Nachdem ich gestern und vorgestern schon über die Suche nach dem Weltraummüll geschrieben habe, wird es jetzt langsam Zeit, sich mit dessen Entsorgung zu beschäftigen.
Das ist gar nicht so einfach. Wenn ich hier auf der Erde irgendwas wegschmeisse, dann wird der Müll früher oder später verschwinden (sehr schön beschrieben übrigens in diesem Buch).In gewissem Sinn gilt das auch für den Weltraummüll. Auch der kann “verwittern” (durch die andauernde Bestrahlung mit Teilchen des Sonnenwindes) und irgendwann verglüht auch er in der Erdatmosphäre. Allerdings wird der Schrott im All immer mehr – und das sogar, wenn man keinen neuen Müll mehr produziert! Denn durch Kollision von Weltraumschrott oder intakten Satelliten entsteht immer neuer Müll.
Benjamin Bastida Virgilli vom ESOC in Darmstadt hat darüber einen interessanten Vortrag gehalten. Man hat simuliert, was in den nächsten 200 Jahren mit dem Weltraummüll passiert. Wenn wir einfach so weitermachen wie bisher; mit genauso vielen Raktenstarts und Satellitenmission wie jetzt und ohne Maßnahmen zur Beseitigung des Mülls zu ergreifen, dann werden im Jahr 2200 etwa eine Million Schrottteile die Erde umkreisen. Fängt man heute an, etwas dagegen zu tun, kann man – je nach Stärke der Maßnahmen – die Zahl auf 600000 bis 300000 Objekte reduzieren. Aber selbst wenn wir uns von heute an nur noch um die Entsorgung des Weltraummülls kümmern und keine neuen Satelliten oder Raketen mehr ins All schicken, dann bleiben uns im Jahr 2200 immer noch etwa 14000 Objekte, die größer als 10 cm sind.
Es steht also außer Frage, dass hier etwas getan werden muß! Die Weltraumorganisationen müssen in Zukunft nicht nur wirtschaftliche bzw. wissenschaftliche Fracht ins All bringen, sondern sich auch um eine aktive Entsorgung des Weltraummülls kümmern. Bastida Virgilli meint, dass 2% der jährlichen Missionen Entsorgungstripps sein sollten – dann könnte man das Problem in den Griff bekommen.
Aber wie entsorgt man eigentlich den Schrott im Weltraum? Man kann ja schlecht mit dem Spaceshuttle im erdnahen Weltraum hin- und her kreuzen und die Astronauten mit Mülltüten auf Außeneinsatz schicken. Hier muss man sich effiziente und kostengünstige Methoden überlegen.
Das hat Shinichiro Nishida von der japanischen Weltraumagentur JAXA getan. Dort hat man sich mit der Planung und Entwicklung von “Active Removal Satellites” beschäftigt. Diese AR-Satelliten können die im All herumfliegenden Müllteile einsammeln und entsorgen.
Wenn der Satellit bei einem Schrottteil angekommen ist, soll er es mit einem Roboterarm greifen und fixieren (und eine eventuelle Rotation ausgleichen). Und dann? Wie macht man so ein Stück Weltraummüll nun ungefährlich?
Shinichiro Nishida und eine Studie des AR-Satelliten mit Greifarm
Dazu will man “elektrodynamische Seile” (electro-dynamic tethers – EDT) benutzen. Das sind im Prinzip sehr lange, leitende Drähte. So ein tether bewegt sich durch das Magnetfeld der Erde; dabei wird Spannung erzeugt. Der Leiter erzeugt dann aber selbst ein Magnetfeld, das dem Erde entgegengesetzt ist – und es kommt zu einer Abbremsung des gesamten Systems. Mit so einem EDT kann man also die Bahn eines Flugkörpers verändern und genau das will man auch mit dem Weltraummüll machen. Der AR-Satellitt soll EDT-Pakete (mit 10 km langen Kabeln) mit sich führen die dann am Schrott befestigt werden. Die Verlangsamung der Bewegung führt zu einem niedrigeren Orbit und der Müll verglüht in der Atmosphäre.
Je nach Ausführung kann so ein AR-Satellit mehrere Schrottteile unschädlich machen. In einer kleineren Version kann er auch auf einem anderen Satelliten mitreisen. Das ist zum Beispiel praktisch, wenn ein Satellit einen früheren, kaputten ersetzen soll. Der AR-Satellit, der quasi “huckepack” mitgeflogen ist, kann dann die Bahn dieses neuen Satelliten von eventuellen Trümmern säubern, die sein Vorgänger hinterlassen hat.
Erste Test einzelner Komponeneten wurden bei der JAXA schon durchgeführt. Für 2010 ist eine erste echte Demonstration geplant. Ich bin gespannt…
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