Neben der Sonne ist der Mond das auffälligste Objekt am Himmel. Dementsprechend viele Mythen hat der Mond auch bisher inspiriert. Aber auch astronomisch gesehen ist der Mond ein extrem wichtiger Himmelskörper. Und seine Entstehungsgeschichte zeigt, dass chaotische Bahnen und Kollisionen von Planeten nicht immer nur schlechte Eigenschaften haben.
Wie ist der Mond entstanden? Das fragen sich die Menschen schon lange (u.a. auch einige Leser meines alten Blogs – deswegen nun dieser Beitrag). Auf die diversen religiösen und mythologischen “Theorien” möchte ich aber jetzt nicht eingehen. Aber auch seriöse wisssenschaftliche Theorien gab es im Laufe der Zeit einige. Und die möchte ich hier ein bisschen näher vorstellen.
Abspaltung von der frühen Erde
Der Sohn von Charles Darwin, George Darwin, hat Ende des 19. Jahrhunderts spekuliert, dass die Erde früher sehr viel schneller rotiert hat als heute. Dadurch soll sich ein Teil der Erde abgelöst haben und hat sich zum Mond geformt. Der Pazifik soll die “Narbe” dieser Ablösung darstellen. Auch wenn diese Theorie z.B. die Größe oder die Zusammensetzung des Mondes recht gut erklärt, gibt es doch einige gravierende Probleme. Die Erde hat früher zwar tatsächlich schneller rotiert – aber damit eine Ablösung wie oben beschrieben stattfinden kann, müsste sie sich circa einmal in 2 bis 3 Stunden um ihre eigene Achse drehen! Und so eine hohe Rotationsgeschwindigkeit ist kaum vorstellbar (und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass die Erde sich früher so schnell gedreht hat). Auch der Pazifik ist keine “Narbe” – er entstand durch die Plattentektonik. Trotzdem war die Theorie für die damalige Zeit nicht schlecht und galt bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts als Standardtheorie der Mondentstehung. Danach mehrten sich die Kenntnisse über die Rotation der frühen Erde; auch die Apollo-Missionen der USA brachten neue Erkentnisse. Heute hat diese Theorie nur noch historischen Wert.
Die Erde fing sich den Mond
Ein bisschen später (Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts) hat Thomas Jefferson Jackson See, ein amerikanischer Astronom, eine neue Theorie vorgeschlagen. Der Mond soll von der Erde “eingefangen” worden sein. Der Mond war demnach ein Planetesimal (das sind quais die “Bausteine” aus denen sich in der Frühzeit des Sonnensystems die Planeten gebildet haben – diejenige, die heute noch übrig sind, bezeichnet man meistens auch als Asteroiden) das anderswo im Sonnensystem entstanden ist. Erde und Mond kamen sich dann nahe – und der Mond wurde durch die Gravitationskraft der Erde eingefangen und bewegte sich fortan um unseren Planeten herum. Dieses Ereignis wäre aber extrem unwahrscheinlich! Ausserdem gibt es noch andere Dinge, die sich mit dieser Theorie nicht erklären lassen – z.B. die Tatsache, das Erde und Mond eine enorm ähnliche isotopische Zusammensetzung aufweisen (d.h. das die chemischen Elementen in den gleichen Varianten sowohl auf der Erde als auch am Mond zu finden sind).
Schwester Mond
Die sg. “Schwesterplaneten-Theorie” wurde 1944 von Carl Friedrich von Weizsäcker aufgestellt (im Prinzip geht sie aber auf Immanuel Kants Kosmogonie zurück). Demnach haben sich Erde und Mond gemeinsam und gleichzeitig aus dem Urnebel gebildet, der die frühe Sonne umgeben hat. Damit lässt sich aber nicht erklären warum der Mond so viel wenig dichter ist als die Erde – man würde erwarten, dass der innere Aufbau beider Himmelskörper weitesgehend identisch ist. Auch bleibt mit dieser Theorie unklar, warum die Mondbahn um 5 Grad gegenüber der Erdbahn geneigt ist.
Öpiks Theorie
Der für die Erforschung der Kleinkörper im Sonnensystem sehr wichtige Astronom Ernst Öpik stellte in den fünziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Theorie auf, die der Schwesterplanetentheorie sehr ähnlich ist: Demnach war die frühe Erde von einem Ringsystem aus eingefangen Gesteinstrümmern umgeben. Da es früher auch enorm viel mehr Asteroideneinschläge auf der Erde gab, war diese sehr heiß. Dadurch verdampfte viel Material – die leichten Elemente wurden vom Sonnenwind weggeblasen; aus den schwereren Elementen bildete sich zusammen mit Material aus dem Ring der Mond. Mit dieser Theorie kann man zwar die chemische Zusammensetzung des Mondes erklären – aber nicht, warum sein Drehimpuls soviel größer ist als der der Erde.
Viele, viele Monde!
In den sechzigern Jahren spekulierte Thomas Gold, dass die Erde früher vielleicht viel mehr Monde gehabt hatte. Für einen Himmelskörper ist es viel einfacher, kleinere Objekte einzufangen als große. Wenn die frühe Erde also früher vielleicht mehrere kleine Himmelskörper als Monde eingefangen hätte, dann hätten die im Laufe der Zeit miteinander kollidieren können und einen großen Mond bilden können. Dann stellt sich aber die Frage, warum nur die Erde so einen großen Mond hat? Warum ist dieser Prozess nicht bei anderen Planeten genauso abgelaufen – beispielsweise bei der Venus die der Erde in Größe und Zusammensetzung sehr ähnlich ist? Auch die chemische Zusammensetzung des Mondes lässt sich mit dieser Theorie nicht wirklich erklären.
Der große Knall
Nach so vielen Theorien die alle nicht funktionieren wird es langsam mal Zeit für eine die funktioniert. Das geschah 1975: da veröffentlichten William Hartmann und Donald Davis den Artikel “Satellite-Sized Planetesimals and Lunar Origins” in der Fachzeitschrift Icarus (Band 24, Seite 504). In diesem Artikel stellten sie die Hypothese auf, dass die frühe Erde mit einem anderen Protoplaneten kollidierte. Zu der Zeit, als die Planeten in unserem Sonnensystem entstanden, kann es nämlich durchaus noch mehr große Himmelskörper gegeben haben als jetzt. Damals war das Sonnensystem voll von Planetesimalen – manche sehr groß, viele sehr klein. Kollisionen waren an der Tagesordnung und führten dazu, dass sich aus den Planetesimalen die heutigen Planeten zusammensetzten. Viele dieser Planetesimale wurden durch die nahen Begegnungen auch aus dem Sonnensystem geschleudert oder stürzten in die Sonne. Und eines dieser Planetesimale – etwa so groß wie der Mars – soll mit der Proto-Erde zusammengestoßen sein. Heute hat man diesem Objekt den Namen Theia (nach der Mutter der Mondgöttin Selene) gegeben.
Diese Kollision erfolgte nicht frontal sondern streifend – dabei wurde viel Material aus dem Erdmantel und dem Mantel von Theia weggeschleudert und sammelte sich in einer Umlaufbahn um die Erde. Innerhalb sehr kurzer Zeit bildete sich aus diesem Material ein Proto-Mond der im Laufe der nächsten etwa zehntausend Jahre das restliche Material einsammelte und zu seiner heutigen Größe anwuchs. Der Mond war zu dieser Zeit noch sehr viel näher an der Erde (der Abstand betrug nicht knapp 400000 km wie heute sondern nur etwa 60000 km). Die Gezeitenkräfte waren deswegen auch enorm stark und die daraus resultierende Gezeitenreibung bremste die Rotation von Erde und Mond um ihren gemeinsamen Schwerpunkt schnell ab und beide entfernten sich voneinander.
Das ist die Theorie, die heute als die wahrscheinlichste angesehen wird. Es hat zwar einige Zeit gedauert, bis sie sich durchgesetzt hat (der Umschwung kam erst 1984 bei einer Konferenz in Hawaii). Die Theorie erklärt, warum das Material des Mondgesteins so sehr dem des Erdmantels ähnelt – denn nach dieser Theorie besteht der Mond zu einem großen Teil eben genau aus dem Material des Erdmantels! Die Theorie erklärt auch die geringe Dichte des Mondes – da der Mond fast nur aus Mantelmaterial besteht muss seine mittlere Dichte geringer sein als die der Erde die ja im inneren einen großen Kern aus Eisen hat. Viele Details müssen zwar noch geklärt werden (Kollisionen dieser Art lassen sich auch heute noch nicht so einfach am Computer simulieren und viele Fragen bezüglich des genauen Ablaufs der Kollision sind noch ungeklärt) – aber im Gegensatz zu allen anderen Theorien gibt es hier zumindest keine groben Widersprüche zu den Beobachtungsdaten!
Um endgültige Gewissheit zu bekommen braucht man mehr Daten! Man müsste auf dem Mond – so wie auf der Erde – geologische Untersuchungen und Bohrungen durchführen. Dazu muss man natürlich wieder Menschen auf den Mond bringen. ESA und NASA planen das – aber wann genau es so weit sein wird, ist noch absolut ungewiss.
Natürlich gibt es über den Mond noch viel mehr zu sagen. Der Mond hat großen Einfluss auf die Erde. Damit meine ich nicht den esoterischen Blödsinn, der in den verschiedenen “Mondkalendern” zu lesen ist. Aber jeder, der schon mal am Meer war, hat wahrscheinlich schon mal den Einfluss der Gezeiten erlebt. Und vieles deutet darauf hin, dass ohne den gravitativen Einfluss des Mondes auf die Erdachse kein höheres Leben auf der Erde möglich wäre. Der Mond ist also nicht nur schön anzusehen – vielleicht wären wir ohne ihn (und das Chaos, das in der Frühzeit des Sonnensystems herrschte) gar nicht erst hier! Dazu aber mehr in den nächsten Tagen!
Weiterführende Informationen
- Harald Lesch spricht bei Alpha Centauri über den Ursprung des Mondes
- Eiichiro Kokubo vom National Observatory of Japan hat eine sehr schöne Animation zur Entstehung des Mondes
- Ein schönes Diagramm zur Entstehung des Mondes aus einem Nature Artikel von Canup & Asphaug (2001)
- Zur Altersbestimmung des Mondes
- Das Aurora-Programm der ESA plant eine bemannte Mission zum Mond im Jahr 2024
- Und für die, die Lust haben, sich mit Pseudowissenschaften zu beschäftigen gibt es auch noch die Mondentstehungs”theorie” von Tadeusz Tumalski
P.S.
Hier noch ein kleiner Kommentar in eigener Sache. Ich habe ja schon seit einiger Zeit Probleme mit meinem Computer. Mein Bruder hat mir nun netterweise einen seiner alten Computer (der aber trotzdem besser ist als der, den ich jetzt habe 😉 ) zukommen lassen!
Als Dank kann ich allen Lesern hier mal empfehlen bei seinem Blog vorbeizuschauen. Dort gehts thematisch zwar ganz anders zu als hier – aber ich bin sicher, der eine oder andere meiner Leser hat auch Interesse an Rollenspielen u.ä. 😉
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