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Der Klimawandel schreitet unbestreitbar voran – die Jahre 2015 bis 2019 gelten als bislang wärmste Fünfjahresperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Parallel zu den Temperaturen ist weltweit das Engagement für Klimaschutzmaßnahmen gestiegen, beispielsweise für erneuerbare Energien. Doch welchen Beitrag können Solarstrom, Windenergie und Wasserkraft am Ende leisten? Und welche anderen Innovationen bieten Perspektiven für den Klimaschutz?

Stromerzeugung: Großes Potenzial mit Hindernissen

Im Gegensatz zu den fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl verursachen Windkraft, Wasserkraft und Sonnenenergie bei ihrer Erzeugung keine klimaschädlichen Emissionen. Würde sich die Menschheit komplett auf die erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung verlassen, würde der verminderte CO2-Ausstoß den Klimawandel maßgeblich bremsen. Doch auf dem Weg zu 100 Prozent Ökostrom stehen wir noch vor einigen Hindernissen:

Wo steht Deutschland beim Ökostrom?

Im Jahr 2019 machte Energie aus erneuerbaren Quellen rund 42 Prozent am deutschen Bruttostromverbrauch aus (2018: 37,8 Prozent). Insgesamt 159 Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden laut Angaben des Umweltbundesamtes dadurch insgesamt eingespart. Seit dem Jahr 1990, als Ökostrom am gesamtdeutschen Energiehaushalt lediglich einen Anteil von 3,4 Prozent hatte, hat sich also viel getan. Das Ziel von 35 Prozent erneuerbarer Energie am Bruttostromverbrauch für das Jahr 2020 erreichte Deutschland tatsächlich schon 3 Jahre früher im Jahr 2017.

Doch liegt die Energiewende damit gut im anvisierten Zeitplan? Betrachtet man nicht den Bruttoenergieverbrauch, sondern den End-Energieverbrauch, zeigt sich ein anderes Bild. Diese Größe umfasst nämlich nur die tatsächlich gelieferte Energie und nicht, wie der Bruttostromverbrauch angibt, auch die Netzverluste und die Umwandlungsenergie bei der Erzeugung. Ziel für 2020 war es, 18 Prozent des Endenergie-Verbrauchs aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Diese Marke wurde mit aktuell 17,1 Prozent (Stand 2019) noch nicht erreicht. Wo liegen die Probleme?

Fehlende Speichertechnik

Wind und Sonne unterliegen natürlichen und unvorhersehbaren Zyklen. Klar gesagt: Wenn es windstill und bewölkt ist, erzeugen Windräder und Photovoltaikanlagen keinen Strom, aber dafür umso mehr, wenn die Bedingungen stimmen. Daher entsteht in manchen Zeiten ein Überangebot und in anderen eine Unterversorgung, die es unmöglich macht, zum jetzigen Zeitpunkt vollständig auf die erneuerbaren Energiequellen zu setzen. Die Zukunft ruht hier auf drei Säulen:

  • Erstens braucht es für die effiziente Verteilung der Energie eine bessere Netzstruktur und ein kluges Lastmanagement. In einem „Smart Grid“, dem „Internet der Energie“, könnten alle Erzeuger und Verbraucher in Echtzeit kommunizieren und eine ideale Abdeckung erreichen.
  • Zweitens werden Kombinationen aus Kraftwerken nötig, in denen Komponenten von der Witterung unabhängig sind, z.B. Biogasanlagen.
  • Drittens liegt Potenzial in der Entwicklung der Speichertechnologie. Hierzu gehören Kurzzeitspeicher wie Batterien aber auch Langzeitspeicher wie die Power-to-Gas-Technologie. Hierbei erzeugt Strom mittels Elektrolyse aus Wasser ein Brenngas, das gespeichert und ohne Energieverlust transportiert werden kann.

Kann Europa sich autark mit Ökostrom versorgen?

Das bejaht eine Studie des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam klar: Den Autoren zufolge bietet Europa das Potenzial 15.000 Terrawattstunden durch Sonne und Wind zu erzeugen – das überträfe den aktuellen Bedarf um das Vierfache. Dabei könnten 75 Prozent der Kommunen sogar eine autarke Energieversorgung aufbauen. Allein in den europäischen Metropolen bestünde die Notwendigkeit, mit dem Umland zu kooperieren. Welche Regionen sich potenziell unabhängig mit erneuerbaren Energiequellen versorgen könnten, zeigt die Studie in einer interaktiven Karte. Bei der autarken Versorgung käme es auch auf die Nutzung privater Flächen an, wie beispielsweise der Dachflächen für Photovoltaikanlagen. Dieses Potenzial ist in Deutschland bislang nur zu 3,2 Prozent ausgenutzt.

Wärme: Auch hier helfen erneuerbare Energien

Aus Wetter und Umwelt lässt sich nicht nur Strom gewinnen, sondern auch Wärme. Die folgenden Technologien gehören zu den perspektivreichsten:

  1. Wärme durch Biogas

In Biogasanlagen entsteht Wärme quasi als „Abfallprodukt“ der Stromerzeugung. Hier bietet es sich an, die naheliegenden Haushalte über ein Nahwärmenetz zu versorgen. Eine relativ kleine Anlage, die 190 Kilowatt erzeugt, könnte auf diese Weise rund 100 Haushalte mit Wärme versorgen. Eine weitere Möglichkeit bieten Mini-Biogasanlagen für Privathaushalte, die Strom und Wärme aus organischen Haushaltsabfällen erzeugen.

  1. Solarthermie

Die Solarstromerzeugung auf dem eigenen Dach ist für viele Verbraucher noch nicht attraktiv, weil die Preise für die Einspeisung ins Stromnetz niedrig sind und die Batterien für den Eigenbedarf relativ teuer.

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Anders verhält es sich mit einer Solarthermie-Anlage, die für warmes Wasser und Heizwärme sorgt. Hier erhitzt die Sonneneinstrahlung Kollektoren auf dem Hausdach, die eine Wärmeträgerflüssigkeit enthalten. Sie reguliert wiederum die Temperatur eines Wasser-Pufferspeichers, der Dusche, Bad und Heizung beliefert. Traditionell wird eine Solarthermie-Anlage durch eine Zusatzheizung (Gas oder Holzpellets) ergänzt. Eine innovative Kombination besteht heutzutage jedoch in Solarthermie plus Wärmepumpe. Sie maximiert die Effizienz zweier umweltschonender Technologien. Die Effizienz von Wärmepumpen steigt immer weiter an, so dass sich bereits im Idealfall Heizenergie erzeugen lässt, die nur halb so teuer ist wie die Nutzung einer Gasheizung.

  1. Geothermie

Deutschland sitzt auf einer schier unerschöpflichen Wärmequelle in der Tiefe. Denn, je weiter man ins Erdreich vordringt, desto höher steigt die Temperatur – im Mittel 30 Grad Celsius pro Kilometer. Diese Tatsache machen sich unterschiedliche Geothermie-Anlagen zunutze:

  • Die oberflächennahe Geothermie nutzt die Temperaturen von Grundwasser und Erdreich, die in bis zu 400 Metern Tiefe etwa 8 bis 12 Grad Celsius betragen. Diese Wärme lässt sich mithilfe von Wärmepumpen und Erdwärmekollektoren nutzen.
  • Die Tiefengeothermie nutzt Erdwärme in bis zu 6000 Metern Tiefe. Heiße Quellen sind die Energielieferanten der hydrothermalen Geothermie, während die petrothermale Geothermie Wasser unter hohem Druck in tiefe Gesteinsschichten presst und darin erhitzt.

Verkehr: Auch hier warten noch Hürden

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Nach der Energieerzeugung und der Industrie ist der Verkehr Deutschlands drittgrößer CO2-Verursacher. Umso wichtiger werden in Zukunft neue Technologien wie Hybrid- und Elektrofahrzeuge.

Sind Elektro-Autos aktuell die Lösung?

Autos, die rein batterieelektrisch fahren, stoßen beim Betrieb weder Kohlendioxid noch andere Schadstoffe aus. Darüber hinaus setzen die Fahrzeuge die Energie deutlich effizienter um als die Verbrenner. Trotzdem sind aktuelle Elektrofahrzeuge nicht klimaneutral: Bei der Erzeugung ihres Ladestroms fallen klimaschädliche Gase an, wenn sie nicht aus 100 Prozent erneuerbaren Energien stammt. Zusätzlich verbraucht die Produktion einer Autobatterie große Mengen Energie, die ebenfalls CO2-Emissionen verursacht. Schließlich erzeugen nötige Rohstoffe wie Kobalt und Lithium bei ihrem Abbau Umweltschäden. Um zu entscheiden, ob E-Autos oder Verbrenner klimafreundlicher sind, muss man deshalb den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge miteinbeziehen sowie ihre Nutzungsart und die gefahrenen Kilometer.

Wann gewinnt ein Elektroauto in der Klimabilanz?

Laut Untersuchungen des Institutes für Energie- und Umweltforschung (ifeu) fällt die Klimabilanz von Elektro-Autos gegenüber Verbrennern immer positiv aus, wenn man die Gesamtlebensdauer betrachtet. Ihren Vorteil erreichen die Fahrzeuge jedoch erst dann, wenn sie mit den gefahrenen Kilometern die „Klima-Hypothek“ der Herstellung ausgeglichen haben. Das passiert bei einer Nutzung in der Stadt ab dem 40.000sten gefahrenen Kilometer, bei gemischter Nutzung ab dem 60.000sten. Um ein Elektro-Auto klimatechnisch sauberer auf der Autobahn zu fahren als ein Dieselfahrzeug, muss man damit allerdings 140.000 Kilometer zurücklegen. Senken lässt sich dieser Wert noch, wenn man das eigene E-Auto zuhause mit selbsterzeugtem Solarstrom lädt.

Probleme und Perspektiven

Für Städter scheint das Elektro-Auto ideal, Langstreckenreisende stehen allerdings vor Schwierigkeiten. Modelle der Spitzenklasse bieten heute zwar bis zu 450 Kilometer Reichweite, allerdings erreichen sie dies nicht durch gesteigerte Effizienz, sondern durch hohe Batteriekapazitäten, die wiederum die Anschaffungskosten erhöhen. Darüber hinaus mangelt es hierzulande an Ladestationen: Rund 20.000 sind es aktuell – etwa zwei Drittel davon ermöglichen einen beschleunigten Ladevorgang.

Fazit: Erneuerbare Energien mit sehr großem Potenzial

Die Forschung weiß schon jetzt, dass große Teile Europas sich autark und vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen könnten, wenn sie nur wollen. Die Voraussetzung dafür sind Entwicklungen und Innovationen in der Speichertechnologie. Genauso entscheidend ist jedoch eine lokale Konzeption des Energienetzes, zu dem auch jeder Privatverbraucher mit Photovoltaik, Solarthermie und Elektro-Auto beitragen kann.