Hier und anderswo lest Ihr öfters über die Expansion des Universums, ihre Beschleunigung durch die Dunkle Energie, die zeitliche Nichtkonstanz des Hubble-Parameters und so weiter. Was expandiert da eigentlich genau wie? Was heißt “die Expansion beschleunigt sich”? Kann ein Lichtstrahl von einem Objekt, dessen Entfernung zu uns mit mehr als Lichtgeschwindigkeit wächst, uns niemals erreichen? Diese Zusammenhänge sind manchmal nicht leicht zu durchschauen. Ich möchte heute versuchen, ein wenig Licht in die kosmologische Dunkelheit zu scheinen.
Wie expandiert das Universum?
Bekanntlich dehnt sich das Universum aus. Galaxien, die nicht durch wechselseitige Schwerkraft aneinander gebunden sind, driften auseinander, weil sich der Raum zwischen ihnen vergrößert. Dass er das wirklich tut und nicht alles nur wie nach einer Explosion auseinander fliegt, habe ich in meiner Urknallreihe schon ausführlich erklärt. Warum aber sollte er das tun? Es ist ein Wechselspiel zwischen Materie und Raumzeit: Die Materie startete nach dem Urknall mit einem gewissen “Schwung” und zieht den Raum zwischen den Galaxien auseinander wie Kaugummi. Im “Flussmodell” stellt man sich vor, dass der Raum wie eine Flüssigkeit zur Masse hin fließt; im Gegensatz zu Wasser, das nicht komprimiert oder auseinandergezogen werden kann, kann die “Raumflüssigkeit” jedoch genau das. Und so zieht die expandierende Materie den Raum mit sich auseinander.
Die Hubble-Konstante H0 gibt dabei die heutige Expansionsgeschwindigkeit an: pro Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) wächst die Entfernung um 74 km in jeder Sekunde. Der Wert heißt deshalb “Konstante”, weil er die Proportionalitätskonstante in der Hubble-Lemaître-Beziehung v = H0 · r ist, wobei v die Geschwindigkeit ist, mit der Galaxien in der Entfernung r von uns zurückweichen (v heißt auch Rezessionsgeschwindigkeit oder Fluchtgeschwindigkeit). Das heißt übrigens insbesondere, dass in einer gewissen Entfernung die Rezessionsgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit c erreicht – und jenseits davon überschreitet. Diese Entfernung heißt Hubble-Radius rH , eine imaginäre Kugel um den Beobachter mit dem Hubble-Radius nennt man Hubble-Sphäre. Mit der Hubble-Lemaître-Beziehung ist rH = c / H0. Bei H0 = 74 km s-1 Mpc-1 beträgt der Hubble-Radius heute 4050 Mpc oder 13,2 Milliarden Lichtjahre1.
Dass der Raum jenseits des Hubble-Radius schneller als mit Lichtgeschwindigkeit expandieren kann, verletzt dabei nicht die Spezielle Relativitätstheorie, die Bewegungen und Informationsübertragung durch den Raum mit mehr als Lichtgeschwindigkeit verbietet – der Raum selbst kann hingegen machen was er will. Und viel macht er ja gar nicht – 74 km s-1 Mpc-1 entsprechen einer Längenzunahme einer Strecke durchs Vakuum um 0,00000000757% – pro Jahr. Nur weil der Raum überall wächst, summiert sich dieser kleine Anteil über eine große Gesamtstrecke.
Dass H zu anderen Zeiten einen anderen Wert hatte, wusste man früher schon, wie ich gleich erläutern werde, das ist keine neue Erkenntnis. Wenn man die Expansionsgeschwindigkeit des Universums zu anderen Zeiten t betrachten will, verwendet man den Hubble-Parameter H(t), der die Proportionalitätskonstante zum Weltalter t0 angibt. H0 ist einfach H(13,8 Milliarden Jahre). Wieso sollte sich H(t) eigentlich ändern? Betrachten wir dazu drei hypothetische Fälle:
Fall 1: leeres Universum ohne Gravitation und Dunkle Energie
Nehmen wir an, das Universum sei leer (na gut, nicht vollkommen leer, es gebe einzelne Galaxien, die aber nicht nennenswert gegenseitig anziehen und abbremsen). Dieses Universum wird auch Milne-Universum genannt. Das ist nicht unser Universum, aber der einfachste Fall, der uns später hilft, die Verhältnisse im realen Universum besser zu verstehen. H0 sei wie im realen Universum 74 km s-1 Mpc-1. Das Weltalter sei t0. Eine Galaxie in 1 Mpc Entfernung entfernt sich also in jeder Sekunde um 74 km. Eine in 2 Mpc Entfernung um 148 km und eine in 0,5 Mpc um 37 km. Das haben diese Galaxien im Milne-Universum immer schon getan, und zum Zeitpunkt 0 starteten sie beim Urknall theoretisch am selben Punkt.
Was macht die Hubble-Konstante?
Nun spulen wir die Zeit vor und bis zum doppelten heutigen Weltalter 2·t0. Die Galaxien haben sich munter weiter von uns fortbewegt, es hat sich sonst nichts geändert, nichts wurde beschleunigt, nichts abgebremst. Die Rezessionsgeschwindigkeit aller Galaxien bleibt konstant. Wo sind sie also nun? Nach der doppelten Zeit genau doppelt so weit entfernt: die Galaxie mit 74 km/s in 2 Mpc Entfernung, die Galaxie mit 148 km/s in 4 Mpc und die Galaxie mit 37 km/s in 1 Mpc. Folglich ist H(2·t0) = 37 km s-1 Mpc-1. Der Hubble-Parameter hat sich folglich halbiert! In so einem Universum fällt H(t) mit (t/t0)-1 (also proportional zu 1/t) und strebt gegen 0. Rückwärts gerechnet wächst H(t) ins Unendliche, wenn t gegen 0 strebt. Wie gesagt: Niemand sachkundige(r) hat je behauptet, der Hubble-Parameter sei zeitlich konstant. Er ist eine Proportionalitätskonstante über die Entfernung zu einem jeweiligen festen Weltalter.
Wie wächst der Hubble-Radius?
Im Milne-Universum wächst der Hubble-Radius mit Lichtgeschwindigkeit – irgendeine Galaxie befinde sich in einer Entfernung, wo sie genau mit Lichtgeschwindigkeit von uns flieht, sie liegt am Hubble-Radius. Und da sie ihre Geschwindigkeit stets beibehält, bleibt sie es auch weiterhin und der Hubble-Radius wächst genau mit ihrer Entfernung. Aus dem Hubble-Radius folgt hier (und nur hier!) auch das Weltalter: wenn der Radius 13,2 Milliarden Lichtjahre ist, dann ist das Weltalter 13,2 Milliarden Jahre, denn die Galaxie war vor 13,2 Milliarden Jahren genau hier bei uns, und der Rest des Universums ebenso. Diese Zeit entspricht der Hubble-Zeit, das ist der Kehrwert der heutigen Hubble-Konstanten: tH=1/H0: Wenn H0 = 74 km s-1 Mpc-1, dann sind das 74 km / (1 Mpc) s-1 = 74 km / 3,084·1019 km s-1 = 2,399·10-18/ s. Der Kehrwert davon ist 1/2,399 ·10-18 s = 4,1676·1017 s, und das sind 4,1676·1017 / (365,25 T/J · 24 h/T · 60 m/h · 60 s/m) s = 13,2·109 J.
Von wo aus erreicht uns noch Licht in der Zukunft?
Und wie sieht es aus mit der Sichtbarkeit von Objekten jenseits des Hubble Radius? Keine Chance die je zu sehen, oder? Sie entfernen sich ja mit mehr als Lichtgeschwindigkeit, also kann Licht, das von ihnen in unsere Richtung abgestrahlt wird, nicht mit der Expansion mithalten, und wird uns folglich nie erreichen, stimmt’s?
Stimmt NICHT !
Wir haben vorhin gelernt, dass H(t) fällt, d.h. für eine gegebene feste Strecke (z.B. 1 Mpc) wird die Expansionsgeschwindigkeit mit der Zeit kleiner. Wenn ein Objekt am Hubble-Radius einen Lichtstrahl in unsere Richtung sendet, dann bleibt dieser zunächst bei festem Abstand zu uns gewissermaßen auf der Stelle stehen. Da aber H(t) immer kleiner wird, fällt die Expansionsgeschwindigkeit am Ort des Lichtstrahls und so beginnt er langsam, gegen die Expansion Fuß zu fassen und den Abstand zu uns zu verkleinern. Gleiches gilt für Licht von weiter weg als dem Hubble Radius. In zwei Hubble-Radien Entfernung beträgt die Rezessionsgeschwindigkeit der Galaxien 2c. Ein in unsere Richtung gesendeter Lichtstrahl von innerhalb 2c würde sich also mit weniger als c von uns entfernen (Rezessionsgeschwindigkeit – Lichtgeschwindigkeit < 2c-c = c). Da der Hubble-Radius aber mit c wächst, holt er den Lichtstrahl irgendwann ein, und ist dieser einmal innerhalb des Hubble-Radius, dann beginnt er, den Abstand zu uns zu verkürzen. Aber gilt das auch bei 3, 4, 10 Hubble-Radien? Ja: Angenommen, der Lichtstrahl startet bei 3 Hubble-Radien. Dann entfernt er sich von einem Ort auf der Sichtlinie zu uns bei 2 Hubble-Radien mit weniger als c, wird diesen also irgendwann erreichen. Dann ist er bei 2 Hubble-Radien Entfernung zu uns, also erreicht er uns mit obigem. Startet er bei 10 Hubble-Radien, dann erreicht er irgendwann 9, also auch 8, etc., und am Ende schließlich auch uns.
Im Milne-Universum erreicht den Beobachter Licht von überall her, irgendwann. Es kann nur sehr lange dauern und das Licht ist dann sehr stark rotverschoben. Aber es gibt keinen Ereignishorizont, jenseits dessen Objekte für immer unsichtbar bleiben und kausal vollständig von uns getrennt wären.
Fall 2: Universum mit Materie und Gravitation, aber ohne Dunkle Energie
So stellte man sich das Universum bis in die Mitte der 1990er vor: es ist im großen Maßstab ziemlich gleichmäßig erfüllt von Materie, die sich wechselseitig anzieht2. Das heißt, die Expansion verlangsamt sich. Die eben genannten Galaxien sind beim doppelten Weltalter weniger als doppelt so weit entfernt, sie werden langsamer, und H(t) fällt schneller als beim Milne-Universum. Und konvergiert nicht notwendigerweise gegen 0.
Offen, flach oder geschlossen
Hier müssen wir nun unterscheiden, wieviel Materie im Universum enthalten ist. Diese geben wir als Bruchteil ΩM der kritischen Dichte an, die zu 1 normiert wird. Die kritische Dichte liegt heute bei einer Masse von 3 Protonen pro Kubikmeter.
Ist die Dichte ΩM<1, also unterhalb der kritischen Dichte, erfolgt die Expansion ähnlich wie bei Milne, nur eben mit Verlangsamung. Aber wie bei einer Rakete, die die Erde mit mehr als Fluchtgeschwindigkeit verlässt, strebt die Expansionsgeschwindigkeit gegen einen Wert größer als 0, der Hubble-Parameter hingegen gegen 0. Ein solches Universum wird “offen” genannt. Es expandiert ewig.
Wenn die Dichte des Universums genau der kritischen Dichte ΩM=1 entspricht (auch Einstein-de-Sitter-Universum genannt), dann bleibt die Dichte stets genau kritisch. Die Geschwindigkeit der Expansion strebt gegen 0, d.h. die Galaxien kommen werden immer langsamer, aber es würde unendlich lange dauern, bis sie zum Stillstand kommen. Ganz analog zur Situation einer Rakete, die die Erde mit exakt Fluchtgeschwindigkeit verlässt und theoretisch erst im Unendlichen zur Ruhe käme. Ein solches Universum expandiert auch ewig und wird “flach” genannt. Es heißt so, weil in einem flachen Universum die Raumzeit großräumig nicht gekrümmt ist, auch sehr große Dreiecke haben Winkelsummen von 180°, wie auf einem Blatt Papier (nur in allen Raumdimensionen). In einem offenen Universum ist die Raumzeit hingegen so gekrümmt (negativ), dass sehr große Dreiecke eine Winkelsumme kleiner als 180° haben, das gilt in der Geometrie z.B. auf einer Sattelfläche.
Ist die Materiedichte ΩM>1 dann kommt die Expansion nach endlicher Zeit zum Stillstand – und kehrt sich um. Aus der Hubble-Expansion wird eine Hubble-Kontraktion, die am Ende in einem “Big Crunch” endet, quasi ein umgekehrter Urknall, in dem alle Materie und die Raumzeit auf einen Punkt zurück fallen. Der Hubble-Parameter wird hier nach dem Stillstand negativ, denn die Galaxien beginnen, sich dem Beobachter zu nähern, ihre “Expansionsgeschwindigkeit” wird negativ, ihr Licht blauverschoben. Ein solches Universum hätte also eine endliche Lebensdauer und heißt “geschlossen”. Seine Raumzeit ist positiv gekrümmt wie eine Kugeloberfläche: Sehr große Dreiecke haben eine Winkelsumme größer als 180°.
Wie wächst der Hubble-Radius?
In einem solchen Universum beschleunigt sich das Wachstum des Hubble-Radius. Wir erinnern uns, dass rH = c / H0 ist, das gilt auch für zukünftige H(t): rH(t) = c / H(t). Im Milne-Universum halbierte sich H(t) nach doppeltem Weltalter. Im Fall-2-Universum mit gebremster Expansion fällt H(t) schneller, denn die Galaxien bewegen sich mit zunehmender Zeit langsamer als bei Milne. Im Falle des Einstein-de-Sitter-Universums fällt H(t) proportional zu (t/t0)-2/3 gegen 0. Für ein geschlossenes Universum wird H(t) sogar nach dem Stillstand der Expansion negativ. Wenn H(t) auf 0 fällt, wird der Hubble-Radius unendlich groß und für negative H(t) (schrumpfendes Universum) wäre er nicht mehr definiert. Wenn H(t) schneller fällt als im Milne-Universum, dann wächst rH (t) schneller als mit c.
Zum Alter ist zu sagen, dass das gebremst expandierende Universum jünger ist als das Milne-Universum mit gleichem H0, denn die Geschwindigkeit der Galaxien hat sich verlangsamt, sie waren früher schneller unterwegs und haben sich deshalb anfangs schneller entfernt als heute. Ihre heutige Entfernung haben sie also in kürzerer Zeit erreicht und damit muss der Urknall vor entsprechend kürzerer Zeit erfolgt sein. Beim Einstein-de-Sitter-Universum mit ΩM=1 wäre das Weltalter 2/3 der Hubble-Zeit tH=1/H0: bei 74 km s-1 Mpc-1 nur 8,8 Milliarden Jahre, beim Wert von PLANCK (67,9 km s-1 Mpc-1) 9,6 Milliarden Jahre. Wenn ΩM<1 ist, ist das Universum näher am Milne-Fall und älter, für ΩM>1 ist es jünger als Einstein-de-Sitter.
Von wo aus erreicht uns noch Licht in der Zukunft?
Wenn uns schon beim Milne-Universum Licht von überall her erreicht, so erst recht in einem Universum mit gebremster Expansion, hier umso früher. Der Hubble-Radius wächst hier schneller, also holt er Licht, das von jenseits des Hubble-Radius in unsere Richtung ausgestrahlt wurde, schneller ein als im Milne-Universum, und sobald es innerhalb des Hubble-Radius gelangt ist, kann es den Abstand zu uns verringern. Je größer die Dichte Ω ist, desto schneller geschieht das. Es gibt also auch hier keinen Ereignishorizont.
Fall 3: Universum mit Materie, Gravitation und Dunkler Energie
Lange Zeit dachte man, unser Universum sein ein Einstein-de-Sitter-Universum. Messungen der Strukturgröße der Baryonischen Akustischen Oszillationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigten, dass das Universum geometrisch flach ist, aber dies hätte einen Dunkle-Materie-Anteil von 95% erfordert, um ΩM=1 zu erreichen, denn die sichtbare baryonische Materie trägt nur mit Ωb=0,05 zur Gesamtdichte bei. 95% Dunkle Materie passten wiederum nicht zur Masse von Galaxien und Galaxienhaufen, man bekam gerade mal ein gutes Viertel der kritischen Dichte zusammen als Summe von baryonischer und Dunkler Materie. Aber dann entdeckten Saul Perlmutter, Brian Schmidt und ihre jeweiligen Teams Mitte der 90er Jahre unabhängig voneinander die beschleunigte Expansion des Universums.
Was beschleunigt hier genau? Es sind die Galaxien, nicht etwa der Hubble-Parameter. Während bei Milne die Galaxien ihre Geschwindigkeit beibehalten und sie im Universum mit Materie und ohne Dunkle Energie zwingend langsamer werden (und evtl. sogar umkehren) werden sie mit Dunkler Energie schneller. Wenn unsere Mustergalaxie aus Fall 1 nach heutigem Weltalter in 1 Mpc Entfernung mit 74 km/s davon eilt, wird sie sich nach doppeltem Weltalter mit mehr als 74 km/s entfernen und mehr als doppelt so weit entfernt sein. Der Hubble-Parameter fällt auch hier, strebt aber nicht gegen 0. Was die Expansion antreibt, ist unbekannt. Damit das Kind trotzdem einen Namen hat, nennt man es seit ungefähr 2000 “Dunkle Energie”, ein anderer Name für “keine Ahnung was das ist, aber es beschleunigt die Hubble-Expansion“. Und kürzt es mit dem Buchstaben Λ ab (groß Lambda). Die Dunkle Energie leistet einen Beitrag zur Dichte des Universums, und zwar den Großteil: ein Anteil ΩΛ=0,69 entfällt auf die Dunkle Energie, wenn das Weltall offenbar flach mit kritischer Dichte ist (die restlichen 0,31 entfallen auf die Materie, Dunkle + baryonische). Nur sorgt dieser Anteil nicht für eine Anziehung, sondern eine Abstoßung.
Hier kann man wieder zwei Fälle unterscheiden:
Der einfachste Fall wäre, dass die Dunkle Energie eine immanente Eigenschaft des Vakuums ist. Ein gewisser Energiegehalt, der im Vakuum steckt. Die Allgemeine Relativitätstheorie kennt diesen Fall als “kosmologische Konstante“: dies ist ein Term, eine Integrationskonstante, die mit Einsteins Gleichungen für die Entwicklung des Universums verträglich ist.
Eine kosmologische Konstante ist zeitlich unveränderlich. Ein Stück leeres Vakuum expandiert mit einer gewissen Geschwindigkeit, eines mit doppeltem Durchmesser doppelt so schnell usw., d.h. der Hubble-Parameter H(t) wäre in einem Universum ohne Masse nur mit Dunkler Energie zeitlich konstant (de-Sitter-Universum), die Geschwindigkeit einer Galaxie würde mit der Zeit exponentiell wachsen.
Wenn zusätzlich Materie vorhanden ist, dann dominiert diese zunächst bei geringen Abständen der Galaxien die Expansion und bremst sie ab, während die Dunkle Energie über kurze Entfernung kaum einen Effekt hat. Mit abnehmender Materiedichte wird die Gravitation geringer und irgendwann ist ihre Anziehung genau so groß wie die Abstoßung durch die Dunkle Energie – für eine kurze Zeit bewegen sich die Galaxien wie bei Milne mit konstanter Geschwindigkeit. Da die Materiedichte weiter sinkt und damit die Anziehungskraft abnimmt, beginnt schließlich die Dunkle Energie zu dominieren und somit verhalten sich die Galaxien mehr und mehr so, als ob sie sich in einem de-Sitter-Universum nur mit Dunkler Energie befänden. Die Expansion beschleunigt sich. In so einem Universum fällt der Hubble-Parameter zunehmend langsamer und strebt gegen den Wert, den alleine die kosmologische Konstante ergäbe. Wir nehmen derzeit an, dass dies die Situation unseres Universums beschreibt (ΛCDM-Universum). Der Zeitpunkt, als die Abbremsung in eine Beschleunigung umschlug, lag ungefähr beim halben derzeitigen Weltalter bei 7 Milliarden Jahren.
Eine andere Variante wäre eine sich ändernde Dunkle Energie, genannt Quintessenz. Neuere Messungen könnten darauf hindeuten, dass die Dunkle Energie früher kleiner war als heute. Es gibt eine ganze Reihe von Modellen für eine variable Dunkle Energie (die steigen, aber auch wieder fallen kann), auf die ich hier nicht im einzelnen eingehen kann, aber eine besonders gruselige Variante ist die Phantom-Energie, bei der die Abstoßung durch die Dunkle Energie immer weiter wächst. In diesem Fall würde der Hubble-Parameter ebenfalls wachsen.
Wie wächst der Hubble-Radius?
Wenn Materie vorhanden ist, verhält sich das Universum, wie gesagt, zunächst so, als ob keine Dunkle Energie vorhanden wäre, also wie im Fall 2, der Hubble-Parameter fällt schneller als mit t-1 und damit wächst der Hubble-Radius schneller als c. Wenn Dunkle Energie und Gravitation sich ausgleichen, haben wir die Situation des Milne-Universums und der Hubble-Radius wächst mit c. Beim Universum mit kalter Dunkler Materie und kosmologischer Konstante (ΛCDM) konvergiert der Hubble-Parameter danach gegen einen festen Wert H∞, also konvergiert gemäß rH(t) = c / H(t) der Hubble-Radius gegen r∞ = c / H∞ , also einen endlichen Wert.
Was bei der Quintessenz passiert, hängt davon ab, wie sich Λ über die Zeit entwickelt. Beschränken wir uns auf die Phantom-Energie (mit CDM): hier wächst H(t) nach anfänglich ähnlicher Entwicklung wie bei ΛCDM schließlich in endlicher Zeit ins Unermessliche. Die Rezessionsgeschwindigkeit einer jeden Galaxie würde dabei in endlicher Zeit unendlich werden. Nach rH(t) = c / H(t) muss folglich rH gegen 0 konvergieren: der Hubble-Radius, jenseits dessen die Expansion mit mehr als Lichtgeschwindigkeit erfolgt und über den hinaus Materie folglich keinen Zusammenhalt haben kann, wird immer kleiner werden, bis er schließlich einzelne Galaxien, Sonnensysteme, Planeten und schließlich sogar Atome und deren Bestandteile auseinander reißt – der sogenannte Big Rip.
Von wo aus erreicht uns noch Licht in der Zukunft?
Zunächst zur kosmologischen Konstanten: Da die Galaxien sich weiter entfernen werden, rutschen sie irgendwann hinter den fest stehenden Hubble-Radius. Einem hinreichend fernen Lichtstrahl “nützt es nichts”, auf der Stelle stehen zu bleiben, der Hubble-Radius, innerhalb dessen das Licht den Weg zu uns verkürzen könnte, kommt nicht hinterher. Das heißt, es gibt eine Entfernung, jenseits deren ausgestrahltes Licht uns nie erreichen kann – ein Ereignishorizont, der wie beim Schwarzen Loch kausal von uns isoliert ist. Im ΛCDM-Modell liegt dieser Ereignishorizont bei 16 Milliarden Lichtjahren. Da der Radius des beobachtbaren Universums bei 46 Milliarden Lichtjahren liegt, ist also der größte Teil des beobachtbaren Universums schon hinter den Ereignishorizont expandiert. Wir sehen zwar noch Licht von dortigen Galaxien, das aus früherer Zeit stammt, als sie uns näher waren, aber Licht, das sie heute ausstrahlen, kommt nie mehr bei uns an. Und irgendwann in ein paar Billionen Jahren werden alle Galaxien, außer der durch Gravitation aneinander gebundenen Lokalen Gruppe diesen Ereignishorizont überschritten haben. Ihr Licht wird noch eine Weile aus früheren Zeiten zu uns dringen und langsam immer weiter rotverschoben werden, bis sie verblasst sind. Der Kosmologe Lawrence Krauss nennt dies in seinen Vorträgen und Büchern unsere “erbärmliche Zukunft”. Na ja, ist ja noch ein Weilchen bis dahin.
Aber lächelt und seid froh, es könnte schlimmer kommen. Bei der Phantom-Energie gibt es natürlich erst recht einen Ereignishorizont, und der bleibt nicht ortsfest, er schrumpft vielmehr. Am Ende ist selbst ein Proton zu groß für ihn und keine Kräfte können es mehr zusammenhalten. Wenn die Zukunft von ΛCDM miserabel ist, dann ist sie bei der Phantom-Energie ernsthaft besch…eiden. Die schlechte Nachricht ist, dass wir nach den derzeitigen Messungen den Big Rip in unserem Universum nicht ausschließen können. Die gute Nachricht ist, er würde noch viele Milliarden Jahre auf sich warten lassen, und kein Mensch wird ihn je erleben.
Zusammenfassung
Und hier noch einmal zur Übersicht alle Varianten tabellarisch zusammengefasst:
Modell | Fluchtgeschw. vr | Hubble-Param. H(t) | Hubble-Radius rH | Weltalter t0 |
---|---|---|---|---|
Milne: ΩM=ΩΛ=0 | konstant | fällt ~t/t0-1 →0 | wächst mit c | tH=1/H0=13,2·109 J |
offen 0<ΩM<1, ΩΛ=0 | fällt →v∞> 0 für t→∞ | fällt schneller als t/t0-1 →0 | wächst > c | tH>t0>⅔ tH |
Einstein-de-Sitter: ΩM=1, ΩΛ=0 | fällt →0 für t→∞ | fällt ~t/t0-⅔ →0 | wächst > c | ⅔ tH = 8,8·109 J |
geschlossen 1<ΩM, ΩΛ=0 | fällt, wird schließlich negativ | fällt schneller als t/t0-⅔ →0 | wächst →∞ für t<∞, dann undefiniert | t0<⅔ tH |
de Sitter: ΩΛ>0, ΩM=0 | wächst→∞ für t→∞ | konstant | konstant | t0>tH |
ΛCDM ΩΛ=0,7, ΩM=0,3 | fällt erst, wächst dann→∞ für t→∞ | fällt erst schneller als t/t0-1, dann langsamer →H∞>0 für t→∞ | wächst zunehmend langsamer →r∞<∞ für t→∞ | t0 = 13,8·109 J |
CDM + Phantom-Energie: ΩΛ→∞ | fällt erst, wächst dann→∞ für t<∞ | fällt erst schneller als t/t0-1, wächst dann →∞ für t<∞ | wächst zunehmend langsamer, schrumpft dann →0 für t<∞ | t0>tH |
Wobei bedeuten sollen:
t0: Weltalter
H0: heutige Hubble-Konstante
ΩM: Dichte der Materie (Dunkle + baryonische) relativ zur kritischen Dichte
ΩΛ: Dichte der Dunklen Energie relativ zur kritischen Dichte
CDM: kalte Dunkle Materie
ΛCDM: kalte Dunkle Materie + Dunkle Energie Λ
→0 für t→∞: konvergiert gegen 0 für unendliche Zeit
→∞ für t→∞: wächst ins Unendliche für unendliche Zeit
→∞ für t<∞: wächst ins Unendliche für endliche Zeit
→v∞>0: konvergiert gegen endliche positive Geschwindigkeit für unendliche Zeit
→H∞>0: konvergiert gegen endliche positive Hubble-Konstante für unendliche Zeit
→r∞<∞ für t→∞: konvergiert gegen endlichen positiven Radius für unendliche Zeit
Referenzen & weiterführende Quellen
- de.wikipedia.org, Friedmann-Modell
- en.wikipedia.org, Cosmological Horizon
- Cosmological Calculator, Feb 2013
- E. L. Wright, CosmoCalc, 1996-2016
- E. L. Wright, “A Cosmology Calculator for the World Wide Web“, Publications of the Astronomical Society of the Pacific, Volume 118, Number 850, IOP Science, 13. Dez. 2006.
- Tamara M. Davis, Charles H. Lineweaver, “Expanding Confusion:common misconceptions of cosmological horizonsand the superluminal expansion of the universe“, 13. Nov. 2003, arXiv:astro-ph/0310808.
- Yu.L. Bolotin, I.V. Tanatarov, “A Thousand Problems in Cosmology: Horizons“, 19. Okt. 2013, arXiv:1310.6329.
- Ozgur Akarsu, Tekin Dereli, “A Comparison of the LVDP and ΛCDM Cosmological Models“, 2. Feb. 2012, arXiv:1202.0495.
1 Falls ihr anderswo andere Werte findet: natürlich hängt der Hubble-Radius davon ab, welches H0 man zur Berechnung verwendet. Nach neuester, neuester, genauester Messung auf der Basis von Gaia und dem Hubble-Weltraumteleskop ist H0 = 74,03±1.42 km s-1 Mpc-1. Nimmt man hingegen den besten aus der Hintergrundstrahlung gemessenen Wert von H0 = 67,9 km s-1 Mpc-1, dann kommt man auf 14,4 Milliarden Lichtjahre. Mittlerweile ist der Wert von 74 im heutigen Universum hinreichend gefestigt. Der PLANCK-Wert ist entweder ein Messfehler, oder die Dunkle Energie ist nicht konstant; siehe im weiteren Text.
2 In einem newtonschen Universum könnte man annehmen, dass die Kräfte auf eine Galaxie sich überall in allen Richtungen ausgleichen, und die Reichweite der Schwerkraft wäre durch die Lichtlaufzeit begrenzt – in der Allgemeinen Relativitätstheorie ist das anders, wo Masse ist, ist Raumzeitkrümmung, und Objekte “möchten” dieser folgen.
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