Ich komme zwar aus einer der bekanntesten Weinregionen (der Wachau in Österreich) – bin aber trotzdem kein großer Weinfan. Ich trinke – wenn ich mal Alkohol trinke – hauptsächlich Bier. Was nicht heisst, das Wein keine tolle Sache sein kann.
Aber manche Menschen – so kommt es mir zumindest manchmal vor – übertreiben die ganze Angelegenheit ein wenig. Menschen, die z.B. Sätze wie diesen schreiben oder sagen:
“Verschlossene, tiefe Nase, die dunkle Beeren erahnen lässt. Ungemein jung und kräftig dann der Eindruck am Gaumen. Himbeeren, Cranberries, Cassis sowie Leder, Tabak und massives Tannin. Verdient Lagerung, momentan noch fest in der Hand des Gerbstoffe.”
Vielleicht bin ich ja einfach nur ein Banause 😉 Aber mir kommt diese ganze Weinkritik doch extrem subjektiv und vor allem beliebig vor.
Es macht ja eigentlich auch wenig Sinn, Wein (bzw. prinzipiell Nahrungsmittel, Restaurants o.ä.) zu beurteilen. Wenn der Weinkritiker X meint, das wäre ein toller Wein, dann hat man daraus doch erstmal nur gelernt, das X einen bestimmten Wein gut findet. Ob dieser Wein dann auch noch mir oder sonst wem schmeckt, ist wieder ne ganz andere Sache. Geschmäcker sind verschieden.
Darum finde ich das ganze Getue mit diesen Weinproben und den Weinkritiker-Slang ein wenig affig. Ich vermute mal, dass die wenigsten, die bei einer Weinverkostung von einer “fruchtbetonter Nase” und “Kirschnoten auf der Zunge” reden oder meinen, der Wein wäre “stoffig, aber nicht wirklich groß“, wirklich wissen, was sie da sagen oder schmecken. Und noch viel weniger werden in der Lage sein, tatsächlich zu schmecken, um welchen speziellen Wein es sich handelt.
Ok, ob es Rot- oder Weißwein ist, schmecke sogar ich 😉 Und Experten können sicherlich auch verschiedene Traubensorten am Geschmack erkennen. Aber darüber hinaus wird es schon sehr schwierig.
Hier spielen dann wohl Erwartungshaltungen eine sehr große Rolle. Ein billiger Wein aus dem Plastikkanister muss grauenhaft schmecken; ein teurer Wein in edler Flasche ist dann schnell ein “großer Wein” und wird mit Sätzen wie diesem beschrieben:
“Den Eingang beschreibt man am besten mit einer Staffelei Seidentücher”
Mit einem Freund, der von sich ebenfalls behauptet, ein Weinkenner zu sein, haben ich und ein paar Freunde einmal ein Experiment gemacht. Von einem befreundeten Weinhändler haben wir uns leere Flaschen eines “Spitzenweins” besorgt (gefüllt kosteten sie knapp 100 Euro). Diese leeren Flaschen haben wir mit dem billigsten Supermarktwein im Getränkekarton gefüllt, der aufzutreiben war.
Dann wurde der “Kenner” mit diesem Wein überrascht; der Wein wurde nach allen Regeln der Kunst dekantiert und verkostet. Und natürlich war er hervorragend! Und natürlich konnte der Weinkenner auch in ausführlichen, blumigen Worten beschreiben, warum der Wein so hervorragend war. Zum Abschluß gab es dann nochmal den gleichen Wein – diesmal original aus dem Karton 😉 Und wieder konnte der Experte genau erklären, warum der Wein so grauenhaft schlecht schmeckte…
Wie gesagt – die Erwartungshaltung scheint beim Geschmack eine große Rolle zu spielen.
Das bestätigt auch eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit. In ihrem Artikel “Expectations influence sensory experience in a wine tasting” haben Michael Siegrist und Marie-Eve Cousin von der ETH Zürich ein interessantes Experiment angestellt.
163 Testpersonen durften den Wein Clos de Los Siete Mendoza (2006)” verkosten. Der hat von Robert Parker (anscheinend ein ganz hohes Tier bei den Weinkritikern) eine sehr hohe Bewertung bekommen: 92 von 100 Punkten.
Die Probanden wurden nun in 5 Gruppen eingeteilt:
- Gruppe 1 wurde vor der Verkostung über die hohe Punktzahl informiert
- Gruppe 2 wurde vor der Verkostung gesagt, der Wein hätte nur 72 Punkte bekommen.
- Gruppe 3 wurde nach der Verkostung aber vor der Bewertung über die hohe Punktzahl informiert.
- Gruppe 4 wurde nach der Verkostung aber vor der Bewertung gesagt, der Wein hätte nur 72 Punkte bekommen
- Gruppe 5 wurde gar nichts gesagt (Kontrollgruppe)
Das Ergebnis ist interessant: Gruppe 1 fand den Wein deutlich besser als Gruppe 2. Die positive bzw. angeblich negative Bewertung des prominenten Weinkritikers hat die Bewertung also deutlich beeinflusst.
Aber nicht nur die Bewertung – sondern das Geschmacksempfinden selbst. Denn zwischen Gruppe 3 und 4, die die Information erst nach der Verkostung erhielten, gab es keinen signifikanten Unterschied mehr.
Das Geschmacksempfinden scheint sich also tatsächlich von der Beurteilung eines bekannten Weinkritikers beeinflussen zu lassen. Was gut zu schmecken hat, schmeckt auch gut.
Es scheint aber noch andere Faktoren zu geben, die die Bewertung der Qualität eines Weines beeinflussen:
Psychosoziale Faktoren spielen sicher eine Rolle: Die Wissenschaftler schliessen nämlich nicht aus, dass passionierte Weintrinker- und Kenner, um ihr Gesicht zu wahren, beispielsweise nachträglich ihre Meinung und somit Bewertung revidieren würden. Dieser Frage sollen spätere Studien auf den Grund gehen.
Auf die bin ich ja schon sehr gespannt. Es würde mich nicht wundern, wenn sich diese ganze Weinkritik-Sache als reine Show entpuppt 😉
Zum Abschluss möchte ich noch auf eine Episode von “Penn & Teller: Bullshit!” hinweisen. Hier geht es um Wasser in Flaschen und die irrige Annahme, es würde besser schmecken als Leitungswasser:
Übrigens: Keine Parodie kann die Wirklichkeit schlagen. “Wasser-Sommeliers”, so wie im Video dargestellt, gibt es tatsächlich! Und anscheinend spielt auch hier die Erwartungshaltung eine ähnliche Rolle wie beim Wein:
FOCUS: Ist gut schmeckendes Wasser immer teuer?
Riese: Das muss nicht sein, aber eines ist klar: Discount-Wässer schmecken mir einfach nicht.
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