Auf dem Mars tut sich was – als kleines Nikolausgeschenk gab es am Donnerstag einen Stoß frischer Bilder von InSight auf der Rohbilderseite und im Newsbereich, und gestern wurde kurzfristig eilig eine Pressekonferenz einberufen, in der verkündet wurde, das zum allerersten Mal Geräusche auf dem Mars aufgenommen worden seien! Was verwundert, denn anders als der Mars Polar Lander, dem ein von der Planetary Society gestiftetes Mikrofon mitgegeben worden war, besitzt InSight eigentlich keinen Audiosensor. Was wurde da also auf welche Weise gehört? Erkläre ich gleich.
Picture Book
Zunächst zu den Bildern. Nachdem der Instrument Deployment Arm schon letztesmal angehoben wurde und die Kamera in den Marshimmel gerichtet war, wurde er nun über das Oberdeck der Sonde geschwenkt, um die einzelnen Instrumente und die Solarpaneele zu inspizieren. Eine gute Gelegenheit, die Geräte einmal kennen zu lernen:
Die Originalbilder wurden farblich etwas nachbearbeitet. Anfang kommender Woche (10.-13. Dezember) soll die Sonde ein Panorama aufnehmen und wird sich damit erstmalig auf ihrem Arbeitsplatz komplett umsehen.
Schall und Staub
Nun zu den Tönen: Der Mars Polar Lander sollte bereits 1999 ein von der Planetary Society, einer gemeinnützigen, nichtstaatlichen Organisation, die 1980 von Carl Sagan und anderen zur Förderung von Raumfahrtaktivitäten gegründet worden war und weltweit 50.000 zahlende Mitglieder hat, gestiftetes Mikrofon auf dem Mars landen, um den Raumfahrt-Fans erstmalig Geräusche einer anderen Welt zu Gehör zu bringen. Leider endete der Mars Polar Lander als Mars Polar Crasher, und der erfolgreiche Nachfolger Phoenix hatte kein Mars-Mikrofon mehr dabei. Auf den Landesonden ist die Nutzlastkapazität stets sehr knapp und das Aufnehmen von Geräuschen ist zwar für die Öffentlichkeit ziemlich spannend, aber von relativ geringem wissenschaftlichem Wert. Keine andere Mission hat seither oder zuvor jemals die Geräusche einer anderen Welt aufgezeichnet. Es gibt zwar einige Audiodateien bei der NASA zum Download; bei diesen handelt es sich aber ausschließlich um Astronautenfunk oder in Audio umgewandelte Messdaten aus nichtakustischen Medien, wie Radiowellen oder Lichtkurven, die mit Schall nichts zu tun haben. Nur der Titan-Lander Huygens hatte ein Mikrofon dabei und den Fahrtwind während seines Abstiegs am Fallschirm aufgezeichnet, aber dies waren keine natürlichen Windgeräusche, die dort auch ohne Beteiligung der Sonde zu hören gewesen wären – es gibt keine Aufzeichnung, auf der man den Titanwind hören kann.
Auch InSight hat kein Mikrofon dabei – aber ein Seismometer und einen Luftdruckmesser. Erdbebenwellen sind normalerweise eher niederfrequent, aber das französische SEIS-Seismometer enthält Sensoren, die bis 50 Hz hinauf gehen – das liegt am unteren Rand des Hörbereichs des Menschen. Das Seismometer wird später auf dem Boden abgestellt werden und mit dem Wind- und Thermal-Schutzschild WTS wie mit einer Tortenhaube zugedeckt werden, damit Wind ja nicht die Messungen beeinflussen kann. Derzeit steht SEIS aber noch schutzlos auf dem Deck der Sonde (siehe Bilder oben) und bekommt deren Vibrationen voll ab. In der dünnen Marsatmosphäre weht ein Wind von 15-25 km/h, der die großen Solarpaneelen der Sonde zum Schwingen bringt, und diese Schwingungen übertragen sich auf SEIS. Das Seismometer konnte sogar die Windrichtung feststellen, und diese war konsistent mit der Zugrichtung von Staubteufeln in dieser Gegend, die man vorher auf Bildern aus dem Orbit identifiziert hatte (sie hinterlassen dunkle Spuren im Staub).
Das klingt dann so: die Originalgeräusche sind sehr niederfrequent und nur mit guten Tieftönern/Subwoofern oder großen Kopfhörern wahrnehmbar; man hört dann auch nur die höchstfrequenten Geräusche. Um zwei Oktaven (auf maximal 200 Hz) angehoben sind die Windgeräusche aber sehr gut zu hören:
Auch der Luftdrucksensor, der Teil des Auxiliary Payload Sensor Subsystems (APSS) ist, das die Umwelteinflüsse (Wind, Temperatur, Luftdruck, Magnetfeld) während der Seismometermessungen überwachen soll, kann Schallwellen bis zu 10 Hz registrieren – Schallwellen sind ja nichts anderes als periodische Luftdruckschwankungen, allerdings normalerweise mit viel höherer Frequenz. 10 Hz sind unhörbar für Menschen, aber wenn man die Aufzeichnung des APSS-Drucksensors 100mal schneller abspielt, dann reicht der Frequenzbereich bis 1000 Hz und das klingt so:
Das sind echte Windgeräusche, die ersten Geräusche vom Mars und die ersten natürlichen von einem anderen Himmelskörper überhaupt; allerdings extrem tiefpassgefiltert und somit nicht dem entsprechend, was man auf dem Mars tatsächlich hören würde. Und es wäre interessant, das einmal zu hören. Die dünne Marsatmosphäre würde Schall nicht so weit leiten, wie die 100mal dichtere Erdatmosphäre. Und würde man in der kalten, schweren CO2-Atmosphäre sprechen können, dann würde der Resonanzraum im Kehlkopf niederfrequentere Töne erzeugen, der umgekehrte Effekt, den man beim Einatmen von Helium erreicht (wird hier demonstriert).
Diese Ergebnisse der Kalibrierungsmessungen hatten die Forscher am JPL nicht erwartet, sie waren so überrascht und begeistert, dass sie ganz kurzfristig eine Pressekonferenz einberiefen (mitten während des Starts der chinesischen Chang’e-4-Sonde zum Mond), um die spannende Nachricht an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. So geht’s oft in der Forschung – neue Sensoren oder Messbereiche führen auf unerwartete Dinge.
Der Luftdrucksensor hat übrigens bereits den Druckabfall eines mutmaßlichen Staubteufels im Rahmen seiner ersten Tests beobachtet.
Die gute Nachricht ist, dass der Nachfolger des Curiosity-Rovers, der Mars-2020-Rover (der noch keinen richtigen Namen hat), in seiner SuperCam-Kamera ein Mikrofon eingebaut haben wird. Wenn alles gut geht, bekommen wir also Mars-Audio im Frequenzbereich des menschlichen Gehörs in ca. 2 Jahren zu hören. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich dieses dann anhören wird.
Referenzen
- “NASA InSight Lander ‘Hears’ Martian Winds“, NASA News, 07.12.2018.
- “Briefing Materials – December 7, 2018“, NASA/JPL-Caltech.
- Bruce Betts, “Listen Up! Microphones to Fly to Mars”, Planetary Society, 15.07.2016.
- “NASA’s Mars InSight Flexes Its Arm“, Mars Daily, 07.12.2018.
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