Das führt natürlich zu konkreten Problemen bei der wissenschaftlichen Arbeit. Wenn ich beispielsweise die Langzeitdynamik eines bestimmten erdnahen Asteroiden untersuche, dann werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit Daten bekommen, die dem obigen Beispiel sehr ähnlich sind. Aus diesen Daten kann ich dann zwar verschiedensten Rückschlüsse ziehen – wenn aber ein anderer Wissenschaftler meine Rechnungen überprüfen will, dann wird er sicherlich nicht exakt die gleichen Methoden bzw. exakt den gleichen Computer verwenden wie ich. Unsere Kurven werden also unterschiedlich sein – und zwar nicht nur ein bisschen sondern so komplett unterschiedlich wie die beiden Kurven aus obigem Beispiel. Und natürlich sind dann auch die daraus gewonnen Ergebnisse unterschiedlich. Wer von uns beiden hat also jetzt recht? Wessen Daten sind richtig, wessen Daten sind falsch?
Genau das ist das Problem: im Prinzip haben wir beide recht. Das System ist eben chaotisch und quantitative Aussagen über einzelne Asteroiden sind nicht möglich! Wir können die Daten entweder qualitativ vergleichen – oder statistische Größen vergleichen. Das bedeutet, dass man keine einzelnen Objekte untersucht sondern Gruppen von mehreren Asteroiden. Diese Gruppen kann man dann statistisch untersuchen und in diesem Fall sollte das Chaos die Ergebnisse dann nicht mehr verfälschen und die Daten vergleichbar machen!
Chaos – schon wieder!
Sollte man meinen… Aber auch hier kann es Probleme geben. In einer meiner ersten wissenschaftlichen Arbeiten habe ich mich mit der Langzeitdynamik von erdnahen Asteroiden beshäftigt. Dazu wurden die Asteroiden in Gruppen eingeteilt (nach der “Shoemaker-Klassifikation” die NEAs in drei Gruppen – Atens, Apollos und Amors – einteilt). Dabei haben wir gemerkt, dass es öfter mal vorkommt, dass ein Asteroid im Laufe der Zeit seine Gruppe wechselt. War er zu Beginn der Rechnung noch z.B. ein Apollo konnte es passieren das er seine Bahn im Laufe der Zeit geändert hat und zu einem Aten wurde. Ich habe nun untersucht ob das nur Einzelfälle sind oder ob das ein generelles Phänomen ist. Es hat sich herausgestellt, dass ein durchschnittlicher NEA nur etwa 65 Prozent der Zeit in seiner anfänglichen Gruppe verbringt – Gruppenwechsel sind also durchaus relevant wenn man es mit langen Zeiträumen zu tun hat. Es gibt auch eine zweite Art der Klassifikation (“SPACEGUARD-Klassifikation“) die deutlich komplexer ist als die Shoemaker-Klassifikation und auf dynamische Eigenschaften der Asteroiden basiert. Aber auch hier hat sich herausgestellt das ein durchschnittlicher Asteroid nur knapp 65% der Zeit in seiner Anfangsklasse befindet.
Wenn die Asteroiden während der Rechenzeit also unvorhersehbar ihre Gruppen wechseln, dann führt das natürlich zu Problemen bei der statistischen Untersuchung! Welchen Wert hat eine Gruppeneinteilung die nicht stabil ist und wo die Objekte ständig die Gruppen wechseln?
Wir standen nun also vor dem Problem das einerseits die Betrachtung einzelner Objekte aufgrund der chaotischen Dynamik nicht sinnvoll ist und das aber anderseits auch die gängigen Klassifikationssysteme für lange Zeiträume nicht stabil sind und eine vernünftige statistische Analyse erschweren bzw. unmöglich machen.
Dieses Problem habe ich dann auch zum Thema meiner Doktorarbeit gemacht. Ich habe sogar eine Lösung dafür gefunden 😉 Aber dazu dann mehr im nächsten Teil dieses Eintrags!
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