In der Himmelsmechanik verwendet man aber oft eine ganz spezielle
Methode, die manchmal “MEM – Maximum Eccentricity Method” genannt wird.
Hinter diesem großen Namen steckt eine äußerst simple Idee. Man
betrachtet die zeitliche Änderung der Exzentrizität eines Testkörpers
und bestimmt den größten Wert, den die Exzentrizität während der
Simulation angenommen hat. Diese Zahl ist der Chaosindikator.

Das diese simple Idee Sinn macht, lässt sich leicht erklären. Die
Exzentrizität beschreibt, wie stark die Bahn eines Himmelskörpers von
der Kreisbahn abweicht. Je exzentrischer die Bahn ist, desto
langgestreckter ist sie auch. Je langgestreckter die Bahn ist, desto
größer ist auch die Chance, dass der Körper in den Einflußbereich eines
anderen Objekts gerät bzw. dass sich zwei Bahnen überkreuzen. Und da
das chaotische Verhalten von Himmelskörpern unter genau solchen
Umständen auftritt, kann man die Exzentrizität gut als Chaosindikator
verwenden. Beim Vergleich mit anderen Methoden zeigt sich, dass die MEM
qualitativ die selben Ergebnisse liefert:

i-02a213ae3e6e02e20f3e5e8808dd5ada-mem-entropy-thumb-500x194.jpg

Hier sieht man die stabilen (blau/grün) und chaotischen (rot/gelb) Bereiche im Planetensystem des Sterns HD 4208. Auf der x-Achse ist die anfängliche große Halbachse der Testkörper aufgetragen, auf der y-Achse der Anfangswert der Exzentrizität. Das linke Bild zeigt das Ergebnis, das man mit der MEM erhält, das rechte Bild die Ergebnisse, diesmal bei Messung des Chaos mit der sg. Rényi-Entropie (die Bilder stammen aus diesem Artikel, dort gibts auch noch Details zu den Methoden).

Zum Thema Chaosindikatoren gäbe es noch viel zu sagen – und
vielleicht mache ich das auch mal in einem eigenen Artikel – aber für
unsere Überlegungen hier reicht das bisher gesagte aus. Man ist nun
also in der Lage, herauszufinden, wo in einem extrasolaren
Planetensystem geordnete Bewegung möglich ist und wo man mit
chaotischen, instabilen Bahnen zu rechnen hat.

Diese Informationen können durchaus wertvoll sein. So können sich
beispielsweise Beobachter viel Arbeit sparen, wenn sie nur dort nach
neuen Planeten suchen, wo auch stabile Bahnen möglich sind. Man kann
gezielt diejenigen Parameter bestimmen, die möglichst gute dynamische
Bedingungen für Planeten schaffen und Beobachtungsprogramme und
Satellitenmissionen darauf abstimmen. Im letzten Teil der Serie werde
ich ein konkretes Beispiel für so ein Analyse eines Planetensystem
vorstellen, komplett mit echten Ergebnissen 😉


Ähnliche Artikel: Ordnung und Chaos in extrasolaren Planetensystemen Teil 1: Probleme mit den Parametern, Ordnung und Chaos in extrasolaren Planetensystemen Teil 2: Wie man simuliert, Resonanzen und

Frequenzen, Wie beschreibt man die Bahn eines Himmelskörpers?, Chaos im Sonnensystem,

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Kommentare (4)

  1. #1 cimddwc
    24. April 2009

    Die Änderung der großen Halbachse zweier Asteroiden namens DEC und Athlon? Da hast du im Eifer des Gefechts wohl deine eigene alte Grafik falsch gedeutet, denn damals waren’s noch zwei unterschiedlich rechnende Computer. 🙂

  2. #2 Florian Freistetter
    24. April 2009

    @cimddwc: Naja – es sind schon 2 Asteroiden. Also eigentlich ist es der selbe; aber auf den unterschiedlichen Computern werden (wie damals erklärt) ganz leicht unterschiedliche Anfangsbedingungen erzeugt – also sind es genaugenommen 2 verschiedene Objekte 😉

  3. #3 Eddy
    24. April 2009

    Das erklärt vielleicht auch, warum die Bahnen der Planeten stabiler sind als man annehmen könnte. Eben weil sie sich genau da befinden wo stabile Bahnen möglich sind … 😉

  4. #4 Bullet
    3. Februar 2010

    Ah. Das planetropische Prinzip, sozusagen. 🙂