Nemesis ist ein Stern, den es eigentlich gar nicht gibt. Besser gesagt: man weiß nicht, ob es ihn gibt oder nicht. Einige Wissenschaftler vermuten nämlich das unsere Sonne in Wirklichkeit ein Doppelstern ist.
Artensterben und unbekannte Sterne
Anfang der achtziger Jahre veröffentlichten die Paläontologen David Raup und John Sepkoski eine Arbeit mit dem Titel “Mass Extinctions in the Marine Fossil Record“. Darin untersuchten sie die zeitliche Verteilung prähistorischer Massensterben auf der Erde. Sie fanden, dass in der Vergangenheit der Erde schon 12 große Massensterben stattfanden. Und zwar nicht zu beliebigen Zeitpunkten sondern immer in einem zeitlichen Abstand von etwa 26 Millionen Jahren!
Zwei Jahre zuvor veröffentlichte Luis Alvarez gemeinsam mit seinem Vater Walter, Frank Asaro und Helen Michel seine berühmte Untersuchung über das Aussterben der Dinosaurier. In ihrem Artikel “Extraterrestrial Cause for the Cretaceous Tertiary Extinction” wiesen sie nach, dass das Massensterben vor etwa 65 Millionen Jahren dem die Dinosaurier zum Opfer fielen auf den Einschlag eines Asteroiden zurückzuführen ist.
Es lag also nahe, solche Ereignisse auch für die anderen Massensterben verantwortlich zu machen. Im Laufe der Zeit fand man auch passende Impaktsrukturen die zeitlich mit den Massensterben übereinstimmten. Das folgende Bild habe ich auf einer Konferenz bei einem Vortrag von Christian Köberl gemacht (einer der großen Experten auf dem Gebiet der Impaktforschung):
Man sieht deutlich, dass in periodischen Abständen eine sehr große Zahl an (marinen) Lebewesen ausgelöscht wurde. Die roten Punkten zeigen Krater an, die zeitlich mit dem Aussterben der Tiere übereinstimmen. Allerdings existieren nur beim sg. “K/T-Ereignis” (benannt nach der geologischen Übergangsschicht zwischen Kreide und Tertiär) – dem Aussterben der Dinosaurier – genügend klare Belege um einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Einschlag des Chixulub-Asteroiden auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko herzustellen.
Raup und Sepkoski stellten die Hypothese auf, dass alle Massensterben ursächlich auf Asteroideneinschläge zurückzuführen sind. Aber was könnte der Grund dafür sein, dass Asteroiden im Abstand von 26 Millionen Jahren auf der Erde einschlagen?
Wenn unsere Sonnen einen Begleiter hätte, einen anderen Stern, der sich großer Entfernung befindet aber trotzdem noch gravitativ an unser Sonnensystem gebunden ist, könnte das eine mögliche Erklärung sein! Dieser Stern würde auf seiner Bahn regelmäßig den äußeren Bereichen unseres Planetensystems nahe kommen. Dort befindet sich die sg. Oortsche Wolke. Diese “Wolke” besteht aus Unmengen von kleinen und großen Gesteinsbrocken und umgibt unser Sonnensystem kugelförmig in einem Abstand von bis zu etwa 1,5 Lichtjahren. Wenn nun ein Stern nahe an diese Wolke kommt, können seine gravitativen Störungen dafür sorgen, dass sich einige dieser Asteroiden aus der Oortschen Wolke in die innerern Bereiche unseres Sonnensystems bewegen und dort dann auch in die Nähe der Planeten bzw. der Erde kommen und schlußendlich mit ihr kollidieren.
Wo ist Nemesis?
Diesen hypothetischen Sonnenbegleiter nannte man Nemesis. Aber ausser den periodischen Abständen zwischen den prähistorischen Massensterben gab es keine weiteren Hinweise auf seine Existenz. Und müsste man einen Stern, der sich so nahe an der Sonne befindet, eigentlich nicht längst entdeckt haben?
Nicht zwingendermaßen. Natürlich kann Nemesis kein großer bzw. heller Stern sein. Aber ein kleiner Stern oder gar ein brauner Zwerg könnte durchaus noch unentdeckt sein. Der Himmel ist ziemlich groß – und wenn man auf einer Aufnahme einen schwachen Stern sieht kann man auf den ersten Blick nicht wirklich sagen, ob es sich um einen nahen, lichtschwachen oder einen fernen, leuchtstarken Stern handelt. Es ist also durchaus im Bereich des Möglichen, dass es noch einen unentdeckten Stern in unmittelbarer Nähe der Sonne gibt.
Aus den Informationen, die man durch die Periodizität der Massensterben ableiten kann, ergibt sich, dass die Bahn von Nemesis eine sehr langgestreckte Ellipse sein muss (die Exzentrizität beträgt etwa 0,7) die eine große Halbachse von etwa 100000 Astronomischen Einheiten hat (also 100000 mal länger als der Abstand zwischen Erde und Sonne). Es existieren auch noch andere Modelle mit etwas anderen Parametern – fest steht jedenfalls, das Nemesis, wenn sie den existiert eine stark elliptische Bahn haben muss.
Die Chancen, dass Nemesis tatsächlich existiert ist gering – aber die Möglichkeit besteht! Neue Teleskop-Systeme zur Himmelsdurchmusterung wie z.B. Pan-STARRS (Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System) oder LSST (Large Synoptic Survey Telescope) könnten Nemesis finden, wenn sie denn existiert.
Allerdings ist mittlerweile längst nicht mehr sicher, dass wirklich Asteroideneinschläge für alle Artensterben verantwortlich sind. Man konnte im Laufe der Zeit auch viele andere Mechanismen identifizieren, die Massensterben verursachen. Gewaltige Vulkanausbrüche und Schwefelwasserstoffproduzierende Bakterien können genauso gefährlich sein wie Asteroiden. Auch große stellare Explosionen (“Gamma-Ray-Bursts“) weit entfernt von unserem Sonnensystem haben in der Vergangenheit vielleicht Massensterben verursacht.
Das Universum ist also auf jeden Fall ein gefährlicher Platz – auch wenn keine unentdeckte Nemesis um unsere Sonne kreist.
P.S. Nicht wundern, wenn dieser Beitrag dem entsprechenden Artikel in der Wikipedia ähnelt. Den Wikipediaartikel habe ich nämlich letztes Jahr gemeinsam mit einigen Studenten im Rahmen einer Vorlesung selbst erstellt. Hier kann man sich ausnahmsweise einmal sicher sein, das dort nicht allzuviel Blödsinn steht 😉
Kommentare (21)