestimmten, nicht erkennbaren und vorhersehbaren Weise. Von den Vögeln unterscheidet sich die Menschen, die Forscherdrang und Erkenntnis-Suche für wesentlich halten, dadurch, dass sie sich nicht nur den Bedingungen anpassen, die sich ändern, sondern dass sie meinen, die Bedingungen den Bedürfnissen der Menschen anpassen zu können. Die Skeptiker, die Sorgenvollen, werden als Außenseiter und Gestrige verlacht. Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen. Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.

So verschieben sich unsere Lebensbedingungen weiter. Vielleicht ist das, was wir heute für das “Wesen des Menschen” halten, in ein paar Jahrtausenden nur eine “Fußnote in der Geschichte”. Ob in ein paar Generationen die “Zugvögel” oder die “Bleiber” unter den Menschen die Mehrheit bilden, ist ganz ungewiss. Wichtig ist wohl nur, dass von beiden immer genug da sind, damit die wechselnden Zeiten überstanden werden. Den Vögeln, wenn sie sich paaren, ist es egal, ob der Andere ein “Zieher” oder ein “Bleiber” ist – damit sorgen sie für die Erhaltung der Art. Würden die einen versuchen, die anderen zurückzudrängen, dann könnte sich die Gattung als Ganze auf Dauer kaum erhalten.

Kommentare (107)

  1. #1 MartinB
    August 17, 2010

    “Aber diese “Helden” sind nichts anderes als die Außenseiter unter den Zugvögeln, die lieber den harten Winter überstehen als die Strapazen des langen Fluges in wärmere Gefilde auf sich zu nehmen.”
    Beleg?

    “Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.”
    Stimmt – ohne wissenschaftlichen Fortschritt wäre z.B. Krebstherapie nicht so wichtig, weil die meisten Menschen eh vorher an was anderem sterben würden. Klar bräuchten wir ohne Strom auch keine Computertechnik zu erforschen und ohne Buchdruck wäre auch das Philosophieren wesentlich schwieriger, zumal ja der Großteil von uns als Bauern tätig sein müsste und für sowas gar keine Muße hätte.
    Was genau wollten Sie jetzt damit sagen?

  2. #2 Andrea N.D.
    August 17, 2010

    Wir sind jetzt also alle Vögel (ein Teil ist ja immerhin schon Kanarienvögel – wobei, diese können doch gar nicht Wegziehen, da sie im Käfig sind, na, auch egal).
    Ich zitiere Tobias: “O Gott”

  3. #3 Tobias
    August 17, 2010

    […] vor allem sind sie seit den Zeiten aufgeschriebener Geschichte Zeugen dafür, dass Technologie vor allem dazu dienen kann, Macht über andere Menschen, weniger über die Bedingungen des Lebens aller zu erreichen

    Mal Klartext bitte und ohne rhetorisches Rumgeeiere: Dient Ihrer Meinung nach der wissenschaftliche Fortschritt und technologische Entwicklungen vor allem der Verbesserung der Lebensqualität oder dient es vor allem der Machtausübung über andere?

  4. #4 Geoman
    August 17, 2010

    “Vielleicht ist das, was wir heute für das “Wesen des Menschen” halten, in ein paar Jahrtausenden nur eine ‘Fußnote in der Geschichte’.”

    Ganz so opportunistisch schätze ich die Lage nicht ein, denn die menschliche Instinktnatur, die tief in unser Leben eingreift, wird sich auch in ein paar tausend Jahren kaum geändert haben.

    Z. B. zeigen Männer und Frauen völlig unabhängig von der Gesellschaftsform (also vom Klima…) überall in der Welt ein ähnliches sexuelles Rollenverhalten. Und dieses Rollenverhalten hat einen erheblichen Einfluss auf die ‘universelle menschliche Natur’.

  5. #5 Georg Hoffmann
    August 17, 2010

    Also weil die Anpassung an klimatische Variabilitaet zwei Strategien moeglich macht und diese letztlich ins Erbgut von Voegeln per Auslese graviert wurden, sollte man solch interessante Meinungen wie “Aids ist aus’m Biokampfstofflabor” als den Trendsetter zukuenftiger Wissenschfaft und nicht als hahnebuechenen Unsinn betrachten.
    Ok, ich werd’s versuchen.

    Arrrrgg. Ich schaff’s nicht.

  6. #6 Anonyhm
    August 17, 2010

    “Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.”

    Jaja, die böse, böse Wissenschaft. Wird wohl Zeit, daß sie endlich mal abgeschafft wird. Dann können Freigeister wie Sie endlich ihren Gedanken freien Lauf lassen ohne sich um Wissenschaft kümmern zu müssen.

    Wie lange wird es noch dauern, bis Sie im Kreis der VTler aufschlagen?

  7. #7 Marc Scheloske
    August 17, 2010

    Danke für den Text. In dem es übrigens ganz und gar nicht um eine vermeintlich “böse” Wissenschaft geht. Der Satz, den hier einige der Vorkommentatoren kritisieren, ist natürlich mißverständlich, wenn man ihn nicht in den Kontext einbettet. Der Satz zuvor lautet:

    Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen. Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.

    Der kritisierte Satz ist eine zugespitzte Erläuterung bzw. Fortführung zur Feststellung, daß ein “Großteil der Forschung (.. sich mit) den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung” beschäftigt bzw. daraus motiviert ist. Man kann sicher darüber streiten, ob die quantitative Einschätzung (Großteil!) korrekt ist. Die Tatsache aber, daß sich Wissenschaft heute in erheblichem Umfang mit Problemlösungen beschäftigt bzw. Folgekosten früherer Technologien minimieren soll, ist doch bitte unstreitig.

    Im Text (so wie ich ihn verstehe und wie er m.E. gemeint ist) geht es doch nirgendwo um Wissenschaftskritik oder Wissenschaftlerbashing. Es geht um den (eigentlich trivialen) Hinweis darauf, daß es (im Sinne der Fortexistenz der Gesellschaft) immer eine Koexistenz von Mainstream und “Außenseitern” geben muß. Und mit “Außenseitern” sind nicht UFO-Jünger, AIDS-Leugner und verwandte Freaks gemeint. Das ist doch Quatsch! Wir haben innerhalb (!) des wissenschaftlichen Diskurses verschiedene Positionen, die voneinander mal stärker, mal weniger abweichen. Darum geht es. Nicht um ein Plädoyer dafür, daß jeder Spinner gehört werden muß.

    Wie ich vorhin geschrieben habe: es ist eigentlich “nur” ein schöner Text, der im Kern um eine triviale Feststellung kreist. Mit Kierkegaard gesprochen: Das Leben kann nur vorwärts gelebt und rückwärts verstanden werden. Und genauso ist es mit der wissenschaftlichen Zivilisation: nachfolgende Generationen werden verstehen können, welche (technologisch-wissenschaftlichen) Pfade sinnvoll waren, welches Sackgassen. Ich weiß nicht, was daran streitig ist.

    @MartinB:

    Zu den Zugvögeln: ich habe gerade keine Zeit detailliert nach Studien zu suchen, aber da gab es doch in den letzten 2-3 Jahren einige Befunde dazu, daß sich bei immer mehr Vogelarten die Population in Zugvögel und Standvögel aufspaltet. Insgesamt scheint die Zugaktivität nachzulassen und die Teilpopulation, die nicht mehr zieht, hat bestimmte Vorteile (aber eben auch das Risiko, daß sie bei einem harten Winter im Bestand gefährdet ist).

    Hier u.a. dazu ein aktuelles Paper:

    • Francisco Pulido und Peter Berthold: Current selection for lower migratory activity will drive the evolution of residency in a mirgratory bird population. (PNAS), veröffentlicht am 5.April 2010 (doi/10.1073/pnas.0910361107)
  8. #8 Thomas J
    August 17, 2010

    @alle

    Also jetzt versteh ichs wirlich nichtmehr…
    JF zieht eine Analogie, die als Erklärungsversuch für unterschiedliche Lebenshaltungen dienen könnte (wenn auch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen) und trifft keine einzige wertende(!) Aussage.
    Und dann werden solche Strohmänner (Krebstherapie, Aids, blabla) aufgefahren?
    Ich kapiers nicht.

    @MaritnB im Speziellen

    Wieso forderst du einen Beleg für eine Interpretation? Die Aussage kann nicht belegt werden, es ist JF “Sicht der Dinge”, die er uns mitteilen will.
    Jetzt fang ich dann auch gleich an mit “Ihr Wissenschaftler denkt nur so und so…”.

  9. #9 Ulrich Berger
    August 17, 2010

    “Den Vögeln, wenn sie sich paaren, ist es egal, ob der Andere ein “Zieher” oder ein “Bleiber” ist – damit sorgen sie für die Erhaltung der Art. Würden die einen versuchen, die anderen zurückzudrängen, dann könnte sich die Gattung als Ganze auf Dauer kaum erhalten.”

    Puhhhh. Klassischer Fall von group selection fallacy. https://de.wikipedia.org/wiki/Arterhaltung

  10. #10 adenosine
    August 17, 2010

    Vor allem bemüht sich die Wissenschaft auch um die Probleme, die das Überleben von 7 Milliarden Menschen lösen. Ohne Wissenschaft gäbe es mit nur 1/10 dieser Menge diese Probleme nicht.

  11. #11 CCS
    August 17, 2010

    “Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen. Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.”

    Naja… Tödliche Infektionen waren nun auch ohne Wissenschaft schon da. Auch Öl konnte man ohne sie pumpen, wenn es auch inzwischen mithilfe der Wissenschaft deutlich mehr und effizientere Möglichkeiten zur Nutzung gibt.
    Natürlich ist die Gewohnheit angenehmer und vieles ändert sich erst, wenn es einfach nicht mehr so geht wie früher. Aber war das Internet denn wirklich die Lösung eines ernsten Problems oder vielmehr die Erweiterung/Verbesserung der Arbeits- und Lebensstandards? Ich habe mit Pauschalisierungen immer so meine Probleme.

  12. #12 Andrea N.D.
    August 17, 2010

    @Thomas J.
    Sicht der Dinge = nicht Interpretation = nicht wertende Aussage na ja, was soll es dann sein – eine höchst triviale Aussage?

    @Marc:
    Schön, dass Du versuchst uns den Text in normalem Deutsch nahezubringen.
    “Es geht um den (eigentlich trivialen) Hinweis darauf, daß es (im Sinne der Fortexistenz der Gesellschaft) immer eine Koexistenz von Mainstream und “Außenseitern” geben muß.”

    Da würde ich Dir zustimmen. Aber erstens könntest Du jetzt erklären (oder theoretisieren?), warum eine solche triviale Feststellung in priesterlichem Gewand und salbungsvoller Sprache hier auf SB eine Plattform hat und zweitens kannst Du nicht erklären, was dann die anderen Aussagen von JF über Wissenschaft und Herrschaft sollen, wenn er hier ganz unschuldig von Außenseitern und Mainstream fabuliert. Da wird dann der Lebensberatungs-Text nicht mehr ganz so trivial, nicht? Vielleicht wäre dann zukünftig eine Einleitung fällig: “Also, Gestern habe ich zwar darüber polemisiert, dass Wissenschaft “herrscht”, aber heute schreibe ich einen ganz braven, wertungsfreien und unschuldigen Artikel über das Verhältnis von Vögeln zu Vögeln.” Na ja …

  13. #13 MartinB
    August 17, 2010

    @ThomasJ
    Ich fordere einen Beleg für eine konkrete “ist”-Aussage. Die ist hier ja nicht als Meinung oder Interpretation dargestellt worden, sondern als Fakt.

    @Marc
    Einen beleg für die Aufspaltung der Zugvogelpopulationen wollte ich nicht, sondern einen beleg dafür, dass die “erfinderischen helden” die Außenseiter sind etc, siehe oben.

    Auch mit dem Vor-Satz wird das Zitat in meinen Augen nicht besser: Dass ein “Großteil” der Forschung sich technologiefolgen widmet, halte ich für eine höchst fragwürde und beleg-bedürftige Aussage. Der plakative Satz danach macht es nicht plausibler, sondern überspitzt es nur noch mehr.

  14. #14 Georg Hoffmann
    August 17, 2010

    @Marc
    “Wir haben innerhalb (!) des wissenschaftlichen Diskurses verschiedene Positionen, die voneinander mal stärker, mal weniger abweichen.”

    Das ist in der Tat trivial. Was gewinnt diese schlichte Aussage durch den Vergleich mit Anpassung von Zugvoegeln an klimatische Variabilitaet?

    “Nicht um ein Plädoyer dafür, daß jeder Spinner gehört werden muß. ”

    Aus dem Gesamtzusammenhang bei Artefakten finde ich das ganz und gar nicht klar.
    zB
    https://www.scienceblogs.de/arte-fakten/2010/06/meine-arzte.php

  15. #15 MartinB
    August 17, 2010

    @Marc
    Noch ein Nachtrag:
    Ich sehe in dem Text keinen Beleg dafür, dass es um unterschiedliche meinungen *innerhalb* der Wissenschaft geht.
    Ich zitiere mal (leicht verkürzt um eine Klammer):

    Sie sollen als Zeugen dafür dienen, dass der Mensch schon immer ein Wissenschaftler war…
    Aber diese “Helden” sind nichts anderes als die Außenseiter unter den Zugvögeln

    Und weiter unten dann

    Von den Vögeln unterscheidet sich die Menschen, die Forscherdrang und Erkenntnis-Suche für wesentlich halten, dadurch, dass sie sich nicht nur den Bedingungen anpassen, die sich ändern, sondern dass sie meinen, die Bedingungen den Bedürfnissen der Menschen anpassen zu können. Die Skeptiker, die Sorgenvollen, werden als Außenseiter und Gestrige verlacht.

    Also: Hier wird der Unterschied gemacht zwischen den Erkenntnis-Suchern (ich denke, das darf man getrost als “Wissenschaftler” verstehen) und den “Skeptikern” – deren Sorgen nachfolgend dadurch für verständlich erklärt werden, dass sich ja heute ein “Großteil” der Forschung um Technikfolgenbeherrschung dreht.
    Ich sehe in keiner Weise, dass man das als “innerhalb” der Wissenschaft auffassen kann oder es so gemeint sein könnte.

  16. #16 Marc Scheloske
    August 17, 2010

    @Georg:

    Über die Frage, ob die Analogie (Zugvögel/Forschungsprozeß) treffend, an den Haaren herbeigezogen oder sonstwas ist, kann man natürlich diskutieren. Ich finde es legitim, aufregenswert sicher nicht.

    Und zum weiteren Gesamtzusammenhang: naja, der von Dir verlinkte Text ist ne Anekdote. Wobei ich (mich selbst einschränkend) hinzufügen muß: ich habe geschrieben, daß man nicht alle “Spinner” hören muß. Das kollidiert ja im realen Leben ggf. mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Minderheitenrechten. Wichtig ist ja nur, daß die Wissenschaft halbwegs vernünftige Methoden hat, um zwischen Phantasten und ernstzunehmenden Außenseitern zu unterscheiden.

    @MartinB:

    Ja, stimmt, ich hatte Dich da wohl mißverstanden. Aber in meinen Augen ist das eine zulässige Beschreibung/Interpretation des Sachverhalts. Wenn ein (kleiner!) Teil einer Zugvögelpopulation nicht dieses Verhalten aufweist, dann kann man doch diese Minderheit als “Außenseiter” bezeichnen. Oder störst Du dich an der Begrifflichkeit “Helden”? Klar, darüber kann man sicher diskutieren, ob das zulässig ist. In meinen Augen ist das aber Geschmackssache und legitim. Belege dafür, daß die Vögel ein “Heldengen” hätten (von manchen auch “John-Wayne-Gen” genannt) gibt es natürlich nicht.

    @CCS:

    Mit der Aussage, daß Wissenschaft sich immer (auch) mit der Lösungen von Problemen beschäftigt, die in früheren Zeiten eben auch durch Wissenschaft möglich wurden, ist doch nicht notwendigerweise die Behauptung aufgestellt worden, Wissenschaft sei immer und ausschließlich Problemerzeuger. Es ist nur gesagt, daß Wissenschaft (selbstgeschaffene) Probleme löst. Neben anderem. Sich daran aufzuhalten, erinnert mich an Brecht. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen:

    Was sind das für Zeiten, wo
    Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
    Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

    Hier wird Jörg Friedrich das Schweigen über die wissenschaftlichen Wohltaten vorgehalten. Hmmmm… finde ich seltsam. Ich muß doch nicht immer Hallelujah singen, oder?

  17. #17 kommentarabo
    August 17, 2010

  18. #18 Marc Scheloske
    August 17, 2010

    @MartinB (zu diesem Kommentar):

    Ja, dieses “innerhalb” des wissenschaftlichen Diskurses ist zugegebenerweise ein wenig von mir reingelesen. Jedenfalls ist es nicht so eindeutig, stimmt schon.

    Entscheidend ist ja, wen Jörg Friedrich mit den “Skeptikern und Sorgenvollen” meint. Für mich sind das explizit keine Freaks, die den Weltuntergang herbeiphantasieren, weil in Genf ein Teilchenbeschleuniger anläuft. Natürlich sind die Grenzen manchmal fließend, denn was sind berechtigte Einwände+Sorgen, was ist haltloses Gebrabbel.

    Aber laß mich das ganz kurz am Beispiel grüne Gentechnik festmachen, weil ich da selbst geforscht habe (nicht als Naturwissenschaftler, sondern als Soziologe, der die Auseinandersetzungen der verschiedenen Akteure in diesem Feld analysiert und bewertet hat):

    Es ist da einfach nicht zielführend, wenn man nur zwischen Befürwortern der Agrogentechnik (Forscher, Industrie, Teile der Politik) und Gegnern (Umweltverbände, Ökos + Teile der Politik) unterscheidet. Wenn man sich nur den Bereich der “Skeptiker” ansieht, so zergliedert sich deren Gruppe mindestens in naive Unversehrtheit-der-Natur-Ideologen (die keine Gene im Essen haben wollen) und in eine Akteursgruppe, die durchaus mit ernstzunehmenden Argumenten ihren Widerspruch anmeldet. Ich denke spontan an (ist gut 10 Jahre her) an die Fütterungsstudien (Kartoffeln an Ratten) von Arpad Pusztai. Pusztai war jahrzehntelang als seriöser Experte ausgewiesen, wurde aber in den 90ern zum Skeptiker, ob bestimmte Genmodifikationen im Lebensmittelbereich nicht doch gesundheitliche Folgeschäden verursachen.

    Ich will hier nicht diskutieren, ob Pusztai geschlampert hatte, ob er andere Motive für seine Studien hatte etc. Wichtig ist mir nur: Gegenmeinungen, Außenseitermeinungen wie solche Studien von Pusztai sind enorm wichtig. Das sind die “Skeptiker”, von denen ich spreche und ich behaupte, daß auch JF diese Gruppe meint. Ich zumindest spreche nicht von Zeitgenossen, die glauben, eine GM-Tomate verströme schlechtes Karma.

    Aber (das meine abschließende Bemerkung) die Argumente von Pusztai und Co. wurden und werden teilweise auch von außerwissenschaftlichen Akteuren in die Debatte “eingespeist”. Wirklich trennscharf lässt sich ja der wiss. Fachdiskurs (und dessen jeweilige Agenda und Prioritäten) nicht vom allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs trennen. Da gibt es ständig Wechselwirkungen an den Rändern.

  19. #19 Tobias
    August 17, 2010

    Marc,

    Frau Scholz, meine Lehrerin in der zweiten Klasse Grundschule, merkte in ihrer Jahresbeurteilung meiner Leistungen an, dass ich ein sehr gutes Leseverständnis hätte. Das hat sich – soweit ich das beurteilen kann – seither eher noch verbessert. Ausser bei den Arte-Fakten. Es ist zum Teil schwierig hier einen stringenten Gedankenweg durch den Schwurbel-Urwald zu schlagen und irgendwie lande ich (und ich bin nicht alleine) immer bei den falschen Rückschlüssen. Immer ist etwas anderes gemeint.

    Es ehrt dich, dass du dein Lieblingsblog hier verteidigen möchtest, ich hätte trozdem gerne klare und kurze Antworten vom Autor des Blogs auf diese Sätze:

    […] vor allem sind sie seit den Zeiten aufgeschriebener Geschichte Zeugen dafür, dass Technologie vor allem dazu dienen kann, Macht über andere Menschen, weniger über die Bedingungen des Lebens aller zu erreichen

    Dient Ihrer Meinung nach der wissenschaftliche Fortschritt und technologische Entwicklungen vor allem der Verbesserung der Lebensqualität oder dient es vor allem der Machtausübung über andere?

    Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen.

    Belegen bitte. Mit Zahlen.

    Wer sich auf einer Blogplattform für Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikation notorisch wissenschaftskritisch äussert (Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.) und es offensichtlich nicht schafft angebrachte Zweifel zu klären, der brauch sich nicht wundern, wenn ihm ein Artikel nach dem anderen um die Ohren fliegt.

    Es schafft für die anderen Autoren hier auch keine angenehme Atmosphäre.

  20. #20 MartinB
    August 17, 2010

    @Marc
    “Das sind die “Skeptiker”, von denen ich spreche und ich behaupte, daß auch JF diese Gruppe meint.”
    Habe ich anders verstanden, denn der war ja selbst auch Wissenschaftler. Wenn das gemeint wäre, wäre es vermutlich ja konsensfähig.

    Ich sehe diesen Post im Kontext mit dem von neulich, in dem JF sagte, er wäre der Wissenschaft nicht dankbar, weil es ihm ohne bestimmt auch ganz super ginge (weil er bestimmt auch vor 200 Jahren abends weintrinkend am Kamin gesessen hätte, und das bisschen erhöhte Kidnersterblichkeit fand man damals auch gar nicht so schlimm – als ich den Satz “die Kinder um uns herum wären nicht so gesund wie unsere, aber es wären mehr.” gelesen hatte, habe ich schwer geschluckt) – das ist die Art Skeptizismus, die ich hier gemeint sehe.

  21. #21 sch421
    August 17, 2010

    @Marc Scheloske

    Ich habe den Text so verstanden, wie Sie. Es geht nicht um die wissenschaftliche Erkenntnis an sich, sondern um ihre Anwendung. Nach dem Motto: wir können zwar Pflanzen genmanipulieren, aber wir sollten es nicht tun. Die Frage ist nur, gibt es irgendeine nennenswerte Gelegenheit, bei der sich die Skeptiker mit Ihrer Sichtweise durchgesetzt haben?

    Mit der Aussage, daß Wissenschaft sich immer (auch) mit der Lösungen von Problemen beschäftigt, die in früheren Zeiten eben auch durch Wissenschaft möglich wurden, ist doch nicht notwendigerweise die Behauptung aufgestellt worden, Wissenschaft sei immer und ausschließlich Problemerzeuger.

    Hier verteidigen Sie Ihre eigene Aussage, nicht die von Herrn Friedrich. In seinem Satz tauchte nämlich “größtenteils” auf. Das ist zwar nicht “immer”, enthält aber schon eine Wertung, oder?

  22. #22 Georg Hoffmann
    August 17, 2010

    @Marc
    “Über die Frage, ob die Analogie (Zugvögel/Forschungsprozeß) treffend, an den Haaren herbeigezogen oder sonstwas ist, kann man natürlich diskutieren. Ich finde es legitim, aufregenswert sicher nicht.”

    Nichts, von dem was Joerg Friedrich schreibt, kam meiner Meinung auch nur in die Naehe von etwas “Illegitimen”, hoechstwahrscheinlich auch nichtmals von etwas Aufregenswertem. Da gebe ich dir recht und das wollte ich auch nichtmals andeuten.

    Solche Anthropozentrismen wie dieser Vergleich der “Avantgarde” der Zugvoegel und den wissenschaftlichen Skeptikern sind aber manchmal zumindest fuer mich voellig unverstaendlich und manchmal wie im Falle des Beispiels mit der Arterhaltung von Ulrich oben offensichtlich politisch gemeint und obendrein gaga.

  23. #23 Ulrich Berger
    August 17, 2010

    Ich bin wahrscheinlich der einzige hier, aber der Satz Das ist eine “kluge Erfindung” der Evolution, die auch bei Klimaschwankungen für das Überleben der Art sorgt. treibt mir mehr Tränen in die Augen als alle “wissenschaftskritischen” Äußerungen auf diesem Blog zusammen. Seufz…

  24. #24 sch421
    August 17, 2010

    @Ulrich Berger

    Nein, mir geht es genauso.

  25. #25 Tobias
    August 17, 2010

    Ulrich,
    darauf, sowie auf das seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts überholten Mechanismus der Arterhaltung will ich hier gar nicht eingehen. Es führt ja doch zu nichts.

  26. #26 roel
    August 17, 2010

    @Tobias Es ist ein altes Sprichwort und es ist immer noch gültig: Wissen ist Macht.

    @sch421 JF hat Großteil geschrieben, nicht größtenteils.

  27. #27 sch421
    August 17, 2010

    @roel

    stimmt, mein Fehler

  28. #28 Ludmila Carone
    August 17, 2010

    @MartinB Ich frag mich ja bei solchem Schmuh, ob er irgendwann in seinem Leben mal mit seinen Großeltern und Urgroßeltern gesprochen hat. Meine italienische Großmutter, Jahrgang 1906, Bäuerin in einem der ärmsten Landstriche Italiens hat 8 Kinder geboren, von denen sie 4 im Säuglingsalter zu Grabe tragen musste.

    Mein Großvater väterlicherseits ist als Sohn von Kleinbauern in der Bukovina groß geworden. Die ärztliche Versorgung war schon in den 30ern dort nicht besonders gut. Als der Krieg kam, brach sie dann völlig zusammen. Er musste miterleben wie eine seiner kleinen Schwestern elendlich an einer Blinddarmentzündung krepiert ist, weil nirgendwo mehr ein Arzt aufzutreiben war. Es muss ein schreckliches Erlebnis gewesen sein, weil niemand dem Kind helfen konnte.

    Bei solchen Dreckaussagen wie “hach ja, früher war das Leben auch nicht soo viel härter” kommt mir daher schlicht die Galle hoch und wünschte mir, dass diese verwöhnten Wohlstandsbildungsbürger mal ein paar Jahre in einer armen Gegend in Afrika verbringen. Dann sprechen wir uns noch mal bezüglich “früher war das Leben xyz”

  29. #29 Sören
    August 17, 2010

    Ob ein Vogel den Winter in wärmeren Gefilden verbringt oder schlicht hierbleibt, hängt auch von der Nahrungssituation ab. Durch ein Vogelhaus können wir Menschen den Vögeln nämlich ein zuverlässige Futterquelle geben und die lange Reise erübrigt sich. Wir haben zB. ein Rotkehlchen-Paar hier – ein ehemaliger Zugvogel – das einfach hierbleibt.

  30. #30 MartinB
    August 17, 2010

    @Ludmilla
    Ich habe die Einstellung schon anderswo gehört, dass man es früher ja quasi “gewohnt” war, dass Kinder sterben und deshalb auch nicht so drunter gelitten hat…
    Wird man wahrscheinlich in 200Jahren auch über das 21. Jh. sagen: “Och, damals war das normal, Krebs zu haben, das hat die Leute nicht so mitgenommen wie heute…”

    Ich erinnere mich, mal ein Schloss besichtigt zu haben, in dem eine Fürstin lebte, die 15 Kinder bekommen hatte (das allein stell ich mir lieber nicht vor…) von denen nur 5 überlebten – und das bei der damals sicher besten Versorgung, die zu bekommen war. (Weiß leider nicht mehr, wo das war, war auf irgendeiner Konferenz-Tour…) Man mag sich gar nicht ausmalen, wie ängstlich man unter diesen Bedingungen auf seine Kinder schauen und bei jedem kleinsten Schnupfen in Panik verfallen würde – ich wette, der Wein am Kamin würde einem da gern im Hals stecken bleiben.

  31. #31 Andrea N.D.
    August 17, 2010

    @Marc:

    Du scheinst als Einziger die Wissenschaftsfeindlichkeit dieses Blogs nicht wahrzunehmen.

    Der Kommentar von Martin B ist nur ein Beispiel: “Ich sehe diesen Post im Kontext mit dem von neulich, in dem JF sagte, er wäre der Wissenschaft nicht dankbar, weil es ihm ohne bestimmt auch ganz super ginge (weil er bestimmt auch vor 200 Jahren abends weintrinkend am Kamin gesessen hätte, und das bisschen erhöhte Kidnersterblichkeit fand man damals auch gar nicht so schlimm – als ich den Satz “die Kinder um uns herum wären nicht so gesund wie unsere, aber es wären mehr.” gelesen hatte, habe ich schwer geschluckt) – das ist die Art Skeptizismus, die ich hier gemeint sehe”. – Hauptsache ist doch, dass JF seinen Wein in jedem Jahrhundert trinken kann!

    Du scheinst als Einziger nicht wahrzunehmen, dass auf diesem Blog Wissenschaftsfeindlichkeit der Grundtonus ist, der immer und immer und immer und immer wieder in andere Artikel verpackt, mit Zitaten und Büchern von unterschiedlichen Autoren “erklärt” superverklausuliert (damit man anschließend behaupten kann, man habe etwas gaaaanz aaaanderes gemeint), hier ausgebreitet, unschuldig-naiv postuliert und manchesmal auch apodiktisch behauptet wird.

    Ich versuche Deine Blindheit hier zu verstehen, aber ich tue mich, ehrlich gesagt, ziemlich schwer. Das hier ist ein reines polemisches Meinungsblog, in dem ab und zu noch Bücher besprochen werden (diese aber auch wertend, meinend). Belege gibt es keine, ja teilwese werden sogar Zitate nicht gekennzeichnet und nur nacherzählt. Aus all dem wird dann eine Mischung zusammenfabuliert, die IMMER in derselben Grundmeinung endet: Wissenschaft ist scheiße.

    Das erinnert mich ein bisschen an die Rationalismusdiskussion, mit der ich mich gerade ausführlich beschäftige. Unser “Rationalismus” ist zu reinem Zweckrationalismus “verkommen”, deshalb wurde u.a. in der Kritischen Theorie die Wissenschaft mit ihrer rationalen Methode für sämtliche Schrecken (des 20. Jh.) verantwortlich gemacht. Dies begünstigte eine neue Art von Irrationalismus, der sich gegen die Folgen der rein rational-technisierten Welt richtete. Die Gedankengänge von JF scheinen mir diesem Irrationalismus sehr ähnlich. Solche (vielleicht dem deutschen Idealismus entnommenen, daran sieht man wieder, das nichts neu ist) Spinnereien oder Träumereien halte ich schon persönlich für sehr gefährlich. In der Öffentlichkeit werden sie gefährlicher. Auf SB sind sie schädigend für die richtigen Wissenschaftler. So, und jetzt äußere ich mich wirklich nicht mehr dazu sondern werde – wie Ludmila empfohlen – meine Tastatur verstecken und mich auf die Finger setzen.

  32. #32 Marc Scheloske
    August 17, 2010

    @Ludmila:

    Im Text oben geht es aber definitiv nicht um ein “früher war alles besser”.

    @andere Kommentatoren:

    Ich gebe Euch ja recht, daß der Satz “Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten” durchaus auch dezidiert und ausschließlich wissenschaftsfeindlich interpretiert werden könnte. Ich lese ihn nicht so und so wie ich JF kenne, ist er von ihm auch keineswegs so gemeint. Ich möchte wirklich nicht spitzfindig klingen, aber auch wenn wir uns darauf einigen, daß der Satz “wissenschaftskritisch” ist, dann ist das noch lange nicht gleichbedeutend mit “Wissenschaftsfeindlichkeit”.

    Ich kann nur wiederholen: Das Statement “Wissenschaft müht sich um die Lösung von (selbstgeschaffenen) Problemen” ist in meinen Augen komplett unproblematisch. Das ist eine zutreffende Tatsachenbeschreibung. Die Frage ist ja nur, ob der Satz von Wissenschaftsfeinden (die sich zurück in vorwissenschaftliche Zeiten wünschen) oder von (im positiven Sinne) kritischen Zeitgenossen geäußert wird, die ganz selbstverständlich unsere wissenschaftlich-technologischen Errungenschaften begrüßen und gutheißen. (Ich gebe zu, daß der erwähnte Text in dem JF vom Rotwein am Lagerfeuer sprach, nicht wirklich gut durchdacht war; aber ich bitte doch darum auch hier nicht negatives Cherrypicking zu betreiben und JF in die Kategorie “Träumer-der-jeden-Fortschritt-ablehnt” einzuordnen. Das ist doch absurd.)

    Und noch eine kleine Anmerkung meinerseits (danach muß ich dringend andere Sachen erledigen):

    Ich möchte kurz zu bedenken geben, daß man die Verwendung der Begrifflichkeit “Problem” nicht zwingenderweise als abwertend und negativ konnotiert verstehen muß. Das ist doch (ganz im Gegenteil) das Alltagsgeschäft der Wissenschaft. Es gibt Probleme (oder Rätsel oder Fragen etc.), deren Lösung eine Herausforderung darstellt. Von Popper gibt es den Satz: “Alles Leben ist Problemlösen”. Und genauso ist es.

    Wissenschaft hat uns Probleme beschert, die wir heute lösen müssen. Das ist (ich wiederhole mich) eine triviale Behauptung. Die Frage ist doch nur, ob man nun deshalb das ganze System Wissenschaft zum Teufel wünscht (was naiv und lächerlich wäre) oder ob man nüchtern und dennoch hoffnungsvoll akzeptiert, daß es zur Wissenschaft (als Methode des Problemlösens) keine Alternative gibt. Ich weiß, zu welcher Gruppe Jörg Friedrich gehört.

    P.S.: Ich mische mich diesmal wirklich nicht ein, weil ich partout die Arte-Fakten verteidigen müsste (in mehr als 90% aller Diskussionen hier findet man kein einziges Statement meinerseits).

  33. #33 Georg Hoffmann
    August 17, 2010

    @Marc
    Alles ok. Aber ein bisschen erinnert mich das jetzt an den Hundebesitzer, der zur Beschwichtigung und Beruhigung dem vom Doberman Begrabenen zuruft: “Er will doch nur spielen”.

  34. #34 Ludmila Carone
    August 17, 2010

    @Marc: Würdest Du bitte den Kommentar darauf beziehen, was Martin geschrieben hat? Darauf hab ich geantwortet. Danke!

    Diese historisch falsche, die Vergangenheit verbrämende und die Errungenschaft vor allem der modernen Medizin negierende Einstellung hat JF besonders prägnant in dem Artikel “Warum Ihro Gnaden JF der Wissenschaft nicht dankbar sein kann” sowohl in seinem Post wie auch in den Kommentaren darunter schön zur Schau gestellt.

    Inklusive solcher Aussagen wie “hach, dann würd ich eben den Wein bei Kerzenschein süffeln” und inklusive der Martin zitierten Aussage mit der Kindersterblichkeit. Inklusive mit der historisch falschen Aussage, dass Bauern früher aber ja auch ab und an mal freie Tage hatten und deren Leben deswegen früher ja gar nicht sooo schlecht gewesen sei. Hat der Mann eigentlich einen heutigen Kleinbauernbetrieb mal aus der Nähe erlebt und dort mit den Leuten gesprochen? Bauer zu sein ist selbst heute noch einer der anstrengendsten Berufe, die es in Deutschland gibt. Urlaub? Geht kaum. Freizeit? Auch sehr begrenzt. Man muss schon Idealist sein, um das durchzuziehen.

    Meine Großeltern bzw. Urgroßeltern und einige meiner Onkel waren noch Bauern. Mein Vater und Großvater haben mir genug von dem Bauernleben aus ihrer Kindheit erzählen können. Weitab von dieser romantisch-verklärenden Verbrämung. Man kann auch einfach mal “Herbstmilch” lesen. Und ich hab bisher nix gefunden, was diese Einsicht in die Vergangenheit relativiert. Eher im Gegenteil.

    Und diese seltsame Grundeinstellung zelebriert er immer und immer wieder. Und ich finde es halt Scheiße. Und ich finde es auch nicht gerade prickelnd, wenn er es hier wieder einmal schafft nachweislich falsche oder schon seit Jahrzehnten überholte Sachen in seinen Texten als “Fakten” zitiert. Und das dann noch nicht mal korrigiert?

    Wozu mach ich mir eigentlich die Mühe für meine Texten möglichst alles nachzuschlagen, um ja keinen kompletten Blödsinn zu erzählen? Ich kann gar nicht so schnell wohlrecherchiert, gut durchdachte Artikel nachschieben, wie JF hier die Scienceblogs mit irgendwelchem Mist zumüllt, den er sich gerade zusammengesponnen hat.

    So etwas finde ich einfach nur frustrierend.

  35. #35 Jörg Wipplinger
    August 17, 2010

    Arterhaltung? Ernsthaft? Arterhaltung?
    Wenn @Ulrich Berger nicht schon was gesagt hätte, und @Tobias nicht schon
    resigniert hätte, würde ich meinen, ich flipp gerade ganz allein aus.
    Bin ja gegen Zensur, möchte aber doch ein Bitte an Jörg Friedrich richten:
    https://diewahrheit.at/video/evolution-quanten

  36. #36 Andrea N.D.
    August 17, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Kommentar von Ludmila: “Meine Großeltern bzw. Urgroßeltern und einige meiner Onkel waren noch Bauern. Mein Vater und Großvater haben mir genug von dem Bauernleben aus ihrer Kindheit erzählen können. Weitab von dieser romantisch-verklärenden Verbrämung. Man kann auch einfach mal “Herbstmilch” lesen. Und ich hab bisher nix gefunden, was diese Einsicht in die Vergangenheit relativiert. Eher im Gegenteil.”

    Siehe hierzu “Formen der Familie” von Heidi Rosenbaum. Das würde einige Ihrer gerne gepflegten Klischees über den Haufen werfen – u.a. die von Ludmila genannte “Verklärung”. Gerne kann ich weitere Literatur nennen.

  37. #37 cohen
    August 17, 2010

    Zur “Guten alten Zeit” gibt es doch das Video, welches Florian auch verlinkt hat:
    https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/07/das-impflied.php

    Die Eltern habe ihre Kinder damals nicht weniger geliebt, als wir unsere Kinder heute.

    Was für Vögel waren denn zum Beispiel Salk und Sabin, Alexander Fleming, Robert Koch oder Ignaz Semmelweis?

    Nach Norman Borlaug trau ich mir in diesem Blog hier gar nicht zu fragen.

  38. #38 cohen
    August 17, 2010

    Das Buch der Ärztin Jenny Springer “Die Ärztin im Hause” von 1927 hilft auch ganz gut gegen Geschichtsverklärung:
    https://www.impfinformationen.de/startseite/historisches/jenny-springer.html

    Tritt der Tod ein, so erfolgt er entweder durch Erstickung oder durch Herzlähmung infolge diphtherischer Herzmuskelentzündung, durch Nierenentzündung oder Hirnhautentzündung. Bei sehr schweren Fällen dagegen wird der tödliche Ausgang durch die Allgemeinvergiftung (Sepsis) verursacht, ohne dass bestimmte Organerkrankungen eine Rolle spielen. Die Herzlähmung durch Diphtherie ist ganz besonders noch in der Rekonvaleszenz zu fürchten. Manches Kind, welches man sicher gerettet glaubte, stirbt plötzlich noch nach einigen Wochen.

  39. #39 PeteH
    August 17, 2010

    Auf Grund der Wein+Kamin Story wird JF Geschichts-Verklärung unterstellt?
    Für mich liest sich das nur rational, also nicht die Zeiten werden romantisch-kitschig verklärt sondern die Einstellung der Menschen wird betrachtet. Die Menschen vor 100 oder mehr Jahren, saßen eben nicht jeden Abend in einen möglichst dunklen Loch und haben sich selbst bemitleidet, sondern sie haben mit Sicherheit auch das beste aus ihren Leben gemacht ohne sich zu denken das man es in 100 Jahren doch viel schöner hätte. Das dann in einer weniger entwickelten Gesellschaft eine höhere Kindersterblichkeit vorhanden ist, muss auch nicht durch irgendwas geschönt werden, sondern eben rational (wie JF) eben begriffen werden.
    Rational könnte man hier erklären “sich mit den unabänderlichen abfinden…”.

    Also auch wenn JF sich nicht für alle unmissverständlich ausdrückt, sollte dies kein Grund sein aus dem eigenen Unverständnis mit konstruierten Fehlern zu argumentieren.

    ….back to Topic plz!

  40. #40 schnablo
    August 17, 2010

    Man sollte vielleicht unterscheiden zwischen dem Drang, die Natur zu verstehen, und dem Beduerfnis, die Umgebung den eigenen Beduerfnissen anzupassen. JF fasst hier beides leicht missverstaendlich zusammen. An anderer Stelle schreibt er aber auch, dass der technische Fortschritt nur bedingt mit den Wissenschaften zu tun hat, Gewinnstreben und Unternehmertum seien stattdessen die wahren Triebkraefte. Daher kann man davon ausgehen, dass es hier keinesfalls um Kritik an den Wissenschaften geht, sondern der ungezaehmte Kapitalismus zutreffend als die Wurzel allen Uebels identifiziert wurde.

    Es ist dann auch klar, dass man das Beduerfnis die Umwelt nach eigenem Gusto zu veraendern, als ruecksichtslose Maximierung des persoenlichen Nutzens zu verstehen hat und dass es damit Probleme gibt, wird wohl auch kaum jemand bestreiten.

  41. #41 perk
    August 17, 2010

    Also auch wenn JF sich nicht für alle unmissverständlich ausdrückt, sollte dies kein Grund sein aus dem eigenen Unverständnis mit konstruierten Fehlern zu argumentieren.

    tjaaa das ist das hauptproblem mit arte-fakten
    jeder dritte post hier (im langfristigen mittel) enthält eine unterstellung eines “eigenen unverständnises” für den jeweiligen gegenüber.. und das witzigste ist: das passiert immer nach dem fragen zum verständnis gestellt wurden und von jörg friedrich mildtätig übergangen …

    es bleibt einfach bei:
    “I sog ned so und I sog ned so, damit’s hinterher ned hoaßt: I hät’ so oder so gsogt!”

  42. #42 perk
    August 17, 2010

    @ schnablo
    so wie ich es in den anderen artikeln zu dem thema hier bisher gelesen habe war die position von JF eher dass sich die wissenschaft nur mit sich selbst beschäftigt und immer abgehobener/unrealistischer wird.. und die wahren und guten sachen der technologie von unternehmern mit persönlichem gewinnstreben durch versuch und irrtum erfunden worden.. er idealisiert besonders in dem artikel zur dankbarkeit für die wissenschaft diesen “macher”-typ

  43. #43 MartinB
    August 17, 2010

    @PeteH
    “Die Menschen vor 100 oder mehr Jahren, saßen eben nicht jeden Abend in einen möglichst dunklen Loch und haben sich selbst bemitleidet, sondern sie haben mit Sicherheit auch das beste aus ihren Leben gemacht ohne sich zu denken das man es in 100 Jahren doch viel schöner hätte”
    Ja, aber die Zeiten, in denen sie sich schwere Sorgen um sich oder die Gesundheit ihrer Kinder gemacht haben, dürften einen deutlich größeren Anteil an der Gesamtlebenszeit ausgemacht haben. Wie im oben zitierten Beispiel: 10 von 15 Kindern verstorben. Jedesmal Bangen um das Leben, vielleicht monatelang, jedesmal Trauer (ich glaube nicht, dass man da besonders abstumpft), bei jeder Krankheit der lebenden Kinder Angst, bei jeder Schwangerschaft Angst um das eigene Leben und vor der Geburt – die Zahl der Abende, an denen man es sich da so richtig entspannt und angstfrei gut gehen ließ, dürfte da schon eingeschränkt sein.

  44. #44 schnablo
    August 17, 2010

    @perk: Klar, aber da man nun den Wissenschaftlern nicht gleichzeitig vorwerfen kann, mit technischem Fortschritt Probleme zu schaffen und andererseits zu diesem nur marginal beizutragen, hat die Wissenschaft hier heute ausnahmsweise kein Problem.

  45. #45 Dagmar Behrendt
    August 17, 2010

    @ Ludmila Carone:

    Wozu mach ich mir eigentlich die Mühe für meine Texten möglichst alles nachzuschlagen

    Was müssen Sie denn nachschlagen, wenn Sie Musikvideos posten? Tipp: Probieren Sie es doch mal mit einem Duden oder einer Grammatik.

  46. #46 Jörg Friedrich
    August 17, 2010

    Ich will hier zunächst nur auf einen Punkt der Diskussion eingehen weil dieser mich wirklich ärgert.

    @Ludmila Carone: Anekdoten sind keine Fakten, schreiben Sie des Öfteren. Wenn Sie sich für die Konsequenzen von Kindersterblichkeit in früheren Jahrhunderten interessieren, dann lesen Sie doch bitte Élisabeth Badinter: “Mutterliebe” und auch gern die darin referenzierten Studien.

    Ansonsten werde ich versuchen, mich diesesmal nicht an der Richtigstellung der verschiedenen Fehldeutungen zu beteiligen. Es gibt offenbar Menschen die mich verstehen – das muss genügen.

  47. #47 Geoman
    August 17, 2010

    Zur Fragen der Lebensqualität im vorwissenschaftlichen Zeitalter darf ich das Buch “Die verlorenen Welten – Alltagsbewältigung durch unsere Vorfahren – und weshalb wir uns heute so schwer damit tun..” von Arthur E. Imhoff empfehlen. Solche Lektüre würde der Diskussion sicherlich mehr Fundament und Qualität verleihen.

  48. #48 MartinB
    August 17, 2010

    “Anekdoten sind keine Fakten”
    schreibt der Autor, der aus der Geschichte von Karl Drais und der der Dampfmaschine die Schlussfolgerung zog
    “Nicht die Wissenschaft hat technische Entwicklungen angeregt oder gar ermöglicht, sondern umgekehrt”

    Da kollabiert die Ironie zu einem schwarzen Loch…

  49. #49 perk
    August 17, 2010

    auf das wir die energie der gravitationswellen gewinnbringend nutzen mögen!

  50. #50 rudimens
    August 17, 2010

    Erste Reaktion bis …VTler aufschlagen.
    zB: Menschengemachter Klimawandel: beschäftigt viele Wissenschaftler aus vielen Fachrichtungen und mit noch mehr Fragen.
    Ergebnis für mich persönlich: menschengemacht? egal! Politische/Wirtschaftliche Folgen? teuer und zwiespältig: zB Energiesparlampe; mein Keller ist Flutgefährdet.
    zB:(zugegespitzt) muss der Mars jetzt schon bewohnbar gemacht werden, weil die Erde (mögl. mit Hilfe von Forschungsergebnissen) unbewohnbar sein wird?
    zB:Deepwater Horizon und corexit 9000/9527 Wer darf da forschen?

    Warum wird, wenn jemand dazu auffordert, die ForschungsGründe/Ziele mal wieder zu überdenken, sofort die Wissenschaftsfeindlich!Keule geschwungen?

    zweite Reaktion:Profil lesen. Aha: Geistes-&Sozialwissenschaften
    https://www.scienceblogs.de/arte-fakten/hinweise-fur-kommentatoren.php
    https://de.wiktionary.org/wiki/Entität
    https://de.wikipedia.org/wiki/Entität
    https://www.scienceblogs.de/arte-fakten/frequently-asked-questions.php

    (vor allem sind sie seit den Zeiten aufgeschriebener Geschichte Zeugen dafür, dass Technologie vor allem dazu dienen kann, Macht über andere Menschen, weniger über die Bedingungen des Lebens aller zu erreichen).

    Jede/r. der im Produktionsprozess abhängig beschäftigt ist/war, kennt eine heutige Form dieser Macht.

    sondern dass sie meinen, die Bedingungen den Bedürfnissen der Menschen anpassen zu können. Die Skeptiker, die Sorgenvollen, werden als Außenseiter und Gestrige verlacht.

    … die, die wissen wollen, wo das hinführt, mit den ganzen neuen vielfältigen Erkenntnissen.
    Die, die sehen, was passieren kann, wenn Forschungsergebnisse in die Strudel der Marktwirtschaft geraten. (Betriebswirte wissen: Langfristige Schäden sind Allgemeingut.) Wer jetzt sagt, “Es wird uns allen besser gehen” lügt.
    Zum Trost für die gestrigen: Von Gestern ausgehend nach Heute geblickt, kann man weiter nach Morgen schauen.

    Warum wird, wenn jemand dazu auffordert, die ForschungsGründe/Ziele/Folgen mal wieder zu überdenken, sofort die Wissenschaftsfeindlich!Keule geschwungen?

    Ist jedes Forschungsergebnis ein Segen für die Menschheit?
    Ist jeder, der das fragt, ein Wissenschaftsfeind?
    Jeder Wissenschaftler/in sollte zwischendurch immer mal wieder seine Arbeit vom Standpunkt der Sorgenvollen/Gestrigen betrachten.
    Dieser Artikel erinnert daran.
    Ob ziehen oder bleiben richtig war, zeigt sich erst wenn’s zu spät ist. Auch bei Menschen.

  51. #51 Geoman
    August 17, 2010

    Nachtrag

    In dem Werk gibt es übrigens auch ein ausführliches Kapitel über Kindersterblichkeit (erstaunliche regionale Unterschiede ) und den Umgang damit.

  52. #52 Tobias
    August 17, 2010

    Grafik 1 auf der dritten Seite des hier verlinkten Dokuments geht über anekdotenhafte Berichte zur Kindersterblichkeit hinaus.

    https://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=57331

    In wie weit decken sich diese Zahlen mit denen in dem von Ihnen genannten Buch “Mutterliebe”?

    Ich kann verstehen, dass die große Anzahl an Nachfragen zur Bedeutung und zu Quellen Ihres Textes Sie aktuell überfordert, würde mich aber dennoch freuen, wenn Sie mir die oben gestellten Fragen in einfachen, nicht missverständlichen Worten beantworten könnten:

    […] vor allem sind sie seit den Zeiten aufgeschriebener Geschichte Zeugen dafür, dass Technologie vor allem dazu dienen kann, Macht über andere Menschen, weniger über die Bedingungen des Lebens aller zu erreichen

    Dient Ihrer Meinung nach der wissenschaftliche Fortschritt und technologische Entwicklungen vor allem der Verbesserung der Lebensqualität oder dient es vor allem der Machtausübung über andere?

    Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen.

    Belegen bitte. Mit Zahlen.

  53. #53 Sören
    August 17, 2010

    Habe gerade noch mal gesucht. Mit der Entstehung neuer Arten durch Fütterung meinte ich diesen Artikel:

    https://scienceblogs.com/notrocketscience/2009/12/british_birdfeeders_split_blackcaps_into_two_genetically_dis.php

  54. #54 Geoman
    August 17, 2010

    @ Sören

    Man sollte mit Formulierung “Enstehung neuer Arten” etwas vorsichtiger umgehen, denn nicht jede unterscheidbare Population von Mendelschen Rekombinanten ist schon eine eigene Art. Und hier liegt vielleicht auch die Crux in Jörg Friedrichs Blogbeitrag.

  55. #55 Wb
    August 18, 2010

    Ein schöner Text, ein Dank dem Schreiber und auch der freundlichen Redaktion – der Webbaer schreibt gerne ein paar Zeilen zum im Artikel angestellten Vergleich:

    Wir haben das progressive und konservative Element, wenn wir vieles betrachten, auch wenn wir auf die Wissenschaft und ihre Träger schauen.
    Der progressive Wissenschaftsträger wird eher versuchen die Grenzen zu (v? :)erkennen und zu überwinden als der konservative, der sich vermutlich mehr mit Fragen nach dem Sinn der Vorhaben beschäftigt, nach den Kosten und wer diese zu tragen hat, wie auch nach dem Nutzen. Der Progressive dagegen wird vielleicht auf die Freiheit der Wissenschaft pochen (die nicht existiert BTW) und sich nach Positionen sehnen, die so zu sagen abnehmerfrei sind.

    OK, stop, so einfach wie oben dargestellt, ist es natürlich nicht, man braucht beide Seiten. So stand es wohl auch im hier betrachteten Artikel dieses wundervollen Weblogs.

    Zum Vergleich mit den Zugvögeln: So richtig greift der nicht, oder? Q: Ist der “Zieher” progressiv oder der “Bleiber”? A: Der “Bleiber” ist hier progressiv, denn er trägt mehr Risiko. Der progressive Wissenschaftler wäre möglicherweise also eher der “Bleiber”.

    Hmm, zu den Kommentaren noch, wundervolle Beiträge waren dabei, nochmals Dank an die Redaktion und an den Autor für seine Geduld, aber die Tiefpunkte und Bodenbildungen, garniert mit billigen persönlichen Angriffen, waren nicht erforderlich (Hat sich der Webbaer klar ausgedrückt?).

    Die kleinen Seitenhiebe/polemischen Marginalien [1] im Artikel dienten ganz vermutlich nur der Leserschaft, die der Autor auf Grund seiner Kenntnis der Abnehmerlage so einbauen konnte, dass auf Seiten des Lesers Projektionen beflügelt werden. Dieses Ziel wurde erreicht, sehr schön, es wurden dann auch in den Kommentaren Projektionen erarbeitet und verarbeitet, was dem beabsichtigten Erkenntnisstreben diente.

    MFG
    Wb

    [1] Die im Kommentarbereich herausgegriffenen Proben sind zum Sich-Reiben geeignet, aber harmlos.

  56. #56 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Sie haben ein Buch von Elisabeth Badinter gelesen, in dem sie mit dem Mythos Mutterliebe aufräumt? Inwiefern stützt das Ihre Behauptung, dass Sie auch vor 200 Jahren Ihr Glas Wein am Kamin trinken konnten (was ich sehr bezweifle) und heute ein Großteil der Wissenschaft die Technologiefolgen beseitigen muss? Nur weil die Mutterliebe immer wieder gerne als Konstrukt zur Frauenunterdrückung genommen wird, bedeutet das doch lange noch nicht, dass wir hauptsächlich (“Großteil”) damit beschäftigt sind, irgendwelche angeblichen Folgen unserer Forschung zu beseitigen. Eine bei der Geburt gestorbene Mutter ist eine tote Frau/Mutter, die hat dann von Ihrer tollen Erkenntnis auch nichts mehr.

    Sie waren offensichtlich sehr verärgert, aber Sie reden an der Sache gründlich vorbei.

    Darauf haben Sie (wieder einmal) nicht geantwortet, obwohl das, dem Inhalt Ihres Artikels entsprechend, dringenst nötig wäre:

    “Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen.
    Belegen bitte. Mit Zahlen.”
    Vielleicht springt ja Marc aus der Soziologie mit ein paar Zahlen ein. Sie müssen auch gar nicht nach China schielen. Deutschland oder Europa würden genügen.

    @Dagmar Berendt:
    Offensichtlich kenne Sie von Ludmila Carone nicht so viel. Sie müssen schon auf das blau unterlegte “mehr” klicken, um mehr Info zu erhalten.

  57. #57 anonymous
    August 18, 2010

    Danke Joerg Friedrich. Ein sehr guter Text, und lass Dir das Misverstehen der Science Apologeten nicht zu Herzen gehen. Die Masse der groelenden Idioten! Ich habe die Komentare hier und dort gelesen, und muss schon sagen, wissenschaftliche Bildung hat anscheinend garkeinen Einfluss darauf das Leute selektiv wahrnehmen, einfach das lesen was der Schreiber nie auch nur ansatzweise geschrieben hat. Schade, wirklich schade, aber das gehoert halt dazu, zur Evolution. Fuer Rationalitaet sind wir sicher nicht selektiert worden. Und so bleiben JF und anonymous in Ruhe daheim diesen Winter und lassen die kreischende masse gen Sueden fliegen. Ja, es wird ein kalter Winter.

  58. #58 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @anonymous:
    Schon mal den Link von Ulrich angeguckt? Missverstehen?
    Du hast vergessen, dass Du so oder so als Kanarienvogel nicht “gen Süden fliegen kannst”. Und das kommt mir ein bisschen so vor wie der Fuchs: Die Trauben, an die ich nicht komme, sind sowieso zu sauer.

    Und selektive Wahrnehmung jahrelang über zig-Artikel von JF hinweg? Wenn JF sich wirklich so schlecht ausdrückt, dass ihn alle (außer Dir und einigen ganz wenigen anderen) ständig missverstehen, sollte er vielleicht ein bisschen an seiner Rhetorik feilen. Andernorts habe ich ihm SPO-Sätze vorgeschlagen. Das wäre schon einmal ein Anfang (klar und logisch formulieren). Zu dem Zeug, das man behauptet, stehen und dies belegen oder korrigieren, wäre der nächste Schritt. Und wenn dann noch wissenschaftlich gearbeitet wird, d.h. die wissenschaftliche Methode benutzt wird, dann wären wir bei der Kultur von SB. Dass das hier ein sehr langer Weg wird, ist schon klar, es fehlt ja an allem.

  59. #59 perk
    August 18, 2010

    Dass das hier ein sehr langer Weg wird, ist schon klar, es fehlt ja an allem.

    das ist so nicht richtig.. es gibt schonmal ne treue fanbase die JF als den mutigen der die wahrheit ™ ausspricht bejubelt..

  60. #60 rudimens
    August 18, 2010

    “kluge Erfindung”

    Die “..” stehen da schon, könnten bedeuten:

    “[Dies ist keine ScherenSchnittScharfe BeSchreibung]”.

    Der laute Ruf nach belegbaren Daten an unwichtiger Stelle zeigt mir: Es ist manchen Wissenschaftlern nicht möglich ist, ihre Scheuklappen (freundlich: ihren scharfen Blick auf Details) ab zu legen. Oder im Bild: “Ich betrachte ein Blatt (des Baumes). Was ist bitte Wald?”

  61. #61 Andrea T.
    August 18, 2010

    Habe ich das richtig verstanden, hier streitet sich die Ideen&Entwürfe-Fraktion mit der Fakten-Fakten-Fakten-Fraktion? Ist doch eigentlich beides ein wissenschaftlicher Ansatz, oder?

    Ach, ich verstehe die hier herrschende Aggressivität nicht. Aber zumindest wird mir klarer, was bei meinem Blog passiert ist.

    Was den Inhalt angeht: Klar haben wir jetzt Haufen Probleme, die, wenn man so will, durch die Wissenschaft entstanden sind – Umweltverschmutzung zum Beispiel. Oder ist es einfach eine Folge der großen Anzahl zu versorgende Menschen? Oder die Rücksichtslosigkeit, wie mit den Folgen umgegangen wurde, da nunmal vorrangig Profit interessant war (und ist)? Mhm. Also ich glaube, man kann es der Wissenschaft doch nicht in die Schuhe schieben – sondern dem Kapitalismus! 🙂

  62. #62 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @Andrea T:
    Richtig erkannt. Für reine Meinungspolemik ist SB wohl eher nicht zuständig.

    Ich finde den Vergleich mit Deinem Blog insofern nicht passend (habeich aber an anderer Stelle bereits kundgetan). Die von Dir bezeichnete angebliche “Aggressivität” hat eine lange Geschichte, die durch die absolute Kritikresistenz über die Jahre (!)von JF verursacht wurde. Vollmundig ganze Entwicklungen in den “8oigern”, die angeblich irgendetwas gezeigt haben, zu behaupten und nicht einmal zu erklären, was das angeblich war, ist schon extrem unseriös. Ebenso in den Raum zu stellen, dass ja ein “Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu diene, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen” ist ohne Angabe von Quellen hahnebüchen – eine reine Bauch- und Stammtischmeinung.

    Ist das Deiner Meinung nach hier ein Blog, auf dem Stammtischparolen geschwungen werden sollten? Ich denke – wenn ich Deinen letzten, hochwissenschaftlichen Artikel über Statistik lese, wohl kaum.

  63. #63 Jörg Friedrich
    August 18, 2010

    @Tobias:

    Zunächst einmal: Für mich ist der Begriff “Macht” nicht unbedingt negativ besetzt.

    Wenn man danach fragt, ob Technologien im Verlauf der historisch verfügbaren Geschichte vor allem dazu dienten, Macht über Menschen auszuüben, dann kann man methodisch zunächst zwischen modernen demokratischen Staaten und nicht-demokratischen Staaten unterscheiden, weil man zunächst unterstellen kann, dass in ersteren die Verwendung von Technologien demokratisch kontrolliert wird. Dann wird man feststellen, dass Technologien vom alten Ägypten bis zum Ausgang des Mittelalters vor allem dazu dienten, der jeweils herrschenden Schicht Einkommen, Reichtum und Macht zu sichern. Das gilt für die Wasserkanäle im alten Ägypten genauso wie für die Erkundung neuer Kontinente und Schifffahrtsrouten durch Kolumbus und andere, die natürlich ebenfalls durch Technologie-Entwicklungen möglich wurden.

    Mit der Entstehung der Marktwirtschaft erlebte die Technologieentwicklung auf allen Gebieten einen riesigen Aufschwung. Letztlich hat die Verbindung von Profitstreben und technologischem Erfindungsgeist natürlich dazu geführt – ich habe darüber schon des Öfteren geschrieben – dass technologische Entwicklungen uns im Alltag viele Annehmlichkeiten gebracht haben. Die Triebkraft war aber selten altruistisch, es ging immer um den Ausbau persönlicher Macht derer, die die Entwicklungen bezahlt und vorangebracht haben.

    Schaut man auf die heutige Welt, fällt auf, dass nur der kleinste Teil der Menschheit heute in demokratischen Gesellschaften lebt, für die (immernoch zunächst unterstellt) gelten könnte, dass die vorwiegende Technologieentwicklung zum Nutzen aller durch den demokratischen Prozess sichergestellt wird. In nicht-demokratischen Ländern wird Technologie vorwiegend für die Machterhaltung der Herrschenden entwickelt, von der Waffentechnik bis zur Biochemie. Gerade die Technologien, die in demokratischen Ländern vorangetrieben werden, nutzen autoritäre Herrscher zum Erhalt und Ausbau ihrer Macht.

    Wie sieht es nun in dem kleinen Rest der modernen Demokratien aus? Waffentechnik dient sicher immer dem Machterhalt dessen, der die Waffen besitzt. Welche Technologien wurden eigentlich nicht mit militärischem Hintergrund entwickelt? Natürlich die Gesundheits-Technologien. Aber entwickeln Pharma-Konzerne neue Medikamente aus altruistischen Motiven? Oder um ihre Marktmacht zu erhalten?

    Nach diesen langen Ausführungen, die Sie wahrscheinlich nicht als “Klartext” ansehen, folgt nun die präzise, knappe Antwort auf Ihre Frage:

    “Dient Ihrer Meinung nach der wissenschaftliche Fortschritt und technologische Entwicklungen vor allem der Verbesserung der Lebensqualität oder dient es vor allem der Machtausübung über andere?”

    Letzteres.

    Zusatzbemerkung: Die Marktwirtschaft sorgt dafür, dass es zu angenehmen Nebenerscheinungen für die Lebensqualität kommt, allerdings sorgt sie auch für Katastrophen ungekannten Ausmaßes, für viel Leid im Kleinen und im Großen, die die Freude an der gestiegenen Lebensqualität zumindest trübt.

    Zu Ihrer Frage nach Belegen und Zahlen zur Technologiefolgenforschung und Technikfolgenabschätzung: Die werde ich Ihnen nicht liefern. Die Formulierung: “ein Großteil” ist eine qualitative, weil ich genaue Zahlen zum derzeitigen Umfang aller Forschungen auf diesem Gebiet nicht habe – ich denke auch, sie sind schwer zu ermitteln. Wenn Sie die beiden Begriffe im Internet nachschlagen, werden Sie sich ein Bild vom Umfang und der Vielfalt dieser Forschungen machen können.

    @Alle:
    Ich denke, die meisten Leser haben mich sehr gut verstanden, und für das, was einige kritische Stimmen hier geäußert haben, ist “Missverstehen” wohl das falsche Wort. Diejenigen, die sehr deutlich ihr Missfallen dargelegt haben, sollten vor weiteren Kommentaren bedenken, dass jeder Kommentar die Aufmerksamkeit für den Text erhöht 😉

  64. #64 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @rudimens:
    “Der laute Ruf nach belegbaren Daten an unwichtiger Stelle zeigt mir: Es ist manchen Wissenschaftlern nicht möglich ist, ihre Scheuklappen (freundlich: ihren scharfen Blick auf Details) ab zu legen. Oder im Bild: “Ich betrachte ein Blatt (des Baumes). Was ist bitte Wald?””

    Du machst mit JF den Fehler, dass Du klar, logisches und genaues Arbeiten nach der wissenschaftlichen Methode mit den Gesamtüberblick (mit positiven und negativen Seiten) verlieren inseinsetzt. Das eine schließt das andere nicht aus. Jemand, der seine Behauptungen belegt, muss nicht zwingend die Nachtteile moderner Technologien übersehen.

    Ich würde es eher umdrehen. Jemand, der schlampig argumentiert und bloße Meinungen ohne Basis verkündet, kann den Wald nicht einmal finden. Er sieht ihn vor lauter selbst gefällten Bäumen nicht.

  65. #65 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Ihr oberflächlich vollmundiger Streifzug durch die gesamte (!) Geschichte der Technologieentwicklung (bitte dringend definieren! gilt das auch in Ägypten schon als Wissenschaft?) mit ein paar mageren Beispielen ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Geschichtswissenschaftler, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat. Dünnste Informationsbasis, Schwarz-Weiß-Malerei, Reduktion der Komplexität, undifferenzierte Betachtung – die ganze Welt von Jörg Friedrich in eine Streichholzschachtel gepackt und daraus seine höchst erklärungsbedürftigen Schlüsse gezogen. Fast könnte man heulen, dass die Welt nicht so einfach ist, wie Jörg Friedrich sie so gerne sieht.

    PS: Wenn Sie die Kommentare einmal durchzählen und sortieren, werden Sie feststellen, dass die meisten Leser Sie nicht verstanden haben bzw. kritisiert haben. Wenn Sie Ihre Ausführungen genauso ohne Basis geschönt haben, ist von Ihrer undifferenzierten “Herrschaftsgeschichte” nicht mehr viel zu halten (dass Herrschaft selbstverständlich eine Rolle spielt, wird hier nicht bestritten; nur nicht als Konsequenz Ihrer Ausführungen und nicht in dem von Ihnen behaupteten Umfang).

  66. #66 Sören
    August 18, 2010

    @ Geoman

    Danke für den Hinweis. In meinen Artikeln bedenke ich das eigentlich immer, in Kommentaren dagegen kann die Präzision schon mal verschwimmen^^

  67. #67 Geoman
    August 18, 2010

    Also der letzte Kommentar von Jörg Friedrich ist erheblich gelungener und gehalthvoller als sein etwas gehäkelter Blogpost. Dieser Mann hat was zu sagen!

  68. #68 roel
    August 18, 2010

    @Tobias und Andrea N.D.

    Das menschliche Handeln wird zum Großteil angetrieben vom Wunsch nach mehr Macht, mehr Reichtum und mehr Anerkennung. Wobei Reichtum und Anerkennung wiederum oftmals zum ausüben von mehr Macht eingesetzt werden.

    Mit Hilfe der Forschung lässt sich Macht wunderbar aufbauen und halten. In den USA setzten sich vor 7 Jahrzehnten einige der klügsten Köpfe der Wissenschaft zusammen, um eine Atombombe zu bauen. Erst nach Ende des 2. Weltkriegs wurden die USA die führende Macht in der westlichen Welt und mit Zusammenbruch der UDSSR der gesamten Welt. Bis zum Zusammenbruch der UDSSR wurde diese Macht durch Atomwaffen gefestigt, danach ausgebaut. Die “neuen Mächte” China und Indien sind ebenfalls Atommächte. Die USA versucht jetzt mit aller Macht neue Atommächte zu verhindern. Das ist der Zusammenhang Macht und Forschung. Übrigens, die Atomkraft wurde zuerst militärisch genutzt und danach zivil.

  69. #69 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @roel:
    Ich denke Atommacht/-kraft/-energie ist ein sehr schönes Beispiel für das Zusammengreifen von Macht/Herrschaft/Gewinnstreben und wissenschaftlicher Erforschung. Ich glaube nicht, dass dies irgendein seriöser Wissenschaftler bestreiten würde. Das ist ja auch mein Punkt: Die teilweise an den Haaren herbeigezogene Wissenschaftskritik von JF (Wassergräben in Ägypten!) berücksichtigt einfach nicht, dass es für die Wissenschaft ein alter Hut ist, was er hier meint aus dem Hut zu zaubern.

  70. #70 Sören
    August 18, 2010

    Moment mal. Wissenschaft ist erst mal gar nichts, also werde gut noch böse. Es hängt von der Verwendung der Technologien ab.
    Außerdem müssten die Menschen im Mittelalter unglaublich frei gewesen sein, wurden zu jener Zeit Wissenschatler doch gerne mal bis zur Letalität erhitzt.

  71. #71 Jörg Friedrich
    August 18, 2010

    @Webbär: Das hätte ich jetzt fast vergessen: Für mich ist die Zuordnung des “progressiv”-Seins zu den Ziehern oder den Bleibern nicht eindeutig, deshalb habe ich die Parallele auch gegen-intuitiv gezogen. Wie rudimens auch schrieb: “Ob ziehen oder bleiben richtig war, zeigt sich erst wenn’s zu spät ist.” – so ist es auch mit dem Progressiv-Sein. Übrigens glaube ich ebenfalls, dass der Satz, der der eigentliche Auslöser für die überraschende Polemik war, in den Kommentaren noch gar nicht aufgetaucht ist. Aber das ist eine Spekulation, die ich für mich behalte.

  72. #72 roel
    August 18, 2010

    @Sören “Moment mal. Wissenschaft ist erst mal gar nichts, also werde gut noch böse. Es hängt von der Verwendung der Technologien ab.” Nein, nicht nur! Es kommt auch auf das Motiv an.

  73. #73 Sören
    August 18, 2010

    @ roel

    Motiv fällt für mich unter Verwendung.

    Frage: Ist ein Laser jetzt gut, weil er es uns ermöglicht Musik auf CDs zu hören oder Filme af DVDs zu schauen, das Einkaufen an der Supermarktkasse beschleunigt oder ist er böse, weil er auch im Krieg zum Einsatz kommt?

  74. #74 roel
    August 18, 2010

    @Sören Das Motiv steht im Vorfeld fest, die Verwendung kann auch nach Abschluß der Forschung gefunden werden. Der Laser ansich ist weder gut noch böse.

  75. #75 MartinB
    August 18, 2010

    @roel
    “In den USA setzten sich vor 7 Jahrzehnten einige der klügsten Köpfe der Wissenschaft zusammen, um eine Atombombe zu bauen. ”
    Ich finde es immer wieder erschreckend und faszinierend gleichzeitig, wie einer Menschengruppe einheitliche, leicht formulierbare und eindimensionale Motivationen zugeschrieben werden, wenn man ihr selbst nicht angehört. “Die Wissenschaftler”, “Die Politiker” (ich neige wohl zu “die Philosophen”…) etc.

    Bezogen auf damals:
    Man war im Krieg und wollte zur Verteidigung seines Landes beitragen
    *und war vielleicht auch patriotisch daran interessiert, dass das eigene Land eine Vormachtstellung erreicht
    *und hoffte vielleicht so, Schlimmeres verhindern zu können
    *und war auch wissenschaftlich fasziniert
    *und arbeitete lieber in Los Alamaos als an weniger privilegierten projekten
    *und hoffte, dass sich das gut für die Karriere machen würde
    *und tat das, was die Freunde machten
    und und und…

    Unsere eigenen Motivationen sind doch selten eindimensional, warum solte das damals, noch dazu für eine ganze Gruppe Wissenschaftler, anders gewesen sein; man vergleiche einmal die Äußerungen und bekundeten Motivationen von Teller, Oppenheimer, Feynman, die alle am Manhattan-Projekt gearbeitet haben.

  76. #76 Wb
    August 18, 2010

    @Andrea T.

    Habe ich das richtig verstanden, hier streitet sich die Ideen&Entwürfe-Fraktion mit der Fakten-Fakten-Fakten-Fraktion?

    Es handelt sich um eine Kontroverse zwischen epistemologisch unterschiedlich aufgestellten Kräften, Beispiele:
    1.) Die hier sich oft und gerne Wort meldenden aggressiven Atheisten [1], die wissen oder zu wissen glauben, dass Gott nicht existiert und sich in diesem Zusammenhang auf die Wissenschaft berufen, prallen auf die Agnostiker (vermutlich Ihre “Ideen&Entwürfe-Fraktion”).
    2.) Wissenschaftsoptimisten prallen auf diejenigen, die Wissenschaft als anthropogen, als Teil des Sozialsystems und als Teil der Wirtschaft betrachten.
    3.) Rechtwinklige Denker, die von der anderen Seite teilweise als Betonköpfe eingeschätzt werden, prallen auf vorstellungsfreundliche Denker (hier würde Ihr Bild greifen [2]).

    Natürlich sind viele Mischformen dabei, aber das Spektrum ist epistemologisch stark polarisiert. – Aufgewürzt wird die Debatte durch sogenannte Hater (bitte beachten Sie das Fachwort) und notorische Minder-, Mangel-, Fehl- und Minusleistungen Einzelner. Dadurch bleibt es aber entertaining. 🙂

    Im Hintergrund geht es natürlich auch um den Konflikt, der einmal wie folgt skizziert werden soll: “Ich blogge hier, bin mit der Kompensation aber nicht superfett zufrieden, zudem sauer, dass Person X hier auch publizieren darf!”

    HTH
    Wb

    PS: @Jörg, aja, danke, so ähnlich hatte es sich der Webbaer fast gedacht…

    [1] Es sind zudem Atheisten, die sich ganz bevorzugt an der christlichen Religion abarbeiten und denen zu einer anderen Weltreligion wenig bis gar nichts einfällt.
    [2] Beachten Sie vielleicht auch, dass bei den hiesigen kleinen Debatten, also was die Essays und Kommentare betrifft, wissenschaftliches Arbeiten (“Fakten, Fakten, Fakten”) auf eine andere Art und Weise stattfindet als bspw. von den Papers gewohnt. Die Quellenarbeit ist naturgemäß eine andere, Webverweise auf Studien etc. sind bei pol./wiss. Diskussionen oft unpassend.

  77. #77 Jörg Friedrich
    August 18, 2010

    Kleiner Hinweis: sowohl in meinem Text als auch in der Frage von Tobias ging es nicht darum, was einer wollte, was jemandes Motive waren, sondern wozu etwas (vorrangig) diente oder dient. Außerdem ging es nicht um “die Wissenschaft” sondern um technologische Entwicklungen (natürlich i.A. und vor allem in den letzten paar hundert Jahren in Verbindung mit Wissenschaft)

  78. #78 Niels
    August 18, 2010

    Der Eintrag sagt doch zusammengefasst:
    Eigentlich gehört der Forscherdrang gar nicht zum Wesen des Menschen.
    Nur durch Zufall (Umweltbedingungen) sind Menschen, “die Forscherdrang und Erkenntnis-Suche für wesentlich halten” gerade in der Mehrheit.
    Früher waren aber diese Menschen in der Minderheit und in Zukunft können sie auch wieder zur Minderheit werden.
    (Meiner Meinung nach gehört der Forscherdrang durchaus zum Wesen aller Menschen.)

    Die Wissenschaftsfeindlichkeit äußert sich jetzt darin, dass der Zustand, in dem die Mehrheit der Menschen keinen Forscherdrang hat, offenbar für besser gehalten wird.
    Zumindest verstehe ich so “Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten”, die wohl abfällig Bezeichnung “Helden” in Anführungszeichen gesetzt für Forscher und die Aussage, die Wissenschaftler “meinen, die Bedingungen den Bedürfnissen der Menschen anpassen zu können.”

  79. #79 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Der Hauptgrund war wohl der, dass Einstein (um mal einen Namen zu nennen) vom bevorstehenden Bau einer deutschen Atombombe überzeugt war. Einstein hat dann die US Regierung überzeugt ihrerseits den Bau einer Atombombe zu fördern. Aber es ist egal. Es wurde eine Waffe entwickelt und bewußt zum größtmöglichen Schaden des Gegners (auch unter der Zivilbevölkerung) eingesetzt.

    Da ich mich eigentlich auf den Zusammenhang Forschung und Macht bezog:

    “Man war im Krieg und wollte zur Verteidigung seines Landes beitragen” –> Machterhalt der USA

    “und war vielleicht auch patriotisch daran interessiert, dass das eigene Land eine Vormachtstellung erreicht” –> Machtausbau der USA

    “und hoffte vielleicht so, Schlimmeres verhindern zu können” –> Machterhalt der USA

    “und war auch wissenschaftlich fasziniert” –> Oh ha!

    “und arbeitete lieber in Los Alamaos als an weniger privilegierten projekten” –> Steigerung der eigenen Anerkennung

    “und hoffte, dass sich das gut für die Karriere machen würde” –> Steigerung der Anerkennung zum Erlangen einer besseren beruflichen Situation mit mehr Macht.

    “und tat das, was die Freunde machten” –> Steigerung der Anerkennung durch Freunde.

  80. #80 rudimens
    August 18, 2010

    Re zu:Andrea N.D. 9:24: Bei den von mir Beschriebenen ist das so. Aber hoffentlich nicht immer! Wenn ich aber von mir auf andere schliesse und meine Mitmenschen beobachte, sehe ich: Es passiert immer wieder. Nicht nur Einzelfällen.
    Belege bitte bei/an sich selbst finden.
    Da darf auch noch mal an den Überblick erinnert werden. Besonders die neuen Leser,(die die alten Kommentare noch nicht (alle) gelesen haben).
    Oben sind ja schon einige Stand- und Blickpunkte beschrieben.
    Vielleicht sollte es einen Forschungs-Ergebnis-Bedenktag für alle geben.
    ps:@ Andrea N.D.: 1. Ich wusste nicht, wie leicht man einen Wald fällen kann. 2. Was wird aus den Blättern, wenn der Baum erst liegt? ; )

  81. #81 MartinB
    August 18, 2010

    @roel
    Einstein als treibende Kraft zu nennen ist historisch kaum haltbar – eher Szilard.

    “Es wurde eine Waffe entwickelt und bewußt zum größtmöglichen Schaden des Gegners (auch unter der Zivilbevölkerung) eingesetzt.”
    Ja, so wird das immer dargestellt. Ich empfehle die Lektüre von Kipphardts Theaterstück und die Oppenheimer-Biografie, aus beidem zusammen ergibt sich ein deutlich komplexeres Bild.

    Was Deine Motiv-Umschreibung angeht, dann sag mal ein Motiv, dass nach der Logik kein Macht-Motiv wäre. (Die Wissenschaftliche Faszination hast du ja mal mit einem oHa abgetan) Zur Vertedigung des Landes beitragen = Machterhalt ist jedenfalls schon ziemlich heftig. Da waren Soldaten im Krieg, vielleicht Freunde oder Verwandte der Wissenschaftler, den krieg zu beenden hieß, diese Leute zu retten.

  82. #82 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Vergessen Sie doch einmal den Inhalt. Folgende Statements machen Sie hier so extrem unbeliebt:

    “Außerdem ging es nicht um “die Wissenschaft” sondern um technologische Entwicklungen (natürlich i.A. und vor allem in den letzten paar hundert Jahren in Verbindung mit Wissenschaft)”

    Abgesehen davon, dass diese Aussage in sich selbst widersprüchlich ist, geht das mit folgendem gar nicht zusammen:

    “Man sagt heute oft, der Forscherdrang, das Erreichen von Fortschritten in Wissenschaft und Technologie, die Erkenntnis der Welt, liege im Wesen des Menschen begründet”
    Also, hier werden (die?) Wissenschaft und (die?) Technologie synonym verwendet.

    “Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen. Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.”
    Äh – hier wird DIE (!) Wissenschaft ebenfalls synonm mit Forschung und Technologieentwicklung von Ihnen verwendet.

    Es ist einfach nicht zu fassen, wie Sie ständig nach irgendwelchen Argumenten fischen, die Sie meinen aus Ihrer schwammigen Ausdrucksweise gewinnen zu können.

    Was wollen Sie uns mit Ihrem “kleinen Hinweis” eigentlich mitteilen? “Außerdem ging es nicht um “die Wissenschaft” sondern um technologische Entwicklungen”
    Das ist immer der Punkt, an dem ich an Ihrer Kapazität zweifle (Sie scheinen sich nicht mehr zu erinnern, was sie einmal geschrieben hatten) oder unterstelle, dass Sie die Leser mit Absicht oberlehrerhaft veräppeln. Was sonst könnte Sie zu derartigen unqualifzierten Aussagen treiben?

  83. #83 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Sie haben Recht es war ein von Szilard geschrieben und auch von Einstein unterzeichneter Brief. Was macht den großen Unterschied?

    Zu meinem Oh-Ha, ich kann mich nicht für Massenvernichtungswaffen faszinieren und stehe daher einer Faszination hierfür negativ gegenüber.

    Natürlich ist die Verteidigung des eigenen Landes eine Form von Machterhalt, was denn sonst?

    Zu meiner Motiv-Umschreibung: Das menschliche Handeln wird zum Großteil angetrieben vom Wunsch nach mehr Macht, mehr Reichtum und mehr Anerkennung.

  84. #84 Jörg Friedrich
    August 18, 2010

    @Andrea N.D.: Es geht mir nicht darum, beliebt zu sein.

    Die übrigen Fragen scheinen mir eher rhetorischer Art zu sein. Dass Sie meine Texte nicht verstehen, ist inzwischen hinlänglich bekannt (und ja, ich weiß, Sie sind nicht die einzige). Es ist mir gleichgültig.

  85. #85 MartinB
    August 18, 2010

    “Natürlich ist die Verteidigung des eigenen Landes eine Form von Machterhalt, was denn sonst? ”
    Hab ich das nicht geschrieben? Verteidigung von Menschen, die man liebt? Oder ist das auch Machterhalt?
    Denken Sie sich doch mal ins Jahr 1942 oder so: Freunde von Ihnen sind irgendwo auf einem anderen Kontinent als Soldaten in ständiger Lebensgefahr, eine fremde Macht droht, Ihre Heimat mit Massenvernichtungswaffen zu zerstören und *Sie* haben die Möglichkeit, zu helfen, den Krieg schnell zu beenden, indem Sie am Manhattan-Projekt mitwirken. Das nennen Sie dann Machterhalt?

  86. #86 Andrea N.D.
    August 18, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Ersetze “unbeliebt” mit “zu logischen Gedankengängen nicht fähig”:

    “Außerdem ging es nicht um “die Wissenschaft” sondern um technologische Entwicklungen (natürlich i.A. und vor allem in den letzten paar hundert Jahren in Verbindung mit Wissenschaft)”

    Abgesehen davon, dass diese Aussage in sich selbst widersprüchlich ist, geht das mit folgendem gar nicht zusammen:

    “Man sagt heute oft, der Forscherdrang, das Erreichen von Fortschritten in Wissenschaft und Technologie, die Erkenntnis der Welt, liege im Wesen des Menschen begründet”
    Also, hier werden (die?) Wissenschaft und (die?) Technologie synonym verwendet.

    “Dabei dient schon heute ein Großteil der Forschung und Technologieentwicklung dazu, mit den Folgen früherer Forschung und Technologieentwicklung klar zu kommen. Die Wissenschaft müht sich um die Lösung von Problemen, die wir ohne Wissenschaft gar nicht hätten.”
    Äh – hier wird DIE (!) Wissenschaft ebenfalls synonm mit Forschung und Technologieentwicklung von Ihnen verwendet.

    Klare und logische Aussagen widersprechen sich nicht ständig. Was wollen Sie uns jetzt mitteilen? Dass Sie der Meinung

    genau jetzt um 14.34 Uhr

    sind, dass (die) Wissenschaft und technologische Entwicklung nicht dasselbe sind?

    Bleibt das dann auch Ihre Meinung und Sie schreiben den Artikel um oder nehmen Sie Ihren “kleinen Hinweis” zurück, der ja sonst falsch wäre oder haben Sie um 14.45 schon wieder eine andere Meinung? Es geht hier nicht darum, ob diese beiden jetzt synonym verwendet werden können oder nicht. Es geht darum, dass

    SIE sie synonym verwendet haben und in Ihrem kleinen Hinweis genau dies bestreiten.

    Können Sie Ihre Aussagen ein bisschen angleichen, dass sie nicht ganz so widersprüchlich sind? Das ist sehr verwirrend.

  87. #87 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Das nebenbei evtl. das Leben der eigenen Verwandten, Freunde, Bekannte und der amerikanischen Soldaten gerettet wurde ändert nichts daran, dass es im Krieg um Macht ging. Auf der einen Seite Ausweitung und auf der anderen Seite Erhaltung. Was aber immer wieder vergessen wird, ist dass die Atombomben praktisch freiverfügbar waren, da Deutschland geschlagen war. Die in Forschung befindlichen Atombomben Deutschlands wurden als Argument für den Bau amerikanischer Atombomben benutzt. Deutschland als Gegner fiel weg, Japan (ohne Atombomben) blieb als einziger Gegner über. Der Tod von mehreren Hunderttausend Zivilisten wurde in Kauf genommen. Wohlgemerkt Zivilisten!

    Wenn Wikipedia nicht lügt: “Schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 richteten die drei aus Deutschland in die Vereinigten Staaten emigrierten Physiker Leó Szilárd, Albert Einstein und Eugene Wigner im August 1939 einen Brief an den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, um ihn vor der Möglichkeit der Entwicklung einer Atombombe in Deutschland zu warnen und ihn im Gegenzug zu der Entwicklung einer eigenen Atombombe anzuregen.” Zu diesem Zeitpunkt waren die USA nicht ansatzweise im Krieg gegen Deutschland und erst Recht nicht gegen Japan.

  88. #88 MartinB
    August 18, 2010

    “Das nebenbei evtl. das Leben der eigenen Verwandten, Freunde, Bekannte und der amerikanischen Soldaten gerettet wurde ändert nichts daran, dass es im Krieg um Macht ging.”
    Hir ging es aber um die Motivation der Wissenschaftler, und da mag das Retten der Verwadnten durchaus im Vordergrund stehen. Das insgesamt auch andere Motive eine Rolle spielen ist klar, aber die eindimensionale “Wissenschaftler-wollten-macht”-Darstellung hat mit der Realität eben nicht so viel zu tun.

    “apan (ohne Atombomben) blieb als einziger Gegner über. Der Tod von mehreren Hunderttausend Zivilisten wurde in Kauf genommen. Wohlgemerkt Zivilisten!”
    Nach einigen Schätzungen hätte der zu erwartende Inselkrieg bis zu 500000 Amerikanischen Soldaten das Leben kosten können. (Und die waren nicht alle freiwillig Soldaten…) Jetzt wägen Sie mal ab: einige Hunderttausend zivile Opfer des Gegners, der Ihr Land überfallen hat gegen 500000 eigene Landsleute. ich finde das nicht so einfach wie Sie.

    “Zu diesem Zeitpunkt waren die USA nicht ansatzweise im Krieg gegen Deutschland ”
    “nicht ansatzweise”?? Weil man ja 1939 (ich dachte, es war 1940) keine Idee hatte, dass Hitler irgendwie auf einen krieg zusteuern könnte? Ehrlich jetzt? Und sone Atombombe entwickelt man ja auch nicht mal eben schnell, wenn man erst anfängt, wenn der andere sie hat, ist es ein bisschen spät…

    Auch hier finde ich Ihre Sicht extrem eindimensional.

  89. #89 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Also nochmal. Im August 1939 befand sich weder Deutschland noch Japan noch die USA im Krieg. Deutschland hatte ein Atombombenprogramm am laufen und in den USA wurde ein Atombombenprogramm gestartet. Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht um die Rettung von 500000 US-Soldaten, die mussten noch gar nicht gerettet werden. Die Verwandten und Bekannten auch nicht. Also scheidet das als Motivation aus. Vielleicht Prevention – für den Start des Programms, da könnten wir uns drauf einigen. Wie auch immer, es ging darum den Versuch eines anderen Landes, seine Macht zu vergrößern, zu unterbinden oder zu beenden und somit die Macht der USA zumindest zu sichern und das mit Hilfe der Wissenschaft.

  90. #90 MartinB
    August 18, 2010

    “Im August 1939 befand sich weder Deutschland noch Japan noch die USA im Krieg.”
    Richtig. Und natürlich konnte auch niemand erwarten, dass Deutschland oder Japan in absehbarer Zeit einen krieg beginnen würden.

    “Deutschland hatte ein Atombombenprogramm am laufe”
    Aha. Da wär es natürlich moralisch besser gewesen, die USA hätten gesagt “Ach ne, Atombomben sind zu böse, das lassen wir mal lieber”, um sich dann einige Jahre später zu wundern, wo denn New York geblieben ist…

    “Vielleicht Prevention – für den Start des Programms, da könnten wir uns drauf einigen.”
    Na also. Und Prävention ist also gleich Machterhalt oder Machtsicherung?

    “die Macht der USA zumindest zu sichern”
    Ersetzen wir Macht durch Existenz, dann stimme ich zu.

    “Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht um die Rettung von 500000 US-Soldaten, die mussten noch gar nicht gerettet werden”
    Nein, das bezog sich auf den Satz von oben “Deutschland als Gegner fiel weg, Japan (ohne Atombomben) blieb als einziger Gegner über.”

    Es waren ja nicht “die Wissenschaftler” die mit dem Bau der Atombombe anfing. Das ging von einigen wenigen aus (treibende Kraft für den berühmten Brief war Szilard). Später kamen dann sehr viele hinzu, und sie alle hatten ihre persönliche Motivation, am Projekt mitzuarbeiten, bei der eben nicht immer Machterhalt im Vordergrund stand.

    ich sage doch nicht, dass alle, die die Atombombe gebaut haben, Heilige oder reine Altruisten oder Sonstwas waren – die waren Menschen wie wir, die trafen Entscheidungen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Motivationen heraus und mit lapidaren Sätzen wie “Wissenschaftler setzten sich zusammen um eine Bombe zu bauen aus Machtstreben” schert man sie alle unzulässig über einen Kamm.
    Genauso wie es falsch ist, allen Angehörigen einer Rasse, eines Geschlechtes oder einer Religion zu unterstellen, sie wären alle irgendwie gleich, ist das auch für Wissenschaftler falsch.

  91. #91 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Klar, ein Krieg lag in der Luft. Deutschland war nicht schnell genug mit der Atombombenentwicklung um diese Waffe noch einsetzen zu können. Aber das konnte man auch im Vorfeld nicht ahnen. Den amerikanischen Wissenschaftlern blieb gar nichts anderes übrig, als selber zu entwickeln. Über den letztlichen Einsatz der Bomben könnte man streiten, aber was wäre wenn?
    Ich möchte meine Aussage etwas erweitern: Das menschliche Handeln wird zum Großteil angetrieben vom Wunsch nach mehr Macht, mehr Reichtum und mehr Anerkennung der eigenen Person oder der Gruppe, des Vereins, der Partei, der Nation… der/dem man angehört. Und ich werfe niemanden vor sich so zu verhalten.

  92. #92 MartinB
    August 18, 2010

    @roel
    “Den amerikanischen Wissenschaftlern blieb gar nichts anderes übrig, als selber zu entwickeln. ”
    Dann sind wir uns ja anscheinend einig.
    Ja, mit “Großteil” und der von dir verwendeten sehr weiten Definition von “Macht” wird das eher konsensfähig.

  93. #93 roel
    August 18, 2010

    @MartinB Ja, da sind wir uns einig. So, jetzt nehme ich mir mal etwas Zeit für https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/ Zu dem was ich bisher gesehen habe: Super, weiter so!

  94. #94 Ockham
    August 18, 2010

    Erstklassiger Artikel, dem wirklich nichts hinzuzufügen ist. Lassen Sie sich von den denen, die bevorzugt falsch interpretieren, nicht beeindrucken. Es gibt in der Tat Leser, die diesen Artikel verstehen und darin weder Polemik gegen Wissenschaft per se, noch eine Verklärung der Vergangenheit sehen.

  95. #95 S.S.T.
    August 18, 2010

    @roel

    Japan (ohne Atombomben) blieb als einziger Gegner über. Der Tod von mehreren Hunderttausend Zivilisten wurde in Kauf genommen. Wohlgemerkt Zivilisten!

    Bei einer (konventionellen) Invasion Japans wären allein schon durch Bombardierungen und Beschuss zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen. Nach den sehr verlustreichen Schlachten um Iwojima und Okinawa hätte jeder amerik. Präsident eine sehr kurze Halbwertszeit gehabt, der die die Atombomben im Bunker gelassen hätte. (Auf Iwojima wurde nebenbei der Einsatz von Giftgas, um den starken Widerstand zu brechen, von Roosevelt untersagt.) Das Manhattan-Projekt lief übrigens erst Ende ’41, besser gesagt (aktiv) Anfang ’42 an.

    @JF
    Das ist Blech:

    Welche Technologien wurden eigentlich nicht mit militärischem Hintergrund entwickelt? Natürlich die Gesundheits-Technologien.

    Jeder technologische Fortschritt vergrößert direkt oder indirekt die militärische Macht. Bis nach dem WWI kamen mehr Soldaten durch Krankheit als durch Feindeinwirkung ums Leben. Und selbst in WWII waren z.B. Geschlechtskrankheiten ein ernstes Problem der ‘Wehrkraft’. Dass das nicht (unbedingt) das Motiv für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung war, spielt in dem Zusammenhang keine Rolle; dazu auch die Motive für die Gründung des Roten Kreuzes (und die allgem. Anerkennung desselben).

  96. #96 roel
    August 18, 2010

    @S.S.T “Das Manhattan-Projekt lief übrigens erst Ende ’41, besser gesagt (aktiv) Anfang ’42 an.” Der Anstoß hierzu erfolgte 1939.
    “Nach den sehr verlustreichen Schlachten um Iwojima und Okinawa hätte jeder amerik. Präsident eine sehr kurze Halbwertszeit gehabt, der die die Atombomben im Bunker gelassen hätte.” Man kann es im nachhinein nicht beurteilen. Wie lange hätte Japan überhaupt noch durchgehalten? Die von Ihnen genannten Schlachten verliefen für die USA vielleicht verlustreich für Japan bestimmt verheerend. Wie hätten sich ein anderes Ziel (keine Großstadt) für die 1. Atombombe ausgewirkt? Aber auch das kann man nicht beurteilen.

  97. #97 S.S.T.
    August 18, 2010

    @roel

    Aber auch das kann man nicht beurteilen.

    Stimmt absolut! Geschichte ist bekanntlich kein PC-Spiel, das man immer wieder unter neuen Prämissen starten kann. Deswegen habe ich mich auch aller Zahlen (im www und anderswo findet man diverse Schätzungen) enthalten.

    Den Durchhaltewillen von Japan, bei Null-Import, kann ich nicht beurteilen. Immerhin konnte die Wehrmacht, ebenfalls noch im ‘letzten’ Moment zwei große Offensiven durchführen: Dez. ’44 in den Ardennen und März ’45 am Plattensee.

    Anstoß und Realisierung, die eben erst nach dem Kriegseintritt der USA stattfand, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Der Stapel der Memoranden, die täglich die Regierungen der Welt erreichen, dürfte locker die Entfernung Erde-Mond überschreiten.

    Man sollte auch nicht vergessen, ’45 gab es nicht gerade sehr viele Atombomben und eine von den drei ging für den Test drauf…

    Aber der Kern meines Arguments ist nun mal: Auch ohne A-Waffen hätte es massive Verluste der jap. Zivil-Bevölkerung gegeben.

  98. #98 roel
    August 18, 2010

    @S.S.T “Aber der Kern meines Arguments ist nun mal: Auch ohne A-Waffen hätte es massive Verluste der jap. Zivil-Bevölkerung gegeben.” Wenn der Krieg so weitergegangen wäre, wie Sie es meinen!

  99. #99 Geoman
    August 18, 2010

    Wohl kaum jemand rechtfertigt hier den Abwurf von Atombomben auf japanische Städte, aber nüchtern betrachtet hätte der Krieg -wenn eine Invasion auf den japanischen Hauptinseln überhaupt erfolgreich gelungen wäre – wohl noch bis 1950 gedauert. Die Japaner hatten noch einige (ich meine mindestens 3) Millionen kampfbereite Soldaten auf ihrem Territorium. Und so wäre ohne Atombomben in der Tat mit einigen Millionen Opfern zu rechnen gewesen.

  100. #100 Geoman
    August 18, 2010

    Wohl kaum jemand rechtfertigt hier den Abwurf von Atombomben auf japanische Städte, aber nüchtern betrachtet hätte der Krieg -wenn eine Invasion auf den japanischen Hauptinseln überhaupt erfolgreich gelungen wäre – wohl noch bis 1950 gedauert. Die Japaner hatten noch einige (ich meine mindestens 3) Millionen kampfbereite Soldaten auf ihrem Territorium. Und so wäre ohne Atombomben in der Tat mit einigen Millionen Opfern zu rechnen gewesen.

  101. #101 S.S.T.
    August 18, 2010

    @roel

    Wenn der Krieg so weitergegangen wäre, wie Sie es meinen!

    Bitte nicht ernsthaft gemeint, ich schätze Deine Argumente!

  102. #102 S.S.T.
    August 18, 2010

    @Geoman

    ob Hunderttausende oder ob Millionen mag nat niemand sagen, aber ein amerik. Entscheidungsträger, der nicht alle ‘lebensrettende’ (Japse zählen nicht dabei) Maßnahmen eingesetzt hätte, wäre sehr schnell weg vom Fenster. Weiterhin sollte man auch Waffen wie Aerosolbomben (Dt. im WWII und wie Mini-A-Waffen) sowie Napalm (WWII) nicht vergessen; beides Waffen, die besonders effektiv gegenüber Zivilisten sind.

    Evtl. ist der Zeitrahmen sehr groß, aber die Grundaussage ist m.M.n. richtig.

  103. #103 michael
    August 19, 2010

    > Weiterhin sollte man auch Waffen wie Aerosolbomben (Dt. im WWII und wie Mini-A-Waffen) sowie Napalm (WWII) nicht vergessen; beides Waffen, die besonders effektiv gegenüber Zivilisten sind.

    Wie ja auch bei der Bombardierung von Tokio mit Phosphor Bomben und anderen am 9-10 März 1945 bis zu 100000 Menschen starben.

    https://www.commondreams.org/headlines05/0310-08.htm

  104. #104 Jörg Friedrich
    September 7, 2010

    Erst heute ist mir durch eine andere Diskussion klar geworden, dass man meine Worte von der der Evolution, die eine “kluge Erfindung” macht, und meine Formulierung, dass diese “Kluge Erfindung” für die Erhaltung der Art sorgt offenbar dahingehend interpretieren kann, dass ich annehme, dass hinter der Evolution irgendein teleologisches Ziel oder ein Zweck steckt, welcher durch den dargestellten mikroevolutionären Mechanismus erreicht werden soll. Die Kommentare von Ullrich Berger sollten mich darauf hinweisen, das habe ich jedoch im Eifer der Diskussion nicht verstanden.

    Es tut mir leid, dass meine laxe Formulierung (die Anführungsstriche bei “kluge Erfindung” hatten das offenbar nicht deutlich genug gemacht) dazu führen konnte, dass diese lesart möglich war. Bei der Gelegenheit möchte ich auch gleich klarstellen, dass ich keineswegs Vögel für “faul” halte, nur weil sie nicht in den Süden fliegen und dass auch kein Vogel (im alltäglichen Sinne des Wortes) dafür “sorgt” dass die Art erhalten bleibt. Niemand – insbesondere kein Vogel und keine Evolution – hat die Absicht, eine Art zu erhalten.

  105. #105 Geoman
    September 7, 2010

    Nicht die “kluge Erfindung”, sondern die erfolgreiche Reproduktion ist die Prüfung, die alle Gene bestehen müssen, wenn sie (nach scholastischer Sichtweise) nicht durch natürliche oder sexuelle Selektion ausgesiebt werden sollen. Dies bedeutet nicht, dass Gene ein Bewusstsein besäßen oder gar von irgendwelchen Zukunftsgedanken getrieben würden. Aber die teleologische Wahrheit ist, dass Gene, die ihr eigenes Überleben zu sichern versuchen, eher überleben. Insofern hat die teleologische Sichtweise bei Genen, obwohl es sich (nach erneut scholastischer Sichtweise) um seelenlose Moleküle handelt und die Evolution kein Ziel hat, eine gewisse, wenn auch nicht unproblematische Berechtigung.

  106. #106 Quaker
    September 9, 2010

    Schöner Text. Leider haben sie damit den Skeptikern auf die Plattfüße getreten, die hier ihren Koran gerade brennen sehen.
    Kopf hoch, ich sehe das durchaus positiv.

  107. #107 Klaus
    September 18, 2010

    Völlig beknackt diese Diskussion.
    Global gesehen, hat sich zu früher eigentlich wenig verändert! Die Frage besteht darin, für wen hat sich was verändert? Wer plündert wen aus? – und damit hat sichs.
    Für die Indianer am Amazonas, wars früher besser. und wahrscheinlich auch für die meisten afrikanischen Stämme. Für die Inuit, die Sioux, Lakota, für viele Asiaten, für die Maori und die Ureinwohner Australiens usw. usw….