“Houston, wir hatten ein Problem” – genau das und nichts anderes war der berühmte Satz, den Kommandant Jim Lovell am 14. April 1970 um 5:08h MESZ (noch am 13. April um 22h08 nach Houston-Zeit) zur Erde funkte, nachdem Kommandomodul-Pilot Swigert ihn bereits geäußert hatte. Dabei fingen die Probleme gerade erst an. Eine halbe Minute zuvor, 55h54m53,5s nach dem Start und 90 Sekunden nachdem Swigert weisungsgemäß die Umrühr-Ventilatoren der Sauerstofftanks eingeschaltet hatte, tat es einen Hammerschlag, “wie mit einem Vorschlaghammer” (Originalton Fred Haise) der das Missionsziel schlagartig änderte. Es ging jetzt nicht mehr darum, auf dem Mond zu landen, Gestein zu sammeln und den Erdtrabanten zu erforschen. Es ging nur noch ums nackte Überleben. Denn das Servicemodul der Apollo 13 hatte soeben seinen gesamten Sauerstoffvorrat durch eine Explosion eines Sauerstofftanks verloren, der auch den zweiten Tank beschädigte. Der Sauerstoff wurde nicht nur zum Atmen verwendet, sondern er diente in den Brennstoffzellen auch zur Erzeugung des Stroms im Apollo Raumschiff und lieferte das Trinkwasser. Kein Antrieb, kein Strom, keine Atemluft, nicht genug Wasser, auf dem Weg zum Mond ohne eine Möglichkeit, umzukehren. Fast vier Tage Mindestflugzeit zurück zur Erde, angewiesen auf eine Wiedereintrittskapsel, die gerade ihre Batterien leer saugte. Das waren die Aussichten der Besatzung von Apollo 13 am 14. April vor 50 Jahren, über 300.000 km von der Erde entfernt. Und so wurde der von der Öffentlichkeit anfangs kaum beachtete Flug zur 3. geplanten Mondlandung zu einem technischen und menschlichen Drama, das die Mission zur zweitberühmtesten nach der ersten Mondlandung von Armstrong und Aldrin machen sollte.
Ein eingespieltes Team
Die für die Mission vorgesehene Crew bestand aus James “Jim” A. Lovell Junior (Kommandant), Thomas K. “Ken” Mattingly II (Pilot des Apollo-Raumschiffs) und Fred W. Haise Junior (Pilot der Mondlandefähre). Jim Lovell war ein alter Hase der 2. Astronautengruppe (nach den Mercury-7 rekrutiert), der schon auf Gemini 7 und 12 geflogen war und mit Apollo 8 als Pilot des Kommandomoduls um den Mond gekreist. Nun wollte er als Kommandant der 5. Mensch werden, der den Fuß auf den Mondboden setzt. Fred Haise war ein Rookie, der erst 1966 mit der 5. Astronautenrekrutierungswelle zur NASA stieß. Er gehörte zur Ersatzmannschaft von Apollo 8, wo er der Ersatzmann für den Mondlandefährenpiloten William Anders war (wobei Apollo 8 gar keine Mondlandefähre dabei hatte). Er wollte der 6. Mensch auf dem Mond werden. Schließlich Ken Mattingly: auch er gehörte zur Ersatzcrew von Apollo 8, wo er Jim Lovell als Kommandomodulpilot hätte ersetzen können. Die drei kannten sich also schon lange als Team. Bei Apollo 11 stellten sie die Ersatzcrew; Mattingly war dabei einer der Capcoms (kurz für “Capsule Communicator”), die direkt mit den Astronauten an Bord Kontakt hielten, weil sie sich als Kollegen gut kannten und über die gleichen Trainingserfahrungen verfügten.
Hervorragende Dokumentation der NASA über den Apollo-13-Flug mit Interviews mit den Beteiligten
Eigentlich waren die drei für Apollo 14 vorgesehen, aber Alan Shepard, der als Kommandant für die 13 geplant war, hatte aufgrund einer Innenohroperation noch nicht genug Trainingsstunden gesammelt und war seit 1961, als er den ersten amerikanischen Raumflug überhaupt auf Mercury Freedom 7 absolvierte, nicht mehr geflogen. Um die Besatzungen nicht unnötig auseinander zu reißen, tauschte man die Crews von 13 und 14 einfach komplett gegeneinander aus.
Das Training für die 3. Mondlandung begann schon im September 1969 mit einem “Geologie-Bootcamp” in Kalifornien für Lovell und Haise, an dem auch ihre Ersatzleute John Young und Charlie Duke (beide später Apollo 16) teilnahmen. Da das Interesse an Geologie unter den Astronauten eher gering war, bemühte sich der einzige zivile Wissenschaftler unter den Astronauten, Harrison Schmitt, die Crews mit seinem ehemaligen Geologie-Professor Lee Silver zusammen zu bringen und sie absolvierten schließlich begeistert mit Silver auf eigene Kosten und in ihrer Freizeit zusätzliche Trainingseinheiten. 20mal trainierten Lovell und Haise die geplanten EVA (extravehikulären Aktivitäten, i.e. “Mondspaziergänge”) in voller Raumanzug-Montur. Während dessen übten Mattingly und sein Ersatzmann Jack Swigert das Identifizieren und Fotografieren von Landmarken aus dem Flugzeug. Jeder hatte neben dem für alle Astronauten gleichen Basistraining ca. 1000 Trainingsstunden für die jeweilige spezielle Mission zu absolvieren, davon 400 Stunden im Simulator.
Anfang Dezember 1969, kurz nach dem Ende der Apollo-12-Mission, wurden die Presseaufnahmen gemacht und die Crew der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Mondlandung sollte im Hochland nahe dem Fra-Mauro-Krater erfolgen, wo man sich Auswurfgestein vom Mare-Imbrium-Einschlag erhoffte, das man datieren wollte. Die Gegend war ein wesentlich raueres Terrain als bei Apollo 11 und 12, aber man hatte mit Apollo 12 ein neues Navigationssystem erfolgreich getestet, mit dem man der Crew die Landung dort zutraute. Um Treibstoff beim Abstieg zu sparen und ein längeres Schweben beim Auswählen der Landestelle zu ermöglichen, sollte das Apollo-Raumschiff die Mondlandefähre besonders tief aussetzen, um seine Bahn danach wieder anzuheben. Die S-IVb-Overstufe der Apollo-13 Rakete wollte man auf den Mond stürzen lassen, um mit dem von Apollo 12 aufgestellten Passiven Seismometer PSE (Passive Seismometer Experiment) die seismischen Wellen des kleinen Mondbebens aufzuzeichnen, welche das Innere des Mondes ergründen sollten. Für das Insignium der Mission wählte Kommandant Lovell eine Abwandlung des Mottos seiner Marineakademie (Ex scientia, tridens – “vom Wissen [kommt] die Seemacht”): Ex luna, scientia (“Vom Mond [kommt] das Wissen”).
Deutsche Masern
Der Starttermin war für den 11. April 1970 angesetzt. Ursprünglich war der 12. März geplant gewesen, aber das Apollo-Programm wurde bereits gekürzt, die Mission 20 war gerade gestrichen worden, und man wollte zur Kostenersparnis die Flugfolge etwas strecken. Kurz vor dem geplanten Start gab es dann eine ungeplante Änderung: 7 Tage vor dem Start hatte sich Astronaut Charles Duke bei seinem Sohn mit den Röteln (englisch auch German measles, “deutsche Masern”) infiziert und erkrankte. Da Mattingly Kontakt mit Duke gehabt hatte und selbst nicht immun gegen die Röteln war, fürchtete man, er könne just während der Mission erkranken. Daher tauschte man ihn nur 2 Tage vor dem Start gegen Ersatzmann John L. “Jack” Swigert aus. Zwar erkrankte Mattingly nie an den Röteln, was in der Verfilmung von 1995 stark dramatisiert wurde (da waren es fälschlicherweise die Masern). Dennoch war die Entscheidung absolut richtig. Man durfte kein unnötiges Risiko eingehen, und genau deswegen gab es die Ersatzcrews.
Der Start erfolgte pünktlich am 11. April um 13:13h Ortszeit (21:13h deutscher Zeit) – da es nicht auf die exakte Minute ankam, hatten die Ingenieure die Uhrzeit absichtlich provokant gewählt, um dem Aberglauben die Zunge zu zeigen. Was dann nicht wirklich hinhaute.
Der Start verlief einigermaßen nominal. Allerdings wurde die Rakete von heftigen “Pogo-Oszillationen” geschüttelt, ausgelöst durch sich aufschaukelnde Schwingungen des Treibstoffs in den Tanks die zu Druckschwankungen im Einlass der Triebwerke und damit zu Schubschwankungen führten, welche wiederum den Treibstoff heftiger in den Tanks umher schwappen ließen – ein bekanntes Problem der Saturn V, welches bei dieser Seriennummer durch Kavitation (Blasenbildung) in der Turbopumpe jedoch besonders heftig ausfiel. Die Oszillationen führten zur Abschaltung des mittleren Triebwerks der zweiten Stufe, zwei Minuten vor der geplanten Zeit, was von den übrigen Triebwerken durch eine um 35 Sekunden verlängerte Brenndauer kompensiert werden konnte. Die dritte Stufe S-IVb erreicht mit einigen Sekunden Verspätung sicher den Erdorbit. 2 Stunden später nach dem Check aller Systeme feuerte die S-IVb erneut und beförderte Apollo 13 auf den Weg zum Mond. 100 Minuten später hatte Swigert die Mondlandefähre Aquarius mit dem aus Kommando- und Servicemodul bestehenden Apollo-Raumschiff Odyssey aus der S-IVb geborgen. Das Kommandomodul ist die Kapsel und das Servicemodul der zylindrische Teil des Raumschiffs mit Triebwerk, Steuerdüsen, Treibstoffbehältern, Sauerstoff und Stromversorgung durch Brennstoffzellen – alles, was man zum Betrieb des Kommandomoduls unbedingt brauchte.
Mit einem Knall in die Schlagzeilen
Das öffentliche Interesse an den Mondlandungen hatte inzwischen stark abgenommen, nur noch wenige Fernsehstationen berichteten live. Das blieb so bis zum 3. Missionstag, dem 13. April am späten Abend nach US-Zeit. Man war nur noch 26 Stunden vom geplanten Einschuss in den Mondorbit entfernt und das Raumschiff befand sich 330.000 km von der Erde entfernt und knapp 70.000 vom Mond. Nach einer 6 1/2 minütigen TV-Schaltung forderte EECOM Sy Liebergot (man kennt den kleinen Mann mit Brille, schwarzen Haaren und Mittelglatze aus dem Spielfilm – genau so sah auch der echte Liebergot aus) Swigert vom Kontrollzentrum aus auf, den Sauerstoff mittels eines im Tank eingebauten Ventilators umzuwälzen, eine tägliche Routineaktion, um eine gleichmäßige Temperatur im Tank herzustellen, was eine genauere Druckanzeige ermöglichte – die war nämlich nicht nominal gewesen.
95 Sekunden nach dem Abschalten der Ventilatoren kam es zu jenem großen Knall, der schicksalhaft für die Mission wurde. Dem Stack aus den beiden Raumschiffen wurde ein Stoß versetzt, der das Blech des Verbindungstunnels eindrückte wie eine Getränkedose – Gott sei Dank hielt er dicht! – und der die automatische Lageregelung auslöste, welche die Steuerdüsen in Aktion versetzte. Der Strom schwankte, der Computer crashte und die Funkverbindung zur Erde brach für knapp 2 Sekunden ab, weil die Richtantenne ihre Ausrichtung verlor, bevor die Systeme auf die Breitbandantenne umschalteten. Als erster funkte Swigert “Okay, Houston, wir hatten hier ein Problem” und auf Rückfrage vom Capcom Jack Lousma “Bitte wiederholen” sagte Lovell dann: “Houston, wir hatten Problem. Wir hatten eine Hauptbus-B-Unterspannung”.
Dass der kurzfristige Spannungsabfall im Versorgungsstromkreis B, auf den er sich bezog, nicht das wirkliche Problem war, wusste er da noch nicht. Nach dem Knall hatte Lovell zuerst angenommen, Haise hätte wieder einmal zum Scherz das Belüftungsventil der Aquarius eingeschaltet, mit dessen Geräusch er die Crew gerne erschreckte, aber er konnte an Haises verblüfftem Blick erkennen, dass dem nicht so war. Swigert dachte an einen Meteoroideneinschlag, aber man fand kein Leck. Jedoch begannen alsbald beide Versorgungsstromkreise an Spannung zu verlieren, weil zwei Brennstoffzellen, mit denen aus Sauerstoff und Wasserstoff Strom erzeugt wird, tot waren. Sy Liebergot bemerkte, dass Sauerstofftank 2 keinerlei Druck mehr anzeigte, allerdings hielt er dies zunächst für einen Fehler der Sensoren – wie sollte denn auch der Druck in Tank 2 plötzlich Null sein? Er verließ sich vielmehr auf die Anzeige von Tank 1 und nahm an, dass Tank 2 den selben Druck haben müsse. Bis Lovell aus dem Fenster schaute und meldete, dass sie etwas ins All ventilierten. “Eine Art Gas”. Es war der komplette Sauerstoff des Servicemoduls. Nach ca. einer halben Stunde und bei stetig fallendem Druck in Tank 1 nahendem Ausfall der dritten und letzten Brennstoffzelle, die sich bereits aus dem separaten Sauerstoff-Ausgleichstank der Kapsel zu bedienen begann, dämmerte es Liebergot und er bat darum, den Ausgleichstank von der Zelle zu isolieren, die damit ebenfalls starb; den Sauerstoff würde man spätestens beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wieder benötigen. Das Servicemodul lieferte nun keinerlei Strom mehr. Das Kommandomodul stillte seinen Stromhunger währenddessen an den Batterien, die man ebenfalls für den Wiedereintritt benötigte.
Die Odyssee der Odyssey
Wäre das Unglück im Mondorbit oder auf dem Rückflug vom Mond passiert, dann wäre das Raumschiff manövrierunfähig und die Crew mit begrenztem Sauerstoff verloren gewesen. Aber man hatte ja noch die Mondlandefähre angedockt, die volle Sauerstoff- und Treibstofftanks und Batterien hatte, und der leitende Flugdirektor Gene Kranz, der mit seinem “White Team” die Kontrolle im Leitzentrum Houston übernahm, entschied, dass man die Aquarius als Rettungsboot nutzen werde und das Abstiegstriebwerk für Kurskorrekturen. Man befand sich nämlich nicht auf einer freien Rückkehrbahn, die von alleine nach einer Runde um die Mondrückseite wieder 8-förmig zur Erde zurück führen würde, sondern musste sich zunächst auf diese einschießen. Um mit dem Stack aus beiden Raumschiffen entsprechende Manöver zu fliegen, musste Lovell vor dem kompletten Abschalten des Kommandomoduls die Daten über die Orientierung und Flugrichtung händisch aus dem Führungssystem des Kommandomoduls in dasjenige der Mondlandefähre übertragen, wozu er nur 15 Minuten Zeit hatte, bevor die Kapsel komplett heruntergefahren werden musste, um die Batterieladung zu erhalten. Und danach musste er den Apollo-Leitrechner (Apollo Guidance Computer, AGC) der Aquarius gemäß Anweisung vom Boden umprogrammieren. Auch dies geschah händisch, Befehl für Befehl; die Navigationsprogramme ähnelten denen früher programmierbarer Taschenrechner. Die Techniker am Boden begaben sich umgehend an die Erstellung der Software. 5 1/2 Stunden nach dem Unglück beförderte der umprogrammierte AGC den Raumschiffstack mit Hilfe des Abstiegstriebwerks der Mondlandefähre auf die freie Rückkehrbahn zur Erde.
Dort wäre das Raumschiff nach einer verbleibenden Flugzeit von 4 Tagen allerdings im Indischen Ozean nieder gegangen, wo es kaum Bergungsschiffe gab . Vor allem befürchtete man jedoch, dass Batteriestrom und Wasser der Aquarius knapp werden könnten (die Mondlandefähre hatte keine Brennstoffzellen), so dass die für die Flugbahn zuständigen FIDOs (Flight Dynamic Officers) vorschlugen, die Rückkehrbahn durch ein weiteres Manöver 2h Stunden nach Passieren des mondnächsten Punkts (Pericynthion) – daher als PC+2-Manöver bezeichnet – um etwas mehr als einen Tag zu verkürzen. Dies würde eine Wasserung im Pazifik ermöglichen, wo sie auch ursprünglich geplant war.
Im Pericynthion stellte das Raumschiff am 15. April um 2:21 MESZ einen immer noch gültigen und im Guinness Buch der Rekorde verzeichneten Rekord für die größte Entfernung auf, die Menschen je von der Erde erreicht haben: 400.171 km. Während die Crew das PC+2-Manöver vorbereitete, teilte Kranz ihr mit, dass die S-IVb-Oberstufe erfolgreich auf dem Mond eingeschlagen sei, worauf Lovell lakonisch meinte “Wenigstens irgendwas, das bei diesem Flug funktioniert”. Mehr als die Sorge um seine Rückkehr beschäftigte ihn, dass er gerade seine ersehnte Mondlandung verloren hatte. Der Titel seiner Biografie, nach welcher das Drehbuch zum Spielfilm “Apollo 13” verfasst worden war, lautet denn auch “Verlorener Mond” und er beklagt darin ausgiebig diesen Verlust. Während Haise und Swigert sich bei der Mondumrundung die Nasen an den Lukenfenstern platt drückten, “Ahs” und “Ohs” ausriefen und ausgiebig Fotos machten, verzog sich Lovell in die Schmollecke. Es hatte ihn schon geärgert, dass Armstrong vor ihm auf dem Mond gewesen war, und nun das – zweimal zum Mond geflogen, ohne zu landen. Einfach furchtbar!
Um die Lage des Raumschiffs vor dem einem Manöver zu verifizieren, maß man normalerweise mit dem Sextanten die Richtung zu bestimmten Leitsternen, aber es flog immer noch so viel Schrapnell um das Raumschiff herum, dass Lovell beim Navigieren für das PC+2-Manöver die Sterne nicht fand, so dass er sich alleine an Sonne und Mond orientieren musste. Das Manöver, bei dem das Abstiegstriebwerk fast viereinhalb Minuten ununterbrochen feuerte, gelang trotzdem perfekt mit nur 30 cm/s Abweichung von der Sollgeschwindigkeit.
Das Eckige muss ins Runde
Man hatte genug Sauerstoff an Bord, aber der Gehalt an Kohlendioxid in der Luft begann, auf ein gefährliches Maß zu steigen. Das giftige Gas wurde der Atemluft mittels Kanistern entzogen, die mit Lithiumhydroxidkügelchen gefüllt waren, welche das Gas absorbierten. In der Mondlandefähre waren ausreichend Kanister, um die Atemluft zweier Astronauten für die geplante Landemissionsdauer von 45 h zu filtern, aber nun mussten 3 Menschen 4 Tage damit auskommen. Man hatte zwar genug ähnliche Kanister für das Kommandomodul dabei, aber diese hatten eine rechteckige Form, während die Aufnahme in der Landefähre für runde Kanister ausgelegt war. So mussten sich die NASA-Ingenieure im Kontrollzentrum überlegen, wie man aus an Bord verfügbaren Utensilien wie Karten, Schläuchen, Plastikfolien und Klebeband einen Adapter basteln konnte, mit dem man die eckigen Kanister an die Luftkanäle der Aquarius anschließen konnte. Nachdem eine Konstruktion erdacht worden war, wurde sie während einer einstündigen Session an Swigert und Haise durchgegeben, die sie dabei sofort umsetzten. Am Ende hatten sie einen funktionierenden Luftfilter, und der Kohlendioxidgehalt begann sofort zu fallen.
Ein anderes Problem waren die Wasservorräte. Haise berechnete, dass das Kühlwasser der Aquarius voraussichtlich 5 Stunden vor Erreichen der Erde verbraucht sein würde. Das Risiko erschien akzeptabel, weil man wusste, dass die Aufstiegsstufe der Apollo-11-Mondlandefähre Eagle nach ihrem Abtrennen von der Kommandokapsel Columbia noch 7 oder 8 Stunden ganz ohne Kühlwasser weiter funktioniert hatte. Swigert konnte noch etwas Trinkwasser aus dem Kommandomodul in Beutel abfüllen und die Crew rationierte ihren Verbrauch auf 0,2 Liter pro Person und Tag – was Haise schließlich eine fiebrige Blasenentzündung einbrachte. Die Besatzung verlor in Summe 14 kg an Gewicht. Aber immerhin verdurstete niemand.
Um Batteriestrom zu sparen, wurden alle verzichtbaren Stromverbraucher abgeschaltet, darunter auch die besonders energiehungrige Heizung. Dadurch fiel die Temperatur in der Landefähre bis auf 3°C. Einer der Beutel mit Trinkwasser gefror gar. Lovell erwog, die Raumanzüge anzuziehen, die aber wiederum nach Verbrauch ihres Batteriestroms die Temperatur nicht mehr regeln konnten und dann zu warm geworden wären. So zogen Haise und Lovell nur ihre Überziehstiefel an (wer warme Füße hat, friert nicht so leicht), während Swigert, der keine Stiefel hatte (aber nasse Socken vom Hantieren mit den Wasserbeuteln), einen zweiten Satz Unterwäsche anzog. Außerdem wickelte die Crew sich manchmal in die aus nur dünnem Tuch bestehenden Schlafsäcke im Raumschiff. Die ausgeatmete und aus den Urinbeuteln ausgetretene Feuchtigkeit schlug sich mangels laufendem Wasserabscheider alsbald auf Lukenfenstern und Instrumenten nieder, alles wurde klitschnass. Glücklicherweise hatte man nach dem Apollo-1-Feuer alle Kabel wasserdicht isoliert, so dass man keine Kurzschlüsse befürchten musste.
Pi mal Daumen in den Wiedereintritt
Vor dem Wiedereintritt musste die Crew nochmals ein Kurskorrekturmanöver fliegen, diesmal ohne den nach dem PC+2-Manöver ausgeschalteten Bordcomputer – es war zu aufwändig, ihn wieder in Betrieb zu nehmen und mit Lagedaten zu füttern. Denn der Eintrittswinkel musste auf 2° genau eingehalten werden – zu flach, und die antriebslose Kapsel würde an der Atmosphäre abprallen und zurück ins All katapultiert werden. Zu steil, und sie würde verglühen. Dazu orientierte Lovell sich am Erdterminator, der Tag-Nacht-Grenze auf der Erde. Ein Manöver, das er einmal im Rahmen eines Tests auf dem Apollo-8-Flug versucht hatte, allerdings weit weg von der Erde mit einem funktionierenden Computer, der sie jederzeit wieder auf Kurs bringen konnte. Während Swigert die Zeit des Brennstoßes stoppte, bedienten Lovell und Haise die Steuerdüsen manuell, jeder von beiden für eine Achse (Neigung und Rollen) zuständig.
Kurz nach dem Manöver koppelte Swigert das Servicemodul ab, und die Crew bekam zum ersten Mal den Schaden an dessen Außenhülle zu sehen: ein Paneel war über die volle Länge des Raumschiffs aufgerissen und dessen Innereien klafften heraus. “Mann, das ist unglaublich!” entfuhr es Haise.
Nun galt es noch, die Kapsel wieder in Betrieb zu nehmen. 3 1/2 Tage hatten Ken Mattingly und Flight Controller John Aaron (der selbe, der bei Apollo 12 “Versucht SCE auf AUX” vorgeschlagen hatte), daran getüftelt, wie man das Kommandomodul im Batteriebetrieb wieder hochfahren konnte. Die Zeit bis zum Wiedereintritt war so knapp bemessen, dass Swigert beim Befolgen der Anweisungen keinen einzigen Fehler machen durfte. Es blieb keine Zeit, im Fehlerfall nochmals von vorne zu beginnen. Weil alles nass war, schaltete Swigert zunächst alle Sicherungen aus und schaltete sie beim Hochfahren in Sechsergruppen wieder ein, zwischen denen er nach dem Geruch von verschmortem Kabel witterte. Um Strom zu sparen, wurden die Instrumente ganz zuletzt als finaler Check eingeschaltet – so dass auch erst am Ende fest stand, ob alle Systeme liefen. Der übermüdete und frierende Swigert musste mit zitternden Fingern gewissermaßen blind arbeiten. Aaron gestand später, dass er den Zustand der Besatzung, die sich nie beklagt hatte, völlig außer Acht gelassen hatte, und dass es ihm heute noch kalt den Rücken herunter laufe, wenn er daran dachte, was er Swigert zugemutet hatte. Es dauerte zwei Stunden, dann war die Kapsel wieder im vollen Betrieb.
Schließlich stiegen die beiden anderen Crewmitglieder ebenfalls in die Kapsel um und dockten die Aquarius ab. Nun blieb noch zu hoffen, dass das Wiedereintrittsmanöver gelang – dass der Hitzeschild durch die Explosion keinen Schaden genommen hatte und die Fallschirme inzwischen nicht zu Eisklumpen gefroren waren.
Beim Wiedereintritt umhüllt das Raumschiff eine Plasmawolke, die leitend ist und keine Radiowellen durchlässt. Am Boden hoffte man, wie gewohnt nach spätestens 4 Minuten Blackout eine Antwort auf die Anfragen von Capcom Joe Kerwin zu erhalten. Aber die vier Minuten verstrichen ohne Antwort. 5 Minuten ebenso. Da die Kapsel aufgrund der Handsteuerung relativ flach in die Atmosphäre eingetreten war, dauerte die Plasmaphase um die Hälfte länger und verursachte im Kontrollzentrum und an den Bildschirmen heftiges Nagelkauen und Zähneklappern. Besonders die bei der Live-Übetragung zuschauenden Familien der Astronauten müssen fürchterlich gelitten haben, bis schließlich nach 6 Minuten die erlösende Antwort von Swigert kam: “Okay Joe”. Die Fallschirme funktionierten dann auch tadellos und die Kapsel wasserte nur 6,5 km vom Hubschrauberträger Iwo Jima entfernt, der die Bergung vornahm. Sogar die Sowjetunion hatte 4 Schiffe in das Gebiet entsendet, um gegebenenfalls Hilfe zu leisten.
Die Besatzung war 45 Minuten später an Bord der Iwo Jima und wurde frenetisch begrüßt. Präsident Richard Nixon meldete sich telefonisch und beglückwünschte auch die Familien durch persönliche Anrufe. Er prägte den Begriff des “erfolgreichen Fehlschlags”: die eigentliche Mondlandung war zwar fehlgeschlagen, aber die Rettung der Crew war ein Erfolg. Am folgenden Tag ließ Nixon sich zu Luftwaffenbasis Hickham auf Hawaii fliegen, wo er den Astronauten die Freiheitsmedaille verlieh.
Ursachenfindung
Ein halbes Jahr nach Apollo 13 war eigentlich schon die nächste Mission geplant gewesen, aber zunächst wurden alle weiteren Flüge suspendiert und man machte sich an die Fehlersuche. Schon im Juni lieferte das Untersuchungsteam den Abschlussbericht.
Ursächlich für die Explosion war ein Kurzschluss zweier Kabel im Sauerstofftank 2, deren Teflonisolation sich gelöst hatte. Als Swigert die Ventilation des Tanks eingeschaltet hatte, hatten sich die Kabel berührt und der resultierende Funke führte im reinen Sauerstoff sofort zu einem Kabelbrand. Das sich ausdehnende erhitzte Gas sprengte den Tank und beschädigte den benachbarten Sauerstofftank 1, der somit ebenfalls seinen Inhalt einbüßte.
Aber wie war es überhaupt zu der Beschädigung der Kabelisolation gekommen? Schuld war hier ein Thermoschalter, der überwachte, dass der Tank, der z.B. beim Entlüften beheizt werden konnte, nie über 27°C (80°F) erwärmt wurde und andernfalls die Heizung unterbrach. Zu Beginn waren die Thermoschalter in den Tanks für eine Betriebsspannung von 28 V ausgelegt worden. Im Rahmen eines Redesigns kamen 1965 neue Schalter zum Einsatz, die mit 65 V betrieben wurden. Der Schalter, der im Tank von Apollo 13 endete, war nun versehentlich eines der 28-V-Modelle, was alleine noch nicht problematisch war, solange der Schalter nicht aufgrund von Erwärmung in Aktion trat. Im Rahmen von Montagearbeiten war der Tank zunächst 5 cm tief auf den Boden gefallen, was nicht als problematisch angesehen worden war. Jedoch wollte er sich dann bei einem Betankungstest im Rahmen des Countdowns nicht richtig entleeren, und so schaltete man die Tankbeheizung ein, um das Gas auszutreiben. Dabei wurde der Thermoschalter ausgelöst; er erhitzte sich auf über 500°C, schmolz teilweise und ließ die Isolation an den Zuführungsleitungen abbröckeln. Das fiel niemandem auf, weil die zuständigen Temperatursensoren nur bis 29°C anzeigten. Und so endete der Tank mit den blanken Kabeln in der Apollo 13 – ausgerechnet in der Nummer 13. Wie so oft hatte eine Verkettung von unglücklichen Umständen zu dem Unglück und beinahe zu einer Tragödie geführt.
Nachdem die Ursache identifiziert und Gegenmaßnahmen getroffen waren, konnte das Programm mit einem halben Jahr Verzögerung wieder aufgenommen werden. Apollo 14 sollte im Februar 1971 die Landung in der Fra-Mauro-Region nachholen.
Apollo-13-Galerie
Wie bei allen Apollo-Artikeln gibt es auch hier eine Fotostrecke. Mit den Pfeilen oben links und rechts kann man blättern, ein Klick auf das Bild öffnet es in voller Größe in einem neuen Fenster.
Referenzen
- David Woods, Johannes Kemppanen, Alexander Turhanov and Lennox J. Waugh, "Apollo 13 Flight Journal", NASA History Division, 11. März 2020.
- en.wikipedia.org, "Apollo 13".
- Apollo 13 Timeline, NASA History Division
- Youtube, "Apollo 13: Home Safe", NASA, 10. April 2020
- Eric M. Jones, Brian W. Lawrence, "Apollo 13 Image Library", NASA History Division, 16. April 2016.
- Stephen Cass, "Apollo 13, We Have a Solution: Part 3", IEEE Spectrum, 01. April 2005.
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-13, Flickr.
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 13 Magazine 59/R, Flickr.
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 13 Magazine 60/L, Flickr.
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 13 Magazine 62/JJ, Flickr.
- Kipp Teague, "Apollo Image Gallery", The Project Apollo Archive, 2020.
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