Gestern habe ich über die Probleme geschrieben, die auftreten wenn man die Eigenschaften der chaotischen erdnahen Asteroiden untersuchen. Heute möchte ich erklären, wie man diese Probleme lösen kann.
Instabile Gruppen
Das ursprüngliche Problem war folgendes: Wegen des Chaos macht es keinen Sinn, die Langzeitdynamik einzelner Asteroiden zu untersuchen. Aber wie unsere Arbeit gezeigt hat, waren auch die Gruppeneinteilungen der Asteroiden durch das Chaos gestört: es war nicht mehr möglich, vernünftige Ergebnisse bei der Untersuchung von Asteroidengruppen zu erhalten.
Das liegt daran, dass die Gruppen auf einer zweiwertigen Logik basieren: entweder ist ein Asteroid Mitglied einer Gruppe oder er ist es nicht und ein Asteroid kann immer nur Mitglied einer einzigen Gruppe sein. Da nun die Langzeitdynamik eines erdnahen Asteroiden vom Chaos dominiert wird haben wir ein prinzipielles Problem. Egal welche Gruppeneinteilung man sich ausdenken würde – irgendwann führt das Chaos dazu, dass die Gruppengrenzen überschritten werden.
Um das Problem zu lösen braucht man also keine neue Gruppeneinteilung – sondern eine völlig neue Art des Klassifizierens.
Als ich über dieses Problem nachdachte, hab ich zufällig einen ehemaligen Kollegen getroffen der mittlerweile als Lehrer in einer Schule arbeitet. Der hat mir erzählt, dass er mit seinen Schülern gerade die Fuzzy-Logik durchgenommen hat – eine Verallgemeinerung der normalen zweiwertigen Logik. Im Laufe des Gesprächs fiel uns dann auf, dass diese Logik genau das sein könnte, was zur Lösung des Problems nötig ist!
Fuzzy-Logik
Fuzzy-Logik (oder “unscharfe Logik”) wurde 1965 von Lotfi Zadeh in Berkely entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Logik, bei der zwischen “wahr” und “falsch” noch beliebig viele Zwischenstufen existieren. Damit lassen sich auch ungenaue Begriffe wie “ein wenig”, “ein bisschen”, “ziemlich viel” usw mathematisch genau erfassen. Man kann damit z.B. das Ergebniss von “ungefähr fünf plus ungefähr zwei” berechnen (wenig überraschend ist es “ungefähr sieben” 😉 ). Wie Fuzzy-Logik funktioniert lässt sich aber besser an einem anderen Beispiel präsentieren.
Nehmen wir das Alter eines Menschen: ich bin im Moment 31 Jahre alt. Bin ich schon alt? (sicher nicht!) Oder bin ich noch jung? (auf jeden Fall!) Oder vielleicht zumindest ein bisschen alt? Und ich bin wohl auch nicht mehr sehr jung. Solche Gruppen (“ein bisschen alt”, “sehr jung”) sind ein ideales Anwendungsgebiet für Fuzzy-Logik. Aber wie definiert man nun, wer zu welcher Gruppe gehört?
Wie ich oben schon gesagt habe gibt es bei normaler Logik nur 2 Möglichkeiten: entweder ist etwas Teil der Gruppe oder nicht. Mathematisch lässt sich das durch eine sogenannte charakteristische Funktion beschreiben die nur 2 Werte annehmen kann: 1 wenn ein Objekt Teil einer Gruppe ist und 0 wenn es nicht Mitglied ist. In der Fuzzy-Logik verwendet man “Mitgliedschaftsfunktion” die jeden beliebigen Wert zwischen 0 und 1 annehmen können! Diese Zahl nennt man dann “Grad der Mitgliedschaft”. Ein Objekt kann also – so wie im normalen Fall – mit einem Grad der Mitgliedschaft von 1 Mitglied einer Gruppe sein (und mit einem Grad von 0 kein Mitglied) – es ist aber möglich das man beispielsweise mit einem Grad der Mitgliedschaft von 0,3 nur “ein bisschen” Mitglied ist. Wie nun der Grad der Mitgliedschaft berechnet wird, hängt vom konkreten Verlauf der Mitgliedschaftsfunktion aus.
Im Beispiel des Alters von oben kann das so aussehen:
Diese sechs Kurven sind die Mitgliedschaftsfunktionen für 6 Fuzzy-Gruppen: “sehr junge Menschen”, “junge Menschen”, “nicht sehr junge Menschen”, “mehr oder weniger alte Menschen”, “alte Menschen” und “sehr alte Menschen”. Anhand des Alters kann nun für jede Gruppe der Grad der Mitgliedschaft berechnet werden.
Ich nehme nochmal mich als Beispiel: mit 31 Jahren ist mein Grad der Mitgliedschaft zur Gruppe der “sehr jungen Menschen” nur noch etwa 0,3. Bei der Gruppe der “jungen Menschen” ist es immerhin noch 0,5. Den höchsten Grad der Mitgliedschaft habe ich – leider – mit etwa 0,75 bei der Gruppe der “nicht sehr jungen Menschen” 🙁 (Notiz: nicht mehr mich selbst als Beispiel verwenden!). Aber immerhin beträgt der Grad der Mitgliedschaft zu den Gruppen der “mehr oder weniger alten”, “alten” und “sehr alten” Menschen bei mir noch 0.
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