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Besteuerung gehört zu einem modernen Staat einfach dazu – bis auf wenige Ausnahmen ist diese Ansicht in den meisten heutigen Ländern breitgesellschaftlicher Konsens. Denn Steuern geben dem Staat Handlungsfreiheit und ermöglichen ihm, eine immer stärker steigende Erwartungshaltung nach Leistungen zu befriedigen. Dementsprechend unterliegt Besteuerung auch immer einem gewissen Wandel. Alte, unrentable Modelle werden abgeschafft; dafür werden neue Steuern erhoben, wenn ein zeitgenössisches Phänomen von einer Randerscheinung zum bedeutsamen Faktor heranwächst.

Ein jüngeres Beispiel aus Deutschland dafür wäre die Wettsteuer, die ein Spiegel des Aufblühens von Sportwetten ist. Sie wird seit 2012 in Höhe von fünf Prozent von den Kunden über die Anbieter erhoben, nur wenige reichen sie nicht durch. Und mit der Digitalsteuer wird längst über ein Modell diskutiert, das die global agierenden Internetgiganten gemäß ihren länderspezifisch generierten Gewinnen besteuern soll – und nicht nur, wie bislang üblich, in den (steuergünstigen) Ländern ihres Firmensitzes.

Allerdings sorgen derartige Vorgänge und Diskussionen dafür, dass vielfach der Blick dafür verlorengeht, wie alt der Gedanke von Abgaben an eine höhere Instanz ist. Tatsächlich sind Steuern unverbrüchlich mit der Geschichte des modernen Menschen und einer ebenso modernen Gesellschaft verbunden – und es gibt lange vor unserer heutigen Zeit zahllose Wegmarken, die den ständigen Wandel belegen.

1. Die ersten Hochkulturen: „Geld wie Matsch“ im alten Ägypten

Der Nil als Liferant von fruchtbarem, nährstoffreichem Schlamm. Für die alten Ägypter ein wichtiger Gradmesser zur Steuerberechnung – je mehr Schlamm, desto mehr Ertrag. (Stock.adobe.com © Alexeiy)

Historiker gehen heute zumindest theoretisch davon aus, dass die ersten Formen von Besteuerung bereits in frühmenschlichen Gesellschaften vorkamen; mitunter sogar bevor im Zuge der neolithischen Revolution durch Ackerbau und Viehzucht eine Sesshaftwerdung zu beobachten war. Anders formuliert: Wo es irgendwie geartete Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnisse gab erscheint es in der Retrospektive zumindest in der Theorie logisch, dass durch Arbeitsleistung und/oder Naturalabgaben Besteuerung betrieben wurde. Mangels archäologischer Funde sind diese Vermutungen jedoch bis dato unbewiesen.

Die ersten nachgewiesenen Steuern wurden nach heutigem Wissensstand im Frühaltertum, konkret im Bereich Mesopotamiens und Ägyptens, erhoben. So ist unter anderem bekannt, dass über die Kaste der ägyptischen Beamten (heute vielfach als Schreiber bezeichnet) bereits ab ca. 1900 – 1800 v.Chr. zur Regierungszeit Amenemhets III. eine sogenannte Nilschlammsteuer erhoben wurde: alljährlich trat der unregulierte Nil über die Ufer. Dabei trug er wertvolle schlammige Nährstoffe auf die Äcker. Über ein ausgeklügeltes Messsystem, die sogenannten Nilometer, konnte abgeschätzt werden, wie hoch der Ernteertrag sein würde – davon ausgehend ließen sich dann auch Naturalabgaben herleiten; es handelte sich also um eine alljährlich wechselnde Steuer.

2. Das antike Griechenland: Zunächst an den Staat

Griechenland mag zwar nicht die Wiege der Besteuerung sein, aber seine enorm prägende Rolle für die Staatenbildung hatte durchaus auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Steuern zu einem System, wie wir es heute kennen. Grundsätzlich betrieben die antiken griechischen Stadtstaaten ein recht komplexes Besteuerungssystem. Da mit der Drachme eine breit akzeptierte Münzwährung bestand, geschah dies hier erstmalig großmaßstäblich in Währungsform; nicht mehr ausschließlich Naturalien.

Eine aus heutiger Sicht maßgebliche Rolle spielte der athenische Staatsmann Themistokles. Ihm wird zugeschrieben, als erster eine modern anmutende Steuerlenkung betrieben zu haben: Um 490 v.Chr. sorgte er dafür, dass die Gewinne der Silberminen von Maroneia und Laurion direkt in Athens Staatskasse flossen, statt wie bisher an die Bürger verteilt zu werden.

Der Erfolg sprach Bände: Binnen kürzester Zeit konnte Athen eine dreistellige Kriegsflotte aus dem Boden stampfen, die es 480 v.Chr. schaffte, die zahlenmäßig weit überlegene persische Flotte von Xerxes I. vernichtend zu schlagen.

3. Das imperiale Rom: Ausgeklügelt, aber sehr komplex

Machthunger als Grundproblem: Je größer Rom wurde, desto mehr Steuern konnte, aber musste es auch erheben. Das führte zu einem sehr komplexen Steuersystem. (Stock.adobe.com © angellodeco)

Zur Zeitenwende hatte also der Gedanke einer Besteuerung bereits eine rund 2000 Jahre währende Evolution durchlebt. Mehr als genügend Zeit, um nicht nur ausgeklügelte Steuern zu erheben, sondern auch ein staatliches System der Beamten und Eintreiber zu etablieren, die darüber wachten.

Tatsächlich lässt sich der römische Einflussbereich und die Besteuerung als eine Wechselwirkung betrachten – denn zwischen den 150ern v. Chr. und der Zeitenwende hatten praktisch ausschließlich die Provinzen jenseits des römischen Herzlandes Abgaben zu leisten, während letzteres eine umfassende Steuerbefreiung genoss. Insgesamt aber lässt sich das römische Steuersystem, nicht zuletzt aufgrund der langen Existenz des Imperiums und der großen Ausdehnung, als sehr komplex bewerten.

Interessant ist dabei, wie modern die damaligen Steuern aus heutiger Sicht bereits anmuten:

  • Das Tributum als zunächst bedarfsabhängig erhobene Steuer, die mit der Ausbildung der römischen Legion zu einer festen, ständig besoldeten Berufsarmee jedoch zur festen Abgabe wurde.
  • Das Tributum soli, eine nach Provinz und genauer Art des Besitzes gestaffelte Grundbesitzsteuer.
  • Das Tributum capitis als klassische Kopfsteuer aller Personen einer festgelegten Gruppe.
  • Die Vicesima hereditatium als Erbschaftssteuer, zu entrichten dort, wo das Tributum nicht galt – also im Herzland Roms.

Dies nur als vier Beispiele von vielen. Zudem lässt sich an der Art der römischen Steuererhebung auch sehr beispielhaft der Zerfall des Reiches nachvollziehen. Während Steuern in den Blütejahren praktisch ausschließlich in harter Währung zu bezahlen waren, wandelte sich das Prinzip in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende mit dem Verfall des Finanzwesens immer stärker zurück zu einem System der Naturalabgaben. Nach der Reichsteilung kehrte man zwar wieder zu Goldwährungsabgaben zurück; dies galt aber nur in Ostrom.
4. Das Mittelalter: Weltlich, kirchlich, aber immer kreativ

Das Mittelalter wird aus heutiger Perspektive vielfach mit abnormen Steuerlasten, gar mit Leibeigenschaft in Verbindung gebracht. Tatsächlich lässt sich diese Ansicht bis weit ins Hochmittelalter kaum halten – in den kleinteiligen Reichen auf dem Gebiet des untergegangenen Westroms mangelte es meist schon an grundlegenden Voraussetzungen zur Steuererhebung in Form einer schriftmächtigen Verwaltung sowie Volkszählungen.

Einzig die Kirche als übergeordnete Instanz vermochte es in jenen Jahrhunderten, in Form des Decimae ecclesiasticae, des Kirchenzehnts, eine einfache, aber allgemeingültige Steuer zu erheben: Wer Grund besaß, musste ein Zehntel des Ertrags abgeben – in der Theorie. Praktisch hatte das System viele Lücken und wurde vielerorts nicht konsequent verfolgt.

Erst im Verlauf des Hochmittelalters wurden auch die Landesherrscher wieder ein maßgeblicher Faktor bei der Besteuerung; mangels Unterlagen wurden jedoch einfach die Gemeinden abgabepflichtig gemacht, die im Nachgang die Eintreibung selbst in die Hand nehmen konnten. Zudem war es über das gesamte noch folgende Mittelalter eine Tatsache, dass (weltliche) Steuern häufig nur anlassbezogen erhoben wurden – und praktisch immer nur in Naturalien.

Die einzige Ausnahme stellten die im Spätmittelalter in Mode kommenden indirekten Steuern dar. Erstmalig in der Geschichte wurden großmaßstäblich Abgaben auf diverse Lebensmittel (etwa Salz) und andere Dinge (beispielsweise Spiele) erhoben – hier entwickelten die zersplitterten Herrschaftsgebiete teils enorme „Steuerkreativität“.

Als jedoch mit der Renaissance eine Epoche der größeren Reiche, der insgesamten Festigung von Herrschaftsverhältnissen begann, nahmen die Steuern vielerorts überhand. In immer schnellerer Folge wurden anlassbezogene Steuern erhoben, bis sie oftmals den Charakter fixer, dauerhaft zu entrichtender Steuern bekommen hatten.

Nicht zuletzt war dies nach einigen Renaissance-Jahrhunderten auch Anlass eines bis heute nachwirkenden Aufstandes.
5. Die Neuzeit: No Taxation without Representation

Seit den frühen 1600ern waren die nordamerikanischen Gebiete weitgehend in der Hand der britischen Krone. Doch beginnend mit dem 1636-1638 ausgetragenen Pequot-Krieg hatte sind in den nordamerikanischen Kolonien über die folgenden gut hundert Jahre immer stärker ein eigenes Nationalbewusstsein herausgeprägt. Immer weniger Kolonisten sahen sich als genuin britisch an, immer stärker wurde der Ruf nach Eigenständigkeit.

Steuern sind selten beliebt. Doch nur selten hat die Wut darüber solche Auswüchse, dass sie gleich für die Lossagung von Nationen sorgen – mit den USA als prominentestes Beispiel. (Stock.adobe.com © Pamela Au)

Es mag aus der Retrospektive leicht sein, Urteile zu fällen – hinterher ist man schließlich immer schlauer. Jedoch ist es aus Sicht vieler Historiker unstrittig, dass das britische System der Besteuerung maßgeblicher Auslöser für die Entstehung der USA war.

Grundlage all dessen war, dass es seit der 1689 eingeführten (britischen) Bill of Rights in Großbritannien Grundansicht war, dass eine Besteuerung nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Untertanen als Gegenleistung ordnungsgemäßen parlamentarisch vertreten würden. Bloß hatten die 13 Kolonien keine eigenen Parlamentarier in London – nicht zuletzt der großen Distanz und damaligen Fortbewegungsmöglichkeiten geschuldet.

Ab der zweiten Hälfte der 1700er rieb sich eine immer größere Anzahl nordamerikanischer Kolonisten an dieser nichtvorhandenen Repräsentierung. Immer mehr fühlten sich eines zentralen britischen Bürgerrechts beraubt. 1765 fasste es James Otis Jr., Mitglied der Provinzregierung von Massachusetts, folgendermaßen zusammen:

<h2>„Taxation without Represantation is Tyranny“</h2>
(Besteuerung ohne politische Vertretung ist Tyrannei)

In den folgenden Jahren wurden immer wieder Anregungen an die Krone gesendet, die aber nicht fruchteten. Unterdessen begann die Wut der Kolonisten überzukochen. Am 16. Dezember 1773 warfen wütende Bostoner mehrere Schiffsladungen Tee in den Hafen, um gegen Teezölle zu protestieren.

1775 entwickelten sich offene Kämpfe zwischen nordamerikanischen Milizen und britischer Armee. Ein Jahr später, am 4. Juli 1776, erklärte der Kontinentalkongress die Unabhängigkeit der 13 Kolonien von der Krone – die 1783 nach einem blutigen Krieg auch errungen wurde.