Im Hype um Alexander Gersts Rückkehr vom Erdorbit ging ein großes Jubiläum ein wenig unter. Dieser Tage jährt sich der erste von Menschen durchgeführte Flug zum Mond zum 50. Mal. Um dieses angemessen zu würdigen, möchte ich ein wenig auf die Geschichte des Flugs zurückblicken und in einem zweiten Teil den Flug mit einem Fotoalbum der schönsten Aufnahmen würdigen.
Die ewigen Zweiten
Nachdem die US-Amerikaner im 2. Weltkrieg Atomwaffen entwickelt und auch eingesetzt hatten und sich während der Friedensverhandlungen der Siegermächte die westlichen Mächte mehr und mehr von der kommunistischen Sowjetunion entfremdeten, schlitterte die Welt in den Kalten Krieg hinein. Die Sowjets zogen 1949 atomar nach, unter anderem unterstützt von deutschen Wissenschaftlern aus der sowjetischen Besatzungszone, und zündeten ihren ersten nuklearen Sprengsatz. Von Flugzeugen abgeworfene Atomwaffen wie die von Hiroshima und Nagasaki sind schrecklich, aber in Kombination mit einer aus dem Weltraum einschlagenden Rakete, wie Nazi-Deutschland sie mit der konventionell bestückten V2 demonstriert hatte, waren sie unbezwingbar und machten den Staat der über sie verfügte quasi unbesiegbar. Deswegen begannen beide Großmächte Mitte in den 50er Jahren mit der Entwicklung von Raketen, die atomare Sprengköpfe tragen sollten.
Nach dem Krieg bauten die USA mit Wernher von Brauns Team etliche V2-Exemplare nach und experimentierten mit ihnen. Bald schon entwickelten sie eigene, neue Raketen. 1955 kündigte Präsident Eisenhower an, dass die USA im geophysikalischen Jahr 1957/58 einen künstlichen Erdsatelliten starten wollten. In den USA konkurrierten NAVY, Army und Air Force mit drei verschiedenen Raketenkonzepten um den Auftrag. Die US NAVY setzte sich zunächst durch und wollte im Dezember 1957 den nur 1,36 kg leichten Satelliten Vanguard TV3 in den Orbit schießen, der das Erdschwerefeld vermessen sollte; dazu wollte man sein 108-MHz-UKW-Funksignal auswerten um seine Bahn exakt zu verfolgen.
Die Sowjets kündigten hingegen gar nichts an. Wie ein Paukenschlag kam daher am 4. Oktober 1957 der Start des 83,6 kg (!) schweren Sputnik-1-Satelliten in den Erdorbit, dessen Funksignal weltweit von Amateuren und vom Militär aufgefangen werden konnte, und der in der Gewichtsklasse einer kleinen Bombe lag. Der Start auf der Spitze einer Interkontinentalrakete (der R7, aus der die heutige Sojus entwickelt wurde) versetzte die amerikanische Regierung in Rage. Im Film “Der Stoff aus dem die Helden sind” (engl. The Right Stuff) fährt der damalige Senator und demokratische Mehrheitsführer Lyndon B. Johnson aus seiner Haut, als er Präsident Eisenhower erklärt (wahres Zitat), wie die Römer ihre Weltmacht durch Straßen etablierten, die Briten ihr Empire mit Schiffen, die Amerikaner ihre Vormachtstellung mit Flugzeugen – und nun hätten die Kommunisten mit ihren Raketen im Weltraum Fuß gefasst und würden die Amerikaner schon bald mit Atomwaffen von oben bewerfen. Man drängte die NAVY, endlich ihren Satelliten zu starten. Noch bevor der Startversuch im Dezember erfolgte, hatten die Sowjets bereits am 3. November den zweiten Sputnik gestartet und das erste Lebewesen in den Orbit gebracht, die Hündin Laika.
Am 6. Dezember sollte Vanguard TV-3 endlich von der Vanguard-Rakete gestartet werden, aber das Triebwerk setzte nach 2 Sekunden aus und die Rakete explodierte. Erst am 1. Februar 1958 konnten die USA mit der unter Wernher von Braun entwickelten Jupiter-C-Rakete nachziehen und den 14 kg leichten Explorer-1-Satelliten in die Erdumlaufbahn schießen. Nach weiteren Fehlstarts bündelten die Amerikaner ihre Raumfahrtaktivitäten in der neu gegründeten zivilen Raumfahrtbehörde NASA. Um die Karten neu zu mischen, legte Präsident Kennedy in seiner berühmten Rede am 12. September 1962, in Absprache mit der NASA, die bereits an einem entsprechenden Projekt arbeitete, die Messlatte extrem hoch: noch vor Ende des Jahrzehnts (31.12.1970) sollten die Amerikaner einen Menschen auf dem Mond landen und sicher zur Erde zurück bringen. Dies sollten die Amerikaner tun, nicht weil es leicht, sondern weil es schwierig sei.
Es sollte nämlich genau so schwierig sein, dass die Sowjets daran scheitern sollten. Ein beispielloser Wettlauf um Prestige und Technologie begann.
Wobei die Amerikaner zunächst die ewigen Zweiten blieben:
- Erster Mensch im Weltraum: (und gleich in der Umlaufbahn): Juri Gagarin, Wostok 1, 12. April 1961
(USA: Alan Shepard, Mercury Freedom 7, suborbital, 5. Mai 1961; John Glenn, orbital, Mercury Friendship 7, 20. Februar 1962). - Erster 24-stündiger Flug: Gherman Titow, Wostok 2, 6.-7. August 1961
(USA: Gordon Cooper, 15.-16. Mai 1963). - Erstmals zwei Raumschiffe im Weltraum: Andrijan Nikolajew & Pawel Popowitsch, Wostok 3 & 4, 11./12.-15. August 1962
(USA: Walter Shirra & Thomas Stafford/Frank Borman & James Lovell, Gemini 6A/7, Dezember 1965). - Erster Mehrtage-Flug: Waleri Bykowski, Wostok 5, 14.-19. Juni 1963
(USA: Ed White & James McDivitt, Gemini 4, 3.-7. Juni 1965). - Erste Frau im Weltraum: Walentina Tereschkowa, Wostok 6, 16. Juni 1963
(USA: Sally Ride, STS-7, 18. Juni 1983; ja, dreiundachtzig). - Erste Mehrfachbesatzung: Wladimir Komarow, Boris Jegorow, Konstantin Feoktistow, 12. Oktober 1964
(USA: Gus Grissom & John Young, Gemini 3, 23. März 1965). - Erster Weltraumausstieg: Alexej Leonov, 18. März 1965
(USA: Ed White, Gemini 4, 3. Juni 1965).
Erst danach verbuchten die USA die ersten Flugzeitrekorde (Cooper/Conrad, Gemini 5, 7 Tage, 21.-29. August 1965; Borman/Lovell, Gemini 7, 14 Tage, 4.-18. Dezember 1965), das erste Rendezvous zweier Raumfahrzeuge (Schirra/Stafford & Borman/Lovell, Gemini 6A & Gemini 7, 15. Dezember 1965), das erste Andocken an ein anderes Raumschiff (Armstrong/Scott, Gemini 8, 16.-17. März 1966, ein beinahe fatal verlaufener Flug) und einen Entfernungsrekord (Conrad/Gordon, Gemini 11, 1374 km Apogäum, 12.-15. September 1966).
Die Gemini-Flüge mit ihren engen 2-Personen-Kapseln waren Vorbereitungen für die von Kennedy beauftragte Mondlandung. Man probte im Erdorbit lange Verweildauern, den Ausstieg im Raumanzug, das Manövrieren und Andocken. Die Astronauten Bormann und Lovell harrten 14 Tage in ihrer kleinen Kapsel nebeneinander aus, die nicht mehr Platz als die Vordersitze in einem Kleinwagen boten. In einem Interview sagte Frank Borman dazu, wenn man da herauskäme, dann entweder als beste Freunde oder größte Feinde. Für Lovell und ihn sei zum Glück ersteres herausgekommen.
Währenddessen wurde längst schon parallel an der Apollo-Hardware gearbeitet.
Das Apollo-Projekt
Der Plan des Apollo-Projekts war, ein Raumschiff mit 3 Besatzungsmitgliedern zum Mond zu bringen. Das aus Kapsel (Command Module) und Versorgungseinheit (Service Module) bestehende Apollo-Raumschiff sollte von der 3. Stufe der leistungsfähigsten Rakete aller Zeiten, der 111 m hohen und betankt 2970 Tonnen schweren Saturn V, auf den Kurs zum Mond geschossen werden – 1000 mal weiter weg von der Erde als die heutige ISS über der Erde kreist. In der 3. Stufe sollte eine Mondlandefähre, genannt Lunar Module, verstaut werden, die vom Apollo-Raumschiff auf dem Weg zum Mond aus der Stufe herausgezogen werden sollte. Die Kombination aus Kommandomodul und Mondlandefähre sollte dann in einen Orbit um den Mond einbremsen. Zwei Besatzungsmitglieder sollten in das Lunar Module umsteigen und damit auf der Mondoberfläche sanft landen und aussteigen, während das dritte im Kommandomodul im Mondorbit kreisen und auf ihre Rückkehr warten sollte. Die obere Stufe des Lunar Module sollte zurück in den Mondorbit fliegen und dort mit dem Kommandomodul docken, welches nach Abtrennung des Lunar Module wieder zur Erde zurückfliegen sollte. Kurz vor dem Wiedereintritt sollte die Kapsel vom Service Module getrennt werden und dann durch Hitzeschild und Fallschirme gebremst sicher im Pazifik niedergehen und geborgen werden.
Viele komplizierte Manöver, die geprobt werden mussten. Bereits 1961 startete die erste Saturn-I-Rakete, mit der später die 3. Stufe (S-IVB) der Saturn V und das Kommandomodul im niedrigen Erdorbit getestet werden sollten. Weitere Flüge folgten, die unter SA- (Saturn) und AS- (Apollo-Saturn) Flugnummern geführt wurden. Bei AS-201 wurde im Februar 1966 das erste Mal das Apollo-Kommandomodul unbemannt in die Umlaufbahn geschossen und die Kapsel erfolgreich im Atlantik gewassert. AS-203 (Juli 1966) flog die Apollo-Kapsel in größere Höhen und der danach folgende AS-202 (August 1966) testete die Wiederstartfähigkeit der Mond-Oberstufe S-IVB).
Dann kam es jedoch zu einem tragischen Unglück: Am 27. Januar 1967, knapp einen Monat vor dem für Ende Februar ’67 geplanten ersten bemannten Flug der Apollo-Kapsel, kam es beim Training in der Kapsel am Boden zu einem Feuer, dessen genaue Ursache bis heute ungeklärt ist. Dieses breitete sich in der reinen 1-Bar-Sauerstoffatmosphäre rasend schnell aus und ließ den drei Astronauten Gus Grissom, Ed White und Roger Chaffee keine Chance, die fest verschlossene Kapsel zu verlassen, und alle drei kamen in den Flammen um.
Die verunglückte Mission wurde nachträglich als Apollo 1 nummeriert (das durchgehende Nummerierungsschema wurde erst später eingeführt) und zunächst keine bemannten Flüge mehr durchgeführt.
Apollo 2 und 3 gab es daher nicht, der nächste Flug wurde als Apollo 4 bezeichnet und testete erstmals die Saturn-V-Rakete, die 18000 km Apogäum erreichte. Sie machte die ersten Fotos vom kompletten Erdglobus. Außerdem wurde die Rückkehr der Kapsel unter beinahe Rückkehrgeschwindigkeit vom Mond erstmals getestet (die heutigen und vorherigen Orbitalflüge kehren mit einer Geschwindigkeit von ca. 8 km/s zur Erde zurück, während die Mondkapsel mit 11,2 km/s zurückkehren würde, was erhöhte Anforderungen an den Hitzeschild stellte).
Apollo 5 startete unbemannt das erste Lunar Module auf einer Saturn IB in den Erdorbit und testete dessen Lande- und Rückstarttriebwerke unter Weltraumbedingungen.
Apollo 6 war der zweite unbemannte Flug einer Saturn V und sollte zeigen, dass die S-IVB-Oberstufe das Apollo-Raumschiff auf Mondkurs (Trans Lunar Insertion) bringen konnte; da der Mond nicht passend stand, sollte das Raumschiff vorzeitig umkehren und erneut den Wiedereintritt aus hoher Geschwindigkeit demonstrieren. Die erste Stufe verursachte gefährliche Vibrationen beim Start, so dass die Rakete nach 133 Sekunden Teile verlor. Das Apollo-Raumschiff drohte dabei beschädigt zu werden. Bei der zweiten Stufe versagte eines der 5 Triebwerke. Die dritte Stufe, die S-IVB, die nach 2 Erdorbits das Raumschiff auf virtuellen Mondkurs hätte bringen sollen, startete nicht. So wurde nur mit dem Kommando- und Servicemodul ein verkürzter Flug in 22.000 km Höhe durchgeführt, um wenigstens einige der geplanten Tests erfolgreich durchführen zu können.
Mit Apollo 7 wurden dann am 11. Oktober 1968 erstmals 3 Astronauten mit dem Apollo-Raumschiff von einer Saturn IB-Rakete in eine niedrige Erdumlaufbahn von 227×285 km gebracht und mit der S-IVB-Stufe das zukünftig zur Entnahme der Mondlandefähre aus der Stufe nötige Andockmanöver simuliert. Später entfernte sich das Raumschiff bis auf 452 km von der Erde und zündete dabei insgesamt 8mal das Haupttriebwerk – eine unerlässliche Fähigkeit für die Manöver auf dem Weg zum Mond, im Mondorbit und auf dem Rückflug zur Erde. Außerdem fand die erste Live-TV-Übertragung aus dem Weltraum statt – auch die Mondflüge sollten schließlich ein öffentliches Live-Event werden. Nach fast 11 Tagen, der nominellen Flugzeit zum Mond und zurück, landete die Apollo-7-Kapsel erfolgreich in der Karibik.
Als nächstes war nun also Apollo 8 an der Reihe, aber alles kam ganz anders, als ursprünglich geplant. Wie es weiter ging, folgt im 2. Teil.
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