Medikamente aus Hundekot? Klingt ein bisschen eklig – aber in der Homöopathie gibt es noch viel seltsamere Grundstoffe aus denen angeblich wirksame Medizin erzeugt werden soll.
Homöopathische Grundsubstanzen
Homöopathie ist eine seltsame Sache. Man nimmt eine bestimmte Grundsubstanz und verdünnt (“potenzieren”) sie bis zur Unkenntlichkeit – teilweise so stark, dass kein einzelnes Molekül der ursprünglichen Substanz mehr im fertigen Präparat vorhanden ist. Durch Schütteln oder Verreiben soll aber auf eine nicht näher spezifizierte Art und Weise (die auch keinerlei Grundlage in der Physik oder Chemie hat) die “heilende Information” des Grundstoffes auf das Lösungsmittel übergehen.
Ich möchte in diesem Artikel nicht auf die Mechanismen der Homöopathie und den Widerspruch zu den Naturgesetzen eingehen. Die der Homöopathie zugrundeliegende Unwissenschaftlichkeit und Unlogik haben außerdem andere schon ausführlich und gut beschrieben.
Aber während meiner Recherchen zum Artikel “EM 2008 und Homöopathie” und angeregt durch die Kommentare zu diesem Beitrag war ich verblüfft, was für seltsame Substanzen Homöopathen als Grundstoffe für ihre “Medikamente” verwenden. Viele Leute sehen Homöopathie ja als “sanfte, natürlich Alternative” zur “aggressiven Schulmedizin” und glauben, dass Homöopathie so etwas ähnliches ist wie Naturheilkunde, in der nur Heilpflanzen u.ä. verarbeitet werden. Viele Grundsubstanzen der Homöopathie sind tatsächlich pflanzlicher Natur. Es gibt aber auch eine große Menge anderer Stoffe. Im Endeffekt ist es natürlich egal, was als Ausgangsstoff verwendet wird: am Schluß erhält man sowieso nur ein Placebo das aus destilliertem Wasser, Alkohol oder Milchzucker besteht. Trotzdem ist es vielleicht interessant zu sehen, dass Homöopathen keine Hemmung haben, auch die seltsamsten Stoffe zu angeblichen Medikamenten zu verarbeiten.
Hundekot, Spinnen und Leopardenurin
Das Herz einer Amsel, das Gift einer Echse und das Blut einer Fledermaus: was klingt wie ein Rezept für einen Hexentrank sind in Wirklichkeit alles Grundstoffe für homöopatische Mittel. Aber auch viele andere tierische Stoffe werden verarbeitet: Steinadler, Koalabär, Giraffen, Bienen und Spinnen werden verwendet, genauso wie einzelne Teile und Körperflüssigkeiten der Tiere: Milch von Elefant und Delfin; Urin vom Leopard, Blut von Ratte oder Igel; das Fell eines Eisbären oder eben der Hundekot (Nachtrag 2012: Den Hundekot hat Remedia mittlerweile nicht mehr im Programm): kein Tier ist zu ausgefallen um nicht ein paar seiner Teile zu homöopathischen Mitteln zu verarbeiten.
Metalle, Steine, Drogen und Gifte
Aber nicht nur Lebendiges kann verwendet werden – auch das Reich der Metalle, Minerale und anderer unbelebter Dinge bietet ein weites Feld für die homöopathische Anwendungen. So ziemlich jedes Element des Periodensystems existiert auch als homöopathischer Grundstoff – unter anderem die radioaktiven Elemente Uran und Plutonium. Aber auch im Baumarkt kann man sich mit Ausgangssubstanzen eindecken: Aluminium, Gips und Zement können zu “Medikamenten” verarbeitet werden. Wer es etwas exklusiver haben möchte, der besorgt sich Potenzen auf der Basis von Meißner Porzellan oder Bergkristall vom tibetischen Berg Kailas.
Aber auch die gängigen Rauschmittel sind natürlich vertreten: Zigaretten, Cannabis, Koffein, Heroin und Opium finden sich in der homöopathischen Apotheke; genauso wie z.B. das Gift Arsen.
Nosoden
Eine besondere Gruppe der homöopathischen Grundsubstanzen sind die Nosoden. Das sind Mittel die aus erkranktem und pathologischen Material (Körperflüssigkeiten, Krankheitserreger, Krebszellen, …) hergestellt werden. So findet man in der Liste der homöopathischen Mittelchen u.a. Nosoden die auf folgenden Krankheitserregern basieren: Borreliose, Brustkrebs (bzw. jede andere Art von Krebs), Dengue Fieber, Diphterie, Windpocken, Hepatitis, Malaria, Multiple Sklerose, Pest und Tuberkolose. Nicht einmal AIDS feht in dieser Liste.
Es existieren auch die verschiedensten Präparate aus menschlichen Körperteilen, Organen und Körperflüssigkeiten. Muttermilch ist beispielsweise als Mischung der Milch von neun Frauen oder als “Milch einer Frau” Grundstoff für die Potenzierung. Auch Menstruationsblut oder die Plazenta können verwendet werden.
Natürlich sind die endgültigen Potenzen so weit verdünnt, dass es egal ist, was der Ausgangsstoff ist – bei der Arbeit mit Krankheitserregern und infektiösen Gewebe sollten aber auch die Homöopathen vorsichtig sein. Robert Münz, Gründer von Remedia, einer der größten Anbieter von homöopatischen Mittel, schreibt zur Nosodenherstellung:
“Dem Wunsch nach einer optimalen
Arzneimittelsicherheit – immerhin geht es ja bei den Ausgangsstoffen
von Nosoden meist um infektiöses Material – stehen
Herstellungsvorschriften gegenüber, die über das erwünschte Ziel weit
hinausschießen und eine für die Homöopathie suboptimale Regelung
darstellen.
Aus mangelndem Verständnis gegenüber dem Wesen der
homöopathischen Potenzierung wurden vom Gesetzgeber
Sicherheitsmaßnahmen in das Homöopathische Arzneibuch aufgenommen, die
ausschließlich dem Standard der Schulmedizin entsprechen, das Wesen der
homöopathischen Potenzierung aber nicht berücksichtigen. Man
vereinfachte die Entscheidungsfindung bei der Formulierung der
Herstellregeln und forderte, dass jede Form der Arzneizubereitung auch dem State of Art der Schulmedizin zu entsprechen hat.”
Der letzte Satz ist zumindestens beruhigend…
Schießpulver, Kondensmilch und Mondstrahlen
Und dann gibt es noch eine Unmenge an nicht kategorisierbaren seltsamen Grundstoffen. Coca-Cola, Fruchtsaft und Kondensmilch haben angeblich homöopathische Wirkung – nicht ganz so appetitlich sind Potenzen auf der Basis von verdorbenem Fleisch. Auch Asbest, Benzin oder ein simpler Spiegel können verarbeitet werden. Auch mit explosivem TNT oder Schießpulver lassen sich angeblich Heilerfolge erzielen. Sand vom Strand aus Gran Canaria, Erde vom Boden des Lake Mono oder Lava aus Arizona : alles kann man benutzen.
Auch das elektromagnetische Spektrum ist mit den Grundsubstanzen Gammastrahlung, Röntgenstrahlung, Mikrowellenstrahlung und Sonnenlicht vertreten (aber auch die Mondstrahlen fehlen natürlich nicht!). Bei der Potenzierung von Elektrizität und Feuer muss man schon ein bisschen kreativ werden – aber auch das klappt. Nichtmal vor physikalischen Unmöglichkeiten macht man halt: magnetische Nordpole (und natürlich auch Südpole) werden verarbeitet.
Dann gibt es noch Mittel, die gleich ganz allgemein auf der DNA basieren (welche DNA man hier verwendet wurde allerdings nicht spezifiziert). Sogar Antimaterie wird von Homöopathen zu “Medizin” verarbeitet und die “gefährliche” Handystrahlung kann angeblich zumindest in homöopathischen Dosen Gutes tun.
Auch Wasser kann anscheinend verdünnt werden und so ungeahnte Wirkungen entfalten: allerdings sollte es aus Heilquellen oder anderern mysteriösen Orten stammen. Zum Beispiel vom Jakobsweg.
Mein persönlicher Favorit ist allerdings die Grundsubstanz “TDM Mülleri”. Hinter dieser medizinisch-nüchtern Bezeichnung verbirgt sich ein ganz besonderer Ausgangsstoff: Tausend Deutsche Mark! Der Homöopath Karl-Josef Müller hat doch tatsächlich herausgefunden, welche Heilkraft im schnöden Geld steckt. Natürlich frage ich mich jetzt, ob ein Mittel auf der Basis von 500 Euro genau so gut wirkt wie “TDM Mülleri”? Und was macht man in ein paar Jahrzehnten, wenn keine Markscheine mehr da sind? Muss es wirklich ein Tausender sein? Oder reichen auch 10 Hunderter? Hier tut sich ein großes Forschungsfeld auf! 😉 Leider habe ich bis jetzt noch keine weiteren Informationen zur monetären Homöopathie gefunden – vielleicht frage ich mal direkt Herrn Müller!
Wie kommt man auf sowas?
Die obige Aufzählung war wirklich nur ein kurzer Einblick in die Vielzahl homöopathischer Grundsubstanzen. Auf den Websites der diversen homöopathischen Firmen (und auch in der Wikipedia) kann sich jeder selbst überzeugen, dass es anscheinend wirklich nichts gibt, dass nicht irgendwie zu einem homöopathischen “Medikament” verarbeitet werden kann.
Und das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich ansieht, wie die Homöopathen die “Wirksamkeit” ihrer Mittel bestimmen. Dazu werden sogenannte Arzneimittelprüfungen durchgeführt. Das klingt ja erstmal recht seriös. Es wird hier aber nicht überprüft, ob bestimmte Mittel bestimmte Krankheiten heilen können oder nicht.
Homöopathie basiert ja auf dem Ähnlichkeitsprinzip (“Simile-Prinzip”). Laut Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, kann gleiches durch gleiches geheilt werden: ein Mittel das Fieber auslöst, kann auch zur Heilung von Fieber verwendet werden; etwas, das bei gesunden Menschen zu Angstzuständen führt kann dazu benutzt werden, Angstzustände zu heilen.
Deswegen erfolgt eine Arzneimittelprüfung nur an gesunden Personen. Diese Testpersonen bekommen ein bestimmtes Mittel und beobachten, was passiert. Über Tage und Wochen hinweg wird Tagebuch geführt und die Leute schreiben alles auf, was in ihrem Körper und Geist vorgeht (auch Träume sind sehr wichtig!). Anhand dieser Informationen bestimmt ein Prüfer dann, was für Eigenschaften das entsprechende Mittel angeblich hat.
Es gibt auch sg. “Kontaktprüfungen”, bei denen das Mittel nichtmal eingenommen werden muss sondern nur am Körper getragen oder unter das Kopfkissen gelegt wird.
Mit dieser Methode ist natürlich sichergestellt, das man immer irgendetwas findet. Es gibt ja auch kein verbindliches Protokoll oder sonstige bindende Vorschriften für die Prüfung bzw. eine spezielle Ausbildung für den Prüfer. Hier kann man sich zum Beispiel das Protokoll einer Prüfung der Mikrowellenstrahlung ansehen. Da ja von Anfang an niemand weiß, was das Mittel bewirken soll, kann jeder der acht Probanden ganz frei spekulieren. Ein typischer Eintrag sieht z.B. so aus:
Prüfer 6:
Globuli erhalten. Ich bin gespannt, freue mich, hoffentlich klappts.
Gefühl, es geht keine Gefahr aus von dem Mittel.
Visualisierung: Ich sehe alten Seeräuberkapitän, der seinen
Lebensunterhalt durch Diebstahl verdient, dadurch aber früher oder
später eingesperrt wird. Er baut dadurch keine sichere Zukunft für sein
Kind auf. Er ist schwach, hätte er seinen Sohn mehr im Kopf, wäre er
jung.
Aus solchen subjektiven Äußerungen (“Das Mittel fühlt sich warm, weich und kuschelig an“), Träumen, Gefühlen, Vorstellungen und unspezifischen körperlichen Reaktionen konstruiert der Leiter der Prüfung dann das charakteristische Bild des homöopathischen Mittels. Dabei helfen natürlich auch jede Menge freie Assoziationen zum Thema:
“Die Mikrowellensignatur ist in den Prüfungsthemen deutlich erkennbar:
Das Thema “unsichtbar” teilt sich die Mikrowelle mit anderen Strahlenmitteln. Zumindest für X-Ray, Luna
und jetzt für Mikrowelle ist dieses Thema belegt. Es ist anzunehmen,
daß auch andere Strahlen dieses Thema besetzt haben, schließlich sind
sie weder sichtbar, noch kann man sie schmecken oder sonst wahrnehmen
(nur manche Tiere, u. a. Haie können elektrische Felder wahrnehmen)“
So kann natürlich alles eine Wirkung haben! Wenn ich eine Gruppe Leute bitte, mir über Tage hinweg alles aufzuschreiben, was in ihrem Kopf und Körper so vorgeht, dann bekomme ich immer mit Sicherheit genug Material um mir daraus irgendetwas zurechtzubasteln (Hier findet man noch weitere Prüfungsprotokolle, auch Google findet viele andere Beispiele). Daher verwundert es auch nicht, wenn die Liste der “wirksamen” Grundsubstanzen immer länger wird.
Ernsthafte Medizin oder esoterischer Aberglaube?
Wenn Menschen in der Apotheke oder beim Arzt die seriös aufgemachten homöopathischen “Medikamente” kaufen, dann sieht man nichts von dieser abergläubischen, “Hokuspokus”-Seite der Homöopathie. Die Vorstellung, sie wäre nur eine andere Form von “gesunder Naturheilkunde”, die mit Pflanzen und Kräutern arbeitet ist nur ein Mythos. In Wirklichkeit ist die Homöopathie durchdrungen von unlogischen und absurden Vorstellungen; anhand von Träumen und anderen unspezifischen Äußerungen wird eine nicht vorhandene Wirkung konstruiert und auf der Suche neuen “Wirkstoffen” ist nichts zu absurd, um “erforscht” zu werden.
In der Öffentlichkeit wird aber leider immer nur die “seriöse” Seite der Homöopathie gezeigt – wenn die Menschen wüssten, dass ihre “Medikamente” auf der Basis von Hundekot und Rattenblut hergestellt werden und das nur, weil ein paar Leute etwas seltsames geträumt haben, dann würden sie der Homöopathie vielleicht doch etwas kritischer gegenüber stehen.
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