Die Frauenquote in den innovativen MINT-Fächern war gering und ist gering. Erklärungsversuche, warum es nach wie vor wenige Frauen gibt, die Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik studieren, sind rar und reichen von (durch Vorurteile geschürte) Bedenken, sich in einer Männerdomain behaupten zu können, bis hin zum vermeintlichen Kalkül, sich darauf zu fokussieren, worin Frauen nach der gleichen Logik gut sein sollten – beispielsweise in sozialen Bereichen, aber auch in Fremdsprachen.
Falsche Wahrnehmung oder mangelndes Interesse?
Obwohl die Studienlage ziemlich klar zeigt, dass beim Schuleintritt kein Unterschied in den mathematischen Fähigkeiten von Mädchen und Jungs besteht, zeigt sich typischer Weise ab der 3. Klasse eine unübersehbare Differenzierung zum Nachteil der Mädchen im Unterricht, die sich oft dahingehend auswirkt, dass vor allem viele Mädchen und junge Frauen in der Schule sich einer Unterstützung in Mathematik in Form eines privaten Nachhilfelehrers bedienen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Doch unzureichende Förderung in der Schule alleine kann nicht den gesamten gesellschaftlichen Effekt erklären. Hier ein paar Überlegungen, was sonst noch eine Rolle spielen könnte:
Mangelnde Vorbilder
Ohne Zweifel gab und gibt es große Mathematikerinnen und Naturwissenschaftlerinnen – als erste Namen fielen hier Marie Curie, Lise Meitner, Emmy Noether oder Maria Goeppert-Mayer ein, und die Liste reicht sogar bis in die Antike zuruck: Hypatia beispielsweise war Astronomin und Mathematikerin und lebte von 355 bis 415. Doch es dauerte bis 2019, bis mit Karen Keskulla Uhlenbeck endlich auch eine Frau den Abel-Preis, den angesehendsten Preis für Mathematik, erringen konnte.
Falsche Wahrnehmung
Bis heute werden zahlreiche MINT-Berufe als „Männerberufe“ bezeichnet oder zumindest wahrgenommen; lange Zeit wurde der Zugang in diese Männerdomäne mit dem Vorwand erschwert, dass für Unternehmen und Institutionen die notwendigen Akkomodationen für weibliche Fachkräfte (gemeint sind damit wohl vor allem Damentoiletten) zu aufwändig und teuer seien. Zahlreiche Studien bestätigen die Vorurteile gegenüber Frauen in der Wissenschaft.
Biologie des Geschlechts?
Eine plausible Erklärung ist, dass es sich dabei quasi um eine “self-fulfilling prophecy” handelt, also ein Vorurteil, das sich selbst bestätigt – zumindest ab einem gewissen Alter. Spannenderweise nämlich malten Grundschüler gleichermaßen weibliche und männliche ForscherInnen, wohingegen 14- bis 15-Jährige nur noch einen Frauenanteil von 25 Prozent zeichneten – bei gleicher Aufgabenstellung.
Eine teilweise Erklärung könnte in der Physiologie der Heranwachsenden liegen, denn gerade für Teenager – denen die Pubertät Kopf und Körper gehörig durcheinander wirbelt – ist die Anerkennung von und Konformität mit ihrer Gruppe wichtiger als die Betonung persönlicher Interessen, vor allem, wenn diese nicht als “genderkonform” gelten. Rosa Mikroskope sind da sicherlich nicht die richtige Idee, um Mädchen für Wissenschaft zu begeistern.
Andere Ziele
Diese gesellschaftliche Normierung von “typischen” Frauenrollen drückt sich dann auch in der Lebensplanung aus. Zwar hat sich die Erwerbsquote bei Frauen von 1950 bis zu Jahr 2000 verdoppelt und liegt inzwischen bei über 60 Prozent, aber trotzdem fällt den Frauen immer noch typischer Weise die Verantwortung für Kinder und Familie zu, was sich dann auch oft in der Berufswahl niederschlägt. So orientieren sich viele junge Frauen eher an Branchen, in denen es üblich ist, “familienfreundliche” Werte zu propagieren: Pflegeberufe, zum Beispiel, oder Kindererziehung.
Frauen in MINT-Fächern. Sind sie wirklich eine Minderheit?
Die Vorstellung, dass Begabung für MINT-Fächer vor allem bei Männern zu finden ist, hält sich hartnäckig (auch bei Frauen, übrigens): Das stereotyische Bild in der Forschung ist männlich. Doch wie sieht es in der Realität aus?
Eine Grafik der Initiative „Komm mach MINT“ bestätigt diesen Stereotyp – die Frage ist aber, wie lange noch. Spätestens seit dem Jahr 2006 steigt generell der Zulauf zu MINT-Fächern an den Universitäten: 169.588 Studierende starteten in diesem Jahr in ihre MINT-Zukunft. Zum Vergleich: Zehn Jahre vorher, also 1996, waren es 117.332 Studierende. Die 100.000er-Marke knackten die Studierenden im Jahr 1982. Allerdings zeigt der Detailvergleich auch: Männer dominieren diese Fächerbereiche immer noch stark. Das ist umso paradoxer, da es in Deutschland ein hohes Maß an Gleichberechtigung gibt – was sich gerade in der Anzahl der MINT-Studierenden jedoch nicht zeigt:
- 2018: 349.479 Studierende. 33,4 Prozent Frauen. 66,6 Prozent Männer.
- 2008: 195.278 Studierende. 30,5 Prozent Frauen. 69,5 Prozent Männer.
- 1998: 124.006 Studierende. 29,9 Prozent Frauen. 70,1 Prozent Männer.
- 1988: 119.589 Studierende. 22,4 Prozent Frauen. 77,6 Prozent Männer.
- 1978: 73.271 Studierende. 21,9 Prozent Frauen. 78,1 Prozent Frauen.
Was diese Vergleichzahlen bedeuten könnten: Frauen in MINT-Fächern holen zwar langsam, aber dafür stetig auf.