• Die mittlere Anomalie (M). Zur Definition der mittleren Anomalie geht man von einem “mittlerem Objekt” aus, das die gleiche Umlaufzeit hat wie der echte Himmelskörper und auch zur gleichen Zeit das Perihel durchläuft. Dieses mittlere Objekt bewegt sich allerdings mit konstanter (Winkel)Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn (mit einem Radius, der gleich der großen Halbachse des echten Objekts ist) um die Sonne. Der Winkel zwischen der Verbindungslinie Kreismittelpunkt-mittleres Objekt und der Verbindungslinie Kreismittelpunkt-Perihel ist die mittlere Anomalie.

    i-6aa5cb9429b4396e68d0cf7dc1af7d1e-meananomaly.jpgSie lässt sich auch leicht mit folgender Formel berechnen:

    i-7371f5409d39f4d57034e4a306ab4e00-formel1.jpg

    t0 ist hier der Zeitpunkt des Periheldurchgangs und U die Umlaufperiode des Himmelskörpers.

Diese 6 Parameter (a, e, i, Ω, ω, M) sind die Bahnelemente! Mit ihnen läßt sich die Position und Geschwindigkeit eines Himmelskörpers genauso exakt beschreiben wie mit den heliozentrischen Koordinaten.

Will man nun wissen, wie sich die Bahn eines Himmelskörpers im Laufe der Zeit verändert, muss man untersuchen, wie sich die Bahnelemente im Lauf der Zeit ändern. Im folgenden Bild2 sieht man beispielsweise, wie sich die Exzentrizitäten von Erde und Venus während eines Zeitraums von 5 Millionen Jahren ändern:

i-02008d26375e0585df16e9315cea77d0-lnp.jpg

Hier sieht man was ich oben beschrieben habe: Die Exzentrizitäten werden periodisch größer und kleiner – aber die Änderungen finden nur innerhalb gewisser Grenzen statt: Die Bahnen von Erde und Venus sind stabil. Man sieht hier auch schön, dass die Bahnänderungen von Erde und Venus gekoppelt sind: immer dann, wenn die Exzentrizität der Erde größer wird, wird die der Venus kleiner (und umgekehrt).

Über Bahnelemente gäbe es noch viel mehr zu sagen – vor allem auch über die genauen Wege, wie man ihre Änderungen berechnet (und über die anderen Typen von Bahnelementen). Aber das würde jetzt zu weit führen…


Fussnoten:

1 “Norden” bezieht sich hier auf die Nordrichtung der Erdachse

2 Das Bild stammt aus dem Buch: “Chaos and Stability in Planetary Systems” (Rudolf Dvorak, Florian Freistetter, Jürgen Kurths), ISBN 978-3540282082


Dieser Artikel wurde schon früher in meinem alten Blog veröffentlicht. Da ich aber in nächster Zeit einige Beiträge schreiben möchte, für die die Bahnelemente wichtig sind, habe ich ihn hier nochmal eingestellt.

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Kommentare (14)

  1. #1 Odysseus
    22. Februar 2009

    Zitat:
    “mit steigender Exzentrizität wird die Ellipse immer langestreckter bis schließlich bei e=1 die Ellipse zu einer Linie wird.”

    Ich hab mal gelernt, dass e=1 die Exzentrizität einer Parabel ist, wie die Bahn eines nichtperiodischen Kometen.

  2. #2 Florian Freistetter
    22. Februar 2009

    Ja, mathematisch gesehen war das etwas ungenau formuliert. Ich habe das eher aus meiner Perspektive als Himmelsmechaniker beschrieben, wo man es meist mit elliptischen Bahne zu tun hat. Wenn bei so einer Bahn e dann immer größer wird, streckt sich die Ellipse immer weiter, bis der Himmelskörper dann schließlich für e>=1 aus dem System fliegt, weil seine Bahn nicht mehr an die Sonne gebunden ist. Natürlich fliegt der Körper dann nicht auf einer geraden Linie davon – sondern auf einer Parabel bzw. Hyperbelbahn.

  3. #3 Peter Piper
    22. Februar 2009

    Hallo Florian,

    nachdem ich deinen Beitrag von gestern kritisiert habe, muss ich dir heute wohl mal ein Lob aussprechen. Das ist wirklich interessant und lesenswert!

    Peter Piper

  4. #4 Argent23
    23. Februar 2009

    Hat jemand ne Ahnung, wo hier die Notation aus Anathem reinpasst? Entspricht das den Bahnelementen?

  5. #5 Karl Mistelberger
    23. Februar 2009

    Wer sich für mehr interessiert muss nicht gleich das Buch kaufen, sondern findet beim INSTITUT DE MÉCANIQUE CÉLESTE ET DE CALCUL DES ÉPHÉMÉRIDES viel Interessantes, z.B. die Homepage von Jacques Laskar, aber auch weniger Wichtiges.

  6. #6 florian
    23. Februar 2009

    @Argent23: Ist “Anathem” das Buch von Neal Stephenson? Das hab ich nicht gelesen (noch nicht zumindest). Aber vielleicht kannst du mal beschreiben, um was es geht.

    Es gibt natürlich noch andere Versionen der Bahnelemente: Delauny-Elemente z.B. und noch ein paar andere Variationen für spezielle Fälle.

  7. #7 Thorsten S.
    23. Februar 2009

    Hallo Florian!
    Mal ganz was anderes! Ich lese zur Zeit den ScienceBlog recht regelmäßig und finde eine menge Themen durchaus auch für den Schulunterricht interessant und da ich Mitglied bei Maschendraht ( https://maschendraht.mixxt.de ), einer Community die sich zum Ziel gesetzt hat Forschung und Bildung zu vernetzen, bin wollte ich mal nachfragen ob generell für ein Projekt das Interesse einer “Zusammenarbeit” besteht. Du kannst Dir mal diesen Beitrag anschauen: https://maschendraht.mixxt.de/networks/forum/thread.8135 Es geht um ein Wettbewerb für Lehrer bezüglich des Astronomiejahr 2009. Meine generelle Idee ist es ggf. ein Experteninterview via Skype mit Dir zu führen, so das Schüler die Möglichkeit haben Einblicke in die Forschung zu bekommen, bzw. mit einem “Forscher” höchst persönlich zu sprechen. Das Thema ist noch ganz offen und ob sich dafür generell Lehrer begeistern lassen auch.
    Vielleicht gibt es noch andere Astronomen, die sich für ein Interview zur Verfügung stellen möchten?

    Freundlich grüßt aus dem Norden
    Thorsten S.

  8. #8 Florian Freistetter
    23. Februar 2009

    @Thorsten S.: Du kannst mich gerne interviewen – schreib mir am besten ein Email, dann können wir die Details klären. Ansonsten bin ich natürlich auch an allen anderen Sachen zum Thema “Astronomie & Schule” interessiert (u.a. gehört das auch zu meinem aktuellen Job; Kontakte zu Lehrern suche ich daher sowieso immer).

    @Karl Mistelberger: Welches Buch meinst du denn?

  9. #9 Thorsten S.
    23. Februar 2009

    @Florian Danke für Deine Zusage! Mal sehen, was daraus erwächst! 🙂 Wenn Du sowieso Kontakte zu Lehrern suchst, dann ist Maschendraht genau das Richtige! In der Community soll genau diese Vernetzung stattfinden. https://maschendraht.mixxt.de
    Das ist natürlich alles auf freiwilliger Basis!

    Thorsten

  10. #10 Argent23
    23. Februar 2009

    Uh, ja, das Anathem von Neal Stephenson meinte ich. Da müsste ich heute abend mal drin rumsuchen, im Detail erinnere ich mich da auch nicht mehr dran. Die Beschreibung fing aber sehr ähnlich wie bei dir an, im Grund etwa so: “Wir könnten das alles mit einem kartesischen Koordinatensystem betrachten, aber betrachte es doch mal so – viel einfacher, oder?”

    Ich fand das einfach so spannend, dass in dem Buch so viele uns bekannte Aspekte aus Philosophie und Wissenschaft mit anderen Namen belegt und aus leicht unterschiedlichen Sichtweisen beschrieben wurden. Man betrachtet da vieles in einem neuen Licht.
    Vielleicht erinnert sich ja jemand anderes besser daran – Jörg? 😉

  11. #11 Karl Mistelberger
    23. Februar 2009

    @Florian Freistetter: Das Buch aus Fußnote 2.

  12. #12 Florian Freistetter
    23. Februar 2009

    @Karl Mistelberger: “Das Buch aus Fußnote 2.”

    Ah – ich war mir nicht sicher, ob du das, oder “Anathem” meinst. Aber “Chaos and Stability in Planetary Systems” soll selbstverständlich jeder kaufen! Immerhin bin ich da der Mitherausgeber und -autor ! 😉 Naja, da ich aber eh kein Geld dafür kriege, ist es mir eigentlich auch egal 😉 Das Buch ist aber sowieso nur für Fachleute bzw. Studenten der Astronomie/Physik/Mathematik zu empfehlen – ein Laie könnte damit wohl eher wenig anfangen.

  13. #13 Yves
    6. Januar 2010

    danke Florian für diese interessanten Artikel. Nach dem aktuellen Artikel über Störungsrechnung habe ich nun diesen hier gelesen.
    was mich interessiert: wie hat man die Exzentrizitäten von Erde und Venus retro- und prospektiv bestimmen können – kommen hier Störungsrechnungen zum Einsatz?

  14. #14 Florian Freistetter
    8. Januar 2010

    @Yves: Nein, da wurde das ganze System komplett numerisch simuliert.