Gestern habe ich mich noch darüber gefreut, dass es in Österreich (im Gegensatz zu Deutschland) möglich ist, atheistische Werbung im öffentlichen Raum zu machen. Und heute erfährt man, dass die Verantwortlichen in Österreich genauso Mumm haben, wie in Deutschland. Auch die Wiener Linien, auf deren Bussen der Slogan “Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott” prangen sollte, haben ihre Zustimmung zur Kampagne zurückgezogen.
Dabei hätten die Busse laut Vertrag mit der für die Werbung zuständigen Firma Gewista schon seit erstem Juni mit dem Sujet ausgestattet werden sollen. Den Rückzug findet daher auch der Auftraggeber der Kampagne, Niko Alm (Geschäftsführer der Agentur Super-Fi), seltsam:
“Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine vertraglich vereinbarte Kampagne während der Laufzeit gestoppt wird”
Und was war der Grund für die plötzliche Ablehnung?
“Einer der Grundsätze der Wiener Linien ist, keine Werbung für politische Parteien oder religiöse Glaubensgemeinschaften auf den Fahrzeugen der Wiener Linien zuzulassen. Auch bei Werbung für atheistische Gruppen oder Glaubenstendenzen greift dieser Unternehmensgrundsatz. Insofern wurde das Ansuchen des Freidenkerbundes bzw. der AG-ATHE nach sorgfältiger Prüfung abgelehnt.”
sagt ein Sprecher der Wiener Linien.
Angesichts der vielen Werbeplakate von politischen Parteien, die sich an den Bushaltestellen befinden, ist das eine ziemlich seltsame Begründung (auch wenn in der Begründung nur von “Fahrzeugen” gesprochen wird). Das findet auch Erich Eder, von AG-ATHE (AtheistInnen und AgnostikerInnen für ein säkulares Österreich):
“Die Gewista, bei der die Flächen gebucht waren, hatte keine Einwände. Aber kaum sehen die Wiener Linien die Sujets, bekommen sie kalte Füße”
Martin Luksan vom Freidenkerbund meint:
“Es ist für uns eine traurige Überraschung, dass man in Wien genau so reagiert wie in Deutschland oder Italien. Offenbar ist die Stadt doch noch nicht so weit, wie wir geglaubt haben sondern fürchtet sich vor einer Diskussion”
Mehr Stellungnahmen gibt es bei Politwatch.
Ich kann nur zustimmen. Ich hätte mich gefreut, wenn Wien offen genug gewesen wäre, diese Werbung zuzulassen. Wenn so etwas in einer österreichischen Stadt möglich ist, dann in Wien – hätte ich zumindest gedacht. Aber auch Wien ist anscheinend zu provinziell.
In den österreichischen Blogs wird das Thema schon aufgegriffen. Bei “The Flowers are gone” wird folgendes Fazit gezogen:
“Damit ist klar, was von Anfang an allerseits befürchtet wurde: Anstatt
zu einer offenen Diskussionskultur beizutragen und dabei noch Geld zu
verdienen, verschließt sich der Staatsbetrieb lieber vor etwaigen
Unangenehmheiten mit der christlichen Kirche (die ja traditionell als
erste auf die Barrikaden steigt, wenn man es wagt, deren dogmatische
Lehre anzufechten) und versteckt sich hinter angeblichen “Grundsätzen”.
Komisch nur, dass so etwas die Verkehrsbetriebe in Spanien oder Kanada
– nicht gerade atheistische Länder – nicht nötig haben und aus der
Zulassung der Sujets selbstverständlich auch keine Schäden bezieht. Die Vorstellung von Österreich als weltoffener Staat wird damit einmal mehr dezimiert.”
Feuerhaken.org meint: “Wiener Linien machen sich ins Hemd“. Politwatch.at hat viele Stellungnahmen der Organisatoren der Buskampagne; unter anderem diese:
“Aufgeben wolle man nicht, heißt es von den Proponenten. „Wir werden
alle Möglichkeiten ausschöpfen um diese Sujets doch noch an die
Öffentlichkeit zu bringen. Gerade der überraschende Kampagnenstopp
zeigt, wie notwendig es in Österreich ist, über den Einfluss von
Religion in der Gesellschaft zu diskutieren”. Fraglich sei außerdem, ob
hier nicht Diskriminierung vorliege: „Werbung von und für
Religionsgemeinschaften wird an öffentlichen Plätzen problemlos
geduldet. Menschen, die nicht an Gott glauben, wird es schwer gemacht,
ihre Meinung an die Öffentlichkeit zu bringen, auch wenn sie dafür
bezahlen”. Die Organisationen erinnern daran, dass
Religionsgemeinschaften Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Hörfunk
bekommen. „Für AtheistInnen, FreidenkerInnen und HumanistInnen gibt es
das nicht”.”
Roman Korecky hat schon die ersten Protestmails verfasst und an die Stadt Wien bzw. die Wiener Linien verschickt.
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