Ringnebel in der Leier, ein planetarischer Nebel. Bild: NASA, ESA and the Hubble Heritage (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration
Ringnebel in der Leier, ein planetarischer Nebel. Bild: NASA, ESA and the Hubble Heritage (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration

Im dritten Teil der Reihe haben wir gelernt, wie sich die Sterne bis zur Hauptreihe entwickeln. Im letzten Teil schauen wir uns an, wie die weitere Entwicklung im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) aussieht, die sie auf eine regelrechte Reise durch das HRD schickt.

Das Leben auf der Hauptreihe

Sterne entstehen aus Gaswolken, die unter ihrem Gewicht in der eigenen Schwerkraft kollabieren. Die Kompression wie auch die Energie aus dem freien Fall heizt den Protostern innerlich auf und verdichtet ihn zu einem Plasma aus freien Protonen und Elektronen. Die Fusion im Stern kann nur dann zünden, wenn die Protonen, die sich elektrostatisch abstoßen, hinreichend oft und mit so viel Wucht frontal zusammenstoßen, so dass sie sich bis auf die kurze Reichweite der starken Kernkraft nähern, die dann zuschnappt und die Kernteilchen aneinander bindet, wobei Energie in Form von Gammastrahlung frei wird.

Wenn die Temperatur im Kern mindestens 10 Millionen Kelvin erreicht und die Dichte mindestens 100 Gramm pro Kubikzentimeter beträgt – die einhundertfache Dichte von Wasser und die neunfache von Blei – zündet im Stern die Wasserstofffusion. Die Rate, mit der Wasserstoffkerne verschmelzen, hängt erheblich von der Temperatur und vom Druck ab, und damit auch die Energieproduktion des Sterns. Für Sterne kleiner Masse ist die Proton-Proton-Kette die wichtigste Reaktion, deren Reaktionsrate und damit auch die Energieproduktion mit der vierten Potenz der Temperatur zunimmt (T4). Der in massereichen Sternen dominierende “CNO-Zyklus”, bei dem insgesamt auch nur Wasserstoff zu Helium fusioniert, wobei ein recycelter Kohlenstoffkern als Katalysator dient, skaliert sogar mit der 18. Potenz der Temperatur! Dadurch wirken die Kernreaktionen stabilisierend auf die Temperatur, denn stiege diese an, so wüchse sofort die Fusionsrate und erhöhte den Strahlungsdruck, was den Stern expandieren und abkühlen ließe – umgekehrt führte eine fallende Temperatur zur Kompression, Aufheizung und starkem Anstieg der Fusionsrate.

Druck und Temperatur werden wiederum wird durch die Masse bestimmt, denn es bildet sich ein Gleichgewicht aus dem Gewichtsdruck des Gases und dem Strahlungsdruck der Fusionsreaktionen, sowie ein Temperaturgleichgewicht, bei dem den Stern soviel Energie verlässt, wie er im Inneren erzeugt. Durch diese Rückkopplung brennt der Stern so lange stabil, wie sich an seiner Zusammensetzung nicht viel ändert. Aber diese Änderung ist unvermeidlich.

Entwicklungspfade im HRD für verschiedene Sternmassen während des Wasserstoffbrennens auf der Hauptreihe. Die logarithmische Temperatur auf der x-Achse reicht von 2800 K (3,45) bis 45000 K (4,65). Die logarithmische Leuchtkraft auf der y-Achse reicht von 1/100 (-2) bis 55000 (4,75) Sonnenleuchtkräften. Die roten Symbole entsprechen realen Sternen, deren Masse als Doppelsternkomponenten genau bestimmt werden konnte (links unten die Massenbereiche der verschiedenen Symbole). Die schwarzen durchgezogenen Linien zeigen die Entwicklung bis zum Schalenbrennen, gepunkte Linien zeigen den folgenden Weg. Sterne oberhalb von 1,5 Sonnenmassen beschreiben einen Haken, weil sie keinen radiativen Kern haben (siehe Text).
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Im Kern sammelt sich mehr und mehr erbrütetes Helium an, welches jedoch bei den im Inneren eines Hauptreihensterns vorherrschenden Bedingungen nicht fusionieren kann. Die Fusionsrate müsste wegen der abnehmenden Menge an verfügbarem Wasserstoff also eigentlich abnehmen. Abnehmende Fusionsrate bedeutet jedoch, dass dem Gewicht der Sternenmasse weniger Strahlungsdruck entgegengesetzt wird, so dass der Stern innerlich weiter in sich zusammensackt, was Druck und Temperatur erhöht. Die Energieproduktion nimmt dadurch zu und der Stern wird äußerlich aufgebläht. Aufgrund der zunehmenden Oberfläche nimmt der Stern an Leuchtkraft zu. Die größere Oberfläche kann die Energie aber auch effizienter abstrahlen, so dass die Oberfläche des Sterns abkühlt. Insgesamt bewegt er sich also zunehmend nach rechts oben im HRD, weg von der Nullalter-Hauptreihe, der Zero Age Main Sequence (ZAMS).

Sterne unter 0,5 Sonnenmassen bleiben ihr gesamtes Leben lang konvektiv und bleiben so lange auf der Hauptreihe, bis sie den größten Teil ihres Wasserstoffs aufgebraucht haben. Da sie ohnehin auf Sparflamme brennen, kann dies bei Sternen von 0,1 Sonnenmassen 6 bis 12 Billionen Jahre dauern (mit “B”, und das ist kein Übersetzungsfehler aus dem Englischen!). Um den Druck zur Fusion des immer rarer werdenden Wasserstoffs aufrecht zu erhalten, schrumpfen sie und werden äußerlich heißer und heller: sie wandern die Hauptreihe ein Stück hinauf. Am Ende schrumpfen sie zu einem weißen Zwerg, dessen Licht von der Restwärme der verdichteten Sternmaterie gespeist wird, während er langsam verblasst. Weiße Zwerge befinden sich ganz links unten im HRD.

 

Schalen- und Heliumbrennen sonnenähnlicher Sterne

Mit Einsetzen des sogenannten Wasserstoff-Schalenbrennens verlassen die Sterne endgültig die Hauptreihe und entwickeln sich zu Riesen. Die Entwicklung der Sterne wird in den folgenden Diagrammen sehr schön illustriert. Die Entwicklung von Sternen zwischen 0,5 und 2 Sonnenmassen verläuft dabei ein wenig anders als die von massiveren Sternen, daher betrachten wir sie im Folgenden getrennt.

Entwicklungspfad eines Sterns von einer Sonnenmasse im HRD. Die Buchstaben markieren bestimmte Punkte in der Entwicklung, die im folgenden Bild und im Text referenziert werden.
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Das erste Bild zeigt den Entwicklungspfad eines Sterns von einer Sonnenmasse im HRD. Die Buchstaben markieren bestimmte Entwicklungspunkte im Diagramm. A markiert den Startpunkt auf der ZAMS, B das Ende mit dem Einsetzen des Schalenbrennens.

Das zweite Bild zeigt den inneren Aufbau des Sterns über der Zeitachse im sogenannten Kippenhahn-Diagramm (nach dem deutschen Astrophysiker Rudolf Kippenhahn). Die senkrechte Achse zeigt den Sternradius gemessen in Massenanteilen. 0,4 bedeutet also zum Beispiel, dass sich 40% der Masse innerhalb dieses Radius befinden. Man beachte, dass der absolute Halbmesser in km oder Sonnenradien nicht mit dem Radius gleicher Masse zusammenhängt und über den Entwicklungszeitraum gewaltig variiert. Ein scheinbares Anwachsen einer Zone im Diagramm kann auch bedeuten, dass die Masse innerhalb eines bestimmten Radius’ aufgrund von Kompression zunimmt.

Kippenhahn-Diagramm der Entwicklung eines Sterns von einer Sonnenmasse. x-Achse: Zeit in Milliarden Jahren. y-Achse: Radius ausgedückt als eingeschlossener Massenanteil in Sonnenmassen. Rot schraffiert: Fusionszonen (hellrot: 2-10, dunkelrot: mehr als 10 Sonnenleuchtkräfte/Sonnenmasse), grau: konvektive Zonen, weiß: radiative Zonen. Die Lücke zwischen 10 und 11 Milliarden Jahren zeigt einen Wechsel der Skalierung auf der Zeitachse an.
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Bei mittelschweren Sternen zwischen 0,5 und 1,5 Sonnenmassen ist die Materie im Kern des Sterns weitgehend transparent und die produzierte Wärme wird durch Strahlung (radiativ) nach außen transportiert. Da somit kaum Durchmischung des Kerns stattfindet, verlagert sich die Fusion graduell weiter nach außen, denn im Zentrum sind Druck und Temperatur am größten, also braucht die Fusion den Brennstoff dort zuerst auf. Bei einem Stern von einer Sonnenmasse beginnt der Prozess am Punkt B in den obigen Diagrammen nach etwa neun Milliarden Jahren. Unterhalb der Schale sammelt sich das schwerere verbrannte Helium an. Da der Heliumkern keine Fusion durchläuft, schrumpft er, was die Schwerkraft erhöht, die auf die umgebende brennende Schale wirkt. Dort steigt der Druck und damit die Fusionsrate, was die Hülle expandieren lässt, die dabei abkühlt. Nach dem sogenannten “Spiegel-Prinzip” tut die Hülle immer genau das Gegenteil des Kerns: wenn dieser schrumpft, wächst sie, und umgekehrt.

Da der Stern weitgehend radiativ ist, bewegt er sich langsam (bei einer Sonnenmasse: binnen 2,5 Milliarden Jahren) auf einer waagerechten Henyey-Linie (siehe Teil 3) nach rechts: bei nahezu konstanter Leuchtkraft wächst der Radius (Leuchtkraftklasse IV, Unterriese). Das ist quasi der umgekehrte Weg, den er bei seiner Entstehung auf dem Weg zur Hauptreihe genommen hat. Je kühler die Hülle wird, desto mehr steigt ihre Undurchlässigkeit für Strahlung, genannt Opazität, was die Konvektionszone nach innen wachsen lässt. Am Punkt C beginnt der Riesenast: der ineffiziente Wärmetransport durch die Konvektion sorgt für ein starkes Aufblähen der Sternhülle bei nur noch geringfügig fallender Temperatur: Der Stern folgt im HRD einer steilen Hayashi-Linie (Teil 3) nach oben und wird zum Roten Riesen.

Am Punkt D erreicht die Konvektionszone den inneren Bereich des Sterns, an dem vor dem Punkt B noch Kernfusion stattgefunden hatte und befördert somit Fusionsprodukte an die Oberfläche des Sterns, die dort im Spektrum auftauchen (genannt “dredge-up”, wörtlich “hochbaggern”). Gleichzeitig wird frischer Wasserstoff von oben in diese Zone gespült. Mit wachsender Masse des Heliumkerns und abnehmender Wasserstoffhäufigkeit wächst die Wasserstoffschale nach außen, kreuzt bei E die Zone frischen Wasserstoffs, was den Stern einen sehr kleinen (im obigen HRD nicht sichtbaren) Haken schlagen lässt.

Die Hülle des Sterns ist außen aufgrund des großen Radius kaum mehr durch Gravitation gebunden und der Stern beginnt, signifikant Masse durch Sternwinde zu verlieren – im Kippenhahn-Diagramm sieht man dies an der von 1 abweichenden dunklen Linie am oberen Bildrand, die den Außenrand des Sterns markiert. Die Wasserstoffschale verlagert sich zunehmend weiter nach außen, denn sie benötigt die Schwerkraft der darunter liegenden Masse, um genug Druck zur Fusion beibehalten zu können, die darüber liegende Masse reicht alleine nicht mehr aus. Die fusionierende Zone wird immer dünner, bis sie nur noch 1/1000 Sonnenmasse bei etwa 0,45 Sonnenmassen Radius ausmacht, die jedoch mit 2000 Sonnenleuchtkräften brennt. Der Massenverlust an der Oberfläche nimmt dramatisch zu und der Stern verliert fast 1/3 seiner Masse.

Am Punkt F ist die Spitze des Riesenasts bei rund 3000 Sonnenleuchtkräften und 50 Sonnenradien erreicht – hier ungefähr wird es dem inneren Sonnensystem bis zur Erde an den Kragen gehen, die bestenfalls aufgrund des Massenverlusts der Sonne gerade genug Abstand gewinnen kann, um nicht wie Merkur und Venus von der Sonne verschluckt zu werden. Trotzdem dürfte ihre Oberfläche aufschmelzen, aber Leben ist hier schon seit Milliarden Jahren nicht mehr möglich.

Der Heliumkern ist mit einer Tonne Masse pro Kubikzentimeter mittlerweile so stark komprimiert, dass die Elektronen in ihm entartet sind: das Pauli-Prinzip verbietet ihnen, im gleichen Quantenzustand den gleichen Raum zu teilen, und alle Quantenzustände sind im entarteten Elektronengas bereits besetzt, sodass eine weitere Kompression nicht mehr möglich ist. Im entarteten Zustand ist vor allem der Druck nicht mehr von der Temperatur abhängig. Aufgeheizt durch die ihn umgebende fusionierende Wasserstoffschale erreicht der Heliumkern schließlich 100 Millionen K, so dass die Heliumfusion zündet. Der sogenannte 3α-Prozess erhöht die Temperatur weiter, die den Kern aufgrund seiner Entartung jedoch nicht expandieren und abkühlen lässt; fast die gesamte Energie geht statt dessen in die Bewegung der Teilchen über, die umso heftiger fusionieren. Dies sorgt für einen galoppierenden Fusionsprozess, der binnen weniger Sekunden eine Leuchtkraft von 10 Milliarden Sonnen erreicht – der Heliumblitz. Davon dringt allerdings nichts nach außen, der kurze Energiestoß verpufft im Inneren des Sterns. Schließlich sorgt der Strahlungsdruck dafür, dass der Kern nicht mehr entartet ist und es setzt ein ruhigeres, kontinuierliches Heliumbrennen im Kern ein, bei dem Kohlenstoff und Sauerstoff erzeugt werden.

Der Kern expandiert, die Hülle schrumpft und so findet sich der Stern nach dem Heliumblitz am Punkt G bei deutlich weniger Leuchtkraft (ca. 100 Sonnenleuchtkräfte) und log T = 3,66 = 4500 K Oberflächentemperatur wieder. Die Leuchtkraft wird im Wesentlichen durch den Heliumkern bestimmt, und da dieser bei  allen Sternen geringer Masse mit 0,45 Sonnenmassen gleich groß ist, bilden diese Sterne im HRD einen horizontalen Ast von gelich hellen Leuchtkraftklasse-III-Riesen verschiedener Oberflächentemperatur (siehe Leuchtkraftklassendiagramm in Teil 2). Wir sind nun am Punkt H des Entwicklungspfads.

 

Schalen- und Heliumbrennen von Sternen mittlerer Masse

Bei massiveren Sternen ist der fusionierende Kern konvektiv und gut durchmischt, so dass der Übergang zum Wasserstoff-Schalenbrennen abrupter verläuft. Zunächst lässt die Energieproduktion im Kern nach, so dass die Hülle des Sterns schrumpft und heißer wird. Im HRD bewegt sich der Stern nach der Rechtsdrift nun nach links oben, von B nach C. Wenn der Druck in der Schale um den Kern groß genug geworden ist, setzt im Punkt C das Schalenbrennen in einer sehr dicken Schale ein und die Hülle wächst wieder unter Abkühlung. So erklärt sich der Haken, den die Sterne ab 1,5 Sonnenmassen im HRD schlagen.

Entwicklungspfad eines Sterns von fünf Sonnenmassen im HRD. Die Buchstaben markieren wieder im Text referenzierte Punkte in der Entwicklung.
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Den weiten Weg nach rechts von C nach D legen massive Sterne in wenigen Millionen Jahren zurück, wie im Kippenhahn-Diagramm zu sehen ist. Daher finden sich nur wenige Sterne in diesem Bereich des HRD, man spricht auch von der “Hertzsprung-Lücke”, die die Hauptreihe vom Riesenast trennt.

Kippenhahn-Diagramm der Entwicklung eines Sterns von fünf Sonnenmassen.
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Der Heliumkern des Sterns ist nicht entartet, deswegen schrumpft er stetig, während er an Masse durch die Fusionsprodukte aus der Schale zulegt. Am Punkt D erreicht er das Schönberg-Chandrasekhar-Limit von ca. 10% der Masse des gesamten Sterns (nicht zu verwechseln mit der Chandrasekhar-Grenze zwischen Weißen Zwergen und Neutronensternen), oberhalb der er sein Gewicht nicht mehr tragen kann. Die Schrumpfung beschleunigt sich. Wenn der Kern schrumpft, wächst nach dem Spiegel-Prinzip die Hülle: der Stern wird größer, die Hülle kühlt ab und wird tief konvektiv, und somit beschreibt der Stern wieder eine Hayashi-Linie hinauf zum Punkt E wo er zum Roten Riesen wird. Wie bei den sonnenähnlichen Sternen kommt es zu einem ersten Dredge-Up. Im Zentrum zündet währenddessen an diesem Punkt bei 100 Millionen K die Heliumfusion, mangels Entartung des Kerns ohne Helium-Flash. Ihr Strahlungsdruck stoppt die weitere Schrumpfung des Kerns.

Dieses Diagramm ähnelt dem Kippenhahn-Diagramm zuvor, gibt jedoch auf der y-Achse den Radius des Sterns in Sonnenmassen an. Die schwarzen Linien beschreiben die Größenentwicklung verschiedener Schalen gleicher Masse (Beschriftung halb rechts in Sonnenmassen). Man erkennt das Spiegel-Prinzip: wenn der Kern schrumpft, expandiert die Hülle. Das Diagramm endet mittig zwischen den Punkten E und F der beiden vorherigen Diagramme.
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Die steigende Temperatur senkt wiederum die Opazität der Hülle, die somit wieder schrumpft. Der Stern wandert die Hayashi-Linie wieder abwärts bis zum Punkt F, an dem die Hülle komplett radiativ wird und die Bewegung im HRD wieder nach links zu höheren Temperaturen hin erfolgt.

Am Punkt G ist die maximale Temperatur erreicht: das Helium im Kern wird zunehmend rarer, der Kern muss schrumpfen, um den nötigen Druck aufrecht zu erhalten, infolgedessen die Hülle expandiert und kühler wird. Der Stern bewegt sich wieder zu geringeren Oberflächentemperaturen hin und beendet seine Schleife im Punkt H. Bei noch massiveren Sternen wird sie breiter, hin zu höheren Temperaturen. Die Lebensspanne in der Heliumschleife ist verhältnismäßig lang gemessen am kurzen Leben eines massereichen Sterns: sie bilden die Zone der hellen Riesen der Leuchtkraftklasse-II.

Entwicklungspfade von Sternen verschiedener Massen im HRD von der Hauptreihe bis zum Einsetzen des Heliumbrennens. 
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Vom Roten Riesen zum Weißen Zwerg

Von nun an ähnelt sich die Entwicklung von Sternen zwischen 0,5 und 10 Sonnenmassen wieder. Das Heliumbrennen im Kern kommt beinahe zum Erliegen, so dass die Sternhülle wieder abkühlt und tief konvektiv wird, während der Kern schrumpft. Der Stern wandert erneut eine Hayashi-Linie nach oben, die als asymptotischer Riesenast (englisch Asymptotic Giant Branch, AGB) bezeichnet wird (die Sterne entsprechend AGB-Sterne), weil sie sich dem Riesenast zu den Punkten F bzw. E annähert. Auf dem Weg zum höchsten Punkt zündet Helium in einer Schale um den Kern. Der Stern wird nun instabil und fällt in Pulsationen wie beim Stern Mira. Die Pulsationdauer von Mira beträgt ungefähr 500 Tage, in denen der Stern zwischen der Helligkeit der Sterne im Großen Wagen und Sichtbarkeit nur im Teleskop schwankt. Die Pulsationen werden von einer temperaturabhängigen Opazitätsvariation angetrieben, die bei Kontraktion und Aufheizung die Opazität erhöht, was zur Expansion und Abkühlung führt, wodurch die Opazität wieder abnimmt. Die Pulsationen beschleunigen den Masseverlust des Sterns.

Die Fusion im Sterninneren wird zunehmend instabiler; Wasserstoff- und Helium-Schalenfusion wechseln sich ab, verlöschen und zünden immer wieder (sehr massive Sterne schaffen es noch bis zur kurzzeitigen Fusion von Kohlenstoff in ihrem Kern). Dies erzeugt thermische Pulse im Abstand einiger tausend Jahre, die den Stern auf dem asymptotischen Riesenast auf und abwandern lassen. Es kommt zu weiteren Dredge-Ups, die Fusionsprodukte des Heliums, also Sauerstoff und Kohlenstoff, an die Oberfläche bringen, und die dort bei Temperaturen unter 3000 K Moleküle wie Titanoxid, Silikate, Wasser, Kohlenmonoxid und Kohlenstoffmoleküle bilden – man spricht von Kohlenstoffsternen, allesamt Rote Riesen. Beim langsamen Einfang von Neutronen können die Kerne schwerer Elemente gebildet werden, unter anderem radioaktives, im Vergleich zum Sternenleben kurzlebiges Technetium, dessen Entdeckung im Spektrum von Roten Riesen bewies, dass in den Sternen Kernfusion ablaufen muss.

Der AGB-Stern Mira, ein berühmter veränderlicher Stern auf dem asymptotischen Riesenast, verliert so viel Masse, dass er einen Materieschweif hinter sich her zieht. Ultraviolett.Aufnahme des Galaxy Evolution Explorer (GALEX) Weltraumteleskops.
Bild: NASA/JPL-Caltech, NASA Standardlizenz.

Silikate und Kohlenstoff kondensieren unterhalb von 1500 K zu Graphitstaubkörnchen, die vom Sternwind in den Raum geblasen werden, und an denen flüchtige Stoffe wie Wasser oder Gase festfrieren können – Baumaterial für zukünftige Planetensysteme. Durch den enormen Masseverlust – Mira zieht eine regelrechte Schleppe hinter sich her – legt der Stern allmählich seinen Kern frei, an dessen Oberfläche unter hohem Gravitationsdruck und nach außen durch den Rest der Sternhülle wärmeisoliert noch Fusion stattfindet.

Je weniger Gas den Stern einhüllt, desto kleiner und heißer wird er: im HRD wandert er ganz nach links. Seine nun kräftige Ultraviolettstrahlung ionisiert das umgebende Gas und bringt es zum Leuchten. Der Stern umgibt sich mit einem Planetarischen Nebel.

Entwicklungspfad eines massearmen Sterns von der Hauptreihe über bis zum Weißen Zwerg (White Dwarf, WD). Es bedeuten: FGB: First Giant Branch (erster Riesenast); AGB: Asymptotic Giant Branch (asymptotischer Riesenast); PNN: Planetary Nebula Nucleus (Kern eines planetarischen Nebels); DU: Dredge-Up; G-K-M-S-C: Spektralklassen (S und C sind alte Spektralklassen für Sterne mit hohem Sauerstoff und Kohlenstoffanteil; C/O bezeichnet das Kohlenstoff-zu-Sauerstoff-Verhältnis, das von S zu C steigt); Tc: Vorkommen von kurzlebigem Technetium; [s/Fe]: Aufbau von Eisen durch langsamen Neutroneneinfang (s-Prozess).
Bild: Onno Pols, Lecture Notes for a Utrecht University MSc course, Chapter 9-11, mit freundlicher Genehmigung.

Wenn die Hülle nur noch 1/100.000 Sonnenmasse hat, erlischt schließlich die Fusion. Von nun an leuchtet der Stern nur noch aufgrund seiner gespeicherten Wärme und kühlt allmählich ab. Mangels stabilisierendem Strahlungsdruck schrumpft der Helium-Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern bis zur Entartung. Im HRD stürzt er dabei am linken Rand geradezu ab (während des Schrumpfungsprozesses, wird er als PNN, als Planetary Nebula Nucleus = Kern eines planetarischen Nebels geführt; der Zentralstern des im Titelbild abgebildeten Ringnebels befindet sich in dieser Phase) und endet unten links bei den Weißen Zwergen: nur erdgroße, aber 0,5 bis 1,4 Sonnenmassen schwere erloschene Kerne ehemaliger Riesensterne, die durch ihre Restwärme weißglühend, aber aufgrund ihrer winzigen Oberfläche nur sehr lichtschwach sind. Von dort werden sie langsam nach rechts unten im HRD abdriften, während sie allmählich auskühlen, bis sie als dunkle, “Schwarze Zwerge” enden – ein Prozess der so lange dauert, dass es noch kein solches Objekt im Universum gibt.

 

Überriesen und Wolf-Rayet-Sterne

Schließlich noch ein paar Worte zu Sternen von mehr als 12 Sonnenmassen: diese lassen die Heliumschleife aus, sie sind so groß, dass sie äußerlich konvektiv bleiben und nur die Hayashi-Linie hochwandern in die Zone der roten Überrriesen. Ihre Kerne sind nie entartet und können mehrere Phasen von Kern- und Schalenbrennen durchlaufen: nach Helium-Schalenbrennen folgt Kohlenstoffbrennen im Kern und dann in einer Schale, dann Neonbrennen in Kern und später als Schale, Sauerstoffbrennen und schließlich Siliziumbrennen bei fast 3 Milliarden K im Sterninneren. Bei diesen Temperaturen zerlegen die energiereichen Gamma-Photonen viele Kerne wieder indem sie Heliumkerne herausschlagen (Photodissoziation). Durch den Einfang dieser Kerne können größere Kerne entstehen, bis hinauf zum Eisen.

So entsteht Im Kern eine Zwiebelstruktur aus geschichteten Elementen mit nach innen zunehmender Kernladungszahl. Nichts von diesen zunehmend kürzer andauernden Phasen (die letzte wird in Tagen bis Stunden gemessen) dringt nach außen. Bei Beteigeuze (ein Roter Überriese von rund 20 Sonnenmassen) ist zum Beispiel unklar, wieviel Zeit er noch vor sich hat, sein Innenleben ist unbekannt.

Entwicklungspfade von Sternen verschiedener Massen, unter anderem auch solcher mit mehr als 10 Sonnenmassen. Ein Stern von 15 Sonnenmassen entwickelt sich zu einem Roten Überriesen (Red Super Giant, RSG), einer von 60 Sonnenmassen zu eine Wolf-Rayet-Stern (WR). Übrige Abkürzungen: MS – Main Sequence (Hauptreihe), SubG – Subgiant (Unterriese), RG – Red Giant (Roter Riese), BSG – Blue Super Giant (Blauer Überriese), YSG – Yellow Super Giant (Gelber Überriese), LBV – Luminous Blue Variable (Leuchtkräftiger Blauer Veränderlicher).
Bild: José A. Garcia Gutiérrez et al., arXiv.

Noch massivere Sterne von 40 und mehr Sonnenmassen werden zu Blauen Überriesen und blasen dabei ihre Wasserstoffhüllen fort, unter denen heißere Schichten liegen, so dass sie sich im HRD nach links bewegen; bei den massivsten wird der Heliumkern freigelegt, sie haben keine Wasserstoff-Linien mehr im Spektrum (Wolf-Rayet-Sterne). Solche Sterne wandern im HRD ganz nach links oben.

Beim Anlagern von Alpha-Teilchen an Eisenkerne wird anders als bei den Fusionen leichterer Kerne keine Energie mehr frei, sondern im Gegenteil verbraucht. Dies führt am Ende des Siliziumbrennens zum Kernkollaps: der Strahlungsdruck erlischt, der Kern bricht unter seinem Eigengewicht zusammen und kann auch nicht mehr durch den Entartungsdruck der Elektronen stabilisiert werden: diese werden in die Atomkerne gedrückt und wandeln sich unter Aussendung von Neutrinos zu Neutronen. Damit fällt die elektrostatische Abstoßung der Kernteilchen weg und der Kern des Sterns kollabiert zu einem Neutronenstern, einer nur 30 km durchmessenden Kugel mit einer Dichte größer als die eines Atomkerns. Aufgeheizt durch die Neutrinos und den Rückprall der auf den Neutronenstern fallenden Sternhülle zündet diese explosiv die Kernfusion und der Stern erleidet eine Kernkollaps-Supernova (Typ II). Sterne zwischen 10 und 25 Sonnenmassen hinterlassen einen Neutronenstern als Rest, von noch massiveren bleibt ein Schwarzes Loch, oder sie explodieren ganz ohne Rest (Paarvernichtungs-Supernova).

Neutronensterne sind zu klein, um sichtbar zu sein (bestenfalls die Pulse des Krebsnebel-Pulsars können optisch mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen werden). Sie sind lediglich Quellen von Radio- und Röntgenstrahlung. Schwarze Löcher sind bekanntlich unsichtbar. Damit verabschieden sich diese Sterne aus dem Hertzsprung-Russell-Diagramm.

Die hier beschriebenen Entwicklungspfade der Sterne wurden durch Computersimulationen bestimmt, die mit Sternen verschiedener Massen und Alter im Hertzsprung-Russell-Diagramm abgeglichen werden konnten. Fast alle Kapriolen, die die Sterne darin vollführen, lassen sich so erklären und dies zeigt, dass wir die Sternentwicklung im Wesentlichen verstanden haben. Dem Hertzsprung-Russell-Diagramm verdanken wir also nicht nur die Kenntnis über den aktuellen Zustand eines Sterns, sondern auch über seine Zukunft und Vergangenheit. Das Hertzsprung-Russell-Diagramm ist das Universalwerkzeug der Astronomie schlechthin und ohne Zweifel das wichtigste Tool zum Verständnis der Sterne überhaupt. Ich hoffe, es den Lesern ein wenig näher gebracht zu haben.

 

Quellen

Kommentare (5)

  1. #1 Patrik Eschle
    Uster / Schweiz
    28. Januar 2021

    Ihre Artikel sind spannend und kenntnisreich – vielen Dank. Nur eine winzige Bitte zu den Billionen: Geben Sie doch einfach in Klammern die Zehnerpotenz an, dann braucht es keine umständlichen Erklärungen. “.. 12 Billionen (12*10^12) Jahre ..”.
    Dann kann ich mich echt wundern, wie man Vorgänge vom tausendfachen Alter des Universums misst.
    Freundliche Grüsse,
    Patrik Eschle

  2. #2 Alderamin
    28. Januar 2021

    @Patrik Eschle

    Dankeschön. Die Billion war eigentlich weniger als Erklärung gedacht, sondern dafür, dass die Zahl nicht überlesen wird (was bei einer Zehnerpotenz eher passieren kann). Manche Leser können die Schreibweise vielleicht auch nicht einer Zahl zuordnen. Bis Billionen mach’ ich’s noch als Text, bei Trillionen schwenke ich auf Exponenten um.

    Bei den Roten Zwergen schließt man auf die Lebensdauer per Simulation und aus der abgestrahlten Leistung mit der Kenntnis, dass sie tief konvektiv sind. Damit können sie den gesamten Wasserstoff verbrauchen, bis dieser so weit verbraucht ist, dass selbst der Druck durch einen entarteten Kern nicht mehr reicht, ihn brennen zu lassen.

    Sämtliche Evolutionspfadbestimmungen von Sternen basieren auf Berechnungen/Simulationen mit Abgleich an den HRDs von Sternhaufen. Man hat sich in den Simulationen über Jahrzehnte immer besser in die Sterne hineingerechnet und berücksichtigt mittlerweile neben dem Metallgehalt zu Beginn auch Rotation, magnetische Abbremsung derselben und dergleichen.

  3. #3 Till
    28. Januar 2021

    Mein Lieblingsartikel bisher! Jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl das mit dem Schalenbrennen und den damit einhergehenden Prozessen wirklich verstanden zu haben. Vorher musste ich viele Aussagen (der Stern bläst seine Hülle weg, die Kernfusion wird instabil) etc. einfach so hinnehmen. Jetzt habe ich die Zusammenhänge wesentlich besser verstanden. Danke!

  4. #4 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    29. Januar 2021

    Wir leben in einem Goldenen Zeitalter der Astronomie. Das Hertzsprung-Russell-Diagramm, oben im Detail präsentiert macht Appetit auf mehr:

    How Astronomers Revolutionized Our View of the Cosmos

    The universe turns out to be much bigger and weirder than anyone thought

    By Martin Rees on September 1, 2020

    https://www.scientificamerican.com/article/how-astronomers-revolutionized-our-view-of-the-cosmos/
    —————–
    Andreas Müller hat den Artikel übersetzt:

    Unser Platz im Universum

    Der renommierte britische Astrophysiker Martin Rees blickt zurück auf 175 Jahre mit vielen großen Entdeckungen in der Astronomie und in der Physik, die unser Weltbild veränderten. Staunend stellt er fest, dass die Astronomen dabei einen größeren und seltsameren Kosmos enthüllten, den wir noch lange nicht gänzlich verstehen.

    https://www.spektrum.de/magazin/meilensteine-der-kosmologie/1789163

  5. #5 Rainer Kirmse
    Altenburg
    9. September 2022

    LEBEN UND STERBEN DER STERNE

    Die kosmische Dramaturgie
    in einer kleinen Trilogie.

    DIE WELT DER STERNE

    Deklination und Rektaszension
    bestimmen die Sternposition.
    Die Parallaxe indessen
    hilft uns beim Entfernung messen.

    Mehr Erkenntnisse bringt uns dann
    das Hertzsprung-Russel Diagramm.
    Der Sterne Aufbau und Wesen
    an der Stellung abzulesen.

    Wir sehen Sterne blau und rot,
    neugeboren, auch kurz vorm Tod;
    oder uns’rer Sonne ähnlich,
    mittelalt und leuchtend gelblich.

    Da gibt es Riesen und Zwerge
    verschiedenster Leuchtstärke;
    Solisten und Mehrfachsterne,
    recht nah und in weiter Ferne.

    All dieser Sonnen Profession
    ist im Innern die Kernfusion.
    Eruption und Protuberanz
    sind nur oberflächlicher Tanz.

    Sternenheimat sind Galaxien,
    die mit ihnen durchs Weltall zieh’n.
    Meist von Planeten umgeben,
    gibt’s ohne Sterne kein Leben.

    Die Sterne sind bis zum Ende
    Geburtsort der Elemente.
    Nach dem Eisen ist damit Schluss,
    von den Sternen ein letzter Gruß.

    Für Elemente superschwer
    muss eine Supernova her.
    Der Mensch, ein Kind der Sterne,
    betrachtet’s aus der Ferne.

    DAS SCHWARZE LOCH

    Ein kosmisches Schwergewicht,
    zu keiner Diät bereit;
    Sternenstaub das Hauptgericht,
    verschmäht wird keine Mahlzeit.
    Die Materie superdicht,
    stark verbogen die Raumzeit;
    dem Monster entkommt kein Licht,
    Gefängnis für die Ewigkeit.
    Der Ereignishorizont ist Grenze,
    dahinter ist einfach Sense.

    LEBEN AUS DEN STERNEN

    Sind wir im Universum allein,
    ist weit draußen nur totes Gestein?
    Zahllose Sterne am Himmel steh’n,
    zahllose Planeten daneben.
    Sollte man nirgendwo Leben seh’n,
    zu höchster Komplexität streben.
    Von Mikroben könnte es wimmeln
    unter herrlichen Exo-Himmeln.

    Sterne entstehen und vergehen,
    das ist im All Normalgeschehen.
    Wir alle kommen von den Sternen,
    wo die Elemente geboren.
    Kein Atom in des Kosmos Fernen
    geht im großen Zyklus verloren.
    So werden in allen Galaxien
    Lebenskeime ihre Kreise zieh’n.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen