Das (kleine) Asteroiden regelmäßig mit der Erde kollidieren, wissen wir. Am 7 Oktober letzten Jahres stürzte ein kleines Objekt über dem Sudan ab; am 17. Januar konnte man in Nordeuropa einen beeindruckenden Feuerball am Himmel beobachten, verursacht durch einen Asteroiden, der in der Erdatmosphäre verglühte. Und von unzähligen anderen Ereignissen bekommen wir meistens gar nichts mit. Besonders die kleinen Asteroiden (mit Durchmesser bis zu einigen Metern) verglühen von den meisten unbemerkt in der oberen Erdatmosphäre. So etwas passiert relativ oft – und ist im Allgemeinen harmlos.
Die Zerstörung, die so ein kleines Objekt anrichten kann, wenn es tatsächlich am Erdboden einschlägt, sind gering. Die Erdoberfläche besteht zum Großteil aus Wasser bzw. aus unbewohnten Gebiet. Nur wenn der Meteorit zufällig in einer dicht besiedelten Gegend aufschlägt, können Menschen oder Infrastruktur zu Schaden kommen. Oder wenn er zufällig auf ein Flugzeug oder ein Schiff trifft.
Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für so ein Ereignis? Sicherlich sehr gering – ansonsten würden Flugzeuge viel öfter aus “ungeklärten” Gründen (die sich dann auf Asteroidentreffer zurückführen lassen) abstürzen. Das passiert aber nicht.
Die Blogger von Cosmic Variance haben sich mit diesem Problem beschäftigt. Sie gehen von 3000 Meteoroiden pro Tag aus, die mit der Erde kollidieren und die nötige Masse haben, um ein Flugzeug zum Absturz zu bringen (diese Zahl stammt von David Helfand, von der Columbia University). Damit berechnen sie eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 20, dass ein Flugzeug in den letzten 20 Jahren von einem Asteroiden zum Absturz gebracht wird.
Immer noch eine geringe Wahrscheinlichkeit – aber doch im Bereich des Möglichen. Und es gibt tatsächlich Berichte von einer Lichterscheinung, die einem Feuerball ähnelt:
“However, both pilots of an Air Comet flight from Lima, Peru, to
Lisbon, Portugal, sent a written report on the bright flash they said
they saw to Air France, Airbus and the Spanish civil aviation
authority, the airline told CNN.“Suddenly, we saw in the
distance a strong and intense flash of white light, which followed a
descending and vertical trajectory and which broke up in six seconds,”
the captain wrote.”
Das ist natürlich kein Beweis, dass ein Asteroidentreffer tatsächlich für den Absturz verantwortlich war. Auch Phil Plait von Bad Astronomy ist skeptisch. Er sagt, dass bei so einer Rechnung auch die jeweiligen Geschwindigkeiten berücksichtigt werden müssen. Wenn kleine Meteoroiden sich so weit der Erdoberfläche angenähert haben, um für Flugzeuge gefährlich zu werden, sind sie schon relativ langsam. Im Vergleich zu einem Flugzeug so langsam, dass nicht das Fkugzeug von einem Asteroiden getroffen wird, sondern eher der Asteroid vom Flugzeug. Das Objekt fällt also nicht von oben auf den Flieger drauf, sondern wird vom Flugzeug frontal gerammt. Und von vorne gesehen ist der Querschnitt eines Flugzeugs natürlich viel kleiner als von oben, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit eines Treffers verringert. Phil Plait kommt also zu folgendem Schluß:
“And I should add that it’s incredibly unlikely in any case that this
was the fate of Air France 447. We know it was flying into heavy
thunderstorms, and in this case when you hear hoofbeats you think
horses, not zebras. When you have such an obvious culprit, reaching for
an incredibly rare one isn’t terribly parsimonious.Still, as John [von Cosmic Variance] points out, it’s really just a matter of time before
a plane is hit. But because of relative speeds and cross sections, I
suspect that time period is longer than most people think.”
Beim Nachdenken über dieses Thema habe ich mich an einen alten Artikel in einer Fachzeitschrift erinnert, der sich mit genau diesem Problem beschäftigt. Und dank Twitter konnte ich auch noch die genaue Referenz herausfinden (ich beschwere mich nie wieder, dass Twitter zu nichts gut ist!). Es handelte sich um einen Artikel von A. Poveda und seinen Kollegen von der Universität in Mexiko Stadt, mit dem Titel “The expected frequency of collisions of smallmeteorites with cars and aircraft“, erschienen in Planetary and Space Science. Leider ist der Artikel schon etwas alt – er erschien 1999. Aber soweit mir bekannt, ist das die einzige Arbeit in einer Fachzeitschrift, die sich explizit mit der Wahrscheinlichkeit beschäftigt, dass ein Flugzeug von einem Asteroid getroffen wird.
Um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass ein Flugzeug bzw. ein Auto von einem Asteroiden getroffen wird, verwendeten Poveda und seine Kollegen folgende Parameter:
- Die Größenverteilung der erdnahen Asteroiden
- Die Kollisionwahrscheinlichkeit eines erdnahen Asteroiden mit der Erde pro Jahr
- Die Auswirkung der Atmosphäre auf die Durchmesser und die Geschwindigkeiten der fallenden Meteoroiden
- Der Anteil der Erdoberfläche, die von Autos bzw. Flugzeugen bedeckt wird.
Abhängig von der Zusammensetzung der Asteroiden verwendeten Poveda et al. folgende Größenverteilungen:
N(>d) = 5.3 x 1010 d -5/2 falls die Asteroiden zu gleichen Teilen aus kohligen Chondriten und Steinasteroiden bestehen bzw. N(>d) = 3.8 x 1010 d -5/2 falls die Steinasteroiden in der Mehrheit sind. N(>d) ist dabei die Anzahl von Asteroiden mit einem Durchmesser größer als d.
Für die Kollisionswahrscheinlichkeit wurde ein Wert von 1990 (berechnet von Eugene Shoemaker) verwendet. Sie betrug 4.2 x 10-9 pro Jahr (also ein deutlich kleinerer Wert als der von Helfand. Die Abbremsung der Asteroiden durch die Atmosphäre in Abhängigkeit vom Durchmesser wurde ebenfalls berücksichtigt und die Anzahl der Autos bzw. Flugzeuge wurde aus statistischen Daten aus dem Jahr 1994 berechnet. Demnach werden 4800 km² der Erdoberfläche von Autos eingenommen. In Wahrheit ist der Wert sicher kleiner, den nicht alle Autos stehen unter freiem Himmel. Korrigiert man die Zahl entsprechend, kommt man auf etwa 1600 km². Für die fliegenden Flugzeuge wurde ein Wert von insgesamt 2.5 km² abgeschätzt.
Für die Zahl der Kollisionen eines Asteroiden mit einem Auto/Flugzeug pro Jahr – nc – ergibt sich dann folgende Formel:
Dabei ist N wieder die Zahl der Asteroiden mit einem Durchmesser größer als d, PE ist die Kollisionswahrscheinlichkeit eines Asteroiden mit der Erde und f ist der Anteil der Autos/Flugzeuge an der Erdoberfläche.
Daraus berechnen sie folgenden Werte:
- Ein Meteorit, der größer als 10 cm ist kann ein Auto etwa alle 16 Jahre treffen.
- Ein Meteorit, der größer als 1 cm könnte ein Auto irgendwo auf der Welt sogar etwa einmal im Monat treffen! Da hier die Relativgeschwindigkeit zwischen Auto und Meteorit sehr klein ist, lassen sich solche Ereignisse allerdings schwer identifizieren.
- Eine Kollision eines Meteoriten, der größer als 1 cm ist mit einem fliegenden Flugzeug sollte etwa alle 30 Jahre eintreffen.
Diese Ergebnisse sind halbwegs konsistent mit den Abschätzungen bei Cosmic Variance – obwohl die Daten von Poveda et al. natürlich mittlerweile veraltet sind (und natürlich generell sehr ungenau – das schreiben die Autoren in ihrem Artikel auch selbst).
Man kann also mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass der Air France Flug 447 nicht von einem Asteroiden zum Absturz gebracht worden ist. Wie Phil Plait schon angemerkt hat, gibt es hier andere Gründe, die wesentlich wahrscheinlicher sind. Aber die Rechnungen zeigen, dass so ein Ereignis nicht unmöglich und auch nicht extrem unwahrscheinlich ist.
Poveda, A., et al. (1999). The expected frequency of collisions of smallmeteorites with cars and aircraft Planetary and Space Science, 47 (5), 715-719 DOI: 10.1016/S0032-0633(98)00147-0
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