Immer wenn man denkt, man hat mittlerweile schon alles gesehen, was die Welt an Blödsinn bereit hält, entdeckt man etwas neues. Beim Einkaufen bin ich heute an einer Auslage vorbeigekommen, in der für diverse “gesundheitsfördernde Produkte” geworben wurde (unter anderem für eine “Quantron-Resonanz-Therapie“. Das klingt fast so, als sollte Ulrich da mal einen Beitrag darüber schreiben). Der Verantwortliche für den ganzen Kram hat sich auf einem Plakat als “Geopathologe und Global Scaling Berater” bezeichnet. Geopathologie kannte ich schon – das ist nichts anderes als mit Wünschelruten durch die Gegend zu gehen. Aber was bitte ist “Global Scaling” und warum sollte ich mich darüber beraten lassen?
Was ist Global Scaling?
Eine kurze Internet-Recherche liefert erste Informationen: “Global Scaling” ist offenbar etwas das vom “Institut für Raum-Energie-Forschung in memoriam Leonard Euler” (IREF) betrieben wird. Das klingt ja schon vielversprechend… Ein paar weitere Klicks auf dieser Seite führen zu folgender schönen Beschreibung:
“Global Scaling gehört zu den gesichertesten Erkenntnissen der
modernen Naturwissenschaft und wurde bislang nur an elitären
Forschungseinrichtungen der Russischen Föderation gelehrt.”
Hmm – “den gesichertesten Erkenntnissen”? Eine kurze Suche bei ScienceDirect liefert nur zwei Artikel die “global scaling” im Titel haben (einer davon wurde sogar tatsächlich von russischen Forschern verfasst!). Auch wenn es sich in diesen beiden Arbeiten tatsächlich um das gleiche Phänomen handeln sollte wie jenes, das vom IREF erforscht wird, würde ich das nicht unbedingt zu den “gesichertesten Erkenntnissen” zählen. Gesicherte Erkentnisse findet man normalerweise in mehr Artikeln – und vor allem in Lehrbüchern (und dort ist zu diesem Thema auch nichts zu finden).
Was immer es auch ist, erfunden hat es ein gewisser Dr. Hartmut Müller:
“Der Physiker und Mathematiker Dr. Hartmut Müller, heute Leiter des
IREF, entwickelte Global Scaling an der Russischen Akademie der
Wissenschaften. Für seine wissenschaftliche Leistung verlieh ihm die
Internationale Interakademische Vereinigung in Moskau 2004 ihre höchste
Auszeichnung, den Vernadski-Stern Ersten Grades.”
Das klingt ebenfalls beeindruckend. Ich hab zwar keine Ahnung, ob die “Internationale Interakademische Vereinigung” (International Interacademic Union) eine relevante bzw. glaubwürdige Organisation ist (sie scheint zumindestens keine Homepage zu haben und auch sonst relativ wenig Spuren im Internet hinterlassen zu haben) – aber das ist ja auch vorerst egal. Die Glaubwürdigkeit einer naturwissenschaftlichen Theorie mißt man nicht an irgendwelchen Auszeichnungen sondern daran, ob sie die Natur richtig beschreibt oder nicht.
Ich habe mir daher mal das “Global Scaling Theorie Kompendium” (pdf) angesehen – in der Hoffnung, endlich mal ein paar konkrete Informationen zu finden.
Logarithmen und Fundamental-Fraktale
In diesem Kompendium wird zuerst mal ein historischer Überblick über Skaleninvarianz und logarithmische Wahrnehmung gegeben. Ein Beispiel dafür ist das Weber-Fechnersche Grundgesetz. Laut diesem Gesetz ändert sich die subjektive Stärke eines Sinneseindrucks logarithmisch mit der objektiven Intensität des Reizes. Deswegen gibt es in der Astronomie übrigens auch so eine “unpraktische” Einheit für die Helligkeit der Himmelskörper: die Magnitude ist proportional zum Logarithmus des Strahlungsstroms, der uns von einem Himmelskörper erreicht.
Dann gehts weiter mit Schwingungen – immer ein kritisches Wort, wenn es um Esoterik und Pseudowissenschaften geht. Die Theorie des Global Scaling stellt sich selbst in die Tradition von Johannes Keplers Harmonices Mundi, der “Weltharmonik”, in der Kepler eine musikalische Harmonie verkündete, die der “Schöpfer” in unser Sonnensystem eingebaut haben soll. Über Schwingungen wird nun auch endlich erklärt, was Scaling eigentlich ist (Seite 4):
“Scaling entsteht sehr einfach – infolge von Eigenschwingungsprozessen. Eigenschwingungen sind Schwingungen der Materie, die bereits bei sehr geringer Energiezufuhr entstehen.”
Naja – das erklärt eigentlich auch nicht wirklich was… Aber auf der nächsten Seite wird es konkreter. Ausgehend von der simplen Tatsache, das ein Grundton verschiedene Obertöne hat bzw. eine Grundschwingung verschiedene Unterschwingungen (siehe Bild rechts), wird eine “logarithmische, fraktale” Schwingung postuliert:
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