Was flattert da im Wind? Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Auf dem Mars tut sich was – als kleines Nikolausgeschenk gab es am Donnerstag einen Stoß frischer Bilder von InSight auf der Rohbilderseite und im Newsbereich, und gestern wurde kurzfristig eilig eine Pressekonferenz einberufen, in der verkündet wurde, das zum allerersten Mal Geräusche auf dem Mars aufgenommen worden seien! Was verwundert, denn anders als der Mars Polar Lander, dem ein von der Planetary Society gestiftetes Mikrofon mitgegeben worden war, besitzt InSight eigentlich keinen  Audiosensor. Was wurde da also auf welche Weise gehört? Erkläre ich gleich.

 

Picture Book

Zunächst zu den Bildern. Nachdem der Instrument Deployment Arm schon letztesmal angehoben wurde und die Kamera in den Marshimmel gerichtet war, wurde er nun über das Oberdeck der Sonde geschwenkt, um die einzelnen Instrumente und die Solarpaneele zu inspizieren. Eine gute Gelegenheit, die Geräte einmal kennen zu lernen:

Teil des Instrumentendecks der InSight-Sonde. Von oben ragt der Instrument Deployment Arm (IDA) mit verstautem Greifer (die graue Struktur mit fünf Ecken) ins Bild. Der Kasten, der in der Bildmitte nach rechts aus dem Deck herausragt, ist eine Steuerdüse, die bei der Landung eingesetzt wurde. Das große Loch in der Mitte mit der Metallfolie darunter ist eine Aussparung für einen Treibstofftank aus dem Oberteil der Sonde, der abgeworfen worden war. Links von der Vertiefung die zylindrische UHF-Antenne. Der metallene Becher im Vordergrund diente zur Einklinken der Rückenverkleidung mit Fallschirm. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Blick über das Deck mit einer Aussparung für einen Treibstofftank in der Mitte, rechts dahinter eine Farbkalibrierungstafel mit den Flaggen der an der Mission beteiligten Nationen, und dazwischen der silberfarbene Laser-Retroreflektor LaRRI mit mehreren eingelassenen kleinen Winkelspiegeln. Links unten am Bildrand ein Befestigungspunkt der abgeworfenen Rückenverkleidung und dahinter der Teil eines Solarpaneels. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Blick von der Instrument Deployment Camera (IDC) unterhalb des Instrument Deployment Arms über das Deck von InSight. Vorne in kupferfarbener Verkleidung das SEIS-Seismometer aus Frankreich. Dahinter das Wind and Thermal Shield WTS, das später über SEIS platziert werden soll, um Wind und Wärme von ihm fern zu halten. Die schwarze Säule links davon gehört zum mechanischen Maulwurf HP³, von dem aus sich eine Temperatursonde bis in 5 m Tiefe in den Boden eingraben soll. An allen drei Geräten findet man oben kleine Angriffspunkte für den Greifer am Instrument Deployment Arm, der auf allen Bildern in eingeklappter Stauposition zu sehen ist (5-eckige graue Struktur). Rechts am Bildrand ein Teil der UHF-Antenne und dahinter ein Stück der Solarpaneele. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Blick von der IDC auf eines der drei Landebeine. Der Teller ist ein wenig in den Boden eingesunken, der offensichtlich sehr weich sein muss. Gut für HP³. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Blick auf den Marsboden. Die Sonne steht tief und man sieht daher durch den Schattenwurf auf dem Boden sehr schön die radiale Linienstruktur, die vom Abgas der Landetriebwerke im Staub hinterlassen wurde. Links vom Instrument Deployment Arm ragt eine Steuerdüse ins Blickfeld. Die kreisförmige schwarz-graue Markierung unten links dient zur Kalibrierung von Bildschärfe und Kontrast der Kamera und bietet einen Referenzpunkt für Entfernungsmessungen im Bild. Die Marken sind an mehreren Stellen auf dem Deck angebracht, eine weitere ragt links am Bildrand halb ins Bild hinein. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Blick auf ein Solarpaneel. Das weiße Türmchen rechts ist einer der beiden Temperatur- und Windmesser TWINS, dahinter eine der beiden trichterförmigen RISE X-Band-Antennen. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Das andere Solarpaneel, links darunter der andere TWINS-Sensor, unten die UHF-Antenne, dahinter halb verdeckt eine RISE-Antenne. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Noch eine Übersicht. Links TWINS (weiß), dahinter teilweise verdeckt RISE, dahinter eine Befestigungsöse für die Rückenverkleidung, in der Mitte HP³, vorne rechts SEIS, dahinter WTS. Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei.

Die Originalbilder wurden farblich etwas nachbearbeitet. Anfang kommender Woche (10.-13. Dezember) soll die Sonde ein Panorama aufnehmen und wird sich damit erstmalig auf ihrem Arbeitsplatz komplett umsehen.

 

Schall und Staub

Nun zu den Tönen: Der Mars Polar Lander sollte bereits 1999 ein von der Planetary Society, einer gemeinnützigen, nichtstaatlichen Organisation, die 1980 von Carl Sagan und anderen zur Förderung von Raumfahrtaktivitäten gegründet worden war und weltweit 50.000 zahlende Mitglieder hat,  gestiftetes Mikrofon auf dem Mars landen, um den Raumfahrt-Fans erstmalig Geräusche einer anderen Welt zu Gehör zu bringen. Leider endete der Mars Polar Lander als Mars Polar Crasher, und der erfolgreiche Nachfolger Phoenix hatte kein Mars-Mikrofon mehr dabei. Auf den Landesonden ist die Nutzlastkapazität stets sehr knapp und das Aufnehmen von Geräuschen ist zwar für die Öffentlichkeit ziemlich spannend, aber von relativ geringem wissenschaftlichem Wert. Keine andere Mission hat seither oder zuvor jemals die Geräusche einer anderen Welt aufgezeichnet. Es gibt zwar einige Audiodateien bei der NASA zum Download; bei diesen handelt es sich aber ausschließlich um Astronautenfunk oder in Audio umgewandelte Messdaten aus nichtakustischen Medien, wie Radiowellen oder Lichtkurven, die mit Schall nichts zu tun haben. Nur der Titan-Lander Huygens hatte ein Mikrofon dabei und den Fahrtwind während seines Abstiegs am Fallschirm aufgezeichnet, aber dies waren keine natürlichen Windgeräusche, die dort auch ohne Beteiligung der Sonde zu hören gewesen wären – es gibt keine Aufzeichnung, auf der man den Titanwind hören kann.

Auch InSight hat kein Mikrofon dabei – aber ein Seismometer und einen Luftdruckmesser. Erdbebenwellen sind normalerweise eher niederfrequent, aber das französische SEIS-Seismometer enthält Sensoren, die bis 50 Hz hinauf gehen – das liegt am unteren Rand des Hörbereichs des Menschen. Das Seismometer wird später auf dem Boden abgestellt werden und mit dem Wind- und Thermal-Schutzschild WTS wie mit einer Tortenhaube zugedeckt werden, damit Wind ja nicht die Messungen beeinflussen kann. Derzeit steht SEIS aber noch schutzlos auf dem Deck der Sonde (siehe Bilder oben) und bekommt deren Vibrationen voll ab. In der dünnen Marsatmosphäre weht ein Wind von 15-25 km/h, der die großen Solarpaneelen der Sonde zum Schwingen bringt, und diese Schwingungen übertragen sich auf SEIS. Das Seismometer konnte sogar die Windrichtung feststellen, und diese war konsistent mit der Zugrichtung von Staubteufeln in dieser Gegend, die man vorher auf Bildern aus dem Orbit identifiziert hatte (sie hinterlassen dunkle Spuren im Staub).

Das klingt dann so: die Originalgeräusche sind sehr niederfrequent und nur mit guten Tieftönern/Subwoofern oder großen Kopfhörern wahrnehmbar; man hört dann auch nur die höchstfrequenten Geräusche. Um zwei Oktaven (auf maximal 200 Hz) angehoben sind die Windgeräusche aber sehr gut zu hören:

Auch der Luftdrucksensor, der Teil des Auxiliary Payload Sensor Subsystems (APSS) ist, das die Umwelteinflüsse (Wind, Temperatur, Luftdruck, Magnetfeld) während der Seismometermessungen überwachen soll, kann Schallwellen bis zu 10 Hz registrieren – Schallwellen sind ja nichts anderes als periodische Luftdruckschwankungen, allerdings normalerweise mit viel höherer Frequenz. 10 Hz sind unhörbar für Menschen, aber wenn man die Aufzeichnung des APSS-Drucksensors 100mal schneller abspielt, dann reicht der Frequenzbereich bis 1000 Hz und das klingt so:

Das sind echte Windgeräusche, die ersten Geräusche vom Mars und die ersten natürlichen von einem anderen Himmelskörper überhaupt; allerdings extrem tiefpassgefiltert und somit nicht dem entsprechend, was man auf dem Mars tatsächlich hören würde. Und es wäre interessant, das einmal zu hören. Die dünne Marsatmosphäre würde Schall nicht so weit leiten, wie die 100mal dichtere Erdatmosphäre. Und würde man in der kalten, schweren CO2-Atmosphäre sprechen können, dann würde der Resonanzraum im Kehlkopf niederfrequentere Töne erzeugen, der umgekehrte Effekt, den man beim Einatmen von Helium erreicht (wird hier demonstriert).

Diese Ergebnisse der Kalibrierungsmessungen hatten die Forscher am JPL nicht erwartet, sie waren so überrascht und begeistert, dass sie ganz kurzfristig eine Pressekonferenz einberiefen (mitten während des Starts der chinesischen Chang’e-4-Sonde zum Mond), um die spannende Nachricht an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. So geht’s oft in der Forschung – neue Sensoren oder Messbereiche führen auf unerwartete Dinge.

Der Luftdrucksensor hat übrigens bereits den Druckabfall eines mutmaßlichen Staubteufels im Rahmen seiner ersten Tests beobachtet.

Die gute Nachricht ist, dass der Nachfolger des Curiosity-Rovers, der Mars-2020-Rover (der noch keinen richtigen Namen hat), in seiner SuperCam-Kamera ein Mikrofon eingebaut haben wird. Wenn alles gut geht, bekommen wir also Mars-Audio im Frequenzbereich des menschlichen Gehörs in ca. 2 Jahren zu hören. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich dieses dann anhören wird.

 

Referenzen

Kommentare (4)

  1. #1 Gerrit
    9. Dezember 2018

    die ersten Geräusche von einem anderen Himmelskörper

    Und was ist mit Huygens auf Titan?

  2. #2 Alderamin
    9. Dezember 2018

    @Gerrit

    In der Tat, hab‘ ich übersehen/vergessen, danke, trage ich nach. Auf der NASA-Seite gab‘s keine entsprechende Audio-Datei, die hätte ich dort zu finden erwartet (Huygens war zwar eine ESA-Sonde, aber Cassini-Huygens war ja eine Kooperation). Bei der ESA gibt es eine.

    Ist aber nur der Fahrtwind der Sonde beim Abstieg. Der eigentliche Wind auf Titan, der nicht von der Sonde mitverursacht wird, ist nicht zu hören, also keine natürlichen Geräusche. Anders als jetzt bei Mars. Die Solarpaneele sind gewissermaßen die Membranen des Mikrofons, das zusammen mit SEIS aus der ganzen Sonde gebildet wird.

  3. #3 Dampier
    9. Dezember 2018

    Wow, fette Subbässe! Bin gespannt, wann sich die ersten Elektronikmusiker darüber hermachen …

  4. #4 christ
    11. Dezember 2018

    life on Mars, das wird der Hammer.