Ständig nörgeln die Amateurastronomen darüber, dass die zunehmende Verbreitung künstlicher Lichtquellen ihnen den Himmel vermiest, nennen es gar “Lichtverschmutzung”, und verweisen auf Studien, die belegen sollen, wie gesundheits– und umweltschädlich Straßenlaternen, Skybeamer und LED-Werbetafeln sein sollen. Alles übertrieben, wenn überhaupt, dann vernachlässigbar in der Wirkung, werden viele Normalbürger denken und die taghelle Nacht, die sich so viel sicherer als die Dunkelheit anfühlt, weiterhin vorziehen.
Währenddessen machen sie sich möglicherweise Sorgen um das Insektensterben, das in den letzten 27 Jahren zu einem Rückgang der Biomasse der Fluginsekten um 75% führte. Denn Insekten sind immens wichtig, sie sind die Gesundheitspolizei in der Natur, sie sind Grundnahrungsmittel für viele Tiere, darunter die meisten Vögel, und Bestäuber für viele Pflanzen, darunter auch solchen, die uns zur Nahrung dienen. Schuldige sind schnell gefunden: der Klimawandel, der Rückgang von naturbelassenen Flächen, und der Einsatz von Chemie auf Feldern und in Gärten. Glyphosat wird dabei immer gerne zuvorderst genannt, weil jeder den Stoff aus den Nachrichten kennt – aber Glyphosat ist es gerade nicht.
Generell gibt es alle diese schädlichen Einflüsse, aber sie reichen nicht aus, um den Insektenrückgang in diesem Maße zu erklären, besagt eine neue Studie1 von Dr. Maja Grubisic, Dr. Franz Hölker und anderen, die am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin arbeiten. Sie haben untersucht, wo die signifikant stärksten Rückgänge der Insektenpopulationen zu verzeichnen sind – und fanden sie genau in den Ballungszentren, in denen die Lichtverschmutzung am größten ist. Denn die Hälfte der Insektenarten ist nachtaktiv und manche Fluginsekten orientieren sich am Mond und an den Sternen.
Eine oft gelesene These dafür, warum Insekten sich an Laternen sammeln, soll ihre Orientierung am Mond sein: hält das Insekt den Winkel zwischen Mond und seiner Flugrichtung konstant, dann fliegt es geradeaus. Versucht es dies jedoch bei einer Straßenlaterne, bewegt es sich zwangsläufig auf einer Spiralbahn um und auf die Laterne zu, so dass es unweigerlich dort enden wird, wo es die Laterne bis zur tödlichen Erschöpfung umflattern oder eine leichte Beute für Fressfeinde wird. Viele nachtaktive Insekten fühlen sich, warum auch immer, jedenfalls generell von Licht, vor allem blauem und ultraviolettem Licht angezogen, und gerade die sich immer weiter verbreitenden, energiesparenden Weißlicht-LED-Laternen haben einen hohen Blauanteil.
Zur Verringerung der Lichtverschmutzung gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die keine großen Einschränkungen für den einzelnen mit sich bringen. Man kann auf schmalbandigeres Licht ausweichen, das den blauen Anteil vermeidet – solches Licht hat einen gelbfarbigen Stich und wirkt zwar etwas unnatürlich, erfüllt aber dennoch seinen Zweck und stört auch den menschlichen Schlaf weniger. Man kann das Licht besser seitlich abschirmen und nur nach unten richten, wo es benötigt wird und niemanden blendet. Man kann mit Hilfe von Bewegungssensoren die Beleuchtungsstärke dort hochfahren, wo sich gerade jemand befindet und ansonsten den Pegel auf einen Bruchteil herunter dimmen. In der zweiten Nachthälfte sind nur wenige Menschen draußen unterwegs und das Licht könnte auf diese Weise, oder aber auch durch einfache Drosselung nach Zeitschaltuhr reduziert werden (im einfachsten Fall: Abschaltung der Hälfte der Laternen). Öffentliche wie private Gebäude müssen nicht die ganze Nacht von unten angestrahlt werden. Und die immer stärker verbreiteten LED-Werbetafeln dürften nachts nicht mit der gleichen Helligkeit betrieben werden wie am Tage, was leider oft zu beobachten ist. Skybeamer sollten generell verboten werden – man kann nicht Milliarden von Kubikmetern Luftraum für sich als Werbefläche beanspruchen. Dass sich bei weniger Licht Unfälle oder Überfälle häufen, wird oft behauptet, in tatsächlichen Fällen der Beleuchtungsreduktion wurde aber genau das Gegenteil beobachtet.
Bleibt zu hoffen, dass die Studie Resonanz findet. Die deutsche Regierung hat in diesem Monat die Eckpunkte eines Aktionsprogramms zum Insektenschutz vorgestellt, unter denen unter anderem auch die Reduktion der Lichtverschmutzung genannt wird, und investiert dafür zunächst den wenig beeindruckenden Betrag von 5 Millionen Euro in das Programm. Ein bisschen mehr wird es schon bedürfen, die Beleuchtung unseres ganzen Landes insekten- und sternenhimmelfreundlicher zu gestalten.
Referenzen und Links
- M. Grubisic, R.H.A. van Grunsven, C.C.M. Kyba, A. Manfrin, F. Hölker, “Insect declines and agroecosystems: does light pollution matter?“, Annals of Applied Biology, 11 June 2018.
- Katharina Bunk, “Insektensterben durch Lichtverschmutzung“, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 19.06.2018.
- Forschungsverbund Berlin e.V., “Insektensterben durch Lichtverschmutzung!?“, 19.06.2018.
- Aisling Irwin, “Die Dunkle Seite des Lichts“, Spektrum.de, 03.04.2018.
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