Über was schreibt ein Astronom drei Tage vor Weihnachten? Natürlich über den Stern von Bethlehem. Diese Himmelserscheinung ist ja in der Weihnachtsgeschichte prominent vertreten – auch wenn die Beschreibung in der Bibel astronomisch gesehen etwas dürftig ist:
“Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.” (Mat, 2,1)
[…]
“Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.” (Mat, 2,9)
Das gibt, wissenschaftlich gesehen, erstmal nicht viel her. Aber die Bibel ist ja auch wahrlich kein wissenschaftliches Werk. Es gibt (unabhängig von diversen religiösen Überzeugungen) keinen Grund, ihren Inhalt als Tatsachenbericht anzusehen. Trotzdem haben die Menschen das natürlich schon immer getan (und tun das auch weiterhin). Im Laufe der Zeit sind also einige Theorien entstanden, mit denen die Herkunft des Sterns von Bethlehem erklärt werden soll.
In der Antike und im Mittelalter war die Kometentheorie sehr beliebt. Man hielt den Stern von Bethlehem für einen Kometen und so wurde er auf damaligen Darstellungen auch oft abgebildet. Zum Beispiel auf dem Fresko “Anbetung der heiligen drei Könige” von Giotto di Bodone (1267-1337), das Giotto malte, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen beobachtete:
Mit dem Kometen gibt es allerdings ein paar Schwierigkeiten. Eigentlich galten die unregelmäßig am Himmel auftauchenden Kometen immer als Unglücksboten – warum sollte ein Komet plötzlich die “Geburt eines Königs” verkünden? Warum finden sich nirgendwo anders Berichte über das Erscheinen des Kometen?
Aber es gibt ja noch andere außergewöhnliche Himmelserscheinungen: z.B. eine Supernova. Eine Supernova tritt auf, wenn ein schwerer Stern sein Leben beendet. So eine Sternexplosion hat eine gewaltige Helligkeit – das kann dazu führen, dass man plötzlich für kurze Zeit ein extrem helles, “neues” Objekt am Himmel beobachten kann. Man hat deswegen auch eine Supernova als Ursprung des Sterns von Bethlehem in Betracht gezogen.
Bekanntester Vertreter dieser Theorie war Johannes Kepler. Der hatte 1604 eine Supernova beobachtet (“Keplers Supernova”, siehe Bild rechts, (C) NASA). Natürlich wusste er damals noch nichts von den astrophysikalischen Vorgängen im Inneren der Sterne und hatte keine Ahnung, dass es sich dabei um eine gewaltige Explosion zum Ende eines Sternenlebens handelte. Er sah nur einen neuen hellen Stern (mit einer Helligkeit von -2,5 Größenklassen war er der hellste Stern am Nachthimmel), der plötzlich auftauchte und nach einiger Zeit wieder verschwand. Er beobachtete aber auch noch etwas anderes: die Supernova befand sich in der Nähe der Stelle, an der er ein Jahr zuvor eine Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn beobachtet hatte: das bedeutet, dass Jupiter und Saturn sich (scheinbar) sehr nahe kommen und am Himmel fast am selben Platz erscheinen. Und aus seinen Rechnungen folgte, dass es auch im Jahr 7 v. Chr. so eine Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn gegeben hatte1.
Kepler vermutete, dass die Konjunktion der beiden Planeten die Ursache für das Auftreten der Supernova war und dass der selbe Vorgang auch fast 1600 früher zum kurzfristigen Erscheinen eines neuen Sterns geführt haben könnte: der Stern von Bethlehem.
Diese Theorie ist astronomisch gesehen natürlich vollkommen falsch – die zeitliche Abfolge von Konjunktion im Jahr 1603 und Entdeckung der Supernova im Jahr 1604 war reiner Zufall. Aber die Sache mit der Konjunktion im Jahr 7 v. Chr. ist es Wert, weiterverfolgt zu werden.
Auch später wurde eine Supernova als Quelle für den Stern von Bethlehem in Betracht gezogen. Der Historiker Werner Papke will eine Supernova in einem babylonischen Sternbild als Stern der Weisen identifiziert haben (siehe sein Buch: “Das Zeichen des Messias. Ein Wissenschaftler identifiziert den Stern von Bethlehem“). Auch hier ist die Quellenlage aber sehr dünn.
Als ehemaliger Doktorand und Mitarbeiter an der Unisternwarte Wien, muss ich hier natürlich die Theorie von Konradin Ferrari d’Occhieppo erwähnen. Er war von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1978, Professor am Institut für Astronomie der Uni Wien (und hat auch danach, bis zu seinem Tod 2007, noch teilweise dort gearbeitet und geforscht). Er hat sich mit theoretischer Astronomie, astronomischer Chronologie und antiker Astronomie beschäftigt. Bei so einer Themenwahl muss man ja fast zwangsläufig irgendwann mal beim Stern von Bethlehem landen – und darum ist es auch nicht verwunderlich, dass d’Occhieppo sich auch mit diesem Problem ausführlich beschäftigt hat.
Seine Ergebnisse sind u.a. in dem Buch “Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht. Legende oder Tatsache?“ zusammengefasst.
d’Occhieppo verknüpfte dort die Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. mit historischen Quellen über babylonische Astronomie/Astrologie zu einer plausiblen Geschichte:
7 v. Chr. fand eine dreifache Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn statt. Dreimal in einem Jahr kamen sich die beiden Planeten sehr nahe: am 27. Mai, 6. Oktober und am 1. Dezember. Mit aktuellen Planetariusmprogrammen (wie z.B. Stellarium) kann man den Himmel über Jerusalem zu dieser Zeit leicht visualisieren. Ich habe das Mal für den Abendhimmel des 12. November 7 v. Chr. gemacht an dem die beiden Planeten im Süden über Jerusalem gut zu sehen waren:
Man sieht deutlich, wie nahe Jupiter und Saturn am Himmel bei einander stehen. In der babylonischen Astrologie stand Jupiter für den König/Gott Marduk; Saturn symbolisierte Israel. Beide stehen außerdem im Sternbild der Fische. Laut d’Occhieppo würde so ein Ereignis als Ankündigung der Geburt eines großen Königs der Juden im Westen (im Sternbild Fische) interpretiert werden.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: das impliziert keineswegs, die babylonischen Sterndeuter hätten tatsächlich die Geburt Jesu vorhergesehen. Aber die Bibel ist ja, wie schon gesagt, kein Tatsachenbericht – die entsprechenden Passagen wurden erst viele Jahre nach den eigentlichen Ereignissen geschrieben. Und es ist durchaus möglich, dass die Sterndeuter die entsprechende Konstellation später in oben genannten Sinn interpretiert haben.
Auch wenn diese Theorie im Moment am stärksten akzeptiert wird, gibt es auch hier einige Unklarheiten: warum wird im Matthäus-Evangelium nicht von Planeten gesprochen, sondern von Sternen? Einem gebildeten Menschen müsste der Unterschied klar sein – fraglich ist, ob Matthäus (oder wer immer den Text auch verfasst hat), dieses astronomische Wissen auch hatte. Auch andere Feinheiten des Textes deuten nicht darauf hin, dass der Verfasser von Planeten gesprochen hat. Außerdem ist die astrologische Gleichsetzung von Saturn und Israel umstritten.
Es gibt noch mehr Theorien bzw. Variationen der Theorien, die ich schon ausgeführt habe. Alle sind mehr oder weniger glaubwürdig und wirklich absolut überzeugend ist keine davon. Aber es ist eben auch schwierig, konkrete astronomische Tatsachen aus einem zweitausend Jahre altem Text abzuleiten (bei dem nur sehr bedingt davon ausgegangen werden kann, dass er die Tatsachen exakt beschreibt). Man kann auch nichtmal davon ausgehen, dass tatsächlich irgendeine besondere Himmelserscheinungen stattgefunden hat. Genauso gut kann das erst nachträglich eingefügt worden sein, um die Ereignisse bedeutungsvoller erscheinen zu lassen.
Wer sich weiter zu diesem Thema informieren möchte, der kann z.B. ein Planetarium besuchen. In der Zeit vor Weihnachten findet man eigentlich fast überall spezielle Programme, die u.a. die Theorie der Planetenkonjunktion schön anschaulich darstellen.
1: Es mag seltsam klingen, wenn man vermutet, Jesus wurde im Jahr 7 vor Christus geboren. Aber wenn eines sicher ist, dann, dass Jesus nicht am 24. Dezember des Jahres 1 (ein Jahr Null gab es nie) geboren ist. Der 24. 12. hat sich erst später eingebürgert, als die Geburt Christi mit den römischen Sol Invictus-Feiern zusammengelegt wurde. Auch die Grundlagen unseres heutigen Kalendes (und damit den Zeitpunkt des Jahres 1) wurde erst Jahrhunderte nach Christi Geburt festgelegt – und dabei haben sich zwangsläufig ein paar Fehler eingeschlichen. 7 v. Chr. ist also ein durchaus plausibles Geburtsjahr für Jesus.
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