Aufgrund des 40-Jahr-Jubiläums der ersten bemannten Landung auf dem Mond sind die Medien derzeit voll mit dem Thema Raumfahrt. Und wie immer, wenn man über bemannte Raumfahrt redet, werden ziemlich bald zwei Kritikpunkte geäußert: Bemannte Raumfahrt ist viel zu teuer! und Bemannte Raumfahrt ist unnötig, dass können Roboter auch!
Aber ist das wirklich so? Ist bemannte Raumfahrt wirklich Geldverschwendung?
Zu teuer!
Das Argument, dass Raumfahrt zu teuer sei, hört man fast unausweichlich immer dort, wo über eine neue Weltraummission gesprochen wird (bzw. eigentlich allgemein immer, wenn es um Forschung geht).
Klar, für einen durchschnittlichen Menschen sind die Kosten eines großen Forschungsprojekts oder einer bemannten Weltraummission enorm hoch. Aber verglichen mit dem Budget großer Länder und Organisationen und verglichen mit dem, was für andere Dinge ausgegeben wird, sind die Kosten für Wissenschaft und Raumfahrt fast schon vernachlässigbar. Ich habe hier über dieses Thema schon einmal ausführlicher geschrieben: mit dem Geld, das beispielsweise der Fernsehsender NBC für die Übertragungsrechte der olympischen Spiele 2008 gezahlt hat, hätte man den kompletten Large Hadron Collider finanzieren können. Mit dem Steuergeld, dass jährlich nur in Deutschland verschwendet wird, könnte man sich einen bemannten Flug zum Mars leisten (kostet etwa 30 Milliarden Euro). Deutschland könnte sich also tatsächlich eine eigene, bemannte Mission zum Mars leisten! Ohne viel neues Geld auftreiben zu müssen – man müsste nur das vorhandene sinnvoller einsetzen.
Und wenn man sich ansieht, wie schnell gewaltige Geldmengen locker gemacht werden konnten, nur um ein paar Bänker zu retten, die sich beim Glückspiel verspekuliert hatten, dann verliert das Argument “Raumfahrt/Wissenschaft ist teuer” sowieso jede Gültigkeit. 700 Milliarden Dollar allein in den USA – damit hätte man sieben komplette Apollo-Programme finanzieren können!
“Zu teuer!” ist also kein Argument gegen die bemannte Raumfahrt.
Das bringt nichts!
Neben “Zu teuer” ist auch “Das bringt doch nichts!” ein beliebtes Argument der Wissenschaftsgegner. “Solange Kinder in Afrika hungern müssen, soll kein Geld für unnütze Forschung ausgegeben werden dürfen” – so oder so ähnlich wird oft polemisiert. Natürlich viel niemand, dass Menschen verhungern – aber ist ein Forschungsstopp die richtige Lösung?
Ich bin hier komplett anderer Meinung. Meiner Meinung nach sind Wissenschaft, Forschung und Bildung die einzige Möglichkeit, die Welt nachhaltig positiv zu beeinflussen. Und dafür braucht man eben auch Grundlagenforschung. Viele Menschen sehen aber meist nicht, wie wichtig Grundlagenforschung als Basis für die gesamte Wissenschaft ist.
Ohne Grundlagenforschung kann es keine neuen Anwendungen geben und damit auch keinen Fortschritt. Und man kann eben nicht sagen, wohin einen die Grundlagenforschung führen wird. Viele Anwendungen kristallisieren sich erst nach Jahrzehnten heraus. Hätte sich zum Beispiel Max Planck 1900 nicht mit einem komplett theoretisch und anwendungsfreien Thema (der Schwarzkörperstrahlung) beschäftigt, dann gäbe es heute keine Quantenphysik und damit auch nicht all die Anwendungen, die daraus entstanden sind und die unsere moderne Zivilisation prägen.
Deswegen muss es immer möglich sein, frei vom Zwang nach Anwendbarkeit und schnellem Nutzen zu forschen: man kann nie wissen, was sich vielleicht später einmal daraus entwicklen wird. Das gilt auch für die Raumfahrt!
Menschen braucht man dazu nicht!
Das vernünftigste Argument, dass man in solchen Diskussionen zu hören bekommt, ist meistens “Das könnten doch Roboter genauso gut erledigen – warum muss man Menschen ins All schicken?“.
Da ist tatsächlich etwas dran. Abgesehen von der Arbeit auf den Raumstationen MIR und ISS und den Shuttleflügen hat die gesamte Forschung im Weltall in den letzten Jahrzehnten ohne Menschen stattgefunden. Und – wie ja auch hier bei den Scienceblogs immer wieder zu lesen ist – diese unbemannten Missionen haben tolle Ergebnisse geliefert! In vielen Fällen ist es tatsächlich nicht nötig, Menschen mit zu schicken. Die automatischen Sonden, die von der Erde aus gesteuert werden, erledigen ihre Sache hervorragend.
Aber: Wissenschaft soll (zumindest meiner Meinung nach) nicht nur allein dem Erkenntnisgewinn dienen. Sie soll die Menschen auch faszinieren und inspirieren. In dieser Hinsicht ist Wissenschaft genauso wertvoll wie Kunst, Musik oder Literatur. Ein Bild von Van Gogh bringt uns keine neuen Erkenntnisse über die Natur oder das Universum. Aber seine Existenz ist für die Menschheit unzweifelhaft wichtig und nützlich.
Genauso kann die bemannte Raumfahrt die Menschen viel stärker faszinieren und mitreißen als nur der Flug einer unbemannten Raumsonde. Will man, dass sich die Menschen wieder mehr für Wissenschaft, für Raumfahrt und für unser Universum und das All interessieren, dann ist es unumgänglich, dass die Menschen sich auch selbst ins All begeben!
Wir Menschen sind von Natur aus Forscher und Entdecker! Alles Wissenswerte über die Berggipfel des Himalaya könnte man problemlos auch durch Satelliten oder andere automatische Methoden erlangen. Trotzdem ist es für viele wichtig, dass Menschen selbst dort waren und diese Berge erklommen haben.
Neben diesen eher philosophischen Betrachtungen spielt aber natürlich auch die Forschung selbst eine wichtige Rolle. Man kann vieles durch Roboter erledigen lassen – aber eben nicht alles. Manches können nur Menschen machen und manches können sie besser machen. Das gilt besonders, wenn man etwas langfristiger denkt. Irgendwann werden die Menschen vielleicht die Rohstoffe im Asteroidengürtel abbauen wollen (bzw. müssen). So ein Vorhaben ist aber ohne bemannte Basen auf Mond und Mars nicht denkbar! Wenn wir irgendwann einmal unseren eigenen Hinterhof im Sonnensystem verlassen wollen, dann müssen wir uns Stützpunkte außerhalb der Erde schaffen. Vom Mond oder vom Mars aus lassen sich Raummissionen (wegen der dort herrschenden geringeren Schwerkraft) viel leichter durchführen.
Aber auch jetzt schon gäbe es gute Gründe, sich z.B. auf dem Mond anzusiedeln. Eine wissenschaftliche Forschungsstation, die sich dort befindet, könnte großartige neue Erkenntnisse bringen. Nicht nur wegen all der physikalischen Forschung, die sich bei niedriger Schwerkraft leichter durchführen lässt. Astronomische Großteleskope könnte man beispielsweise dort viel leichter und größer bauen. Und die niedrigen Temperaturen in der Mondnacht und vor allem die fehlende Atmosphäre würden Beobachtungen möglich machen, die von der Erde aus niemals durchgeführt werden könnten.
Das sind nur ein paar Beispiele, warum bemannte Raumfahrt auch rein aus wissenschaftlicher Sicht immer wichtig bleiben wird. Wir haben ja auch bemannte Stationen in der unwirtlichen Antarktis – und die ist im Winter wahrscheinlich genauso unzugänglich wie der Mond. Trotzdem erachten wir es als unumgänglich, das dort Menschen forschen und nicht nur Maschinen!
Ultimativ wird den Menschen nichts anderes übrig bleiben, als die Erde zu verlassen. Eine sich ändernde Umwelt, Naturkatstrophen oder nur die wachsende Zahl an Menschen wird es irgendwann nötig machen, andere Planeten zu besiedeln. Das mag erst in fernster Zukunft passieren – aber je eher wir anfangen, desto leichter und besser wird es dann gehen!
P.S. Über das Thema wird auch gerade bei der taz gestritten.
Weitere Artikel in der Serie “40 Jahre Mondlandung”: Die Astrologin und der Austronaut, 1959: die erste Mondlandung von Luna 2, Wie ein Filzstift einmal die Mondlandung gerettet hat, Wir kamen in Frieden und für die gesamte Menschheit, We choose the moon, Die verlorenen Videoaufnahmen vom Mond, Zuhören beim Wettlauf um den Mond, Live von Apollo 11 – 40 Jahre später
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