Ich werde manche Menschen nie verstehen. Anstatt sich über eines der schönsten und beeindruckensten Naturereignisse – eine totale Sonnenfinsternis – zu freuen, nutzen sie die Gelegenheit lieber, um Angst und Panik zu verbreiten.
Thomas hat mir heute einen Artikel geschickt, der anscheinend gerade in Asien zirkuliert. Der Autor behauptet darin, dass die totale Sonnenfinsternis, die am 22. Juli von Asien aus zu sehen ist, schwere Erdbeben und/oder Tsunamis auslösen wird.
Am 22. Juli findet eine totale Sonnenfinsternis statt, die mit einer Dauer von 6 Minuten und 39 Sekunden die längste dieses Jahrhunderts sein wird. Beobachten kann man sie von Teilen Indiens, Chinas und einigen Inseln im pazifischen Ozean:
Nicht nur, dass eine totale Sonnenfinsternis prinzipiell etwas enorm beeindruckendes ist: diesmal kann man sich die Totalität auch sehr lange ansehen. Die Finsternis recht fast an die maximal mögliche Dauer von 7 Minuten und 31 Sekunden heran. Das diese Verdunkelung so lange dauert liegt übrigens daran, dass der Mond am 21. Juli seinen erdnächsten Punkt durchläuft (das sg. Perigäum) und die Erde erst am 4. Juli ihren sonnenfernsten Punkt erreicht hatte (das sg. Aphel). Von der Erde aus gesehen erscheint daher der Mond besonders groß und die Sonne besonders klein, so dass die Finsternis auch sehr lange dauert (mehr Daten über diese Finsternis findet man übrigens hier (auf deutsch) und hier).
Mir tut es leid, dass ich nicht dabei sein kann. Ich habe überhaupt erst eine totale Sonnenfinsternis miterlebt – die im August 1999. Und es wahr wirklich ein beeindruckendes Erlebnis.
Aber manche Menschen sehen anscheinend anstatt der Schönheit der Natur lieber irgendwelche Katastrophen. Im weiter oben verlinkten Text wird behauptet, dass die spezielle Konstellation von Sonne, Mond und Erde bei der Finsternis zu großen Erdbeben und Tsunamis führen wird.
Sonne und Mond ziehen beide an den tektonischen Platten der Erde und verursachen so große Katastrophen – so jedenfalls die Behauptung.
Das ist natürlich Unsinn. Es stimmt, dass sich die gravitative Kraft, die von Sonne und Mond ausgeübt wird, ändert, je nachdem wie Sonne und Mond gerade stehen. Wir merken das an den Gezeiten: stehen Sonne und Mond in einer Linie, dann gibt es eine höhere Flut und eine tiefere Ebbe als normal (Springflut); stehen sie in einem rechten Winkel zueinander, dann sind Flut und Ebbe weniger ausgeprägt (Nippflut).
Aber natürlich hat das nichts mit den Platten der Erdkruste zu tun! Um die so weit anzuheben, dass es zu großen Erdbeben kommt, braucht es schon eine viel deutlichere Änderung der Gravitationskraft. Die Schwankungen, die hier durch die unterschiedlichen Positionen von Sonne und Mond erzeugt werden, haben keine Auswirkungen.
Das muß man nichtmal ausrechnen – ein einfacher Vergleich mit vergangenen Sonnenfinsternissen zeigt, wie unsinnig die Behauptung ist. Denn wenn die spezielle Stellung von Sonne, Mond und Erde tatsächlich zu einer so starken Gravitationswirkung führen würde, dass es große Erdbeben gibt, dann müsste das ja nicht nur am 22. Juli passieren, sondern immer, wenn eine totale Sonnenfinsternis stattfindet.
Ich habe mir mal die totalen Finsternisse dieses Jahrzehnts angesehen. Die fanden am 21. Juni 2001, am 4. Dezember 2002, am 23. 11 2003, am 29. März 2006 und dem 1. August 2008 statt. An keinem dieser Tage gabe es große Erdbeben oder Tsunamis (mit Ausnahme des 1. August 2008 – da fand in China ein mittelschweres Erdbeben statt – es kamen aber “nur” 3 Menschen ums Leben. Außerdem fand das Erdbeben schon vor der Finsternis statt und auch nicht dort, wo die Finsterniszone liegt).
Selbst wenn man vergangene Finsternisse betrachtet, die ebenfalls sehr lange dauerten, findet man keine Anzeichen für Katastrophen. Am 11. Juli 1991 gab es eine totale Finsternis die in Hawaii und Mexiko zu sehen war und 6 Minuten und 53 Sekunden dauerte – aber keine Erdbeben. Und am 20. Juni 1955 dauerte eine totale Sonnenfinsternis in Ostasien bzw. Südoastasien (mehr oder weniger dort, wo sich auch am 22. Juli die Sonne verfinstert) ganze 7 Minuten und 8 Sekunden. Auch damals gab es zu dieser Zeit keine Katastrophen.
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