War das heutige China eigentlich schon vor den Olympischen Spielen gleichbedeutend mit dem Dritten Reich? Ich hatte es als – sicher menschenrechtsverletzenden und totalitären – eigenständigen Staat in Erinnerung. Aber jetzt, da die Welt genauer nach Peking schaut, sprudeln die Metaphern in Massen durch die Medien.

Aussagen über die angebliche Ähnlichkeit zwischen Peking 2008 und Berlin 1936 gibt es wie Sand am Meer: Daniel Cohn-Bendit findet es überhaupt nicht in Ordnung, dass Nicolas Sarkozy zu den Eröffnungsspielen gereist ist – schließlich sei China ein totalitärer Staat und schiebt hinterher “War es etwa richtig, 1936 in Berlin Hitler die Hand zu schütteln?”

Michael Vesper, seines Zeichens Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes und ehemaliger Grünen-Politiker, fand Paralellen mit einer fast schon positiven Konnotation: Dass das Internet in China zensiert werde, sei nichts Außergewöhnliches. “Bei uns sind es rechtsradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden.” Andere Länder, dieselben Sitten?

Zensur umgehen für Dummies

Das Satiremagazin Extra 3 vom NDR war so gut, eben jene verbotenen Seiten wie etwa Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen übersichtlich sortiert und auf Englisch zusammenzustellen – für die lieben Kollegen in Peking. Noch ist die Seite von dort abrufbar, nicht zuletzt da Extra 3 Screenshots der zensierten Seiten im .pdf-Format anbietet. Sollten diese Seiten zensiert werden, bietet Extra 3 auch gleich einen Verweis auf den Chaos Computer Club – die können bei Zensurfragen in China helfen.

Auch im Ausland verschwimmen Berlin und Peking

Aber zurück nach Berlin, 1936. Dort plante Albert Speer seinerzeit eine städtebauliche Überarbeitung von Hamburg, München, Linz und was in den geisteskranken Plänen seines Vorgesetzten eben sonst noch vergrößert werden sollte.

Albert Speer jr. teilt mit seinem Vater außer dem Namen die Tatsache, dass er ebenfalls ein sehr erfolgreicher Architekt ist – das war’s dann aber auch. Dennoch empörte sich die Times Online über den Deutschen, der es wagt, Hand an Olympia zu legen. In fast jedem Absatz des Artikels finden sich Anmerkungen zu seinem Vater – der übrigens nicht an den Bauten für Olympia 1936 beteiligt war. Ebenso wenig hat Speer Junior das Vogelnest oder das Olympische Dorf entworfen – lediglich eine Verbindungsstraße von Nord- nach Südpeking stammt aus seiner Feder. In einem weiteren Artikel zum selben Thema, werden die beteiligten Architekten des Teams als “moralisch entmannt” bezeichnet.

Welchen Sinn haben solche Vergleiche denn? Können wir daraus Prognosen für die Zukunft Chinas ableiten? Nein. Metaphern und Vergleiche sind eine schöne Sache, zeugen von Kreativität und verdeutlichen abstrakte Sachverhalte. Aber wie ein chinesisches Sprichwort sagt: “Der Fuchs nutzt die Maske des Tigers.” Man kann die Macht eines anderen benutzen, um damit zu beeindrucken. Im Positiven wie im Negativen. Und Peking 2008 in der selben Schublade im Geiste mit Berlin 1936 abzulegen, macht diese Spiele noch miesepetriger.