Ich hatte heute das Vergnügen der Ehrenpromotion von Herbert Kroemer an der Universität Jena beizuwohnen. Kroemer hat 1947 sein Physikstudium an der Uni Jena begonnen und 2000 den Nobelpreis für Physik bekommen. In seinem Festvortrag zum Thema “Von der Forschung zu den Anwendungen: Determinismus und Opportunismus?” sprach er einige sehr wichtige Dinge an.
Herbert Kroemer bekam den Nobelpreis (gemeinsam mit Schores Iwanowitsch Alfjorow und Jack Kilby) für die Entwicklung von Halbleiterheterostrukturen für Hochgeschwindigkeits- und Optoelektronik verliehen. Die grundlegende Forschung zu diesem Thema hat er schon in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts durchgeführt. Und als er damals seine ersten Überlegungen für einen Halbleiterlaser veröffentlichte waren die Reaktionen nicht sonderlich euphorisch: “Dieses Bauteil wird nie praktische Anwendungen haben” war laut Kroemers Vortrag die häufigste Reaktion. Grund dafür war, dass sein Laser nicht mit den bestehenden Lasern konkurrieren könnte. Aber “Niemand fragte, ob es Anwendungen geben könnte, die außerhalb des mit bestehenden Lasern möglichen liegen”.
Heute wissen wir, dass es für dieses Bauteil jede Menge Anwendungen gibt: CDs und DVDs wären ohne es nie entwickelt worden, es gäbe keine Glasfaser Kommunikationstechnologie (und damit kein schnelles Internet), keine modernen Handys, keine lichtemittierenden Dioden und vieles mehr. Schließlich, fast 50 Jahre nach seinen ersten Entdeckungen wurde Kroemer für seine maßgeblichen Entdeckungen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die spezielle Geschichte seiner Forschung und der daraus resultierenden Anwendung zeigen aber deutlich das Problem das bei der Bewertung von Forschungsfeldern existiert.
Kroemer verkündete in seinem Vortrag daher auch folgenden Satz den er als “das zentrale Lemma über die Anwendung neuer Technologien” bezeichnete:
“Die entscheidenden Anwendungen jeder hinreichend neuen und innovativen Technologie waren immer Anwendungen die von der Technologie selbst erst erschaffen wurden – und das wird auch in Zukunft so bleiben.”
In weiterer Folge beschrieb er das Problem der Vorhersagbarkeit wissenschaftlicher Durchbrüche:
“Revolutionäre Anwendungen neuer Technologien sind prinzipiell nahezu unvorhersehbar”
Seine “zentrale Lektion” lautet:
“Der Weg von Wissenschaft zu Technologie und Anwendungen ist oft opportunistisch, nicht deteministisch.”
Die Konsequenz aus dieser Lektion ist für ihn das man revolutionäre Anwendungen nicht vorhersagen kann; das es aber möglich ist, Forschungsrichtungen zu identifizieren, die vermutlich zu solchen Anwendungen führen werden. Das Auswahlkriterium für solche Forschungsrichtungen liegt im “Reichtum an neuen physikalischen Phänomenen”. Je mehr neue Phänomene vorhanden sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einem dieser Phänomene irgendwann mal eine neue revolutionäre Anwendung ableiten lässt. Es lässt sich allerdings nicht vorhersagen wohin der Weg führen wird und welche Anwendung am Schluss daraus entsteht. Kroemer nennt das “strategischen Opportunismus” und meint, dass mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu revolutionären Anwendungen führen wird “als das Verfolgen von scheinbar ‘sicheren’ naheliegenden Anwendungs-Wegen”.
Seinen Vortrag schloß Kroemer mit einer Beschreibung der “Illusion der ‘strategischen’ Forschung”:
“Der Druck, die Forschung auf vorhersagbare Anwendungen zu konzentrieren verzögert den Fortschritt statt ihn zu beschleunigen.”
Kroemer hat hier ein enorm wichtiges Thema angesprochen: Die Rechtfertigung der Grundlagenforschung. Als jemand der selbst reine Grundlagenforschung betreibt bin ich auch häufig mit diesem Problem konfrontiert. Politik, Industrie und andere Geldgeber für die Forschung verlangen heutzutage sehr oft rasche (finanziell) verwertbare Ergebnisse. Das bedeutet dass immer öfter der von Kroemer beschriebene Weg der “scheinbar sicheren naheliegenden Anwendung” begangen wird. Kurzfristig lassen sich so sicherlich viele neue Produkte, Patente, etc gewinnen. Aber wirklich neues wird man so nicht finden können! Um wirklich neue Anwendungen zu schaffen muss man auch Neuland in der Forschung betreten! Und dann kann man eben nicht vorhersagen, was am Ende dieser Forschung rauskommt. Oder wie lange es dauert, bis man zu einem Ergebnis kommt. Anders kann die Grundlagenforschung nicht funktionieren. Wenn Forschungsförderung immer nur für Projekte vergeben wird, bei denen am Ende sicher konkrete Anwendungen stehen, dann wird man damit wohl eine große Verbesserung des Status Quo erreichen – aber nichts neues. Wer revolutionäre Entdeckungen machen will, muss den Mut haben dorthin zu gehen, wo die Forschung hinführt und nicht stehen bleiben nur weil sich daraus nicht sofort ein finanziell verwertbares Produkt schaffen lässt!
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