Die schönsten Geschichten in der Wissenschaft beginnen mit einer Randnotiz. Bekanntlich hat Fermat am Rand eines Blattes die Notiz gemacht, dass er für seine berühmte Vermutung einen wunderbaren Beweis gefunden hat, für den auf diesem Blatt aber leider nicht genug Platz sei. Ähnlich ist es mit einem Kernsatz der Quantenmechanik, der unter dem Namen “Born’sche Regel” bekannt geworden ist.

Die Arbeit aus dem Jahr 1926, in der Max Born diese berühmte Regel formuliert hat, trägt den Titel “Zur Quantenmechanik der Stoßvorgänge”.

Die Stelle ist so schön, dass ich sie hier als Faximile wiedergeben möchte:

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Borns entscheidende Erkenntnis, dass die Wahrscheinlichkeit für ein quantenmechanisches Messereignis dem Quadrat der Schrödingerschen Wellenfunktion gleich ist, versteckt sich also im Originalaufsatz in einer Fußnote. Ist das nicht wunderbar?

Dass es das Quadrat der Wellenfunktion ist und nicht etwa einfach der Betrag der Wellenfunktion, hat weit reichende Konsequenzen, und sie reichen bis zu einem Experiment über das erst vor gut einem Monat in Science berichtet wurde. Das Experiment wurde 1994 von Rafael D. Sorkin beschrieben, aber erst jetzt ausgeführt.

Eine Wellenfunktion hat ihren Namen daher, dass sie die Ausbreitung von Wellen beschreibt, und Wellen zeigen, wenn sie aufeinandertreffen, Interferenz, sie verstärken sich oder löschen sich aus. Hat man eine einzelne Quelle und lässt die Welle, die von dieser Quelle ausgeht, auf ein Hindernis stoßen, das nur schmale Durchlässe hat, zeigen sich dahinter bestimmte Interferenzmuster. Sorkin hat gezeigt, dass es, wenn die Energie (oder quantenmechanisch die Wahrscheinlichkeit) für die Amplitude der resultierenden Welle im Quadrat anzusetzen ist, immer nur zur Interferenz zweier Wellen kommen kann, Interferenzen von drei oder mehr Wellen (die durch drei oder mehr Schlitze in der Wand zustande kommen) müssen sich immer auslöschen.

Die Idee, das zu prüfen, ist einfach, aber im Falle von quantenmechanischen Systemen schwer zu realisieren. Man nimmt eine Wand mit drei Schlitzen und deckt immer einen davon ab. Dann legt man die resultierenden Interferenzmuster übereinander. Ist die Born’sche Regel richtig, dann muss das Ergebnis dieser Addition genau mit dem Bild übereinstimmen das entsteht, wenn alle drei Spalte gleichzeitig offen sind. Hätte Born unrecht gehabt, dann müsste es im Falle, dass alle Schlitze geöffnet sind, zu zusätzlichen Interferenzen aller drei Wellen kommen.

Kurz gesagt: Die Durchführung des Experimentes, das Sorkin vor 16 Jahren entworfen hat, hat gezeigt, dass die Born’sche Regel wirklich richtig ist. es gibt keine Interferenzenen aus den Überlagerungen der Wellen aller drei Schlitze, es gibt nur Interferenzen aus den Wellen, die je von zwei Schlitzen ausgehen.

Das Experiment hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein quantenmechanisches Teilchen zu messen, tatsächlich dem Quadrat der Wellenfunktion gleich ist, die das System beschreibt. Damit wurde der mathematische Formalismus der Quantenmechanik eindrucksvoll experimentell bestätigt. Um Missverständnisse zu vermeiden sei noch angemerkt, dass dies allerdings keine besondere Bestätigung der Wahrscheinlichkeits-Interpretation der Quantenmechanik, die unter dem Namen “Kopenhagener Deutung” bekannt ist, gegenüber anderen Interpretationen wie z.B. der deBroglie/Bohm-Theorie ist. Letztere verwendet bekanntlich den gleichen mathematischen Formalismus wie die Kopenhagener, wurde also – wenn man so will – durch dieses Experiment ebenso bestätigt.

Nachtrag: Dieser Text ist entstanden, weil ich vor ziemlich genau einem Monat darum gebeten wurde, doch einmal darzustellen, wie ich selbst über das Drei-Spalt-Experiment schreiben würde. Durch meinen Urlaub war ich leider nicht mehr dazu gekommen und danach, so dachte ich, würde es vielleicht niemanden mehr interessieren. Aber ein verregneter Sonntag-Abend und die wunderbare Fußnote von Born brachten mich dazu, es doch zu versuchen.

Kommentare (6)

  1. #1 kommentarabo
    August 29, 2010

  2. #2 Ockham
    August 30, 2010

    Haben Sie diesen Link, den ich Ihnen per Mail schickte, erhalten?

    Wenn sich Elektronen in dieser Weise abbilden lassen, wird es eng für die QT.

  3. #3 perk
    August 30, 2010

    Wenn sich Elektronen in dieser Weise abbilden lassen, wird es eng für die QT.

    nope, es erfolgte keine abbildung sondern eine messung der population von quantenzuständen auf einem großen ensemble von gasatomen in einer durchaus beeindruckenden geschwindigkeit, alles in wunderbarer übereinstimmung mit der qt..

    lesen sie das paper und sehen sie selbst..

  4. #4 Ockham
    August 30, 2010

    @ perk
    Ich habs gelesen, drum sag ich ja: sieht nicht gut aus für QT

  5. #5 Jörg Friedrich
    August 30, 2010

    @Ockham: Ich habe den Originaltext noch nicht gelesen, werde mir den aber in den nächsten Tagen ansehen. Ich komme darauf zurück, versprochen.

  6. #6 perk
    August 30, 2010

    sieht nicht gut aus für QT

    können sie das auch irgendwie belegen? bisher haben sie nur ihre unbegründete meinung genannt, die explizit der aussage des papers widerspricht, die haben nämlich die qt verwendet um die absorptionslinien, zustandsbevölkerungen und koherenz zwischen den zuständen zu bestimmen

    schauen sie sich doch mal figure 5a an schwarz die messwerte und rot die vorhersage aus der schrödingergleichung, die übereinstimmung ist großartig