In unserem Sonnensystem gibt es nicht nur einen Stern und acht Planeten, sondern auch jede Menge Asteroiden. Die meisten davon befinden sich in zwei sogenannten “Gürtel”. Einer davon wurde schon im 19. Jahrhundert entdeckt und befindet sich zwischen den Bahnen der Planeten Mars und Jupiter. Der andere große Asteroidengürtel befindet sich in den äußeren Bereichen des Sonnensystems; außerhalb der Bahn des Neptun.
Nach dem Astronom, der seine Existenz vorhergesagt hat (Gerard Kuiper) wird dieser Asteroidengürtel Kuipergürtel genannt. Erst 1992 hat man den ersten Asteroiden dieses Gürtels gefunden und seine Erforschung ist lange noch nicht abgeschlossen.
Der Kuipergürtel gibt den Astronomen immer wieder neue Rätsel auf…
Eisartige Objekte
Die Asteroiden des Kuipergürtels befinden sich weit von der Sonne entfernt. Bis jetzt nahm man an, dass es sich bei ihnen um sogenannte eisartige Himmelskörper handelt.
Probiert man, die größeren Himmelskörper unseres Sonnensystems in Gruppen einzuteilen, dann bekommt man drei oder vier verschiedene: große Gasplaneten wie Jupiter, die deswegen auch oft jupiterartige bzw. jupiterähnliche Planeten genannt werden; kleinere, felsige Himmelskörper mit hoher Dichte, so wie die Erde – man nennt sie deswegen auch erdartige bzw. erdähnliche Himmelskörper. Und dann gibt es noch kleine Himmelskörper mit geringerer Dichte – das sind die eisartigen Himmelskörper (weil sie zu einem großen Teil aus Eis bestehen).
Dieses Diagramm zeigt die Gruppen sehr gut:
Auf der x-Achse ist der Radius der Himmelskörper aufgetragen, auf der y-Achse ihre Dichte. Man erkennt hier gut die jupiterähnlichen Planeten mit großen Radius und geringer Dichte (rot). Auch die erdähnlichen Planeten mit großem Eisenkern grenzen sich klar ab (grün). Etwas geringer ist die Dichte bei den erdähnlichen Himmelskörper ohne großen Eisenkern (blau). Die kleinen Himmelskörper mit geringer Dichte sind hier in rosa dargestellt – das sind die eisartigen Himmelskörper.
Sie bestehen aus einer großen Eiskruste, die einen Kern aus Stein umschließen kann. So wäre auch zum Beispiel der große Asteroid Quaoar aufgebaut – dachte man jedenfalls.
Quaoar – ein seltsames Ding
Quaoar wurde im Jahr 2002 entdeckt und gehört zu den größeren Asteroiden im Kuipergürtel. Man schätzte seine Größe auf über 1000 Kilometer und seiner Dichte nach zu urteilen, schien er tatsächlich größtenteils aus Eis zu bestehen.
2007 wurde ein kleiner Mond um Quaoar entdeckt. Er ist nur knapp 100 Kilometer groß und trägt den (noch inoffiziellen) Namen Weywot. Durch die Analyse der Bewegung des Mondes war es nun möglich geworden, die Masse und den Durchmesser von Quaoar genauer zu bestimmen. Es stellte sich heraus, das Quaoar kleiner ist als bisher angenommen und dadurch auch eine höhere Dichte hat.
Der neue Wert der Dichte liegt bei mindestens 3,5 g/cm³. Das ist aber zu viel für einen Körper der größtenteils aus Eis besteht. Quaoar muss ein steiniges Objekt sein!
So sieht das Hubble-Teleskop den weit entfernten Quaoar
Quaoar ist nun von den bekannten Objekten im Kuipergürtel das dichteste. Er ist sogar dichter als der Asteroid Vesta, der viertgrößte Asteroid des klassischen Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter.
Eine Möglichkeit, wie ein eisartiger Himmelskörper so dicht werden kann, sieht folgendermaßen aus: ursprünglich sind die Objekte größer und weniger dicht. Durch Kollisionen mit anderen Himmelskörpern verliert der Asteroid die leichteren äußeren Schichten und es bleibt der felsige Kern übrig.
Ob dieses Szenario auch auf Quaoar zutrifft, ist noch unklar. Selbst wenn er nur aus Stein wäre, wäre er wahrscheinlich immer noch nicht dicht genug, um den beobachteten Wert zu erklären. Und man kann auf seiner Oberfläche immer noch Eis beobachten – alles kann also nicht verschwunden sein.
Auch Weywot, der Mond, verhält sich seltsam. Wenn er bei einer Kollision entstanden ist, so wie die meisten Asteroidenmonde, dann müsste seine Bahn um Quaoar eigentlich annähernd kreisförmig sein. Weywot ist aber auf einer elliptischen Bahn…
Kollision mit unbekannten Planeten?
Der Astronom Erik Asphaug meint, das Quaoar vielleicht irgendwann mit einem noch größeren Objekt zusammengestoßen ist; einem kleinen Planeten, etwa so groß wie der Mars. Bei dieser Kollision könnte Quaoar zusammengestaucht und viel dichter geworden sein.
Das wäre natürlich eine coole Sache! Denn das würde bedeuten, dass dort draußen im Kuipergürtel tatsächlich noch größere Objekte rumschwirren. Bis jetzt ist Eris das größte bekannte Objekt dort, der Asteroid/Zwergplanet hat einen Durchmesser von 2500 km; dicht gefolgt von Pluto mit einem Durchmesser von 2250 km.
Aber prinzipiell spricht nichts dagegen, dass es in den äußersten Bereichen des Sonnensystem auch noch größere Objekte gibt. Vielleicht nicht im Kuipergürtel selbst – dort hätten wir sie wohl schon gefunden. Aber eventuell in der sg. “scattered disk” (“gestreuten Scheibe”) – dem Übergangsbereich zwischen dem Kuipergürtel und der gigantischen Oortschen Wolke, die das Sonnensystem kugelförmig umgibt.
In der Frühzeit des Sonnensystems, als die Planeten entstanden, sind sicherlich jede Menge größere und kleinere Protoplaneten durch die gravitativen Interaktionen aus dem Sonnensystem geflogen. Irgendwo müssen die ja geblieben sein… Wenn sie in der weit entfernten Oortschen Wolke gelandet sind, dann werden wir sie wohl so schnell nicht endecken. Aber falls ein paar näher an der Sonne geblieben sind, dann finden wir sie vielleicht.
Aus theoretischen Untersuchungen wissen wir, dass innerhalb von 250 Astronomischen Einheiten (eine Astronomische Einheit entspricht dem Abstand zwischen Erde und Sonne) keine Planeten größer als der Mars zu erwarten sind. Der Kuipergürtel erstreckt sich in etwa zwischen 30 und 50 Astronomischen Einheiten – so ein zusätzlicher Planet müsste sich dann in der außerhalb des Kuipergürtels liegenden scattered disk befinden.
Wir kennen sogar ein Objekt, dass sich in der gestreuten Scheibe befindet! Der Asteroid Sedna befindet sich an seinem entferntesten Punkt 500 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt! Und Sedna ist auch nicht gerade klein; mit einem Durchmesser von 1700 km ist der Asteroid größer als Quaoar.
Sednas Bahn (unten rechts) in Relation zum inneren Sonnensystem und zur Oortschen Wolke (Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC-Caltech))
Gut möglich also, dass sich in den noch unbekannten äußersten Bereichen des Sonnensystems weitere Planeten befinden. Und es ist ebenso möglich, dass Quaoar irgendwann mal einem dieser Planeten in die Quere gekommen ist und durch die Kollision seine heutige Dichte und Bahn bekommen hat.
Das nachzuweisen wird allerdings schwer bis unmöglich sein. Aber egal was mit Quaoar passiert ist – um eine Chance zu haben, das herauszufinden, brauchen wir mehr Daten! Ich bin schon gespannt, was die Astronomen bei ihren zukünftigen Beobachtungen des Kuipergürtels herausfinden werden!
Die wissenschaftlichen Ergebnisse zu Quaoar, die ich hier beschrieben habe, wurden auf der kürzlich stattgefundenen DPS-Konferenz von Wesley Fraser präsentiert.
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