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“Keine Demokratie, keine Bürgerrechte, ein Mangel an Gleichheit und Gerechtigkeit, nur Betrug und Verrat,” kritisiert der chinesische Künstler Ai Weiwei sein Heimatland in seinem Blog (dessen übersetzter Auszug sich hier findet). Das ist mutig, aber man möchte auch sagen: Ganz schön kühn.

Schließlich lebt und arbeitet der Künstler in einem Vorort Pekings. Ai Weiwei, maßgeblich an der Architektur des Pekinger Olympiastadiums beteiligt, kritisiert das chinesische Regime stärker, als jeder andere an den diesjährigen Spielen Beteiligte. Während sein Kollege Jacques Herzog vom schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron auf Spiegel Online diplomatisch erklärte, er sähe in China “Fortschritt” und eine “neue Offenheit”, nimmt Weiwei kein Blatt vor den Mund und attackiert das Regime und jeden, der sich nicht klar dagegen positioniert.

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“Ich kritisiere die Absicht, Kultur für Propagandazwecke zu missbrauchen und die wahre Funktion von Kunst und Intellekt aufzugeben,” teilte er dem Guardian mit und wirft den Choreographen der Eröffnungsfeier “Versagen in ihrer Verantwortung als Künstler” vor.

Wieso hat er sich dann selbst am Bau des Vogelnests beteiligt? “Die Leute denken: “Das ist der Typ, der das Stadium designt hat, jetzt hasst er es. Aber das stimmt nicht,” verteidigt sich der Künstler. “Was wir geschaffen haben ist perfekt: Großartig für die Stadt, die Zukunft Pekings, die Einwohner lieben es. Nur hatte ich meine politische Einstellung schon lange vor den Olympischen Spielen – und die dauern nur 20 Tage. Die Spiele kommen und gehen. Mir ist nur wichtig, was das Stadium anschließend hervorbringen wird.”

Es ist erstaunlich, dass Ai Weiwei solche Interviews geben kann und nicht schon längst in eine entlegenen Provinz zur Zwangsarbeit abgeschoben wurde. Schließlich ist er genau so aufgewachsen: Kurz nach seiner Geburt wurde die Familie in die Wüste Gobi umgesiedelt, nachdem sein Vater, der Dichter Ai Qing regimekritische Gedichte veröffentlicht hatte. Mit 18 erst sah er zum ersten Mal Peking und lebte später zwölf Jahre lang in New York. Um für seine Aussagen tatsächlich bestraft zu werden, hat Ai Weiwei mittlerweile zu viel Reputation. Wir erinnern uns, im Sommer 2007 brachte er für ein Kunstprojekt 1000 Chinesen zur Documenta 12 nach Kassel. Im Guardian wurde er bereits als “chinesischer Andy Warhol” betitelt.

Nachdem Herzog & de Meuron 2002 den Auftrag für den Bau des Stadiums erhielten, holten sie sich die “China Architecture Design & Research Group” mit ins Boot – und damit war auch Ai Weiwei vertreten. “Von staatlicher Seite hätte mich niemand je mit einem derartigen Projekt beauftragt,” ist sich der Künstler sicher.

Zur Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele am Freitag ist Ai Weiwei nicht erschienen. Wie er in einem eigenen Artikel im Guardian erklärte, symbolisiere das “Vogelnest” den “fairen Wettbewerb” und damit die Möglichkeit zur Freiheit, die jedoch Fairness, Mut und Stärke benötige. Dementsprechend habe er beschlossen, nicht an der Eröffnungsfeier teilzunehmen und so von seinem Recht auf freie Wahl Gebrauch zu machen