Ein Gastbeitrag von Stefan Uttenthaler
Den Wissenschafter, über den ich hier schreiben möchte, kennen wahrscheinlich viele Menschen in Österreich: Hans-Peter Hutter. Er ist Assoc.Prof. und stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien. Hutter ist bekannt aus dem Fernsehen und anderen Medien und ich möchte hier festhalten, dass ich ihn, so wie vermutlich viele andere, als Mensch sympathisch finde. Er ist ein lockerer Typ, der selbst im Fernsehen gerne mit buntem Hawaii-Hemd auftritt und mit bald 60 Jahren sogar noch Skateboard fährt. Dass ich ihn als Mensch sympathisch finde, betone ich, da ich im folgenden einige kritische Zeilen über seine Tätigkeit als Wissenschafter schreibe: Es geht mir ausdrücklich darum, seine wissenschaftliche Tätigkeit bzw. die Aussagen, die er als Wissenschafter in der Öffentlichkeit tätigt, zu kritisieren, und nicht ihn als Mensch. Leider gibt es so einige Positionen, mit denen er schon auf Abwege geraten ist, bzw. die ich für bedenklich, falsch und irreführend halte. Es ist seiner Bekanntheit geschuldet, dass ich mich näher mit ihm befassen möchte.
Zweifelhafte Aussagen über Mobilfunk/5G
Beginnen wir mit dem Thema, mit dem auch ich mich in letzter Zeit ein wenig auseinandergesetzt habe (nämlich hier, hier und hier), also mit Hutters Äußerungen über Mobilfunk. Zu diesem Thema vertritt er offenbar einen Standpunkt, der im klaren Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens und den publizierten Ergebnissen von vielen Behörden und Institutionen weltweit steht, die nämlich bei Einhaltung der empfohlenen Grenzwerte kein gesundheitliches Risiko durch die Nutzung von Mobilfunk finden. Im Jahr 2021 hat Hutter zu diesem Thema zumindest zwei Publikationen herausgebracht: Einen Artikel mit dem Titel “Umwelthygiene” in der Österreichischen Ärztezeitung (ÖÄZ) gemeinsam mit zwei weiteren Autoren (für den Ärzte sogar zwei Diplomfortbildungspunkte erwerben können), sowie einen kurzen Artikel mit dem Titel “5G und Senderbau unter der Lupe” in “Gesunde Arbeit” (02/2021), einer Zeitschrift von Arbeiterkammer (AK) und Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB). Ich möchte mich hier nur auf die meiner Meinung nach wichtigsten Aussagen konzentrieren.
In beiden Artikeln wird eine angeblich “unklare wissenschaftliche Forschungslage” bzw. ein “Hinterherhinken der Forschung” hinter der technologischen Entwicklung beklagt. U. a. schreibt Hutter in “Gesunde Arbeit”: “Gegenwärtig finden sich zu den bereits für 5G freigegebenen Frequenzen (3,4 – 3,5 GHz) und dem speziellen Übertragungsprotokoll dieser Funktechnik noch keine gesundheitsrelevanten Studien.” Zu diesem Satz sind drei Dinge zu sagen: 1) Es stimmt zwar, dass die genannten Frequenzen für 5G frei gegeben wurde, allerdings waren sie schon lange für andere Funkanwendungen in Verwendung. Neu ist also nur die Nutzung für Mobilfunk im Rahmen von 5G. 2) Meine Recherchen haben ergeben, dass die Aussage, es gäbe keine gesundheitsrelevanten Studien für den Frequenzbereich um 3,5 GHz, nicht korrekt ist. Eine Arbeitsgruppe der französischen ANSES (Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety) hat einen Bericht herausgegeben, in dem immerhin fünf solcher Studien aufgezählt werden (S. 142f). Zugegeben, das ist nicht viel, aber eben nicht nichts. Für diesen Bericht wurden deshalb auch Studien herangezogen, die den Frequenzbereich bei 2,4 GHz und darunter untersucht haben. In der Zusammenschau stellt die Arbeitsgruppe in einer englischsprachigen Zusammenfassung fest: “… it is unlikely, at this stage, for the deployment of 5G in the frequency band around 3.5 GHz to constitute a new health risk.” Das steht im Einklang mit der bisherigen Erkenntnis (z. B. der WHO), dass Mobilfunkwellen bei Einhaltung der Grenzwerte der Intensität keine gesundheitlich relevante Wirkung haben. 3) Ein Übertragungsprotokoll ist nichts anderes als eine Menge von logischen Regeln, die Syntax, Semantik und Synchronisation der Kommunikation zwischen den beteiligten Geräten festlegen. Das verbesserte 5G-Protokoll erlaubt es u. a. sogar, dass Handys weniger stark senden müssen, um eine stabile Verbindung mit der Basisstation aufzubauen. Dass diese Menge von logischen Regeln für 5G zusätzlich zur verwendeten Trägerfrequenz ebenfalls in irgendeiner Weise gesundheitlich relevant sein könnte, wie es dieser Satz suggeriert, entbehrt jeglicher rationaler Grundlage.
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