Endlich ist mal wieder eine totale Mondfinsternis von Deutschland aus zu sehen. Die letzte fand am 28. September 2015 montags früh zwischen 4 und 5 Uhr statt, also zu höchst arbeitnehmerunfreundlicher Zeit. Die kommende findet am nächsten Freitag Abend statt, in den Sommerferien (soweit ich sehe haben alle deutschen Bundesländer Ferien). Und angesichts der fortdauernden Trockenheit der letzten Wochen besteht eine gute Chance, dass das Wetter kooperiert. Diese Finsternis ist zudem die längste dieses Jahrhunderts: der Mond geht ziemlich zentral durch den Erdschatten und ist nahe seinem erdfernsten Punkt, an dem er sich am langsamsten bewegt. Einziger Wermutstropfen ist, dass die frühesten Phasen der Finsternis schon beginnen, bevor der Mond in Mitteleuropa aufgegangen ist, aber wir können die komplette Totalität und den gesamten Austritt des Mondes aus dem Erdschatten beobachten, der eine Wiederholung des Eintritts in umgekehrter Abfolge ist, und um halb 1 Uhr im Bett liegen, ohne etwas wichtiges verpasst zu haben (wer alles sehen will, muss noch eine Stunde dranhängen).
Geometrie einer Mondfinsternis
Wie alle Objekte im Sonnenlicht wirft auch die Erde einen Schatten. Wenn der Mond auf seiner Bahn den Schatten der Erde kreuzt, gibt es eine Mondfinsternis. Vom Mond aus gesehen wäre es eine Sonnenfinsternis, die Erde schiebt sich vor die Sonne. Von der Erde aus gesehen sehen wir, wie der Erdschatten dem Mond das Sonnenlicht nimmt. Der Kernschatten der Erde ist fast dreimal so groß wie der Mond, so dass dieser bei einer totalen Mondfinsternis vollkommen darin verschwindet. Da der Erdschatten in Gegenrichtung zur Sonne liegt und wir somit mit der Sonne im Rücken auf den Mond schauen, fällt eine Mondfinsternis immer mit einem Vollmond zusammen.
Der Erdschatten besteht aus zwei Zonen, dem Halbschatten (lat. Penumbra), in welchem die Erde aus Sicht des Mondes die Sonne nur zum Teil bedeckt, und dem innen liegenden Kernschatten (lat. Umbra), wo die Sonne komplett bedeckt ist. Das kennen wir auch von Schatten durch die Sonne (oder andere ausgedehnte Lichtquellen) auf der Erde, sie haben einen diffusen Rand, vor allem wenn der Schatten weit vom Schatten werfenden Objekt entfernt ist.
Als Mondfinsternis zählt dabei schon das Streifen des Halbschattens durch den Mond, das so gut wie nicht wahrnehmbar ist. Eine tiefe Halbschattenfinsternis ist an einer leichten Verdunklung einer Seite des Mondes erkennbar. Bei einer partiellen Mondfinsternis (partiell = teilweise) tritt der Mond zum Teil in den Kernschatten ein, bei einer totalen Mondfinsternis komplett. Da sein Weg bei der kommenden totalen Finsternis durch beide Schattenzonen führt, sehen wir alle diese Phasen, jedenfalls in der zweiten Hälfte der Finsternis.
Der Mond umkreist die Erde ungefähr einmal im Monat, zwischen zwei Vollmonden liegen 29,5 Tage, aber nicht jedesmal ist eine Mondfinsternis zu sehen, denn die Mondbahn ist 5,14° gegen die Bahn der Erde um die Sonne gekippt und verhältnismäßig weit von der Erde entfernt – wenn die Erde auf die Größe eines 30 cm-Globus geschrumpft würde, dann wäre der orangengroße Mond maßstabsgetreu 9 m entfernt. Deswegen wandert der Mond normalerweise über oder unter dem Erdschatten hindurch. Die Orte, wo die Mondbahn die Erdbahn schneidet, werden auch Knoten der Bahn genannt, es gibt einen aufsteigenden (wo der Mond auf seiner Umkreisung die Erdbahn nach Norden überschreitet) und einen absteigenden Knoten (dort geht es wieder nach Süden). Nur wenn der Mond in der Nähe eines Knotens seiner Bahn ist, ist er mit Erde und Sonne auf einer Linie und eine Finsternis (Sonnen- oder Mondfinsternis) kann auftreten. Das ist zweimal im Jahr der Fall, derzeit Ende Juli und Ende Januar. Meist gibt es vor oder nach einer Mondfinsternis irgendwo auf der Erde auch eine Sonnenfinsternis. Totale Sonnenfinsternisse sind übrigens häufiger als totale Mondfinsternisse, denn die Erde ist größer als ihr Kernschatten. Allerdings ist eine Sonnenfinsternis nur da zu sehen, wo der kleine Mondschatten die Erde trifft, während eine Mondfinsternis auf mehr als der halben Erdkugel zu sehen ist: die ganze Hemisphäre sieht den Mond, und da die Finsternis eine Weile dauert, sieht aufgrund der Erddrehung noch ein wenig mehr Erdoberfläche einen Teil der Finsternis. Deswegen sieht man von einem bestimmten Ort auf der Erde aus mehr totale Mond- als Sonnenfinsternisse.
Die Lage der Knotenlinie kreist langsam in der Ebene der Erdbahn. Zufälligerweise fällt der Knoten diesmal ungefähr mit dem erdfernsten Punkt der Mondbahn zusammen, d.h. wir haben einen besonders kleinen und besonders langsam fortschreitenden Mond. Da die Finsternis diesmal auch noch sehr zentral durch den Erdschatten geht, ist sie mit 103 Minuten die längste in diesem Jahrhundert; die eingangs erwähnte Ende September 2015 war nur 72 Minuten lang und eine im April 2015, die bei uns nicht sichtbar war, dauerte gar nur 5 Minuten, weil der Mond nur innen am Rand des Kernschattens vorbei schrammte. Eine ähnlich lange Finsternis wie die kommende gibt es mit 102 Minuten im Jahre 2029.
Was ist zu sehen?
Wenn der Mond in den Halbschatten eintritt, ist zunächst nicht viel zu erkennen, aber allmählich bemerkt man, dass er einseitig an Helligkeit verliert, der Schatten wird tiefer. Vom Mond aus gesehen ist im dunklen Teil schon ein Großteil der Sonnenscheibe von der Erde bedeckt. Diese Phase werden wir diesmal nicht sehen können, da ist der Mond bei uns noch nicht aufgegangen.
Der Eintritt in den Kernschatten des Mondes ist hingegen deutlich zu sehen, der Mond erscheint dort wie abgebissen. Die meisten von uns werden den Mond so angeknabbert aufgehen sehen und können dann verfolgen, wie der fehlende Bissen immer größer wird, während es langsam dunkler wird. Wenn es dunkel genug geworden ist, bemerkt man, dass der verdunkelte Teil des Mondes nicht etwa unsichtbar ist, sondern schwach rötlich glimmt. Er wird nämlich von Licht erreicht, dass durch die Erdatmosphäre wie von einem Prisma umgelenkt wurde und das beim Durchlaufen tausender Kilometer Erdatmosphäre seine Blau-, Grün- und Gelbanteile völlig verloren hat; es bleibt nur ein dunkles Rot, dass außen im Erdschatten heller ist als weiter innen.
Vom Mond aus gesehen würde die Erde von einem leuchtend roten Ring umgeben erscheinen, dem simultanen Licht aller Sonnenauf- und Untergänge auf der Erde zusammen. Je nach Bewölkung und (vor allem Vulkan-)Staub in der Atmosphäre kann die Helligkeit des Erdlichts um einen Faktor 250 variieren und der Mond mal relativ hell und mal fast unsichtbar erscheinen. Amateurastronomen geben die Helligkeit des Mondes mit der 5-stufigen Skala nach André-Louis Danjon an. Wer mag, kann ja mal eine Schätzung der Danjon-Helligkeit während der zentralen Verfinsterung versuchen und hier als Kommentar berichten. Der Mond steht allerdings, vor allem zu Beginn der Finsternis, sehr niedrig und je nach Staub und Dunst am Beobachtungsort wird er noch dunkler und roter erscheinen, als er es hoch am Himmel wäre.
Etwa 5° (ca. eine Handbreit bei ausgestrecktem Arm) unterhalb des Mondes wird man den Planeten Mars finden, der sich just am selben Tag in Oppositionsstellung zur Sonne befindet (also ebenso von der Erde aus der Sonne gegenüber steht wie der Mond) und damit auch die größte Annäherung an die Erde erreicht, während diese ihn auf ihrer weiter innen liegenden Bahn um die Sonne überholt. Mars erscheint auch rötlich, allerdings tut er das immer, weil seine Oberfläche von Eisenoxid haltigem Staub bedeckt ist. Die diesjährige Opposition ist die nächste seit 2003 und der Mars erscheint heller und im Teleskop deutlich größer, als bei ferneren Oppositionsstellungen. Weiter östlich findet man den hellen, gelben Saturn und tief im Südwesten den noch helleren Jupiter am Himmel. Die Venus konnte man noch kurz nach Sonnenuntergang tief im Nordwesten sehen, sie ist zur Totalität aber schon untergegangen
Nach 103 Minuten, angekündigt durch eine Aufhellung des roten Erdscheins auf der östlichen (linken) Seite, fällt schließlich wieder das erste gleißende Sonnenlicht auf den Mond und er beginnt, sich aus dem Kernschatten zu befreien. Die noch bedeckten Teile des Mondes erscheinen nun viel dunkler als zuvor und die Sterne am Himmel verblassen zusehends, während der schwarze Sternenhimmel sich allmählich in ein Dunkelblau verfärbt. Während der Halbschattenphase beim Austritt des Mondes kurz nach Ende der partiellen Bedeckung ist das Mondlicht noch gedämpft, aber der Vollmond wird schließlich brutal hell und ertränkt den Sternenhimmel mit seinem Licht, wenn er den Halbschatten verlassen hat. Gerade bei Vollmond ist er wegen des Oppositioneffekts überproportional hell, bei welchem die fehlenden Schatten und die maximale Rückwärtsstreuung in Richtung der Lichtquelle den Vollmond deutlicher heller erscheinen lassen als einen Tag vor oder nach Vollmond.
Wo und wann ist die Finsternis zu sehen?
Eine Mondfinsternis ist überall auf der Erde zu sehen, wo der Mond zur betreffenden Zeit über dem Horizont steht und findet für alle Orte der Welt zur gleichen Zeit statt (bis auf unterschiedliche Zonen- bzw. Ortszeiten), so dass Ptolemäus und Plinius schon in der Antike und Al-Biruni im Mittelalter Mondfinsternisse zur Bestimmung des Längengrads verwendeten – die Abweichung der lokalen, am Sonnenstand ermittelten Ortszeit, zu welcher der Ein- oder Austritt des Mondes in den Erdschatten erfolgt, von der Ortszeit des selben Ereignisses an einem anderen Ort ergibt den Unterschied in Längengraden zwischen den beiden Orten (4 Minuten Ortszeitunterschied je Längengrad).
Bei Finsternissen spricht man von Kontakten, wenn man die Zeitpunkte angibt, zu denen der Mond die Zonen des Schattens (oder bei einer Sonnenfinsternis der Sonnenscheibe) berührt:
- 1. Kontakt: vorauseilende Seite des Mondes berührt Schatten von außen am Beginn des Eintritts,
- 2. Kontakt: nachfolgende Seite des Mondes berührt Schatten von innen bei vollständigem Eintritt,
- 3. Kontakt: vorauseilende Seite des Mondes berührt Schatten von innen am Beginn des Austritts,
- 4. Kontakt: nachfolgende Seite des Mondes berührt Schatten von außen am Ende des Austritts.
Da es Halbschatten (Penumbra) und einen Kernschatten (Umbra) mit jeweils 4 Kontakten gibt, sind die Kontakte im folgenden Bild der aktuellen Finsternis mit P1-4 und U1-4 gekennzeichnet, wobei P2 und P3 allerdings mangels Bedeutung weggelassen wurden:
Im Folgenden die Kontaktzeiten in mitteleuropäischer Sommerzeit; wer sich in einer anderen Zeitzone aufhalten sollte, muss die Zeiten auf seine Zone umrechnen. Außerdem habe ich noch die Auf- und Untergangszeiten von Sonne und Mond und die Anfangszeiten der nautischen und astronomischen Dämmerung für Wien und Emden angegeben. Je weiter südöstlich man sich im deutschsprachigen Raum befindet, desto früher geht die Sonne unter und der Mond auf, desto mehr von der Finsternis sieht man und desto früher wird es dunkel. In der Tabelle habe ich Wien als südöstlichsten und Emden als nordwestlichsten Extrempunkt gewählt; irgendwo dazwischen liegen die anderen Orte im deutschsprachigen Raum.
Kontakt | Beschreibung | Zeit MESZ | Bemerkungen |
---|---|---|---|
1. Penumbra (P1) | Beginn der Finsternis | 19h14m49s | Mond in DACH noch nicht aufgegangen |
1. Umbra (U1) | Beginn der partiellen Phase | 20h24m27s | Wien: Mondaufgang 20:29, Sonnenuntergang 20:36 |
2. Umbra (U2) | Beginn der totalen Phase | 21h30m15s | Wien: nautische Dämmerung ab 21:15 Emden: Mondaufgang 21:27 Sonnenuntergang: 21:35 |
– | größte Verfinsterung | 22h21m44s | Wien: astronom. Dämmerung ab 22:04 Emden: nautische Dämmerung ab 22:19 |
3. Umbra (U3) | Ende der totalen Phase | 23h13m12s | Wien: Dunkelheit ab 23:06 Emden: astronom. Dämmerung ab 23:23 |
4. Umbra (U4) | Ende der partiellen Phase | 0h19m00s | (in Emden dauert die astronomische Dämmerung bis zum Morgen an) |
4. Penumbra (P4) | Ende der Finsternis | 1h28m37s |
Nach Sonnenuntergang beginnt die bürgerliche Dämmerung, da ist der Himmel noch blau und ohne Sterne, aber den teilbedeckten Vollmond sieht man natürlich trotzdem, wenn er denn aufgegangen ist. Die nautische Dämmerung beginnt, wenn die Sonne 6° unter dem Horizont steht, der Himmel zeigt dann die ersten hellen Sterne. Es wird schwer sein, den voll bedeckten, rot leuchtenden Mond zu erkennen. Die astronomische Dämmerung beginnt, wenn die Sonne 12° unter dem Horizont steht, die meisten Sterne sind zu sehen, aber im Nordwesten ist der Himmel noch aufgehellt – zum Glück steht der Mond im Südosten und sollte auch total verfinstert dort noch zu sehen sein. In Emden wird das wohl eher am Ende der Totalität der Fall sein.
Wer sich im Urlaub oder aus anderen Gründen anderswo aufhält, kann die Karte unten verwenden, um abzuschätzen, wieviel sie oder er von der Finsternis zu sehen bekommt. Man muss schon in der Türkei oder Ägypten sein, um die gesamte Finsternis zu sehen; in Portugal und auf den Kanaren verpasst man den Beginn der Totalität und es wird noch hell sein, wenn sie endet. In Nordamerika ist die Finsternis überhaupt nicht zu sehen.
Und wie sieht’s vom Mond aus?
Wurde eine Mondfinsternis schon einmal vom Mond aus gesehen? Von Menschen nicht. Aber von Raumsonden! Die ersten Aufnahmen erfolgten bereits durch den Lander Surveyor 3, der dieses kleine, unscharfe und überbelichtete Bildchen 1967 per analog-Fernsehtechnik von der Mondoberfläche aus zur Erde funkte:
Jüngeren Datums und von besserer Qualität sind Aufnahmen des japanischen Mondorbiters Kaguya, der am 9. Februar 2009 eine Mondfinsternis aus der Mondumlaufbahn aufnahm. Das Video zeigt die hinter dem Mondhorizont aufehende Erde, umgeben von ihrer dünnen, im Sonnenlicht leuchtenden Atmosphäre, bis schließlich unten rechts die Sonne als Diamantring-Effekt hinter der Erde hervorkommt. Leider ist das rote Licht nicht gut getroffen, vielleicht hat man nicht die dafür notwendigen Farbfilter verwendet.
Und falls ich die Finsternis verpasse?
Glücklicherweise folgt die nächste totale Mondfinsternis, die von Europa aus zu sehen sein wird, schon am 21. Januar 2019, am frühen Morgen, und diesmal ist der Nordwesten des deutschsprachigen Raums bevorzugt. Allerdings wird es – wieder mal – ein Montagmorgen sein, und voraussichtlich empfindlich kälter als nächsten Freitag. Von den Wetteraussichten Ende Januar gar nicht zu sprechen…
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