Während jeder den Namen Neil Armstrong und viele Buzz Aldrin und Mike Collins kennen, sind die Namen der übrigen Menschen, die zum Mond flogen, kaum mehr jemandem bekannt. Dennoch soll auch an sie auf diesem Blog gedacht werden, denn nur weil Buzz und Neil mit Glück die ersten Mondspaziergänger waren, so war die Leistung der nachfolgenden Astronauten nicht minder bemerkenswert, nicht weniger mutig.
Gestiegene Ansprüche
Schon zu Apollo-Zeiten nahm jedoch das Interesse der Öffentlichkeit an den Mondflügen stark ab. Kennedys Auftrag war erfüllt, die Russen waren geschlagen (zumindest sah die Öffentlichkeit im Westen das so) und die Spannung war vorüber – been there, done that. Daher wollte die NASA den Unterhaltungsfaktor der Flüge erhöhen. Statt der grottigen Monochrom-Kamera sollte eine viel bessere Farb-TV-Kamera zum Einsatz kommen. Man hatte eine große, ausfaltbare S-Band-Schüssel-Antenne dabei, um die Bilder (aber auch Daten der Experimente) mit hoher Qualität zur Erde übertragen zu können. Und man hatte eine Mannschaft zusammengestellt, die sich schon seit vielen gemeinsamen Jahren bei der NAVY kannte (alle waren dem Dienstgrad nach Fregattenkapitäne – natürlich als Piloten) und die weitaus entspannter im Umgang miteinander waren, als der eher zugeknöpfte Armstrong und der verbissene Aldrin es je hätten sein können.
Außerdem war das Ziel der Mission deutlich anspruchsvoller – man wollte nicht einfach wie beim ersten Mal an der leichtesten Stelle irgendwo auf dem Mond landen, sondern an einem sehr präzisen Ort, denn für die weiteren Missionen hatte man vor, in schwierigem Terrain zwischen Bergen zu landen. Da bot es sich an, einem alten Bekannten von der Erde einen Besuch abzustatten: dem Surveyor 3, einer Landesonde, die im April 1967 im Meer der Stürme (Oceanus Procellarum) gelandet war, um mit ihren Schwestersonden zu erkunden, wie die Mondoberfläche beschaffen war, auf der man bald darauf Menschen landen wollte. Und da bei der Apollo-12-Mission noch kein Mondauto dabei war, musste man also in fußläufigerhopsiger Entfernung von der Sonde landen.
So übten die Astronauten Charles “Pete” Conrad (Kommandant der Mission) und Alan LaVern Bean (Pilot der Mondlandefähre) nicht nur das Erkennen und Sammeln von Mondgestein, sondern auch, wie der Surveyor zu untersuchen und sein Zustand fotografisch zu dokumentieren sei, und wie man Teile von ihm (unter anderem seine Kamera) abmontieren konnte, um sie zur Erde zurück zu bringen. Dritter im Bund war Richard Francis Gordon, Pilot des Apollo-Raumschiffs.
Plötzlich Blindflug
Der Start der Mission fand bei einem Wetter statt, bei dem man heutzutage noch keinen Satelliten starten würde. Es zog gerade ein Gewitter auf. Am Boden war der Wind ruhig, aber es regnete – so stark, dass es durch die Verkleidung der Apollo-Kapsel hindurch, die das Raumschiff beim Start vor den aerodynamischen Kräften schützen sollte, auf die Fenster des Raumschiffs tropfte. Dennoch verlief der Countdown planmäßig. Um 17:22 deutscher Zeit – 11:22 Ortszeit, gleich zu Beginn des dreistündigen Startfensters – hob die Saturn V mit der Nummer 507 ab. Alleine 10 Sekunden dauerte es, bis die Rakete ihre eigene Länge zurückgelegt und den Startturm hinter sich gelassen hatte – ein kritischer Zeitraum, jede Kursabweichung konnte zur Kollision der voll betankten Rakete mit dem Startturm führen. “Turm geklärt”, sagte Gordon. “Roger, Turm geklärt”, wiederholte Conrad, “Ich habe ein Neige- und Rollprogramm, und das Baby ist wirklich unterwegs”. Nach 20 Sekunden: “Wunderbarer Start. Gar nicht schlecht.” 30 Sekunden: “Rolle komplett”. Und Bean “Das Ding bewegt sich, nicht wahr?”
Tatsächlich waren sie schon 2000 m hoch, als Gordon nach 36,5 Sekunden ein grelles Licht sieht und ausruft: “Was zum Teufel war das?” Conrad: “Huch?” Gordon: “Ich habe hier einen Haufen Zeugs verloren, ich weiß nicht…”. In der Tat: Masteralarm, Wechselstromnetz-Überlast, Hauptbus A und B Überlast, alle drei Brennstoffzellen, die 75 Ampere Strom lieferten, waren vom Netz getrennt worden und die Elektronik musste auf Batteriestrom umschalten. Neun Sensoren fielen dauerhaft aus, die für die Temperaturmessung der Außenhülle, die Treibstoffmenge des Manövriersystems und die Temperatur eines Messgeräts für radioaktive Teilchen zuständig waren. Außerdem fiel die Signal-Aufbereitungs-Einheit (Signal Conditioning Entity, SCE) aus, die die Signale aller Sensoren bündelte und skalierte, eine Vorstufe für die Digitalisierung und Funkübertragung zur Bodenstation. Somit ging die Telemetrie, also die Übertragung der Zustandsdaten der Rakete zum Boden komplett verloren. 52 Sekunden nach dem Start in 4400 m Höhe wiederholte sich das Ganze und nun fiel auch noch der künstliche Horizont der Apollo aus (es gab aber noch ein Hilfssystem).
Die Rakete war in den Wolken, die bis 7000 m Höhe reichten, gleich zweimal vom Blitz getroffen worden, und zwar von Blitzen, die sie selbst ausgelöst hatte. Denn der heiße Abgasstrahl enthielt Plasmateilchen, also geladene Ionen, die die Rakete zum Blitzableiter werden ließen. Die Blitze liefen durch die Rakete und schlugen neben der Startrampe ein. Dass die Rakete weiter unbeirrt ihrem Kurs folgte und sich durch Winde von 280 km/h , ihren Weg bahnte, mehr als bei jedem anderen Start einer Saturn, war der Tatsache zu verdanken, dass die Steuerung während dieser Phase der ersten Stufe oblag, die nicht von den Blitzen beeinträchtigt worden war. Dennoch konnte das Raumschiff natürlich nicht im Blindflug weiter fliegen und es drohte ein Missionsabbruch. Die Kapsel wäre dann mit Hilfe des Rettungsturms (Launch Escape Tower, LET) an der Spitze der Rakete von dieser fort katapultiert worden, bevor man die Rakete vom Boden aus gesprengt hätte. Aber so schnell geben Piloten ihr Fluggerät nicht auf, wenn es noch unterwegs ist, und so gab Conrad der Bodenstation die Fehleranzeigen durch. Eine Minute 36 nach dem Start gab der Capcom (Capsule Communicator) Gerald Carr durch: “Versucht SCE auf AUX!” “Versucht FCE auf AUX,” wiederholte Conrad und nach innen gewandt “was zum Teufel heißt das?” Gordon spekulierte “Brennstoffzellen…?” (engl. Fuel Cells). Carr wieder “SCE, SCE auf AUX”. Alan Bean erinnerte sich als erster an den Schalter, der die Signal Conditioning Entity auf Hilfsstrom umschaltete. “Es sieht – alles sieht gut aus”. Danach lief wieder Telemetrie am Boden ein. Es war ein 24jähriger Ingenieur, John Aaron, der für die elektrischen Systeme zuständig war, dem der rettende Einfall “SCE to AUX” kam und damit zur Legende wurde. Er hatte sich an ein ähnliches Fehlerbild aus dem Training erinnert.
Die nächsten Minuten, über die Stufentrennung hinaus, waren die Astronauten anschließend damit beschäftigt, alle Systeme neu zu starten und bis auf die neun Sensoren gelang das auch. Mittlerweile dämmerte es auch Conrad: “Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber ich bin nicht sicher, ob wir nicht vom Blitz getroffen wurden.” Die Rakete erreichte daraufhin planmäßig ihren Orbit und die Astronauten checkten alle Systeme besonders gründlich durch, bevor sie sich auf den Weg zum Mond machten. Eine Sorge blieb: einige Techniker befürchteten, dass der pyrotechnische Mechanismus zum Auslösen der Fallschirme Schaden genommen haben könnte und die Kapsel somit drohte, mit hoher Geschwindigkeit auf dem Ozean aufzuschlagen. Dies teilte man den Astronauten nicht mit – sie hätten ohnehin nichts daran ändern können. Zum Glück erwies sich die Sorge als unberechtigt.
Die TV-Show fällt aus
Der weitere Flug verlief planmäßig. Die drei Astronauten, die ihr Raumschiff nach einem Segelschiff-Typen “Yankee-Clipper” genannt hatten, erreichten den Mond am frühen Morgen des 18. November 1969 und umkreisten ihn für einen Tag, bis Conrad und Bean sich in der Mondlandefähre “Intrepid” (engl. furchtlos) auf den Weg zur Oberfläche machten. Das Landegebiet war nur 45 km vom geologisch jungen Krater Kopernikus entfernt, von dem man hoffte, Auswurfgestein aus der Tiefe des Mondes zu finden. Die Landung gelang, allerdings aufgrund von Felsen nicht auf der “Pete’s Parkplatz” getauften Ziel-Landestelle, sondern nur halb so weit entfernt wie geplant vom Surveyor, der dadurch ein wenig gesandstrahlt wurde. Nur 164 m von der Sonde entfernt setzte Intrepid mit reichlich verbliebenem Treibstoff auf. Nicht zuletzt auch dank eines verbesserten Landeradars.
Viereinhalb Stunden nach der Landung stieg Conrad dann zur ersten von zwei rund vierstündigen “EVAs” (Extra-vehikulären Aktivitäten, sprich, Außeneinsätzen) aus der Landefähre aus. Auch er hatte sich wie Neil Armstrong einen Spruch für den Ausstieg zurecht gelegt. Er hatte mit einer italienischen Journalistin $500 gewettet, dass ihm die NASA die Worte nicht vorschreiben würde, und der eher kurz geratene Conrad sagte dann nach dem Sprung von der Leiter den mit der Journalistin abgesprochenen Satz auf: “Hoppla! Mensch, das war vielleicht ein kleiner [Schritt] für Neil, aber für mich ist das ein großer!” Wo der sachliche Neil noch die Konsistenz des Bodens, die Aussicht und seine nächsten Aktionen kommentierte, hopste Conrad auf dem Mond herum und sang “Didum, didum, ich fühl’ mich wie Bugs Bunny!”.
Eine der ersten Aufgaben war, die S-Band-Antenne und die neue, großartige TV-Farbkamera aufzustellen. Die schirmartige Antenne zickte anfangs ein wenig, rastete jedoch schließlich ein. Die Astronauten hatten großen Spaß daran, dass sie die Wärmeschutzfolie so hoch und weit werfen konnten. Sie liebten es, Dinge auf dem Mond zu werfen. In der luftleeren Ödnis flogen Isolationsfolien genau so weit und hoch wie Steine, und bei 1/6 der Erdschwerkraft flogen sie noch viel höher und weiter als auf der Erde.
Die Kamera war extrem lichtempfindlich und niemals durfte direktes Sonnenlicht in das Objektiv fallen. Es gab eine Anweisung, die Kamera nicht einmal gegen das Licht zu richten, selbst wenn die Sonne nicht im Blickfeld war. Ungünstigerweise befand sich nach der Landung der an einem der Landebeine befestigte Staubehälter MESA (Modular Equipment Stowage Assembly), der unter anderem die TV-Kamera mit Stativ und Kabel enthielt, im direkten Sonnenlicht. Bean verkabelte die Kamera gleich und schraubte sie auf das Stativ. Der Capcom beklagte sich über das helle Bild und bat Bean darum, die Kamera tiefer einzustellen und dann nach links und rechts zu schwenken, aber das Bild veränderte sich nicht: das obere Fünftel des Bildes war weiß und die unteren vier schwarz. Spätere Auswertungen der Aufnahmen ergaben, dass die Kamera ein paar Sekunden die Sonne im Bild gehabt hatte – das war es dann für die TV-Übertragung des nachfolgenden Auspackens und Aufstellens der ALSEP-Experimente. So gab es kaum TV-Bilder – nur die Kamera an der Mondlandefähre zeigte einen kleinen Ausschnitt. Die großen Fernsehstationen schalteten sich daher alsbald ab.
Eine traurige Flagge
Als nächstes sollte die Flagge aufgestellt werden. Eigentlich wollte die Crew gar keine mitnehmen – schließlich hatte Apollo 11 bereits die symbolische Annektierung des Mondes durch das Aufstellen der US-Flagge vollzogen. Stattdessen wollte man die Zeit für Wissenschaft nutzen. Bis zum 3. Oktober war im Apollo 12 Flugplan auch keine Rede von einer Flagge gewesen. In einer Version vom 15. Oktober war sie dann doch drin. Die Astronauten schlugen also den unteren Teil des zweiteiligen Mastes mit dem Hammer 30 cm tief in den Boden. Dann schraubten sie den oberen Teil auf. Bei Apollo 11 hatten Neil und Buzz die zusammengesteckte Stange mit bloßen Händen ein paar Zentimeter tief in den Boden gedrückt und nicht gewagt, mit dem Hammer auf die lange, biegsame Stange zu klopfen. Die Konsequenz war, dass die Apollo-11-Flagge beim Rückstart zur Erde von den Abgasen des Triebwerks umgepustet wurde. Zuletzt musste nur noch die Querstange zum Aufrechthalten der Flagge am oberen Ende der Fahnenstange befestigt werden. Aber die Befestigung ging kaputt und rastete nicht ein. Bean meinte später, sie habe seiner Meinung nach nie funktioniert und sei wohl schon bei der Produktion defekt gewesen. So hing die Flagge schlaff am Mast.
Die beiden hatten nun etwas Zeit sich umzusehen. Sie fanden zwei merkwürdige kleine Hügel, wo die Mondoberfläche doch ansonsten von Kratern aller Größen übersät war. Möglicherweise war hier Material von einem entfernten Meteoriteneinschlag niedergegangen. In der Nähe der Hügel wollten sie das ALSEP mit seinen Experimenten und seiner Radionuklidbatterie aufbauen. Als sie den Arbeitsplan umblätterten, stießen sie allerdings nicht auf die entsprechende Arbeitsanweisung, sondern auf die Miss September des 1967er Playboy mit der Notiz: “Einige interessante Hügel und Täler gesehen”? Dieses und weitere Pin-up-Bilder hatte die Ersatzcrew ohne Wissen der Besatzung in den Plan hineingeschmuggelt. So bierernst wie bei den bisherigen Flügen nahm man die Arbeit offenbar nicht mehr.
Die Astronauten stellten schließlich die ALSEP-Geräte auf – das Passive Seismische Experiment (PSE) zur Messung von Mondbeben, das Sonnenwind-Spektrometer (SWS), das Lunar Surface Magnetometer (LSM) zur Messung des Magnetfelds, das Ionendetektor-Experiment (Suprathermal Ion Detector Experiment, SIDE) und das Cold Cathode Ion Gauge (CCIG, etwa “Kaltkathoden-Ionenspur-Experiment”), mit dem der winzige Druck einer potenziellen Atmosphäre auf dem Mond bestimmt werden sollte. Nach dem Aufstellen der Geräte wurde den Astronauten noch eine Stunde gewährt, um Steine zu sammeln. Mit noch mehr als halbvollen Sauerstoff- und Wasservorräten in den Anzügen kehrten sie dann nach fast 4 Stunden in die Intrepid zurück. So viel Reserve plante man ein, weil man befürchtete, dass die Kühlpumpe, die Wasser durch Schläuche in der Unterwäsche der Raumanzüge pumpte um die Temperaturunterschiede zwischen Sonne und Schatten auszugleichen, ausfallen könnte und dann wollte man genug Sauerstoffreserve haben, um den Anzug eine halbe Stunde lang bei voll aufgedrehtem Sauerstoffhahn kühlen zu können – expandierendes Gas kühlt bekanntlich ab. In einer halben Stunde sollten die Astronauten die Mondfähre erreichen können.
Nach dem Ausziehen der Überstiefel stellten die Astronauten fest, dass sie nasse Füße hatten – Wasser hatte sich in den inneren Stiefeln gesammelt. Spätere Analysen ergaben, dass die Wasserabscheider, kleine Zentrifugen im Rucksack, die der Atemluft die Feuchtigkeit entzogen, mit maximaler Drehzahl gelaufen waren. Dabei konnte es vorkommen, das bereits abgeschiedenes Wasser überschwappte. Ausziehen konnten die Astronauten nur die äußeren Stiefel – die inneren auszuziehen, war zu riskant, weil man im Falle eines Druckabfalls in der Landefähre, die aus Gewichtsgründen nur eine hauchdünne Hülle hatte, sehr schnell den Anzug luftdicht verschlossen haben musste. Man wies die Astronauten an, die Schläuche des Anzugs abzuschrauben und die Schwerkraft in geeigneter Weise zu nutzen, um das Wasser aus den Öffnungen laufen zu lassen. Ansonsten würde das Wasser auch durch die Wärme im Anzug verdunsten. Conrad meinte, so viel Wasser sei es nicht, es sei nicht kalt und kein Schweiß, so dass er keinen großen Aufwand betreiben wollte. 12 Stunden nach der Landung legten sich beide Astronauten in Hängematten und hatten 7 Stunden Zeit zum Schlafen. Tatsächlich schliefen die beiden nur 4,5 Stunden. Bean sagte später, es sei ihm nicht machomäßig genug erschienen, die mitgenommenen Schlaftabletten zu schlucken. Und Conrad schlief wegen seines Raumanzugs schlecht – die Beine waren zu kurz.
Immer Ärger mit der Technik
Am nächsten Tag, dem 20. November, stand die zweite vierstündige EVA an. Es war eine Strecke von 1500 m um 4 größere Krater zurück zu legen, an denen Proben gesammelt werden sollten, unter anderem auch eine Probe aus 40 cm Tiefe mit Hilfe eines in den Boden gehämmerten Rohres. Unterwegs streikte Conrads Kamera, der Bildzähler und der Filmtransportmechanismus funktionierten manchmal nicht. Daher beschlossen die Astronauten, ihre an den Anzügen eingeklinkten Kameras untereinander zu tauschen. Allerdings wollte sich Beans Kamera nicht lösen und bei dem Versuch, die Kamera mit Kraft aus der Halteklammer zu lösen, brach die Kappe der Schraube ab, mit welcher der pistolengriffartige Halte- und Auslösegriff an der Kamera angeschraubt war. Damit wurde Beans Kamera praktisch nutzlos. Sie konnte nicht mehr am Anzug befestigt werden. Zwar ließ sie sich wohl noch irgendwie in der Hand gehalten am Gehäuse auslösen, aber nicht mehr einhändig auf die einfache Weise, wie man einen Pistolenabzug zieht. Bean bemerkte, dass die entsprechende Schraube an Conrads Kamera lose war und zog sie fest, was im folgenden die Probleme mit dem Filmtransport und dem Zähler behob, und behielt die Kamera. Beans ursprüngliche Kamera kam in einen Beutel, falls sie noch einmal benötigt würde, wurde dann aber nicht mehr benutzt und am Ende der EVA auf dem Mond zurück gelassen.
Der letzte Stopp war dann der Surveyor. Die Astronauten näherten sich der Sonde quer zur Neigung der inneren Kraterwand entlang (also parallel zum Kraterrand), die ihnen zunächst steil erschienen war. Sie hatten auch ein Seil dabei, mit dem der eine Astronaut den anderen vom Kraterrand aus hätte sichern können, aber das Seil kam nicht zum Einsatz, weil sie gut Tritt fassen konnten. Bean fotografierte die Sonde ausgiebig von allen Seiten, um ihren Zustand zu dokumentieren. Die ursprünglich weiße Sonde erschien den Astronauten bräunlich – leider gibt es von EVA 2 nur Schwarzweißaufnahmen. Ein Magazin mit einem angebrochenen Farbfilm hatten sie vor der EVA in eine abnehmbare Seitentasche von Beans Anzug gepackt, dann aber vergessen, vor dem Besuch des Surveyors das Magazin an Conrads Kamera gegen das Farbmagazin auszutauschen.
Die Sonde hatte über die Jahre einen feinen Überzug von Mondstaub angesammelt. Das UV-Licht der Sonne sorgt nämlich dafür, dass sich die Oberfläche elektrisch auflädt, was sehr feine Staubpartikel aufgrund elektrostatischer Abstoßung emporschweben lässt, die in der Mondnacht wieder absinken. Der Abgasstrahl der Landefähre hatte dabei mehr Staub weggeblasen als neuen deponiert.
Nun hatten die beiden Astronauten eigentlich einen Gag vorgehabt: die Hasselblad-Kameras waren zwar für Apollo modifiziert, aber beruhten auf handelsüblichen Kameras, die man mit Zubehörteilen im Fotofachhandel kaufen konnte. Und so hatte sich Conrad einen aufschraubbaren Selbstauslöser gekauft, den er in einer Tasche am Raumanzug mit in das Apollo-Raumschiff geschmuggelt hatte. Damit wollte er, die Kamera auf das HTC-Tragegestell gestützt (Hand Tool Carrier, siehe Bild 14 in der Fotostrecke unten), ein Selfie beider Astronauten mit dem Surveyor aufzunehmen um die NASA und die Presse zu verblüffen – wer hat denn bitteschön dieses Foto aufgenommen? Er hatte den Auslöser während des Flugs in der Mondlandefähre deponiert und beim Aussteigen mit nach draußen genommen und in den Sammelbeutel des HTC gelegt. Aber als er nun den Auslöser suchte, fand er ihn nicht – er war ganz unten im Beutel, der schon voller Steine, Staub und Tüten mit Proben war. Am Ende gab er auf und machte statt dessen zwei “Touristenbilder” von Bean neben der Sonde.
Danach durchtrennten sie mit einem Bolzenschneider die Kabel und Haltestangen der Surveyor-Kamera, um die Kamera abzunehmen, und schnitten noch einige Alu-Stangen-Stücke und die Probenschaufel des Surveyors ab. Sie sollten außerdem ein Stück losgeschlagenes Glas von einem optischen Gerät mitbringen, aber das Glas haftete zu stark am Metallrahmen und ließ sich nicht ablösen und kleinere Splitter wagten sie nicht mit den Handschuhen anzufassen – das Risiko eines Schnitts war zu groß.
Nach der Rückkehr zur Landefähre entluden sie die Steine und beim Umfüllen des HTC-Beutels lag der vorher vermisste Selbstauslöser oben auf. “Der hat uns gerade noch gefehlt”, meinte Bean und Conrad warf den Selbstauslöser verärgert weg. Die Idee, dass sie ja vielleicht noch ein gemeinsames Bild vor der Landefähre hätten machen können, das womöglich besser als das am Surveyor geworden wäre, kam ihnen erst nach der Rückkehr zur Erde in den Sinn – der Flugplan diktierte wohl zu stark das Denken. Nicht mehr benötigte Utensilien ließen die Astronauten am Fuß der Landefähre zurück. Darunter auch Beans abnehmbare Seitentasche.
Beim Abschlussgespräch mit Houston drei Stunden nach der EVA fiel ihnen dann erst auf, dass sie mit Beans Tasche auch den Farbfilm draußen gelassen hatten. Es waren wohl nur ein paar Aufnahmen aus dem Mondorbit darauf, bei der EVA war er nicht wie geplant verwendet worden. Es war jedenfalls nicht daran zu denken, die Landefähre nochmals zu verlassen um den Film noch nach drinnen zu holen, und so liegt er heute noch auf dem Mond.
Großer Erfolg mit kleinen Pannen
Nach weiteren 4 Stunden, am 20. November gegen 15:25 deutscher Zeit, erfolgte der Rückstart vom Mond und um 19:00 Uhr hatte die Aufstiegsstufe der Intrepid am Clipper angedockt. Die Proben und Filme wurden umgeladen und die Aufstiegsstufe auf den Mond gecrasht. Dies löste ein kleines Mondbeben aus, das vom PSE-Seismometer registriert wurde und weit über eine halbe Stunde andauerte. Am 21. November um 21:50 schoss sich der Clipper auf die Transferbahn zur Erde ein, wo seine Kapsel am 24. November um 21:58:25 deutscher Zeit mit einwandfrei funktionierenden Fallschirmen im südlichen Pazifik wasserte. Aber auch diesmal nicht ganz ohne Pech und Pannen – eine 16-mm-Filmkamera löste sich beim Aufschlag aus ihrer Befestigung, traf Bean an der Stirn und schlug ihn kurzfristig bewusstlos. Die Wunde wurde später mit 6 Stichen genäht.
Bei allen Problemchen, die es während der Mission gab, war sie am Ende ein großer Erfolg. Die Astronauten brachten 34,35 kg Mondgestein, 1725 Fotos, 1h25m 16-mm-Film (hier komplett zum Download) und die Teile des Surveyors mit zur Erde, darunter die TV-Kamera, die heute im National Air & Space Museum in Washington ausgestellt ist. Im Isolationsschaumstoff der Kamera fand man auf der Erde Streptokokken-Bakterien, die mutmaßlich 2,5 Jahre auf dem Mond überlebt hatten – oder möglicherweise auch erst nach der Landung durch unsachgemäße Behandlung in die Kamera gelangt waren. Bis heute ist diese Frage ungeklärt.
Unter den gesammelten Steinen fand sich ein Stück eines Gesteinstyps, der bei Apollo 11 nicht gefunden worden war: KREEP. Die Abkürzung steht für Kalium, Rare Earth Elements (seltene Erden) und Phosphor, Elemente, die im Gestein angereichert sind. Es handelt sich um Elemente, die sich in Magma nicht auflösen. Später wurde überall KREEP auf dem Mond gefunden – ein Hinweis darauf, dass der Mond bei seiner Entstehung zum großen Teil aufgeschmolzen war und die nicht löslichen, leichteren Stoffe im Magma nach oben gestiegen waren. Daraus und aus der großen Ähnlichkeit der Sauerstoff-Isotop-Konzentrationen zu denen der Erde schloss man schließlich darauf, dass der Mond aus Magma der Erde hervorgegangen sein musste. So entstand schließlich die Kollisionstheorie.
Dick Gordon gehörte später noch zur Ersatzcrew von Apollo 15 und war als Kommandant der Apollo-18-Mission vorgesehen gewesen, die allerdings gestrichen wurde. Er flog nicht wieder ins All, sondern arbeitete mit am Space-Shuttle-Design und verstarb 2017 mit 88 Jahren. Pete Conrad flog noch zum Skylab und heuerte danach bei einem Fernsehsender an. Schließlich wurde er Marketing-Vizepräsident des Flugzeugherstellers McDonald Douglas in der militärischen Sparte. 1999 verstarb er an den Folgen eines Motorradunfalls. Alan Bean flog ebenfalls zum Skylab und gehörte der Ersatzcrew des Apollo-Sojus-Flugs 1975 an. Danach bildete er Astronauten aus. Bean wurde aber vor allem durch seine Malerei bekannt – er hatte schon vor seinem Mondflug das Malen erlernt und malte ab 1981 Bilder, die seine Eindrücke der Mondlandung widerspiegeln, wobei er gelegentlich auch Mondstaub mit in die Farbe mischte. Seine zahlreichen Bilder kann man auf dieser Webseite bestaunen. Bean starb im Mai 2018 im Alter von 86 Jahren.
Apollo-12-Galerie
Wie immer gibt es auch hier eine Fotostrecke. Mit den Pfeilen oben links und rechts kann man blättern, ein Klick auf das Bild öffnet es in voller Größe in einem neuen Fenster.
Referenzen
- en.wikipedia.org, "Apollo 12"
- de.wikipedia.org, "Apollo 12"
- Youtube, "The incredible Journey of Apollo 12 - 4K", Magellan TV
- Eric M. Jones, "Apollo 12 Lunar Surface Journal", NASA History Division, 1995
- David Woods, Lennox J. Waugh, "The Apollo 12 Flight Journal", NASA History Division, 12. November 2019
- Eric M. Jones, Brian W. Lawrence, "Apollo 12 Image Library", NASA History Division, 3. Juli 2017
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 46/Y, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 47/V, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 48/X, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 49/Z, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 50/Q, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 51/R, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 54/T, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-12 Magazine 55/EE, Flickr
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