Es ist Winter und die Sonne steht überwiegend tief am Himmel. Wenn sich bei noch klarem Himmel ein Tiefdruckgebiet ankündigt, schickt es oft dünne Cirrus-Wolken voraus. Mit etwas Glück führt die Kombination aus tiefstehender Sonne und Cirruswolken zu sehr schönen atmosphärischen Effekten, wie etwa einem Haloring, den Parhelia (oder Nebensonnen), einem Zirkumzenitalbogen und gelegentlich noch zu weiteren skurrilen Kreisen und Bögen am Himmel. Der folgende Artikel möchte die Physik hinter der Schönheit der drei häufigsten Haloerscheinungen vorstellen.
Eis ist reine Hexarei
Cirruswolken bestehen aus kleinen Eiskristallen, die am oberen Rand der Troposphäre zwischen 8000 und 12000 m Höhe schweben, wo die Verkehrsflugzeuge auf Reiseflughöhe unterwegs sind. Die Wolken entstehen, wenn feuchte Luft in große Höhen getragen wird, und Tiefdruckgebiete zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen die Luft aufsteigt. Deswegen ist der Luftdruck am Boden dann tiefer – die aufsteigende Luft senkt das Gewicht der über dem Boden liegenden Luftmasse. In der dünnen, klaren Luft dort oben bei Temperaturen von -20° bis -30°C ist der Wasserdampf in der Luft unterkühlt und gefriert sofort, wenn sich ein Kristallisationskeim findet, etwa ein Staubteilchen oder ein schon existierender Eiskristall. Auch Kondensstreifen von Flugzeugen entstehen so, denn die Abgase enthalten Wasser und Rußteilchen aus der Verbrennung; wenn das Abgas abkühlt, kristallisiert das Wasser an den Rußteilchen zu Eis. Normalerweise verdunstet das Eis in der trockenen Höhenluft danach rasch wieder. Bei einer Cirrus-Wetterlage können die Kondensstreifen jedoch zu breiten Cirruswolken wachsen, die den ganzen Himmel überspannen.
Aufgrund der dreieckigen Form der Wassermoleküle – die Wasserstoffatome schließen beiderseits des Sauerstoffatoms einen Winkel von 104,5° ein – gruppieren sich die Moleküle im Eiskristall zu sechseckigen Strukturen. Der Winkel zwischen den Wasserstoffatomen ist nahe am 120°-Winkel der Ecken eines Sechsecks – und noch näher am 109,5°-Winkel, der vom Mittelpunkt eines Tetraeders zwischen den Linien zu zwei Eckpunkten hin gebildet wird, so dass der Eiskristall aus Tetraedern zusammengesetzt ist mit den Sauerstoffatomen an den Ecken und in der Mitte der Tetraeder. Blickt man senkrecht zu den Gitterebenen in den Kristall hinein, so erkennt man eine sechseckige Grundstruktur.
Diese Struktur setzt sich bis ins Makroskopische fort. Jede Schneeflocke hat sechs Äste mit zahlreichen Verzweigungen im charakteristischen 120°-Winkel. In den Cirruswolken wachsen jedoch keine fetten Schneeflocken, dazu gibt es zu wenig Wasser, und die Kristalle bleiben klein und simpel. Es entstehen vor allem kleine sechseckige Säulen oder Plättchen, die, weil sie von innen nach außen wachsen, klar und durchsichtig sind. Solche Formen nennt man auch hexagonale Prismen, (griech. hexa = sechs, gonía = Ecke) und das nicht ohne Grund.
Ein Prisma sollte aus dem Physikunterricht noch geläufig sein. Wenn man Licht durch ein Glasprisma schickt, wird es abgelenkt, und da blaues Licht stärker abgelenkt wird als rotes, erhält man bei parallel einfallendem weißen Licht ein Spektrum. Bei einer ausgedehnten Lichtquelle ist das Licht nicht parallel und das Spektrum wird etwas verwischt, weil die Spektren von in unterschiedlichen Winkeln einfallenden Lichtstrahlen gegeneinander versetzt sind und sich überlappen und mischen.
Kappt man an einem Prisma mit dreieckiger Grundfläche die Oberkante, so erhält man eine Trapezsäule, und legt man zwei solcher Trapezsäulen mit der breiten Seite aneinander, bekommt man ein hexagonales Prisma. Dieses bricht also weiterhin das Licht so, wie es das dreieckige Prisma tat, nur hat es mehr Seitenflächen und damit kann es das Licht in noch vielfältigerer Weise ablenken, z.B. gleichzeitig in zwei sich überkreuzenden Richtungen.
Da oben am Himmel schweben also bei Cirrusbewölkung kleine hexagonale Prismen herum und je nach ihrer Form und Orientierung können daraus die sogenannten Halo-Phänomene entstehen. Über 40 verschiedene sind bekannt und benannt, von den ich die drei häufigsten vorstellen will.
Heiligenschein
Am häufigsten sichtbar ist der 22°-Haloring. Er entsteht dann, wenn die Prismenkristalle kleine Säulen sind, die ungefähr gleich lang wie breit sind, so dass sie in der Luft keine bevorzugte Orientierung haben. Wenn der Himmel großflächig von einer dünnen Cirrostratus-Schicht, einer gleichmäßigen Schichtbewölkung, bedeckt ist, dann erscheint um die Sonne, manchmal auch um den Vollmond, gelegentlich ein Ring mit einem Radius von 22°. Dies ist genau der Winkel, um den die Eiskristalle das Licht ablenken. Das Sonnenlicht (oder Mondlicht) fällt parallel von oben auf die Wolken und passend orientierte Eiskristalle lenken es um 22° von der Einfallsrichtung ab. Einen Beobachter am Erdboden treffen genau die abgelenkten Lichtstrahlen, die von solchen Eiskristallen abgelenkt werden, die sich in 22° Winkelabstand zur Sonne befinden und die zufällig so ausgerichtet sind, dass sie das Licht genau zum Beobachter hin ablenken. Es gibt stets genug Kristalle im Mix, die genau dies tun. Da dieses Szenario kreissymmetrisch zur Sonne im Mittelpunkt ist, entsteht ein Ring um die Sonne herum. Für einen Haloring braucht die Sonne (oder der Mond) dabei nicht tief am Horizont zu stehen. Die Kristalle haben nämlich keine bevorzugte Ausrichtung in Bezug auf den Horizont.
Der 22°-Winkel entsteht, wenn das Licht durch eine der 6 Seitenflächen so eintritt, dass es von innen auf die übernächste Seite trifft. Um genau zu sein sind die 22° nur der minimale Winkel. Kein Licht wird weniger stark abgelenkt, darum ist der Ring innen klar. Wenn das Licht zunehmend flacher eintritt, kann der Winkel bis auf 46° anwachsen, jedoch nimmt die Lichtintensität bei zunehmendem Winkel ab, so dass der Ring nach außen hin verblasst. Da Rot am wenigsten gebrochen wird, hat der Ring oft einen roten Innenrand, aber nach außen verwischen sich die Farben verschiedener Brechungswinkel, so dass der Ring insgesamt überwiegend weiß erscheint.
Es gibt auch einen viel selteneren 46°-Ring, bei dessen Entstehung das Licht schräg in Richtung der Längsachse der Säule durch eine Seite eintritt und an einer der um 90° gegen die Seiten gewinkelten Grundflächen wieder austritt. Der Winkelbereich für den Eintritt ist nur klein und daher findet nicht sehr viel Sonnenlicht diesen Weg und der 46°-Ring ist entsprechend lichtschwach und daher eben auch selten.
Falsche Sonnen
Fast ebenso häufig* sind die Parhelia (Singular: Parhelion, von griechisch pará helios, “neben der Sonne”), bei uns Nebensonnen genannt, im Englischen sun dogs (Sonnenhunde) oder mock suns (gefälschte Sonnen). Nebensonnen stehen ein- oder beidseitig der Sonne (je nach der Verteilung der Cirrus-Wolken) vor allem wenn die Sonne niedrig steht, obwohl sie bis 60° Sonnenhöhe auftreten können; dann sind sie aber eher lichtschwach.
Nebensonnen sind, wie der Name schon andeutet, gemeinhin recht hell und auffällig, deutlich heller als der 22° Ring. Sie zeigen deshalb auch kräftigere Farben, wobei Rot innen liegt. Nach außen ist aber kein ausgeprägtes Grün oder Blau sichtbar. Sie haben meistens ebenfalls rund 22° Abstand von der Sonne und fallen damit mit dem Haloring zusammen, wenn dieser auftritt. Bei höher stehender Sonne liegen sie ein Stück außerhalb des Rings (bis zu 45° Abstand bei 60° hohem Sonnenstand), aber dann sind sie blaß und kaum zu sehen. Sie liegen stets auf einer nahezu horizontalen Linie durch die Sonne, nie signifikant gegen den Horizont geneigt. Manchmal sind sie in Höhe oder Breite ausgedehnt – als kurze Bögen entlang des Halorings, oder im rechten Winkel dazu, entlang des Horizontalkreises (Nr. 5 der Haloeffekte oben in der Grafik).
Ursache für Nebensonnen sind flache, sechseckige Plättchenkristalle, die sich beim Fall in ruhiger, turbulenzfreier Luft waagerecht ausrichten. Da anders als beim Ring sehr viele Kristalle in der gleichen Orientierung vorhanden sind, wird sehr viel Licht in gleicher Weise abgelenkt, was die Parhelia so hell machen kann. Je flacher der Lichteinfall, desto mehr Licht kann die volle Breite des Plättchens durchlaufen und desto kräftiger erscheinen Helligkeit und Farben.
Das Licht fällt wie bei den Säulenkristallen im Ring an einer Seite ein und kommt an der übernächsten wieder heraus, daher ergibt sich wieder ein Minimalwinkel von 22°, wobei Rot weniger abgelenkt wird als Blau, d.h. die Innenseite des Parhelions ist rot. Da die Kristalle in der Waagerechten gegeneinander verdreht sind, so dass auch größere Ablenkwinkel auftreten, vermischen sich die Spektren der Kristalle und die Farben sind zur blauen Seite hin nicht mehr klar separiert – stärker abgelenktes Gelb und Rot mischt sich mit Blau und Grün von Kristallen mit kleinerer Ablenkung zu Weiß.
Bei höherem Sonnenstand wird das Licht nicht nur zur Seite, sondern beim Eintritt in Richtung der Waagerechten und beim Austritt in Richtung der Senkrechten gebrochen. Somit kommt zur seitlichen Ablenkung eine senkrechte hinzu, die den gesamten Ablenkwinkel vergrößert – deswegen entfernen sich die Parhelia bei zunehmendem Sonnenstand von der Sonne. Bei mehr als 60° Sonnenhöhe schafft das Licht es nicht mehr durch die volle Breite des Plättchens. Aber dann ergibt sich ein anderer interessanter Lichtweg.
Regenbogen ohne Regen
Selten blickt der Mensch senkrecht nach oben. Bei einer Nebensonnen-Erscheinung könnte sich der Blick allerdings lohnen und sollte antrainiert werden. Denn die gleiche Wetterlage sorgt für die Entstehung eines Zirkumzenitalbogens. Wie der Name verrät, umzirkelt dieser den Zenit, allerdings nicht als Vollkreis, sondern als Bogen von ca. 60° Öffnung. Die Farben eines Zirkumzenitalbogens wetteifern mit denen eines Regenbogens – ganz ohne Regen. Zirkumzenitalbögen sollen etwa so häufig auftreten wie Regenbögen (ich habe deren allerdings erst zwei gesehen). Neben der Nebensonnen-Wetterlage ist Voraussetzung, dass die Sonne tiefer als 32° über dem Horizont steht (also etwa 1/3 der Strecke von Horizont zum Zenit), sonst verschwindet der Bogen, und man muss das Cirrus-Feld mit den Eisplättchen senkrecht über sich haben. Und man muss vor allem nach oben gucken.
Wie oben angedeutet sind es die gleichen Kristalle, die den Zirkumzenitalbogen verursachen, die auch für die Nebensonnen verantwortlich zeichnen. Auch sie müssen überwiegend waagerecht orientiert sein. Allerdings ist der Lichtweg ein anderer: das Licht dringt in die Oberseite des Plättchens ein und wird an einer der 90°-Kanten nach unten gebrochen. Die Brechung ist mit mindestens 48° stärker als die seitliche Ablenkung bei den Parhelia, wo die lichtbrechenden Seiten im 60°-Winkel zueinander stehen. Deswegen ist Bogen entsprechend weit von der Sonne entfernt und nahe dem Zenit. Die Farben sind hier sehr rein bis zum Blauen hin, weil eine seitliche Verdrehung der Plättchen in der Waagerechten nicht dazu führt, dass sich Spektren überlagern – dafür wäre eine Verkippung der Plättchen gegen die Waagerechte nötig. Eine seitliche Verdrehung sorgt vielmehr dafür, dass das Licht von innen schräg auf die Austrittsfläche fällt und nicht nur nach unten, sondern auch zur Seite abgelenkt wird. Dadurch vergrößert sich der Ablenkwinkel insgesamt und die Plättchen, die das Licht zum Beobachter lenken, sind weiter von der Sonne entfernt und liegen seitlich der Sichtlinie zur Sonne – so ergibt sich der Bogen.
Zirkumzenitalbögen sind wohl die schönste Haloerscheinung überhaupt. Wenn mal wieder die Cirrusgespinste am Himmel wabern und falsche Sonnen neben der echten auftauchen, lohnt es sich vor allem in der kühleren Jahreszeit nach den bunten Bögen Ausschau zu halten. Erstaunlich, was simple Sechsecke mit Sonnenlicht alles anstellen können!
Referenzen
- en.wikipedia.org, “Cirrus cloud“
- de.wikipedia.org, “Halo (Lichteffekt)“
- de.wikipedia.org, “Nebensonne“
- de.wikipedia.org, “Zirkumzenitalbogen“
- Arbeitskreis Meteore e.V., “Haloerscheinungen / Haloarten“, 2020.
- Les Cowley, “Frequent Halos“, Atmospheric Optics.
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