Gestern wurde die Entdeckung des ersten erdähnlichen extrasolaren Planeten bekanntgegeben. Das ist ein großartiges Ergebnis – aber Exoplaneten sind prinzipiell eine tolle Sache und darum möchte ich heute über ein Thema schreiben, mit dem ich mich früher mal beschäftigt habe: extrasolare Planeten in Doppelsternsystemen.
Wir haben ja nur einen Stern – unsere Sonne (vermutlich; es besteht eine sehr kleine Chance, dass die Sonne noch einen bisher unentdeckten Begleitstern hat). Aber eigentlich sind einzelnen Sterne eine Ausnahme. Man nimmt an, dass mindestens die Hälfte aller Sterne sich in Doppel- bzw. Mehrfachsternsystemen befinden. Das liegt an der Entstehungsgeschichte: wenn eine Gaswolke kollabiert und daraus ein Stern entsteht, dann ist die Chance groß, dass dadurch auch in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Kollaps ausgelöst wird und ein zweiter Stern entsteht.
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Exoplanetenforscher auch Gedanken über Planeten in solchen Mehrfachsternsystemen machen. Aber wie sieht es denn nun aus: kann es dort überhaupt Planeten geben? Ich habe letztens über ein Buch von Harald Lesch und Jörn Müller berichtet, in dem behauptet wurde, dass die Planetenbahnen dort sehr kompliziert wären und mögliche Planeten ungeeignet für die Entstehung von Leben.
Nun, beides stimmt nicht.
Planetenbahnen in Doppelsternsystemen
Schon 1977, lange bevor der erste extrasolare Planet tatsächlich entdeckt wurde, hat sich Robert Harrington mit dem Problem der Planetenbahnen in Doppelsternsystemen beschäftigt und festgestellt, dass stabile Bahnen dort prinzipiell möglich sein können.1984 bzw. 1988 (immer noch 4 Jahre vor der ersten Entdeckung eines Exoplaneten) hat dann Rudolf Dvorak von der Universität Wien das Ganze genauer untersucht und 2 mögliche Konfigurationen unterschieden.
Bei Bahnen vom P-Typ (planetary type) bewegt sich ein Planet um beide Sterne des Doppelsternsystems herum. Bei Bahnen des S-Typs (satellite type) kreist der Planet nur um einen der beiden Sterne:
Gibt es sowas denn überhaupt?
Die Theorie zur Planetenbewegung in Doppelsternsystemen kannte man also schon Ende der 80er Jahre recht gut. Aber das muss ja noch lange nicht heissen, dass es solche Planeten auch wirklich gibt. Nun, mittlerweile wissen wir, dass es tatsächlich Exoplaneten gibt, die sich in Doppelsternsystemen befinden. Ich kann im Moment nicht genau sagen, wieviele es sind (es gibt anscheinend noch keine entsprechende Liste; ich denke, sowas muß ich mal anlegen) – aber es werden etwa ein Dutzend sein. Vermutlich sind es sogar mehr – denn oft weiß man zwar, dass ein Stern von einem Planet umkreist wird – aber nicht, ob der Stern Teil eines Mehrfachsystems ist oder nicht. Das findet man meistens erst später heraus, wenn der Stern genauer untersucht wird.
Alle bisher entdeckten Planeten in Doppelsternsystemen haben S-Typ-Bahnen; umkreisen also nur einen der beiden (oder mehreren) Sterne. Eine Ausnahme ist der Planet PSR B1620-26 b, der ein Doppelsystem bestehend aus einem Pulsar und einem Weißen Zwerg umkreist. Da aber sowohl Pulsare als auch weiße Zwerge keine richtigen Sterne mehr sind, sondern verschiedene Arten von “toten” Sternen (je nach Masse endet ein Stern entweder als Pulsar bzw. Neutronenstern oder als weißer Zwerg, wenn sein Brennstoff aufgebraucht ist), werden solche Planeten meist nicht richtig mitgezählt, wenn man von Exoplaneten spricht.
Bei den Planeten auf S-Typ-Bahnen spielt es meistens gar keine Rolle, ob ein Begleiter da ist, oder nicht. Die Exoplaneten, die wir kennen, befinden sich im Allgemeinen in sehr engen Orbits um ihren Stern und die Begleitsterne sind oft sehr weit entfernt. Die Entfernungen betragen oft das hundert- oder tausendfache der Entfernung zwischen Erde und Sonne. Ein zweiter Stern, der so weit entfernt ist, hat keinen nennenswerten Einfluss mehr auf den Planeten, der sich um den anderen Stern bewegt.
Es gibt aber auch einige bekannte Systeme, bei denen die Sterne sehr nahe bei einander stehen. Ein Beispiel dafür ist der Stern Gamma Cephei: Die beiden Sterne Gamma Cephei A und Gamma Cephei B sind 20 Astronomische Einheiten voneinander entfernt – also in etwa so weit, wie der Uranus von unserer Sonne entfernt ist. Um den Stern A kreist noch ein Planet: er ist fast zweimal so groß wie Jupiter – aber nur 2 Astronomische Einheiten vom Stern entfernt. Dieses System haben meine Kollegen von der Unisternwarte Wien und ich untersucht und gefunden, dass hier trotzdem noch Platz für einen weiteren Planeten wäre. Und das auch noch in der habitablen Zone – also jenem Bereich um einen Stern, in dem die Temperaturen auf der Oberfläche eines Planeten genau passend wären, um Leben entstehen zu lassen.
HD 41004 A
Ein anderes schönes Beispiel ist der Stern HD 41004 A. Hier ist die Situation besonders verwickelt. Erstmal ist da ein Stern; etwas kleiner als die Sonne. Zu diesem Stern ein anderer, noch kleinerer Stern. Der erste Stern wird von einem Planeten umkreist; der zweite von einem braunen Zwerg (das nennt man “hierarchisches Quadrupel-System”). Die beiden Sterne sind wieder etwa 20 Astronomische Einheiten voneinander entfernt (so wie bei Gamma Cephei). Weil die Masse des zweiten Sterns aber recht klein ist und der Planet sich sehr nahe am ersten Stern befindet (er ist knapp 1,3 Astronomische Einheiten von ihm entfernt; vergleichbar mit der Entfernung des Mars von der Sonne), ist sein Einfluss auf die Stabilität der Planetenbahnen relativ gering.
Das sieht man an diesen Bildern recht schön:
Man sieht hier folgendes: auf der x-Achse ist der Abstand vom ersten Ersten Stern aufgetragen (in Astronomischen Einheiten). Der gezeigte Bereich stellt übrigens gerade die habitable Zone von HD 41004 A dar. Auf der y-Achse sieht man die Inklination – also die Neigung der Bahn eines Himmelskörpers gegenüber einer Referenzebene. Für jeden Punkt in diesem Gitter aus Werten von Abstand und Inklination haben wir nun berechnet, ob ein eventueller Planet, der eine Bahn mit entsprechendem Abstand und entsprechender Bahnneigung hätte, stabil bleiben würde oder nicht. Die Stabilität der Bahn ist durch die Farben angezeigt: Kombinationen aus Abstand und Bahnneigung, die stabile Bahnen liefern, sind in rot/orange/gelb eingezeichnet; je grüner/blauer/violetter, desto instabiler bzw. chaotischer werden die Bahnen. Und schließlich sieht man links das Bild, das sich ergibt, wenn man den gravitativen Einfluss des Begleitsterns berücksichtigt und rechts das Bild, das man bekommt, wenn man den Begleitstern einfach ignoriert.
Man erkennt zwar Unterschiede – aber qualitativ sind die Bilder gleich. Auf der linken Seite (also dort, wo der zweite Stern noch berücksichtigt wurde) sind die sg. Mean-Motion-Resonanzen etwas deutlicher ausgeprägt (das sind die blau/violetten instabilen Streifen, die senkrecht durchs Bild verlaufen). Diese Instabilitäten werden etwas geringer, wenn der zweite Stern ignoriert wird.
Man sieht aber trotzdem, dass in beiden Fällen genügend Bereiche übrig sind, in denen sich zusätzliche Planeten auf stabilen Bahnen in der habitablen Zone bewegen können. Das heißt nicht, dass dort auch noch Planeten sein müssen! Aber wenn sie dort sind, und wenn sie klein genug wären, um erdähnlich zu sein, dann könnte sich dort ganz vielleicht sogar Leben entwickeln. Und das wäre sicherlich interessant, in einem System, in dem es nicht nur einen Stern gibt, sondern gleich zwei (und noch einen braunen Zwerg dazu).
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