Neulich hatte ich berichtet, dass einer Studie gemäß die Lichtverschmutzung ein wichtiger Faktor für das Insektensterben sein soll – und dass sie nicht nur ein von Hobbyastronomen aufgebauschtes Medienthema ist. Letzte Woche wurde ein weiterer Artikel zum Thema in den VDI-Nachrichten veröffentlicht, auf den ich gestern per Twitter aufmerksam wurde.
Im VDI-Artikel wird ein schon seit 2012 laufender Versuch des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin beschrieben (dieselbe Gruppe, die auch hinter der im ersten Blogartikel beschriebenen Studie steht), der im Naturpark Westhavelland in Brandenburg läuft. Das Gebiet, 70 km nordwestlich von Berlin, gilt als eines der dunkelsten in Deutschland.
Der Versuch besteht aus einem Testfeld mit einer 40×60 m großen Parzelle, auf der 12 LED-Straßenlaternen im Raster von 20 m aufgestellt wurden, die mit Insektenfallen bestückt sind und wie gewöhnliche Straßenlaternen in Wohngebieten über Dämmerungsschalter nachts aktiviert werden. Ein Kontrollfeld gleicher Größe ist ebenfalls mit Fallen und Laternen bestückt, die jedoch nicht eingeschaltet werden.
Die Ergebnisse waren eindeutig: in den Fallen unter den Laternen fanden sich im ersten Jahr 76-mal so viele Insekten wie in denen des Kontrollfelds, im zweiten Jahr waren es sogar 267-mal so viele. Im umliegenden Bereich der Laternen ging der Insektenbestand spürbar zurück. Die Lampen ziehen die Fluginsekten wie Staubsauger an und das ökologische Gleichgewicht zwischen Räubern und Gejagten wird empfindlich gestört – die Räuber schlagen sich die Bäuche voll, die Beute flattert sich um die Laternen zu Tode.
Die meisten Insekten wurden in den außen liegenden Fallen gefunden, d.h. die Insekten kommen kaum an den Laternen vorbei, sie wirken wie ein schwer zu überwindender Zaun. Beleuchtete Straßen können so als Lichtschneisen regelrecht die Lebensräume der Insekten zergliedern, deren Genpool dadurch ärmer wird und die Insekten somit weniger widerstandsfähig gegen Krankheiten. Auch das Verhalten der Tiere wird gestört. Manche Nachtfalter, die bei Ortungslauten von Fledermäusen Ausweichmanöver fliegen, unterlassen dies in der Nähe von Laternen. Und es kommt nachweisbar seltener zur Paarung der Insekten, z.B. weil die Weibchen weniger Lockstoffe produzieren.
In einem ähnlichen Versuch in den Schweizer Voralpen zeigte sich, dass nachtaktive Bestäuber ausblieben und Pflanzen 13% weniger Früchte trugen. Eine ganze Reihe von Pflanzen ist auf nächtliche Bestäubung angewiesen, so Nelken, Korbblüter und Orchideen. Fast 300 Pflanzenarten wurden bereits identifiziert.
Die IGB-Forscher schätzen, dass der Einfluss durch künstliche Beleuchtung von ähnlicher Größenordnung ist wie die Wirkung von Insektiziden. Der Einfluss des Lichts auf das Insektensterben ist somit keine Erfindung von Sternenguckern, sondern im Feldversuch eindeutig belegt.
Höchste Zeit, den Gebrauch von nächtlicher Beleuchtung strenger zu reglementieren. Ich hoffe, der eine oder andere Kommunalpolitiker hat die verlinkten Artikel gelesen. Die Leserschaft sei jedenfalls aufgefordert, die Kunde über die Artikel zu verbreiten.
Referenzen
- Susanne Donner, “Licht aus! “, VDI-Nachrichten, 5. Juli 2018.
- Kerstin Viering, “Die Schattenseiten des Lichts“, Spektrum.de, 22.09.2016.
- “‘Lichtverschmutzung’ ist für Insekten tödlich“, Outfox World, 08.01.2018.
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