“Darmstadt” – das klingt irgendwie ganz anders als “Cape Canaveral” oder “Houston”. Trotzdem befindet sich dort das Satellitenkontrollzentrum ESOC der europäischen Weltraumagentur ESA. Und dort findet diese Woche eine große Konferenz zum Thema “Weltraumschrott” statt. Als Himmelsmechaniker muss ich da natürlich dabei sein. Ich habe mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit zwar nie direkt mit künstlichen Himmelskörpern beschäftigt (mit der Ausnahme meiner Zeit beim österreichischen Bundesheer als ich als “militärwissenschaftler Experte” eine Arbeit über Satellitenabstürze und Asteroideneinschläge schreiben durfte) – aber ob man nun die Bahnen von Asteroiden oder die von Satelliten untersucht, macht keinen großen Unterschied.
Der Eingang zum European Space Operations Centre (Danke an Andreas Schepers für die Führung)
Natürlich ist das nicht ganz richtig. Satellitenbahnen sind schon ein wenig anders als die Bahnen natürlicher Himmelskörper. Satelliten haben ja oft einen eigenen Antrieb und die Analysen müssen hier viel exakter sein als bei den Asteroiden. Da müssen Effekte der speziellen Relativitätstheorie berücksichtigt werden; man darf die Erde nicht einfach als Punktmasse annähern (so wie wir Himmelsmechaniker das gerne machen 😉 ) und man muss auch andere, nicht-gravitative Effekte (Strahlungsdruck, …) berücksichtigen.
Aber prinzipiell wirken auf Satelliten die gleichen Kräfte wie auf Asteroiden. Blöd ist es nur dann, wenn Satelliten kaputtgehen. Von all den künstlichen Himmelskörpern, die wir seit 1957, als Sputnik I das erste Mal seine Bahn über den Himmel zog, in eine Erdumlaufbahn gebracht haben, ist die überwiegende Mehrheit schon längst kaputt oder abgestürzt. Denn auch in Höhen von hunderten Kilometern wo man eigentlich schon längst den “leeren” Weltraum vermutet, gibt es noch ein bisschen Atmosphäre. Und dadurch ein bisschen Reibung. Die Satelliten verlieren also langsam aber stetig Energier. Je näher sie der Erde sind, desto mehr. Spionagesatelliten beispielsweise umkreisen die Erde sehr nahe und haben daher eine Lebensdauer, die nur einige Monate betragen kann.
Viele der kleineren Satelliten verglühen beim Wiedereintritt in die Atmosphäre und stellen keine Gefahr mehr dar. Manche der größeren Objekte wie zum Beispiel die Raumstation MIR werden gezielt im Ozean zum Absturz gebracht. Letztes Jahr hat man einen abstürzenden Satelliten auch durch Raketenbeschuß pulverisiert. Aber in vielen Fällen gibt man den ausrangierten Satelliten noch einen letzten Schub mit dem Triebwerk und schickt sie auf hohe “Parkorbits”.
Einer der Kontrollräume im European Space Operations Centre (Danke an Andreas Schepers für die Führung)
Und da bleiben sie dann. Für sehr lange Zeit. Zu ihnen gesellt sich jede Menge anderer Weltraummüll. Raketentanks, anderer Teile, die hier und da abgefallen sind und auch der eine andere Werkzeugkoffer schwebt dort oben herum. Mittlerweile stellt dieser Weltraumschrott eine nicht unbeträchtliche Gefahr für die Raumfahrt dar. Im Weltall ist zwar viel Platz – aber mit Satelliten und Raumschiffen kann man nicht einfach durchs All kreuzen wie mit einem Auto oder Flugzeug. Viele Satelliten erfüllen ihre Aufgabe nur an ganz bestimmten Orten.
Daher ist es wichtig, den Schrott im Auge zu behalten, wenn man ihn schon nicht entfernen kann. Die Weltraumorganisationen machen sich viel Mühe, jedes auch noch so kleine Schrottteilchen im Auge zu behalten und dessen Bahn zu verfolgen. Das kann ziemlich knifflig sein. Die erst kürzlich erfolgte Kollision zweier Satelliten hat zum Beispiel eine Trümmerwolke erzeugt, die den Leuten noch lange Kopfzerbrechen erzeugen wird. Erst vor kurzem ist die Besatzung der internationalen Welltraumstation ISS nur knapp einer Evakuierung entgangen. Ein Stück Müll war im Anflug und es war groß genug, um die ISS ernsthaft zu gefährden. Die Astronauten mussten sicherheitshalber in das gerade angedockte Shuttle ausweichen um im Fall einer Kollision flüchten zu können. Glücklicherweise ist diesmal nichts passiert – aber solche Manöver könnten durchaus Standard werden, wenn sich an der Situation nichts ändert. Schon jetzt müssen viele Satelliten immer wieder mal ein wenig ihre Bahn verändern, um einer Kollision zu entgehen.
Weltraumschrott in der Nähe der Erde (Bild: ESA)
Auf der Konferenz in Darmstadt werden alle diese Aspekte ausführlich behandelt. Man macht sich Gedanken darüber, wie man die Schrottteile am besten im Blick behält bzw. unbekannte Objekte möglichst schnell aufspürt. Man untersucht, wie sich eine zukünftige “Vermüllung” des erdnahen Weltraums am besten vermeiden lässt und was man tun kann, um Zusammenstöße im erdnahen Weltraum zu vermeiden.
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