Am Samstag soll ein Asteroid in Ilmenau einschlagen. Allerdings nur in einem Projekt der Universitäten Ilmenau und Weimar. In Wirklichkeit besteht natürlich keine Gefahr für Thüringen.
“Deep Ilmpact”
“Im Frühjahr 2008 haben Astronomen einen Asteroiden entdeckt und für
den 28. Juni 2008 die Kollision des 200 m großen Himmelskörpers mit der
Erde vorhergesagt. Als Einschlagsort bestimmten die Wissenschaftler die
Kleinstadt Ilmenau am Rande des Thüringer Waldes.In einer
beispiellosen Aktion gelingt es den Ingenieuren der Technischen
Universität gemeinsam mit den Stadtvätern, ein Raumschiff in
Startbereitschaft zu versetzen, das die Flugbahn des Asteroiden
verändern kann. Einen herben Rückschlag erlebte das Projekt, nachdem
ein unabhängiger Gutachter offen legte, dass sich der Ort der
Katastrophe nur um wenige Kilometer ändern würde und ausgerechnet die
Kulturstadt Weimar in das Visier des kosmischen Geschosses geraten
soll. Die Nachricht löste weltweite Proteste unter den Freunden der
Klassikerstadt aus. Nun soll in einer Fernsehsendung über das Schicksal
der Städte entschieden werden. Sie können dabei sein und selbst zu Wort
kommen, wenn am 28. Juni um 20.30 Uhr über die Startgenehmigung des
Ilmenauer Raumgleiters entschieden wird.”
Das ist das Szenario auf dem das Projekt “Deep Ilmpact” basiert. In einer 90minütigen Internetsendung wird live über das Schicksal der Städte Ilmenau und Weimar diskutiert. Der Rektor der TU Ilmenau, Prof. Peter Scharff und der Leiter des Weimarer Goetheinstituts, Dr. Konrad Paul werden probieren, die Zerstörung “ihrer” Städte abzuwenden; dazwischen gibt es fiktive Reportagen und fingierte Expertengespräche. Die Zuschauer können über das Internet live an dieser fiktiven Dokumentation/Diskussion teilhaben und auch selbst ihre Meinung kundtun.
Der wissenschaftliche Hintergrund
Natürlich ist “Deep Ilmpact” erstmal ein künstlerisches Projekt. Hauptsächlich beteiligt sind das Institut für Medientechnik der TU Ilmenau und die Fakultät Medien der
Bauhaus-Universität Weimar. Bei der Erstellung dieses “Doku-Dramas” standen daher auch die medientechnischen Aspekte im Vordergrund und nicht die Naturwissenschaft.
Ich als Astronom muss aber natürlich trotzdem mal nachsehen, ob das Ausgangsszenario einigermaßen plausibel ist 😉
Der Asteroid, der Ilmenau zerstören soll hat einen Durchmesser von 200 Metern. Das ist schonmal recht glaubwürdig. Asteroiden dieser Größe gibt es im erdnahen Raum viele – und von diesen kleinen Objekten sind längst noch nicht alle bekannt. Es wäre also durchaus möglich, dass man kurzfristig einen Asteroiden entdeckt, der sich auf Kollisionskurs mit der Erde befindet. Insofern stimmt im “Deep Ilmpact”-Szenario noch alles. Aber auch die besten Bahnbestimmungsalgorithmen sind nicht in der Lage, den Einschlagsort so exakt festzulegen. Man könnte vielleicht berechnen, dass der Asteroid über Mitteleuropa niedergehen wird – der genaue Ort des Einschlags lässt sich allerdings nicht berechnen!
Aber lassen wir das mal als notwendige künstlerische Freiheit durchgehen. Wie sieht es mit dem Ilmenauer Raumschiff aus? Also wenn tatsächlich eine Kollision bevorsteht, dann wird vermutlich alles getan werden, um sie zu verhindern. Der Einschlag eines 200 Meter durchmessenden Asteroids hat allerdings nur lokale Folgen – es bleibt die Frage offen, wer sich in diesem Fall zuständig fühlt. Ich persönlich denke aber, dass auf jeden Fall alle wichtigen Industrienationen ihre Hilfe und Mitarbeit anbieten würden. Selbst dann wäre es aber fraglich, ob man in ein paar Monaten eine startbereite Mission auf die Beine stellen könnte. Das wäre selbst für geübte Organisationen wie die NASA schwierig – und für die Ilmenauer TU wohl doch eine Nummer zu groß 😉
Die Mission selbst ist aber keine reine Science-Fiction. Über mögliche Arten, einen Asteroideneinschlag zu verhindern habe ich ja früher schon mal geschrieben. Das wichtigste bei der Bahnänderung eines Asteroiden ist die Zeit! Je weniger Zeit man zu Verfügung hat, desto kleiner wird die Bahnänderung ausfallen. Wie genau das Ilmenauer Raumschiff versuchen wird den Einschlag abzuwenden, ist nicht spezifiziert. Da Weimar aber ein Stückchen östlich von Ilmenau liegt müsste der Asteroid genaugenommen ein wenig beschleunigt werden! Die Erde dreht sich ja von Westen nach Osten – liegt der ursprüngliche Einschlagsort in Ilmenau muss der Asteroid ein bisschen früher eintreffen als geplant, wenn er Weimar noch erwischen will.
Das ist aber sowieso alles nur Spielerei. Genauso, wie man nicht vorhersagen kann, wo der Asteroid genau einschlagen wird lässt sich auch nicht vorhersagen, wie sich eine mögliche Ablenkung auswirken würde. Ausserdem ist zu erwarten dass ein Asteroid dieser Größe noch in der Atmosphäre auseinanderbrechen wird (je nach Material in einer Höhe zwischen etwa 50 und 15 km). Und dann lässt sich noch schwerer sagen, was passieren wird und wo die Bruchstücke niedergehen.
In der Wahl zwischen Ilmenau und Weimar ist das Projekt dann aber wieder einigermassen konkret. Ein Asteroid, der in Ilmenau einschlägt ist zwar von Weimar aus durchaus noch zu spüren – die Weltkulturerbestadt bleibt aber stehen und weitesgehend unversehrt. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich um einen Asteroiden aus Gestein handelt, dann schlägt er bei seinem Einschlag in Ilmenau einen Krater der knapp einen Kilometer breit und zweihundert Meter tief ist. In Weimar spürt man dann aber keine nennenswerte Druckwelle mehr – man spürt ein leichtes Erdbeben und ein paar Fensterscheiben werden wohl zu Bruch gehen. Ein bisschen schlimmer wären die Auswirkungen wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt und es sich um einen massiven Eisenasteroiden handelt. Dann ist der entstehende Krater etwa 3 Kilometer groß und 500 Meter tief! Der Einschlag erzeugt eine “Feuerwolke” die sich bis nach Weimar ausbreiten wird und dort für die Menschen zwar nicht mehr unbedingt tödlich ist aber immer noch schwere Verbrennungen auslösen kann. Auch der Großteil der Bäume würde diese Hitze nicht überleben und die Druckwelle würde fast alle umwerfen (so wie es z.B. vor 100 Jahren in Tunguska passiert ist – siehe Bild oben). Die in Weimar spürbaren Erdbeben wären schwer: ältere Gebäude und Holzbauten würden einstürzen. Bei einem 200 Meter durchmessenden Eisenmeteoriten wären also Ilmenau und Weimar gleichermassen betroffen.
(Bei down2earth oder auch hier kann übrigens jeder selbst ausprobieren, was im Falle eines Impakts alles passieren kann).
Und was passiert sonst noch?
In der Sendung am Samstag wird aber nicht nur über die Auswirkungen des Einschlags diskutiert werden – auch die psychologischen Effekte der bevorstehenden Katastrophe werden besprochen werden:
“In den letzten Stunden vor der kosmischen Katastrophe berichten wir aus
den betroffenen Städten. Wir zeigen Menschen, die das bedrohte Gebiet
verlassen und andere, die trotz aller Warnungen ausharren wollen. Auf
den Aussichtspunkten des Thüringer Waldes haben Schaulustige und
Astronomiefreunde große Beobachtercamps eingerichtet. Einige
Randgruppen wollen mit paranormalen Ritualen die Katastrophe verhindern
und auf dem Immobilienmarkt brechen die Preise ein.”
Alles in allem klingt das nach einer recht spannenden und interessanten Sendung. Sofern ich die Zeit habe werde ich mir das am Samstag auf jeden Fall ansehen (hier ist nochmal der Link zur Live-Sendung im Internet). Und wenn sich dann am Sonntag entschieden hat, ob Ilmenau oder Weimar dem Untergang geweiht ist, werde ich vielleicht hier nochmal über die Sendung berichten (Glücklicherweise hat der Asteroid ja nur Thüringen im Visier – das EM-Finale am Sonntag in Wien und einem deutschen Sieg steht nichts im Weg 😉 )
Update (28.6.2008): Happy End! Auf himmelsmechanisch zweifelhafte Weise ist der Asteroid im letzten Moment in eine Umlaufbahn um die Erde eingeschwenkt. Als neuer “Mond” (mit namen “Philia“) umkreist er nun die Erde und Ilmenau und Weimar sind gerettet.
Zur Einstimmung habe ich noch einen netten Video-Trailer zu “Deep Ilmpact” gefunden:
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