Spektren von Sternen der Spektralklassen O bis M, sortiert von heiß (oben) nach kühl (unten). Die kräftigen Linien, die vor allem in der Klasse A dominieren, sind die des Wasserstoffs, die zu O hin wieder verschwinden. Je kühler die Sterne, desto mehr Linien enthalten ihre Spektren und desto mehr verlagert sich ihr Licht zum Roten hin. Bild: KPNO 0.9-m Telescope, AURA, NOAO, NSF; CC BY 4.0.

Sorry, dass ich eine Weile weg war – zwei Baustellen plus Job waren am Ende dann doch zu viel. In der Heise-Reihe “Die X-Akten der Astronomie” habe ich eine Menge neues gelernt, aber auch gemerkt, dass der eine oder andere Grundlagenartikel zum darauf Verweisen fehlt. Das liefert Stoff für mein Blog, das ich nun wieder fortsetzen möchte.
 

Hin und wieder habe ich in meinen Artikeln von einem “Farb-Helligkeits-Diagramm” gesprochen, nur um den Fachbegriff und seine Erläuterung zu umschiffen. Es geht dabei um das Diagramm vom Dänen Ejnar Hertzsprung und vom Amerikaner Henry Norris Russell, die es Anfang des 20. Jahrhunderts erdachten. Bis heute ist es das wohl wichtigste Universalwerkzeug in der Astronomie, ohne das wir beispielsweise keinerlei Idee davon hätten, wie weit Feldsterne von uns entfernt sind, wie groß die mit der Transit-Methode entdeckten Exoplaneten sind und wie sie  zusammengesetzt sind. Eigentlich sollte es nur ein kurzer Artikel werden, aber das Diagramm ist so bedeutend und vielschichtig, dass es für eine kleine Serie gereicht hat – ich denke, es werden drei Teile werden. Im heutigen ersten Teil stelle ich den Ursprung des Diagramms vor.

 

Rosenbergs Diagramm

1910 untersuchte der Astronom Hans Rosenberg den Sternhaufen der Plejaden. Dieser im Sternbild Stier gelegene, hübsch anzusehende Sternhaufen enthält neben den mit bloßem Auge sichtbaren “7 Schwestern” noch hunderte schwächere Sterne. 1910 veröffentlichte der deutsche Astronom Hans Rosenberg in den “Astronomischen Nachrichten” einen kurzen Artikel, in dem er ein Diagramm der hellsten Sterne der Plejaden vorstellte, in welchem er die scheinbare, also am Himmel beobachtete Helligkeit der Sterne über einer selbst erdachten Skala auftrug, entlang derer er die Auffälligkeit einer Linie des Elements Kalzium relativ zu zwei benachbarten Wasserstofflinien auftrug. Die Linienstärke der Kalziumlinie nimmt auf der x-Achse von rechts nach links ab (Details siehe unter dem Bild).

Vorläufer des Hertzsprung-Russell-Diagramms von Hans Rosenberg (1910). Hier ist auf der y-Achse die (scheinbare) Helligkeit der Plejaden über der Intensität der Kalziumlinie K im Vergleich zu zwei Wasserstofflinien (Hδ, Hζ) aufgetragen. Die x-Achsen-Beschriftung beruht auf einer visuellen Schätzskala, die die “Auffälligkeit” der K-Linie relativ zu den Wasserstofflinien auf der Fotoplatte auf Werte von 0 bis 10 abbildet. Ein Wert 0 bedeutet gleiche Intensität der Linien, ein Wert 10, dass die schwächere Linie im Vergleich zur stärkeren nicht mehr erkennbar ist. Links von der 0 Werte, bei denen die Wasserstofflinien kräftiger erscheinen, rechts ist die Kalziumlinie kräftiger. Je drei einzeln ermittelte Schätzwerte relativ zu Hδ und Hζ wurden dabei gemittelt. Man kann die x-Achse als Temperaturskala deuten – höhere Temperaturen befinden sich links. Bild: Rosenberg, gemeinfrei.

Dies wird durch eine zunehmende Temperatur verursacht, denn Kalzium verliert bei steigender Temperatur seine äußeren Elektronen früher als Wasserstoff und verblasst im Spektrum.

Damit konnte Rosenberg zum Einen überzeugend belegen, dass die verschiedenen Farben der Sterne nicht durch verschieden starke Absorption von unterschiedliche starken Schichten interstellaren Staubes zwischen dem Beobachter und den Sternen verursacht werden, der blaues Licht stärker absorbiert als rotes. Die Stärke der Kalziumlinie war ein von der Farbe unabhängiges Maß der Temperatur, und die variierte für Sterne unterschiedlicher Farbe. Zum anderen zeigte sich, dass die Sterne nicht wild durch das Diagramm streuen, sondern die meisten Sterne sich entlang einer schmalen Linie reihen, die mit zunehmender Temperatur zu höheren Helligkeiten hin ansteigt. Blaue Sterne sind im Allgemeinen viel heller als rote. Rosenberg hatte klugerweise einen Sternhaufen ausgewählt, in dem sich viele verschiedene Sterne in der gleichen Entfernung zur Erde befinden, so dass ihre Helligkeiten untereinander vergleichbar sind. Die scheinbar helleren Sterne sind also im Sternhaufen auch die tatsächlich helleren.

 

Hertzsprungs Diagramm

Den Luxus der direkten Vergleichbarkeit hat man bei einzelnen Feldsternen allerdings nicht. Um Sternhelligkeiten in verschiedenen Entfernungen dennoch vergleichbar zu machen, führten die Astronomen das Maß der absoluten Helligkeit ein: bei bekannter Entfernung errechnet man zur beobachteten scheinbaren Helligkeit diejenige Helligkeit, die der Stern in einer bestimmten Normentfernung haben würde. Heute sind 10 pc (32,6 Lichtjahre) üblich, wobei ein pc (auch parsec, Parallaxensekunde) die Entfernung ist, bei der ein Stern sich aufgrund seiner perspektivischen Verschiebung vor dem Hintergrund um eine Bogensekunde (1″) verschiebt, wenn die Erde sich auf ihrer Bahn um die Sonne aus der Perspektive des Sterns um eine Astronomische Einheit zur Seite bewegt (nach einem halben Umlauf hat sie sich um ca. 2 AE bewegt, den Durchmesser ihrer Bahn). Wenn sich der Stern nur 0,1″ verschiebt, ist er 10 pc entfernt; allgemein gilt, dass die Entfernung in pc = 1/Parallaxe in Bogensekunden ist.

Kennt man die absolute Helligkeit eines Sterns, dann kann man seine (visuelle) Leuchtkraft direkt mit derjenigen anderer Sterne vergleichen. “Visuell” ist wichtig, weil sehr rötliche Sterne einen großen Teil ihrer Leistung als unsichtbares Infrarotlicht abstrahlen; gleiches tun sehr blaue Sterne im Ultravioletten. Diese Sterne sind also über alle Lichtfarben gemessen deutlich leuchtkräftiger, als ihr sichtbares Licht erschließen lässt. Die Sonne hat eine absolute Helligkeit von 4,8m (m steht für Magnituden = Größenklassen), das ist etwa die Helligkeit des Reiterleins Alkor, dem kleinen Begleitstern des mittleren Deichselsterns im Großen Wagen. Capella im Fuhrmann  hat eine absolute Helligkeit von 0,3, das sind 4,5m heller, gleichbedeutend mit einem Faktor 63*. Beteigeuze im Orion hat eine absolute Helligkeit von -5,9m, das sind 10,7 Größenklassen weniger (die Größenklassenskala zählt rückwärts, kleiner ist heller!) als die Sonne entsprechend einer um den Faktor 19.000 höheren Helligkeit.

Ejnar Hertzsprung war schon im Jahr 1908 aufgefallen, dass einige Sterne trotz gleicher Farbe und damit Temperatur sehr verschiedene Leuchtkräfte haben: 61 Cygni und Aldebaran haben die gleiche Farbe und damit Temperatur, aber obwohl 61 Cygni nur 5. Größenklasse hat, ist er seiner Parallaxe gemäß nur 1/6 so weit entfernt wie Aldebaran, der 4 Größenklassen (Faktor 40) heller erscheint. Bei gleicher Entfernung wäre 61 Cygni nur (1/6)² = 1/36 so hell, das wären 3,9 Größenklassen schwächer, 9,9m, nur 1/1440 der Helligkeit von Aldebaran.

Da Hertzsprung nicht die Parallaxen ferner, leuchtkräftiger Sterne kannte, orientierte er sich statt dessen an den Eigenbewegungen der Sterne, also den Winkeln, um die sich die Sterne aufgrund ihrer Bewegung durch den Raum über die Jahre in der Himmelsebene verschieben. Je kleiner die Eigenbewegung, desto größer sollte die Entfernung sein. 1911 fertigte er dann seine eigene Version des Diagramms an, wobei seine Darstellung gegenüber der von Rosenberg um 90° nach links gekippt erscheint:

Farb-Leuchtkraft-Diagramm des Hyaden-Sternhaufens von Eijnar Hertzsprung aus den Publikationen des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam 1911. In dieser Darstellung wir die Helligkeit auf der x-Achse dargestellt (oben die scheinbare Helligkeit, wie sie am Himmel zu sehen ist, unten die absolute Helligkeit bezogen auf eine Parallaxe von 1″, dh. 1 pc = 32,6 LJ Entfernung; heute sind bei den absoluten Helligkeiten 10 pc üblich). Auf der y-Achse die Wellenlänge, gemessen in Ångström-Einheiten (10 Å sind 1 Nanometer), die der Farbe des Lichts entspricht. Über das Wiensche Verschiebungsgesetz kann man der
Wellenlänge direkt eine Temperatur zuordnen. Neben der bereits im Diagramm von Rosenberg sichtbaren Hauptreihe findet man drei Ausreißer bei 4300 Å / -2,8 Größenklassen absolut, die dieselbe Farbe haben, wie Sterne auf der Hauptreihe bei +2,5 Größenklassen. Bild: E. Hertzsprung, gemeinfrei, extrahiert aus O. Gingerich 2013 / arXiv.

Wie man auch in diesem Diagramm erneut sieht, reihen sich die meisten Sterne eintlang einer Linie, genannt Hauptreihe, die rechts bei niedrigen Leuchtkräften und großen Wellenlängen (also rötlichem Licht) beginnt und links bei hohen Leuchststärken und kurzen Wellenlängen (blauweißes Licht) endet. Es gibt aber auch ein paar Sterne im Diagramm, die langwelliges Licht aussenden und trotzdem hell sind. In Hertzsprungs Diagramm sind sie mehr als 5 Größenklassen (Faktor 100) heller als solche, die bei gleicher Farbe auf der Hauptreihe liegen. Man kannte damals schon das Strahlungsgesetz von Josef Stefan und Ludwig Boltzmann, demgemäß die Helligkeit eines Wärmestrahlers von der Oberfläche und der 4. Potenz der Temperatur abhängt, sowie das Verschiebungsgesetz von Wilhelm Wien, das den Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Farbe eines Wärmestrahlers herstellt. Hertzsprung schloss korrekterweise aus der Existenz von sowohl leuchstarken als auch lichstschwachen Sternen der gleichen Farbe, dass diese die gleiche Temperatur haben, aber sehr verschieden groß sein müssen, weil nach den Strahlungsgesetzen die pro leuchtender Fläche abgegebene Strahlung für dieselbe Temperatur und damit Farbe gleich ist. Er unterschied bei den Sternen zwischen Zwergen und Riesen.

Man konnte Zwerge und Riesen auch bei unbekannter Entfernung und damit Leuchtkraft gut auseinanderhalten: Hertzsprung war aufgefallen, dass die Sterne mit kleiner Eigenbewegung (also größerer Entfernung) viel schmalere Spektrallinien hatten. Er wusste zwar noch nicht, warum das so war (darauf kommen wir später zurück) aber der Unterschied war offensichtlich.

 

Russells Diagramm

Die klassische Form des Diagramms verwendete dann erstmals Henry Norris Russell 1913. Als Proxy für die Temperatur verwendete er die damals schon bekannte Spektralklasse nach dem Harvard-System. Ursprünglich in den 1880ern ein von Williamina Fleming und Edward C. Pickering entwickeltes Maß für die Linienstärke der Wasserstofflinien von A (am stärksten) bis O (am schwächsten) ordnete Annie Jump Cannon die Klassen nach ihrer Farbtemperatur um und fasste einige von ihnen zusammen (unterteilte statt dessen den Bereich zwischen den Klassen einheitlich mit den Ziffern 0-9), so dass sich die Folge OBAFGKM und ursprünglich noch N ergab. O entsprach den blauweißen Sternen der höchsten Temperatur und M (und N) den kühlsten Sternen mit rötlichem Licht.

In Russells Darstellung wird die Hauptreihe bei den hohen Temperaturen weniger gestaucht und sie erscheint als diagonale Gerade. Unten sein erstes Farb-Leuchtkraft-Diagramm aus Sternen, deren Parallaxen damals schon bestimmt worden waren (hier also nicht aus dem gleichen Sternhaufen).

Henry Norris Russells erste Darstellung eines klassischen Hertzsprung-Russell-Diagramms. In dieser Form werden auf der x-Achse die Spektralklassen von OBAFGKM abgebildet (hier erst ab B und damals gab es noch die Klasse N) und auf der y-Achse die absoluten Größenklassen, bezogen auf 10 pc Entfernung.
Hier stellen schwarze Punkte Sterne dar, deren Parallaxe mehrfach gemessen wurde, offene Kreise solche mit nur einer Parallaxenbestimmung. Die Genauigkeit für die Schwarzen Punkte beträgt laut Russell 42% des Parallaxenwerts, was eine Genauigkeit der absoluten Helligkeit von ±1,0 Größenklassen bedeutet – entsprechend erscheint die Hauptreiche in der Senkrechten um 2 Größenklassen aufgeweitet. Bild: H.N. Russell 1913, gemeinfrei, extrahiert aus O. Gingerich 2013 / arXiv.

Die Daten streuten sehr stark, weil die Parallaxen damals fürchterlich ungenau waren. In Russells Originalarbeit “Relations between the Spectra and other Characteristics of the Stars” ist als Bild 2 noch eine zweite Version mit 150 Sternen enthalten. Diese stammten allesamt aus vier damals bekannten Sternhaufen (besser gesagt, lockeren Sterngruppen, genannt Assoziationen) mit einer gemeinsamen Eigenbewegung ihrer jeweiligen Sterne (“Bewegungshaufen”), deren gemeinsamer Fluchtpunkt (Vertex) bekannt war. Aus der Richtung zum Vertex und den Geschwindigkeiten lässt sich die Entfernung bestimmen (“Sternstromparallaxe” – siehe meinen früheren Artikel dazu), und zwar sehr viel genauer als durch die damaligen Parallaxenmessungen von Einzelsternen möglich war. Somit war die Entfernung recht gut bestimmt und die verschiedenen Sterne zumindest der entfernteren Haufen waren nahezu gleich weit entfernt, was die Streuung der Werte verkleinerte.

Das zweite Diagramm von Russell enthält nur ca. 150 Sterne aus vier damals bekannten “Bewegungshaufen” – Sternhaufen, die aufgrund einer gemeinsamen Bewegung am Himmel offenbar zusammengehören. Schwarze Punkte sind Sterne der Hyaden, Kreuze sind Sterne der Ursa-Major-Gruppe, Dreiecke gehören zur 61-Cygni-Gruppe und Kreise gehören zu einer Gruppe im Skorpion, die neben dem Roten Riesen Antares auch umgebende Riesen anderer Spektralklassen enthält. Verschiedene Symbolgrößen zeigen verschiedene Quellen der Daten an. Bild: H.N. Russell 1913, gemeinfrei.

Die vier betrachteten Sternhaufen bzw. Assoziationen waren die Hyaden im Stier (ca. 150 Lichtjahre entfernt; deren hellster Stern Aldebarangehört nicht zum Sternhaufen, denn er steht mit 65 Lichtjahren viel näher zu uns und teilt die Bewegungsrichtung der Hyaden nicht), eine Gruppe von Sternen um 61 Cygni, die 1911 als Bewegungshaufen identifiziert worden war und die zwischen 11 und 100 Lichtjahren entfernt sind, die Scorpius-Gruppe um Antares (Teil der heute bekannten, rund 400 Lichtjahre entfernten Scorpius-Centaurus-Assoziation) und die Ursa-Major-Bewegungsgruppe mit den meisten Sternen des Großen Wagens (ca. 80 Lichtjahre entfernt) und zahlreichen anderen.

In diesem Diagramm wird besser erkennbar, dass die Sterne oberhalb der Hauptreihe ebenfalls eine Linie bilden, die nach rechts oben abzweigt. Sie enthält nur Riesensterne und wird heute “Riesenast” genannt. Russell stellte fest, dass in der Klasse B alle Sterne Riesen sind. In der Klasse A vermischen sich Riesen und Zwerge. In Klasse M sind die Zwerge so lichtschwach, dass man sie nur in geringer Entfernung zur Erde überhaupt sehen kann, während die Riesen (wie Antares) selbst im am weitesten entfernten Sternhaufen noch hell am Himmel leuchten.

 

Was taugt so ein Diagramm?

Russell betonte in seiner Arbeit, dass man die absolute Helligkeit und damit die Leuchtkraft eines Zwergsterns ermitteln könne, wenn man nur seine Spektralklasse kenne. Aus dem Vergleich der absoluten Helligkeit mit der scheinbaren Helligkeit folgt dann sofort die Entfernung, aus der absoluten Helligkeit und der Temperatur folgt die leuchtende Fläche und damit die Größe des Sterns – und damit wird aus dem Diagramm ein mächtiges Instrument zur Charakterisierung der Sterne.

Aber Russell hatte noch etwas anderes im Sinn: er wollte seine Theorie zur Sternentwicklung mit dem Diagramm belegen. Russell bemerkte, dass die Massen der Sterne, die man aus der Beobachtung der Orbits von Doppelsternen schon kannte, nicht so füchterlich verschieden waren, wie es die Leuchtkräfte waren (ein Stern von -4m oben links auf der Hauptreihe ist 4000 Mal heller als die Sonne). Mehr als einen Faktor 50 mochte er nicht erkennen, die meisten Sterne lagen sogar innerhalb eines Faktors 3. Damals wusste man noch nichts über die Energiequelle der Sterne, die Kernfusion, und so nahm Russell an, dass die Sterne sich entlang der Linien im Diagramm entwickelten, und zwar von Riesen mit größerer Masse hin zu Zwergen mit kleinerer Masse. In der Mitte ihres Lebens befänden sie in der Mitte des Diagramms, die Russell genau dorthin verlegte, wo sich die Sonne befindet (Spektralklasse G, absolute Helligkeit ca. 5m). Dabei würden sie stetig Masse verlieren (logisch – wenn ein Stern “brennt”, verliert er an verbrauchtem Brennstoff!) und als rote Zwerge enden. Noch heute spricht man bei den Klassen O und B von “frühen” Spektralklassen, bei M von “späten”.

Dass sein Diagramm etwas mit der Entwicklung der Sterne zu tun hat, damit lag er goldrichtig. Seine Schlussfolgerung über den Entwicklungsweg der Sterne war allerdings vollkommen daneben. Was seiner Arbeit keinen Abbruch tut, ihm fehlten lediglich Kenntnisse, die erste Jahrzehnte später erschlossen wurden.

Sein Diagramm wurde bis in die 1930er nur als “Russell-Diagramm” bezeichnet, bevor Bengt Strömgren, später Subrahmanyan Chandrasekhar und andere Astronomen mehr und mehr den Begriff “Hertzsprung-Russell-Diagramm”, “HR-Diagramm” oder kurz “HRD” verwendeten und damit auch Hertzsprungs Beitrag ehrten, der als erster die Natur der Riesen und Zwerge erkannt hatte. Heute weiß jeder Astronom sofort etwas mit der Abkürzung HRD anzufangen. Das Diagramm ist eine Art universeller Rechenschieber der Astronomie, an dem sich die wichtigsten Parameter eines Sterns ablesen lassen.

Warum es Riesen und Zwerge gibt (und nicht nur diese), was das Diagramm uns über die Sterne alles verrät und welchen Entwicklungsweg die Sterne wirklich im Diagramm nehmen – darüber mehr in den folgenden Teilen der Serie.

 

Referenzen

 
* Der Helligkeitsfaktor errechnet sich zu 10Δm/2,5, wobei Δm der Helligkeitsunterschied in Größenklassen ist; 5 Größenklassen sind exakt ein Faktor 100, eine Größenklasse ist exakt die fünfte Wurzel aus 100 = 2,511886… oder für Elektroniker -4 dB.

Kommentare (31)

  1. #1 UMa
    11. November 2020

    Hallo Alderamin,
    willkommen zurück!
    Ich freue mich wieder von dir zu lesen.

  2. #2 Karl-Heinz
    G
    11. November 2020

    Zum ersten Bild.

    OBAFGKM = „Ohne Bier Aus’m Fass Gibt’s Koa Mass!“. 🙂

  3. #3 Alderamin
    11. November 2020

    @Karl-Heinz

    Spitze! Und jetzt noch die Braunen Zwerge, Klassen LTY, hinten ergänzen. 😉

    Früher gab’ noch die Klassen RN, da war der Spruch “Oh Be A Fine Girl Kiss Me Right Now”.

  4. #4 Alderamin
    11. November 2020

    @UMa

    So richtig viel los ist hier noch nicht, hat anscheinend noch kaum einer gemerkt, dass ich wieder da bin. Oder das Thema ist zu öde…

  5. #5 Fluffy
    15:10 Uhr
    11. November 2020

    Oder das Thema ist zu öde

    Überhaupt nicht. Eine schöne Erklärung des Themas. Allerdings habe ich Zusatzschwierigkeiten die Astrologennomen zu verstehen, wegen ihrer eigentümlichen Einheitenbenutzung. Großartige Leistung bei der Untersuchung von Objekten, die man nicht anfassen kann. Vor allem mit erstaunlicher Genauigkeit schon vor über hundert Jahren. Wissenschaft und Technik sind seitdem viel weiter fortgeschritten, können sich die Wissenschaftler nicht endlich mal durchringen auch SI-Einheiten zu benutzen? Für Parsec und AE sehe ich eigentlich kein Problem.
    Sehr unübersichtlich sind die Verwendung der absoluten und scheinbaren Helligkeiten in mag und Mag.
    Jeder der Berechnungen durchführt, muss zusätzlich höllisch mit den verschieden Einheitensystemen aufpassen.
    Und dann die völlig unverständliche Systematik bei OBAFGKM. Warum nicht ABC…, oder 123…?

    Warum machen die das?
    Immer noch?

  6. #6 Alderamin
    11. November 2020

    @Fluffy

    Tradition. Und vielleicht weil man immer noch auch auf zum Teil sehr alte Daten zurückgreift.

    Wenn dann mal halbwegs gewöhnliche Einheiten verwendet werden, dann cgs mit ergs und so.

    Es hat aber auch seine Vorteile, dass gerne in Sonnenmassen, AE, Jahren etc. gerechnet wird: so vermeidet man “astronomisch hohe” Zahlen und kann einiges einfach rechnen, z.B. mit Kepler 3 die Umlaufzeit eines Kometen, dessen große Halbachse vorgegeben ist: Umlaufzeit in Jahren = √ (gr. Halbachse in AE)³.

  7. #7 Mars
    11. November 2020

    dann sei nochmal herzlich geklatscht.
    wie immer gilt (evt nicht nur) für schwaben: *nix g’sagt isch gnuag globt*

    auch wenn nicht jeder der mit liest gleich einen kommentar abgibt – bisher war kein beitrag von dir je irgendwie öde oder langweilig.
    im gegenteil ….

    herzliches grüssle
    M

  8. #8 Alderamin
    11. November 2020

    @Mars

    Nee, die Kommentare meinte ich gar nicht, ich meinte die Klicks. Etwas dünn bisher, im Vergleich zu anderen Artikeln. Vielleicht dauert’s länger, weil viele Leser nur noch selten nach Artikeln hier schauen.

    ** Die sollten mir einfach auf Twitter folgen, da werden die Artikel angekündigt **

    @SB_AlphaCephei

  9. #9 Karl-Heinz
    11. November 2020

    @Fluffy

    Und dann die völlig unverständliche Systematik bei OBAFGKM. Warum nicht ABC…, oder 123…?

    Schon früh hat man versucht, die Sterne nach Charakteristika in ihren Spektren zu ordnen. Das nennt man Spektralklassifikation. Als bester Anhaltspunkt bot sich dafür natürlich die Stärke bestimmter Linien, insbesondere der des Wasserstoffs. Das geschah erstmalig 1890, lange bevor man um den Zusammenhang zwischen Temperatur und Linienbreite wußte. Man ordnete den Sternen mit den breitesten Wasserstofflinien im Spektrum den Buchstaben A zu, den nächsten schmaleren den Buchstaben B und so weiter. Es stellte sich jedoch schnell heraus, daß einige der festgelegten Spektralklassen identisch waren oder auf Fehlern in den Photoplatten beruhten.
    Eine Aufräumaktion im Buchstabensystem beseitigte die Klassen C, D,E, H, I und L. Übrig
    blieben A, B, F, G, K, M und O. Später begann man diese Klassen weiter zu unterteilen, indem
    man eine Dezimalunterteilung einfuhrte. Außerdem erkannte man aufgrund des Vorhandenseins bestimmter Linien in den Spektren, daß die Klassen O und B eigentlich vor der Klasse A stehen mußten. So hatte man die Spektralsequenz unbewußt in die richtige Reihenfolge für eine Temperatursequenz gebracht.

    Die astronomische Gemeinschaft griff 1910 Cannons System der Sternklassifikation auf. Allerdings wusste damals noch niemand, warum die Spektren gemäß der Sequenz OBAFGKM klassifiziert werden konnten. Viele Astronomen nahmen – fälschlicherweise – an, die unterschiedlichen Gruppierungen der Spektrallinien seien auf eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Sterne zurückzuführen. Die richtige Antwort – dass alle Sterne überwiegend aus Wasserstoff und Helium bestehen und dass die Oberflächentemperatur die Stärke der Spektrallinien bestimmt – wurde von Cecilia Payne-Gaposchkin (1900–1979) am Harvard Observatory entdeckt. 😉

  10. #10 rolak
    11. November 2020

    kaum einer gemerkt

    Jedoch manch einer schon, Alderamin – wb nach der Schaffenspause!

    Thema ist zu öde

    Nun sind zwar als Grundthema die Russelschen Diagramme nichts, was sofort mein Herz springen läßt, aber öde? Nä!
    First things last: nope to sorry.

  11. #11 Karl-Heinz
    11. November 2020

    Auch ich als Nichteingeweihter
    kämpfe mit Fachbegriffen und bin natürlich beim Anblick des Artikels im ersten Moment eingeschüchtert und erschrocken. 😉

    Was ist ein Feldstern?
    Feldsterne, zusammenfassende Bezeichnung für alle Sterne, die keinem Sternhaufen angehören.

  12. #12 Karl-Heinz
    11. November 2020

    @rolak

    Wenn du die Plejaden in das HR-Diagramm einträgst, kannst du ihr Alter bestimmen und so herausfinden, ob sie zu einem passen. 😉

  13. #13 wereatheist
    Berlin
    11. November 2020

    Wieder mal ein Premium-Artikel! Von der Historie des HRD wusste ich bisher gar nix, also echt viel gelernt 🙂
    Es fällt auf, dass an den Vorarbeiten die Harvard computers großen Anteil hatten (Cannon etc.), die werden mir noch zu wenig geehrt (kein Vorwurf an Dich, btw).

  14. #14 Karl-Heinz
    11. November 2020

    @wereatheist

    Alles Frauen 😉

    Rechnerinnen
    Williamina Fleming (1857–1911)
    Antonia Maury (1866–1952)

    Annie Jump Cannon (1863–1941)

    Und Cecilia Payne-Gaposchkin auch ne Frau. 🙂

  15. #15 wereatheist
    Berlin
    12. November 2020

    @Karl-Heinz:
    Mir fällt als erste immer Henrietta Swan Leavitt (1868-1921) ein, die die zweite Sprosse der kosmischen Entfernungsleiter gedrechselt hat.

  16. #16 Karl-Heinz
    12. November 2020

    @wereatheist

    Danke für den Hinweis. Echt coole Frau, die Henrietta. 🙂

    https://www.pro-physik.de/nachrichten/die-vermesserin-des-universums

  17. #17 Fluffy
    13. November 2020

    @Aldemarin #6

    kann einiges einfach rechnen, z.B. mit Kepler 3 die Umlaufzeit eines Kometen, dessen große Halbachse vorgegeben ist: Umlaufzeit in Jahren = √ (gr. Halbachse in AE)³.

    Vollkommen einverstanden, im Sinne der Entdimensionierung von Gleichungen. Die Newtonsche Grundgleichung lautet ja (in r-Richtung)
    r”(t) = – Γ*M / r/t)² , mit
    Γ – der Gravitationskonstanten
    M – der Zentralmasse (Sonne),
    r – dem Abstand zum Zentrum und
    t – der Zeit
    Wenn ich jetzt die dimensionslose Größen ρ und τ benutze mit
    r = AE*ρ (AE – astronimische Einheit)
    t= T*τ ( T – Umlaufzeit der Erde = 1 Jahr)
    erhalte ich
    ρ”(τ) = γ /ρ(τ)² mit der Dimensionslosen Konstante
    γ = Γ*M*T² / AE³
    γ ≈ 39.1
    Man errät schon in T² / AE³ Kepler 3.
    (btw: ich dachte erst bei Kepler 3 handelt es sich um eine Weltraumteleskop, aber es ist ja das 3. Keplersche Gesetz gemeint).
    😇

  18. #18 Karl-Heinz
    13. November 2020

    @Fluffy

    Hi Fluffy.
    Ich sehe gerade, dass du den Radius doppelt nach der Zeit ableitest. Also wenn ein Planet sich kreisförmig um seinen Stern bewegt, so ist doch zeitlich gesehen der Radius konstant und damit sowohl die erste als auch jede weitere Ableitung des Radius nach der Zeit 0, oder? Für was benötigst du d²r/dt² ?

  19. #19 Fluffy
    23:55 Uhr
    14. November 2020

    @Karl-Heinz
    Du hast recht, Karl-Heinz, ich habe in der obigen Gleichung bei der Projektion der Vektorgleichung auf die radiale Komponenre den sogenannten “Fliehkraftterm” r(t)*φ'(t)² vergessen.
    Die zweiten Ableitungen kommen von F=m*a.
    (Ich krieg hier keine Pfeile über die Vektoren 😀)

  20. #20 rolak
    14. November 2020

    keine Pfeile über

    moin Fluffy, wenn Du etwas Überbreite in Kauf nähmest, wäre der ‘combining right arrow above’ “⃗” (ohne die “”) eine hilfreiche Wahl:
     v → v⃗
     V → V⃗
    Sonst ist auch der olle Trick ‘Vektoren sind fett’ durchaus lesbar.
    Ansonsten bliebe wohl nur LₐTₑX.

  21. #21 rolak
    14. November 2020

    Mist, die WP-Vorschau (da wars noch wie gewollt) unterscheidet sich doch deutlich vom zu sehenden Ergebnis (und plötzlich wars nicht mehr hilfreich): der oben-Pfeil-rechts wird in HTML eingetippt als “&” gefolgt von “#x20d7;” (jetzt sogar beides ohne die “”).

  22. #22 Karl-Heinz
    14. November 2020

    a-Vektor: \vec{a}

  23. #23 rolak
    14. November 2020

    a-Vektor

    ^^ach du meineGüte, was sehen meine veschwiemelten Äuglein denn da, Karl-Heinz? Welch grober Schnitzer – korrekt und (soviel Zeit muß immer drin sein) im ganzen Satz soll das doch ganz bestimmt heißen

    a vector via LₐTₑX is displayed as

    Oder war es doch nicht Englisch, sondern Tschuktschisch? [Gesundheit!]

  24. #24 Karl-Heinz
    14. November 2020

    @rolak

    Ach so.
    Die Zeichen-Sequenz sieht wie folgt aus.

    Dollarzeichen Latex Leerzeichen Latexanweisung Dollarzeichen

    Dollarzeichen ist $
    Latex ist Latex
    Latexanweisung ist in unserem Fall für den a-Vektor gleich \vec{a}

    PS: Ach, das Wort, worauf am Ende
    Er das wird, was er gewesen.
    Ach, er läuft und bringt behende!
    Wärst du doch der alte Besen!
    Immer neue Güsse
    Bringt er schnell herein,
    Ach! und hundert Flüsse
    Stürzen auf mich ein.

  25. #25 Jolly
    14. November 2020

    @Karl-Heinz, @Alderamin

    Das Internet vergisst nichts, insbesondere nicht, was vor dem Vergessen schützt, Mnemonics: The Great Mnemonic Contest.

    Mein Favorit daraus:
    On Betelgeuse Astronomers Find Galactic Kings Making Lovely Tangerine Yogurts

    (Es ist auch für andere Geschmäcker was dabei.)

  26. #26 Karl-Heinz
    14. November 2020

    @Jolly

    Das Internet vergisst nichts.

    Doch, doch. Wenn ich mal Zeit finde, werde ich es dir beweisen. 🙂

  27. #27 Till
    2. Dezember 2020

    @X-Akten der Astronomie
    ooohhh eine ganze Artikelserie von Alderamin, die ich noch nicht kenne. Da weiß ich schon was ich am Wochenende mache – *händereib*

  28. #28 Alderamin
    3. Dezember 2020

    @Till

    War sogar Lesetipp von Matthias Kremp auf Spiegel Online (ganz unten im Kasten). 🙂

    Welch eine Ehre für so ein kleines Hobby-Blogger-Würstchen. 😀

    Da weiß ich schon was ich am Wochenende mache – *händereib*

    Ein Wochenende wird da kaum reichen…

  29. #29 Till
    7. Januar 2021

    @Alderamin

    War sogar Lesetipp von Matthias Kremp auf Spiegel Online (ganz unten im Kasten).

    Die Ehre ist auf jeden Fall verdient. Deine Artikel sind absolute Spitzenklasse (sowohl hier auf dem Blog als auch bei Heise online).

    Ein Wochenende wird da kaum reichen…

    Da hattest Du allerdings recht, ich bin immer noch nicht durch. Das macht das Warten auf den lang ersehnten 3. Teil zum Herzsprung-Russell Diagramm leichter 😉

  30. […] Dann verlässt er im nach den Astronomen Ejnar Hertzsprung und Henry Noris Russell benannten Hertzsprung-Russel-Diagramm (HRD), das die Leuchtkraft über der Farbe bzw. Temperatur der Sterne aufträgt, die sogenannte […]

  31. #31 Liliana
    3. September 2023

    Hi, ich bin ganz neu hier und kann fachlich deshalb nicht so viel sagen, aber ich danke dir für deine Texte zum HRD! Ich schreibe gerade eine Projektarbeit darüber und du kannst dir kaum vorstellen, wie hilfreich sie für mich sind. Du erklärst detailliert, aber nicht so, dass ich es nicht verstehen kann. Vielen Dank!