Bis zum Jahr 2000 war ein Studium in Österreich noch wirklich frei. Jeder konnte studieren was er oder sie wollte; es gab keinen Numerus Clausus oder sonstige Einschränkungen (natürlich musste man Matura/Abitur haben). Und das Studium selbst war bis auf eine kleine Verwaltungsgebühr kostenlos.
Dann kam im Jahr 2000 die Mitte-Rechts-Regierung aus ÖVP und FPÖ und Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer (die bis dahin in jedem Interview behauptete das unter ihr keine Studiengebühren eingeführt werden) führte Studiengebühren ein. Im Wahlkampf 2006 machte die SPÖ die Abschaffung der Studiengebühren zu einer ihrer Hauptversprechen. Als sie dann aber als stärkste Partei gemeinsam mit der ÖVP eine Regierung bildeten, änderte sich nichts: die Studiengebühren blieben. Vor ein paar Jahren wurden dann wegen bestimmter EU-Richtlinien auch Zugangsbeschränkungen für verschiedene Studiengänge (z.B. Medizin, Psychologie, Biologie, etc) eingeführt. Nächsten Sonntag wird schon wieder ein neuer Nationalrat in Österreich gewählt. Und gestern fand im Parlament eine außergewöhnliche Sitzung statt in der alle Parteien in wechselnden Koalitionen noch schnell die verschiedensten Gesetze beschlossen. Eine seltsame Koalition aus SPÖ, Grünen und der FPÖ beschloss dabei die Abschaffung der Studiengebühren und der meisten Zugangsbeschränkungen (ausgenommen die für Medizin und Psychologie)
Ich finde das sehr gut! Prinzipiell könnte man ja über Studiengebühren reden. Wenn es vernünftige und einfache Regelungen für sozial schwächere Studenten gibt und wenn die Studienbedingungen Gebühren rechtfertigen, dann würden sie vielleicht sogar sinnvoll sein.
Aber davon war Österreich weit entfernt! Auch nach der Einführung der Gebühren haben sich die Studienbedingungen nicht wesentlich verbessert. Immer noch durften sich die Studenten mit überfüllten Hörsälen (teilweise sogar einstürzenden Hörsälen!), veralteter Infrastruktur, überfüllten Seminaren und Praktikas mit semesterlangen Wartezeiten und zu wenig Lehrpersonal für zuviel Studenten herumärgern. Nur, dass sie nun auch noch dafür bezahlen durften.
Auch die Zulassungsbeschränkungen waren typisch österreichisch eine chaotische Angelegenheit. Es gab keine gemeinsame Regelung; jede Universität bzw. jeder Studiengang konnte selbst entscheiden wie die Studenten ausgewählt werden. Das reichte von “Wir schauen uns den Lebenslauf an und suchen uns jemanden aus” bis hin zu großen Zulassungsprüfungen.
Die ÖVP hat jedenfalls bis gestern noch alles mögliche versucht um die Abschaffung zu verhinderen und dabei für die österreichischen Universitäten den Teufel an die Wand gemalt. Sie hat sogar eine Umfrage veranstaltet um zu zeigen, dass die große Mehrheit der Österreicher für die Beibehaltung der Gebühren ist. Und tatsächlich: 71% der Menschen wollen die Gebühren weiterhin. Das ist auch verständlich wenn man sich den “neutralen” und “objektiven” Text der Frage ansieht:
“Die Studienbeiträge von 363,- Euro pro Semester haben die
Durchschnittsdauer um 1 Jahr verkürzt. Daher gibt es kaum noch
Studierende die keine Prüfung ablegen. Rund jeder 3. Studierende an
Fachhochschulen und jeder 5. Studierende an Universitäten bekommt durch
eine Studienförderung die Studienbeiträge ersetzt. Was meinen Sie:
Sollen die Studienbeiträge abgeschafft werden und der Steuerzahler für
den Einnahmenausfall (150 Mio. Euro pro Jahr) aufkommen, oder sollen
die Studienbeiträge erhalten bleiben, da sie ein moderater Beitrag zu
den Kosten eines Studiums sind?”
Was soll man da noch dazu sagen. Gestern hatten sie dann noch versucht, die Abschaffung vom Ergebnis einer Volksabstimmung abhängigen zu machen – ebenfalls erfolglos.
Aber nicht nur die ÖVP, auch die Rektoren der meisten Universitäten (die den Wegfall der Studiengebühren natürlich ersetzt bekommen) sind nicht glücklich mit dieser Entscheidung. Sie befürchten nun einen Ansturm auf die Unis und zu viele neue Studenten.
Prinzipiell halte ich es für keine schlechte Sache wenn sich in Österreich mehr junge Leute für ein Studium entscheiden. Mit einer Akademikerquote von 14% liegt Österreich weit unter dem OECD-Durchschnitt (mit 24% ist der genauso hoch wie die Akademikerquote in Deutschland). Da sollte man dringend Anreize schaffen, um mehr Leute an die Unis zu holen.
Ich verstehe auch, dass die Rektoren sich vor einem Ansturm fürchten. Die meisten Universitäten kommen jetzt schon nicht mehr der Masse an Studenten klar und es wird immer weiter an Personal gespart. Aber der vernünftige Weg (zumindest meiner Meinung nach) wäre, die finanzielle Lage der Unis zu verbessern damit sie die Studenten vernünftig und angemessen ausbilden können. Aber die ÖVP und viele Rektoren scheinen lieber auf Abschreckung durch Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen zu setzen um die Studentenzahlen niedrig zu halten.
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