Zum Abschluss Urknallreihe hier noch ein Übersichtsartikel, der alle Folgen zusammenfasst und auf sie verlinkt.
Rotverschiebung
Im ersten Teil habe ich erläutert, was die Urknalltheorie eigentlich im Kern ausmacht und was nicht: ein heißer, kompakter Anfang und nachfolgende Expansion des Universums, wobei der exakte Ursprung, die ersten Bruchteile der ersten Sekunde oder die genaue Zusammensetzung aus Dunkler Energie, Dunkler Materie und baryonischer Materie nur konkrete Ausgestaltungen sind, von denen es viele gibt. Den Urknall schließen wir zunächst daraus, dass sich alle Galaxien rund um uns herum von uns zu entfernen scheinen, wie man an der Rotverschiebung ihrer Spektrallinien erkennt, und zwar symmetrisch in jeder Richtung (bis auf eine kleine Pekuliarbewegung von Erde, Sonne und Milchstraße). Da es nicht besonders wahrscheinlich ist, dass ausgerechnet wir der Mittelpunkt des Universums sind, geht man davon aus, dass das überall sonst genau so aussieht und somit der Raum selbst expandiert. Dass es sich bei der Rotverschiebung nicht um einen Dopplereffekt handelt, dafür spricht die Symmetrie, gegen eine gravitative Rotverschiebung spricht die Allgemeine Relativitätstheorie und gegen andere Effekte wie eine hypothetische Lichtermüdung spricht die Zeitdilatation, die wir bei Supernovae-Lichtkurven und Gammastrahlenschauern beobachten.
Hintergrundstrahlung
Im zweiten Teil ging es um die kosmische Hintergrundstrahlung, eine Vorhersage der Urknalltheorie: wenn man nur weit genug in die Ferne und damit in die Vergangenheit schaut, wird man irgendwann den Feuerball des heißen Plasmas sehen, der das Universum erfüllte, als es noch jung und dicht war. Ein thermisches Plasma ist ein Gas, das so heiß ist, dass die Elektronen bei Kollisionen von den Kernteilchen losgeschlagen werden. Die freien Elektronen sorgen dafür, dass Licht im Plasma in alle Richtungen gestreut wird, daher ist es undurchsichtig, wie die Oberfläche der Sonne, die auch ein thermisches Plasma ist. Als das Weltall unter 3000 K abkühlte, wurden die Elektronen wieder eingefangen (Rekombination) und das leuchtende, undurchsichtige Plasma zu gewöhnlichem, transparentem Gas. Da das überall bei derselben Temperatur passierte, sieht man in jeder Himmelsrichtung Strahlung der gleichen Frequenz von der letzten strahlenden Oberfläche des Plasmas – aber um den Faktor 1080 auf 2,73 K rotverschoben und damit nur von Radioteleskopen aufspürbar. Penzias und Wilson entdeckten das Signal zufällig bei Funkexperimenten und legten somit den ersten klaren Beweis für den Urknall vor.
Baryonische Akustische Oszillationen
Der dritte Teil dreht sich um die Feinstruktur der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist extrem gleichförmig, aber im Hunderttausendstel-Kelvin-Bereich findet man doch Strukturen, die von Druckwellen herrühren, die das Plasma durchlaufen haben. Eine Wechselwirkung von Strahlung mit Elektronen bzw. von diesen mitgezogenen Kernteilchen an Orten mit zufällig leicht erhöhter Dichte und Temperatur sorgte dafür, dass die Baryonische Materie durch die Strahlung von dort weggeschoben wurde, sich verdünnte und schließlich von der nicht verschobenen Dunklen Materie wieder angezogen und verdichtet wurde. So begann das Plasma wie unter Schallwellen zu schwingen: Baryonische Akustische Oszillationen (BAOs). Diese akustischen Dichtewellen breiteten sich von Licht angetrieben mit halber Lichtgeschwindigkeit aus, bis das Plasma rekombinierte und sich von der Strahlung entkoppelte. Die bis dahin gebildeten Verdichtungen wurden an Ort und Stelle eingefroren bzw. breiteten sich von nun an nur noch durch die Raumexpansion aus. Aus der Position und Höhe der einzelnen Spitzen im räumlichen Spektrum der Verdichtungen kann man Rückschlüsse auf die Anteile an sichtbarer und Dunkler Materie und die Hubble-Konstante der Raumexpansion schließen. Da die Dichte in den Wellenbergen ein wenig höher war als im umgebenden Gas zog es dieses dorthin und so wurden die Grundstrukturen des kosmischen Netzes angelegt. Im heutigen Universum findet man die gleichen Muster in der Verteilung der Galaxien wieder – um den Faktor 1080 vergrößert!
Der Ursprung der Elemente
Teil 4 handelt vom Ursprung der Elemente. Beim Urknall entstanden praktisch nur Wasserstoff und Helium; die schwereren “Metalle” wurden hauptsächlich durch die Sterne gebildet. Schaut man sich die Sterne an, so beobachtet man, dass zunehmend ältere Sterne immer weniger Metalle enthalten – man teilt sie nach ihrem Metallgehalt, der dem des Gases entspricht, aus dem sie einst entstanden sind, in eine metallreiche Population I (zu der auch die Sonne gehört) und eine metallarme Population II ein. Die allerersten Metalle wurden wahrscheinlich von einer vergangenen Population III von Riesensternen gebildet, die nur sehr kurz, aber heftig lebte und den Grundstock für die nachfolgenden Sterngenerationen legte.
Das Element Lithium entsteht hingegen nicht in Sternen, sondern wurde bereits in den ersten Minuten nach dem Urknall während der primordialen Nukleosynthese (Big Bang Nukleosynthesis, BBN) gebildet. Die wohlbekannte Physik der Kernfusion verrät uns somit etwas über Druck, Temperatur und Baryonenhäufigkeit im primordialen Gas und daher wissen wir, dass ein Großteil der Materie nicht an der Fusion teilnahm und somit nicht baryonisch sein kann, also nicht aus Protonen und Neutronen bestehen kann. Wenn man die entsprechenden Dichten von Materie, Photonen und Dunkler Materie einsetzt, die aus der kosmischen Hintergrundstrahlung folgen, dann erhält man eine Vorhersage für die relativen Häufigkeiten der verschiedenen Elemente, die bei der primordialen Nukleosynthese entstanden – und kommt nicht zufällig genau auf die Werte, die man in altem, unverändertem Gas vorfindet.
Das Alter der Sterne
Teil 5 zeigte einen Weg auf, wie man die Urknalltheorie leicht widerlegen könnte: in einem ewigen Universum sollte man sehr alte Sterne finden, denn einige können Billionen Jahre alt werden. Eine Untersuchung des Alters der Kugelsternhaufen unserer Milchstraße zeigt, dass diese rund 13,4 Milliarden Jahre alt sein müssen – dies erkennt man an ihrem Turn-off-Punkt im Hertzsprung-Russell-Diagramm. Mehr noch: das Element Beryllium wird zum größten Teil aus von kosmischer Strahlung zertrümmerten schwereren Kernen gebildet. Aus dem Berylliumgehalt des Gases, aus dem die Sterne in den Kugelsternhaufen der Milchstraße entstanden sind, kann man somit dessen Alter seit der Entstehung jener ersten Population-III-Sterne der Milchstraße erschließen, die mit ihren heftigen Supernovae die kosmische Strahlung hervorgebracht haben, die das Beryllium schuf. Demnach ist die Milchstraße selbst 13,6 Milliarden Jahre alt, was gut zum aus der Expansion des Universums folgenden Weltalter von 13,8 Milliarden Jahren passt. Aber ist die Milchstraße vielleicht ein Sonderfall und andere Galaxien sind viel älter? Nein, denn betrachtet man ferne Galaxien und schätzt ihr Alter aus der Farbe ihrer Sterne ab, die bei jungen Galaxien von blauweißen O- und B-Sternen bestimmt wird, dann sieht man nirgends Galaxien, die älter als das Urknall-Universum sind. Die Widerlegung der Urknalltheorie über das Alter des Sterne misslingt.
Die Entwicklung der Galaxien
Teil 6 behandelt die Entwicklung der Galaxien. Nicht nur die Sterne haben sich verändert, auch die Galaxien. Junge Galaxien wurden von ihren zentralen supermassereichen Schwarzen Löchern dominiert, in die Unmengen an Materie floss. Das machte ihre Akkretionsscheiben so hell, dass sie die Galaxie um das hundertfache und mehr an Leuchtkraft übertrafen. Von der Erde aus gesehen erscheinen diese fernen Galaxien daher als punktförmige Lichtquellen, denn die Galaxien selbst werden überstrahlt. Sie verraten sich jedoch durch ihre Radiostrahlung und wurden daher quasistellare Radioquellen (Quasare) genannt. Quasare gibt es nur im fernen Universum und mit der Entfernung steigt ihre Zahl rapide an. Ihre Hoch-Zeit war 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Dass sie im heutigen Universum fehlen zeigt, dass sich die Galaxienpopulation weiterentwickelt hat und heute praktisch keine neuen Galaxien mehr entstehen. Heutige Galaxien sind auch größer und erleiden weniger Kollisionen als im frühen Universum. Die Kollisionen haben die Galaxien durcheinander gewirbelt und aufgebläht, und da die Abstände im Weltall gewachsen sind, geschehen heute viel weniger Kollisionen als im frühen Universum. Das Universum ist in keinem beständigen Zustand, sondern befindet sich in steter Entwicklung, wie von der Urknalltheorie vorhergesagt.
Die verzerrte Geometrie des expandierenden Universums
Die skurrilsten Effekte der expandierenden Raumzeit sind in Teil 7 beschrieben: Dadurch, dass uns sehr ferne Objekte viel näher waren, als sie das Licht aussandten, das uns heute erreicht, sehen wir sie entsprechend größer und näher, als sie es eigentlich sind. Das führt zunächst dazu, dass sie in absoluten Durchmessern (ermittelt aus Sehwinkel und Entfernung) vergrößert erscheinen, und jenseits einer Rotverschiebung von ca. 2 beginnen sie sogar im Sehwinkel zu wachsen. Das junge Universum präsentiert sich uns wie unter einer Lupe, insbesondere die Strukturen in der kosmischen Hintergrundstrahlung. Es ist jedoch viel schwerer, diesen Effekt bei Galaxien nachzuweisen, da sie sich stark verändert haben. Dank Very Long Baseline Interferometrie von Radioteleskopen können wir den Effekt jedoch an den Kernen aktiver Galaxien nachweisen, denn diese können als Standardlineale verwendet werden. Auch über Quellenzählungen kann man feststellen, dass das frühe Universum vergrößert erscheint – man zählt hier die Galaxien in einem gewissen Volumen, das im frühen Universum durch den Lupeneffekt entsprechend ausgedünnt erscheint – wenn man die Helligkeitsentwicklung der Galaxien richtig modelliert, kann man auf diese Weise sogar die Dunkle Energie nachweisen.
Der ultimative Test der Urknalltheorie ist aber der Tolman-Flächenhelligkeitstest für Galaxien, der besagt, dass in einem expandierenden Universum die Flächenhelligkeit von vergleichbaren Galaxien mit der 4. Potenz der Rotverschiebung fallen müsste, während sie in einem Universum mit nicht-kosmologischer Rotverschiebung nur linear mit der Rotverschiebung fallen sollte. Der Test ist schwierig, aber Anfang der 2000er Jahre gelungen, wenn auch aufgrund der Galaxienentwicklung nicht ganz die 4. Potenz heraus kam – jedenfalls fällt die Helligkeit deutlich schneller als linear mit der Rotverschiebung.
Fazit
Somit gibt es eine ganze Reihe eindeutiger, quantitativer Belege für die Urknalltheorie, die sich gegenseitig stützen. Auch wenn es, wie eigentlich seit der ersten Veröffentlichung der Urknalltheorie, immer noch einige nicht erklärte Beobachtungen gibt, wie dereinst das unmöglich junge Alter des Universums, die unbekannten Zutaten von Dunkler Materie und Dunkler Energie und jüngst die widersprüchlichen Werte für die Hubble-Konstante, je nachdem, ob man sie an der Entfernung benachbarter Galaxien oder an der Hintergrundstrahlung misst, so kann damit nicht das Modell der Urknalltheorie insgesamt entkräftet werden. Es handelt sich vielmehr um damals oder heute noch ungelöste Feinheiten in der Ausgestaltung der Urknalltheorie, denn offenbar kennen wir noch nicht alle Naturgesetze, die hier eine Rolle spielen. Aber das grobe Bild muss stimmen, denn alle Teile passen wie ein Puzzle zusammen, und keine alternative Theorie hat annähernd die Erklärungsmacht der Urknalltheorie. Wir können daher mit großer Zuversicht davon ausgehen, dass es den Urknall wirklich gab.
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