Gerade habe ich einen Artikel über meine Arbeit zu erdnahen Asteroiden zu Ende geschrieben und bei Celestial Mechanics und Dynamical Astronomy eingereicht. Jetzt habe ich endlich auch die Zeit, einen Blog-Eintrag zu diesem Thema zu verfassen.
Erdnahe Asteroiden
Wie der Name schon sagt befinden sich erdnahe Asteroiden in der Nähe der Erde. Diese NEAs (“Near-Earth-Asteroids”) sind auch genau die Objekte die unter Umständen mit der Erde kollidieren könnten – es ist also durchaus angebracht, sich mit ihnen zu beschäftigen.
Normalerweise lässt sich mit modernen Computerprogrammen zur numerischen Lösung von Differentialgleichungen die Bewegung von Himmelskörpern für sehr lange Zeit im voraus berechnen. Bei erdnahen Asteroiden funktioniert das allerdings nicht so wirklich. Hier lässt sich eine realistische Vorhersage der Bewegung höchstens über einige hundert Jahre
bewerkstelligen. Das reicht natürlich, um herauszufinden ob von einem bestimmten Objekt Gefahr droht oder nicht – aber was macht man, wenn man die Bahnen dieser Asteroiden über längere Zeiten bestimmen will? Und woher kommen diese Probleme eigentlich.
Die meisten Asteroiden in unserem Sonnensystem befinden sich im “Hauptgürtel” zwischen den Bahnen der Planeten Mars und Jupiter. Dort sind sie relativ sicher vor gravitativen Störungen der Planeten und können mehr oder weniger ungestört ihre Bahnen um die Sonne ziehen. In bestimmen Situationen kann es allerdings doch vorkommen, dass ein Asteroid durch einen gravitativen “Schubs” von Jupiter aus ihrer Bahn geworfen werden und in die inneren Bereiche des Sonnensystems gelangen. Im Vergleich zum Hauptgürtel ist dort viel weniger Platz – die Asteroiden ziehen ihre Bahn in der Nähe der Orbits von Mars, Erde und Venus:
Bild: NEO Information Centre
Das Bild zeigt die Bahnen von Erde (dunkelblau) und Mars, Venus und Merkur (türkis). Die roten und gelben Bahnen sind die Orbits einiger (nicht alle) erdnaher Asteroiden. Man sieht also deutlich das die NEAs immer wieder in die Nähe der Planeten kommen. Durch die Nähe wird natürlich auch die Gravitationskraft stärker – und der Asteroid wird in eine komplett andere Bahn gekickt. Dieser Prozess der Bahnänderung ist chaotisch und verursacht die oben angesprochenen Probleme. Ein durchschnittlicher NEA erlebt jede Menge solcher abrupten Änderungen – im Laufe einiger zehn- bis hundertausend Jahren wird er wie eine Flipperkugel zwischen den inneren Planeten hin und her geworfen. Die große Zahl dieser nahen Begegnungen zwischen Asteroid und Planeten macht nun die Bahn höchst chaotisch!
Chaos!
Das lässt sich an folgendem Beispiel demonstrieren:
Ich habe hier die Änderung der großen Bahnhalbachse eines Asteroiden (die bestimmt die Größe der Bahnellipse und den Abstand des Asteroiden von der Sonne) im Laufe einer halben Million Jahre berechnet. Dazu habe ich das selbe numerische Simulationsprogram verwendet und exakt die gleichen Daten für die Bahn des Asteroiden. Die zwei komplett unterschiedlichen Kurven die man im Bild sehen kann sind allein deswegen entstanden weil ich 2 unterschiedliche Computer mit unterschiedlichen Prozessoren zur Berechnung verwendet habe. Die Prozessoren stellen nun intern die Zahlen auf unterschiedliche Weise dar. Und obwohl die Differenzen minimal sind, sehen die resultierenden Kurven komplett anders aus. Das ist eigentlich nichts anderes als der berühmte “Schmetterlingseffekt“. Die weit verbreitete Interpretation, dass “der Flügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika einen Sturm in Asien auslösen kann” ist nämlich nicht ganz korrekt bzw. ein bisschen irreführend. Eigentlich heisst es, dass die minimalen Änderungen, die durch den Flügelschlag eines Schmetterlings in der Atmosphäre ausgelöst werden ein chaotisches System komplett unvorhersehbar machen können. Das ist auch die Definition eines chaotischen Systems: kleine Unterschiede werden im Laufe der Zeit überproportional groß. Genau das kann man auch bei unserem Asteroid beobachten: die minmalen Unterschiede die aufgrund der verschiedenen Prozessoren am Anfang entstehen werden schnell größer – bis die beiden Kurven absolut nichts mehr miteinander zu tun haben.
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