Der Wissenschaftsrat rügt die deutschen Professoren weil sie die Lehre an den Universitäten vernachlässigen (das meldet heute die Online-Ausgabe des Spiegel; der offizielle Bericht wird am Montag veröffentlicht).

Weitgehend Autodidakten” seien die Hochschullehrer; sie benötigen eine “professionell durchgeführten Aus- und Weiterbildung”.

Absolut! Es ist eigentlich völlig unverständlich, dass Lehrer an einer Universität keine entsprechende pädagogische didaktische Ausbildung haben/bekommen.

Auch die Tatsache, dass bei der Beurteilung einer wissenschaftlichen Karriere fast nur Augenmerk auf die Forschung gelegt wird, wurde kritisiert:

“Selbst eine offensichtliche Vernachlässigung der Lehre und der
Studentenbetreuung wird allenfalls in Ausnahmefällen sanktioniert

Erfolgreiche Forschung verhilft zu neuen
Geldern, Mitarbeitern und besserer Ausstattung, größeres Engagement in
der Lehre hingegen führt häufig zu höherer Arbeitslast durch mehr
Studierende und mehr Prüfungen.”

Da stimme ich absolut zu – und ich habe diese Einstellung ja auch schon in früheren Artikeln stark kritisiert (aber ich denke mal nicht, dass der Wissenschaftsrat mein Blog liest 😉 ).

Der Wissenschaftsrat will nun das über eine Milliarde Euro für mehr und bessere Lehre eingesetzt werden. Ausserdem sollen mehr Professorenstellen geschaffen werden.

Was sich aber auf jeden Fall ändern muss, ist die Einstellung zur Lehre. Die wird ja von vielen leider oft nur als störende Tätigkeit angesehen, die einem die Zeit für die Forschung nimmt. Und diese Sicht der Dinge kann man den Leuten nicht einmal übel nehmen – denn wer sich viel Zeit für die Lehre nimmt, wird im heutigen Wissenschaftsbetrieb ja wirklich bestraft. Bei Bewerbungen, Projektanträgen etc. wird fast ausschließlich anhand der Forschung und der Publikationen bewertet. Ob jemand gute oder schlechte Lehre macht, hat keinerlei Einfluss.

Und solange die Hochschullehrer keine Konsequenzen befürchten müssen wenn sie die Lehre vernachlässigen wird sich auch nichts ändern! Wenn man die Situation wirklich verbessern will, dann müssten wohl auch Organisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihre Richtlinien ändern und mehr Wert (bzw. überhaupt Wert) auf gute Lehre legen!

Denn meiner Meinung nach ist (gute) Lehre und Öffentlichkeitsarbeit um nichts weniger wichtig als gute Forschung! Ein Wissenschaftler der eine dieser drei Komponenten vernachlässigt macht meiner Meinung nach etwas falsch!

Kommentare (9)

  1. #1 Tobias
    6. Juli 2008

    Warum eigentlich nicht den Beruf des “Lecturers” an deutschen Hochschulen einführen? Ich kann mir gut vorstellen, dass es einige promovierte Wissenschaftler gibt, die sich mit diesem Jobprofil identifizieren könnten. Diese währen dann auch didaktisch geschult und hätten Zeit, sich um die Lehre zu kümmern. Is ja dann deren Beruf. Das geht natürlich nur mit unbefristeten Stellen.
    Da fällt mir ein: Wo gehen eigentlich die ganzen Studiengebühren hin, die in einigen Bundesländern eingesammelt werden? Bevor die Mensa renoviert wird, könnten doch die Fakultäten solche Stellen schaffen.
    Aber der Mittelbau wurde ja vor 20? Jahren abgeschaft.

  2. #2 florian
    7. Juli 2008

    Lecturers halte ich auch für eine gute Idee. Ich z.B. hätte auch kein Problem damit, so einen Job zu machen… Aber bevor sich das hier in Deutschland durchsetzt, bin ich wohl schon in Rente…

  3. #3 Andylee
    7. Juli 2008

    nu, du, forian wärst dafür ja sogar geeignet 🙂

  4. #4 caesar
    7. Juli 2008

    @Tobias
    In Bayreuth wurde ein Zeit lang über “Lehrprofessuren aus Studiengebühren” diskutiert. Ganz vom Tisch war das Thema nie, wurde allerdings auch nicht wieder verfolgt. Im Prinzip aber eine gute Sache. In den Gesellschafts- und Geisteswissenschaftlichen Fakultäten wurden unterdessen viele neue Tutoren eingestellt, die zumindest in Übungen (und Tutorien) einen Teil dieser Lehrverpflichtung übernehmen. So ganz neu und ungenutzt ist deine Idee also nicht.

  5. #5 florian
    8. Juli 2008

    @caesar: also Tutoren, die Lehrverpflichtungen übernehmen ist auch nicht unbedingt eine gute Lösung. Die haben ja auch nicht wirklich ne pädagogische Ausbildung. Dazu kommt dass das ja meistens noch Studenten sind, die viel weniger Erfahrung und auch Fachwissen haben. Nichts gegen Tutoren – aber ich würde die wirklich immer nur zur Unterstützung einsetzten, und nicht zur direkten Lehre (auch in Übungen). Ich weiß aber, dass das trotzdem oft passiert – aber das ist nur wieder ein Zeichen für das, was ich im Artikel geschrieben habe: Dozenten wollen sich möglichst von der Lehre freimachen um forschen zu können.

  6. #6 matthias
    8. Juli 2008

    unter https://de.wikipedia.org/wiki/Lehrprofessur gibt es ein paar info zu den lehrprofessuren, Bayern hat sogar schon welche ausgeschrieben. bei diesen professuren gibt es eine hoehere lehrverpflichtung NEBEN einer forschungstaetigkeit. es ist angedacht lehrprofessoren weniger zu bezahlen oder weniger mittel zur verfuegung zu stellen. naja. das liefert wohl viel konfliktstoff zwischen forschungs- und lehrprofessoren, oder?

  7. #7 Ulrich Berger
    8. Juli 2008

    Vorweg: Du forderst eine “pädagogische” Ausbildung, meinst aber vermutlich eine didaktische. Erziehen will ich die Studenten jedenfalls nicht mehr müssen 😉

    Lehre und Forschung sind beide zeitintensiv. Da das Zeitbudget fixiert ist, gibt es einen tradeoff. “Mehr” Lehre (qualitativ oder quantitativ) impliziert bei gleichbleibenden Mitteln weniger Forschung. Das sollte einem bewusst sein, wenn man bessere Lehre fordert. (Ich rede hier von den tätigen Profs, natürlich gibt es auch untätige, die weder ordentlich forschen noch ordentlich lehren, siehe https://www.buecher.de/20949503/wea/1100661 )

    Zusätzliche Mittel, wie sie der Wissenschaftsrat fordert, wären natürlich schön, aber mehr Mittel fordern ist quasi eine Routinetätigkeit im akademischen Betrieb…

  8. #8 florian
    8. Juli 2008

    @Ulrich: Ja, ich hab natürlich “didaktisch” gemeint, nicht pädagogisch 😉

    Und das mehr Lehre weniger Forschung bedeutet ist mir völlig klar. Ich bin aber auch der Meinung das Lehre und Forschung beide gleich wichtig sind – und sehe es nicht als Problem, wenn auch die Zeit gleichmäßig zwischen Lehre und Forschung aufgeteilt wird.

    Was nicht heisst, dass mehr Mittel keine gute Idee wären 😉

  9. #9 L. Carone
    8. Juli 2008

    @matthias: Da brauchst du nur über den großen Teich zu linsen. Lecturers und forschende Professoren sind sich nicht wirklich grün und gerade Lecturers dürfen sich immer mal wieder als “Wissenschaftler auf Sparflamme” beschimpfen lassen. Ist gemein, aber auch drüben gilt, wer forscht, kriegt mehr Geld.