Gestern habe ich angefangen, etwas über Gammablitze oder Gamma Ray Bursts (GRBs) zu erzählen. Bzw. habe ich erstmal erklärt, was Gammastrahlung ist und warum die Astronomen sie beobachten wollen. Und dann wurden in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts plötzlich gewaltige Gammastrahlungsausbrüche entdeckt – und keiner wusste, um was es sich dabei handelt.
Heute sind wir schon etwas schlauer…
Unwahrscheinlich viel Energie!
Diese Gammablitze waren wirklich außergewöhnlich. Irgendwo im All wurde während eines sehr kurzen Zeitraums anscheinend unwahrscheinlich viel Energie freigesetzt. In ein paar Sekunden mehr Energie, als unsere Sonne in ein paar Milliarden Jahren abstrahlt! Die GRBs strahlten kurzfristig heller als ganze Galaxien voller Sterne.
Man hat ziemlich schnell gemerkt, dass so ein Gammablitz aus eng fokussierter Strahlung bestehen muss. Würde ein GRB seine Strahlung in alle Richtungen abgeben, so wie zum Beispiel unsere Sonne es tut, dann müsste die gesamte abgestrahlte Energiemenge Strahlungsleistung bei einem typischen Ausbruch unvorstellbare 1045 Watt haben (also ausgeschrieben 1000000000000000000000000000000000000000000000 Watt – eine 1, gefolgt von 45 Nullen). Das ist fast das 3 trillionenfache von dem, was unsere Sonne leisten kann.
Das regelmäßige Ereignisse mit solchen unvorstellbaren Energien im Weltraum stattfanden, war unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Energie nicht überall hin abgestrahlt wird, sondern eng fokussiert in 2 Strahlen abgegeben wird – so wie das Licht eines Leuchtturms. Wir auf der Erde sehen dann nur die GRBs, deren Strahlen zufällig auf uns gerichtet sind. Unter dieser Annahme ist weniger Energie nötig, um die beobachteten GRBs zu erzeugen – aber immer noch enorm viel!
Künsterlische Darstellung des GRB 080319B (Bild: NASA)
Man fand auch heraus, dass es zwei verschiedene Typen von GRBs gibt: einige dauerten nur wenige Sekunden; anderen leuchteten eine halbe Minute oder länger im Gammalicht auf.
Aber was erzeugt nun diese Ereignisse? Die Dauer der GRBs ist ein erster Hinweise. Wenn das Aufleuchten nur so kurz anddauert, dann kann es kein großes Objekt sein, dass das leuchtet. Das Objekt, dessen Helligkeit sich ändert, muss kleiner sein als der Zeitraum der Helligkeitsänderung multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit (vielleicht ein bisschen größer, wenn man relativistische Effekte berücksichtigt). Was immer die GRBs also auch verursacht, muss klein sein. “Klein” ist hier astronomisch zu verstehen – also im Sinne von “klein wie ein Stern, nicht so groß wie eine Galaxie”.
Woher kommen die Dinger?
Aber das hilft noch nicht allzu sehr weiter. Man wusste immer noch nicht, wo genau die GRBs eigentlich herkamen. Man hatte ja immer nur die Gammastrahlung beobachtet – aber wenn man die selbe Stelle am Himmel mit normalen Teleskopen im optischen Licht betrachtete sah man nie etwas, dass der Ursprung der GRBs sein hätte können. Aus den Gammabeobachten alleine ließ sich aber schwere eine Entfernung bestimmen.
Um mehr herauszufinden musste man im wesentlich auf das Compton Gamma Ray Observatory warten. 1991 wurde dieses Weltraumteleskop zur Gammastrahlenbeobachtung ins All gebracht. Mit an Bord war das Instrument BATSE (Burst and Transient Source Experiment), das speziell dazu ausgelegt war, GRBs zu beobachten.
BATSE arbeitete acht Jahre und fand über 2000 Gammablitze und so waren sie am Himmel verteilt:
Die GRBs waren isotrop über den ganzen Himmel verteilt – es zeigten sich keine statistisch relevanten Häufigkeiten. Das war aber ein deutlicher Hinweis, dass es sich um Objekte handeln musste, die außerhalb unserer Galaxie, der Milchstrasse lagen!
Denn unsere Galaxis ist im wesentlichen eine Scheibe und wir befinden uns mitten drin. Würden die GRBs innerhalb dieser Scheibe stattfinden, dann würden sie am Himmel gehäuft in einem bestimmten Streifen – der Ebene der Galaxie – auftreten. Wenn sie allerdings überall zu sehen sind, dann müssen sie auch von überall herkommen – also aus anderen Galaxien!
Das erklärt auch, warum man mit den optischen Teleskopen nie etwas von den GRBs gesehen hat. Wenn sie klein sind und sich in entfernten Galaxien befinden, dann sind sie extrem schwer zu sehen.
Im Laufe der Zeit bekam man immer mehr Daten. 1997 fand man heraus, dass ein GRB nicht nur Gammastrahlung aussendet sondern dass er auch im Röntgenlicht “nachleuchtet”. Mit Röntgenstrahlen lassen sich aber die Positionen viel besser bestimmen als mit Gammastrahlung.
Jetzt konnte man die optischen Teleskope viel besser positionieren und gezielt beobachten. Und tatsächlich fand man dort, wo GRBs stattfanden im normalen Licht weit entfernte Galaxien! Das nächste Bild zeigt zum Beispiel den Gammablitz GRB-990123. Es wurde im normalen Licht aufgenommen und zeigt das optische Nachleuchten (das war übrigens der erste GRB, bei dem man auch im normalen Licht ein Nachleuchten detektieren konnte).
Der GRB selbst ist der helle Punkt im weißen Quadrat; rechts daneben ist eine Vergrößerung. Über dem GRB sieht man ein gekrümmtes Dinges – das ist die Galaxie, in der er sich befindet.
Dieser GRB wurde am 23. Januar 1999 gefunden und er ist unwahrscheinlich weit von uns entfernt (auf der Karte des Universums, über die ich kürzlich berichtet habe, ist GRB 990123 das letzte bekannte Objekt vor dem Bereich, der dann prinzipiell unbeobachtbar ist). Er ist neun Milliarden Lichtjahre weit weg!
2004 wurde ein GRB gefunden, der unvorstellbare 12,7 Milliarden Lichtjahre weit weg ist – und damit zu den ältesten Objekten im Universum gehört. Im September 2008 entdeckte man einen GRB mit einer Entfernung von 12,8 Milliarden Lichtjahren und ein paar Monate vorher, im März, fand man GRB 080319B – einen Gammablitz der auch mit bloßem Auge sichtbar war und mit einer Entferung von 7,5 Milliarden Lichtjahre das entfernteste Objekt ist, das nur mit dem Auge gesehen werden konnte. Der aktuelle Spitzenreiter ist GRB 090423 der 13 Milliarden Jahre alt ist (und damit nur knapp 680 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden ist).
Hypernovae!
Ziemlich beeindruckend. Aber was ist denn nun eigentlich so ein Gammablitz?
Heute hat man einige vernünftige Ideen, worum es sich dabei handelt. Vermutlich werden die Gammablitze von Hypernovae verursacht. Eine Hypernova ist eine besondere Art von Supernova. Supernovae sind bekannte, oft beobachtete und gut erklärte Ereignisse.
Sie treten auf, wenn ein Stern am Ende seines Lebens angekommen ist und nicht mehr genug Material hat, um die normale Kernfusion aufrechtzuerhalten. Der Strahlungsdruck, der ansonsten der Gravitationskraft entgegengewirkt hat wird schwächer und der Stern beginnt zu kollabieren. Er stürzt in sich zusammen und wird dabei komprimiert. Dadurch wird es im Kern des Sterns heisser und es können andere Elemente fusioniert werden – der Stern lebt noch ein bisschen weiter, bis auch diese Elemente aufgebraucht sind und der Kollaps weitergeht. Es wird wieder heißer, neue Elemente werden fusioniert bis auch sie aufgebraucht sind und der Stern noch ein wenig weiter komprimiert wird.
Das geht solange weiter, bis ein quantenmechanischer Effekt (der sg. Entartungsdruck) den Kollaps stoppt. Von einem Moment auf den anderen wird dadurch enorm viel potentielle Energie umgewandelt und freigesetzt. Der Stern beendet sein Leben explosiv; zurückt bleibt ein kleiner Sternrest: ein sogenannter Neutronenstern.
Diese Objekte sind nur etwa 20 Kilometer groß – aber schwerer als unsere Sonne. Sie sind also extrem dicht!
Damit ein Neutronenstern entstehen kann, muss der Ausgangsstern schwer genug sein (schwerer als unsere Sonne). Ist der Stern besonders schwer – mehr als etwa 8 Sonnenmassen – dann hält nicht mal der Entartungsdruck den Kollaps auf und es entsteht kein Neutronenstern, sondern ein schwarzes Loch.
Bei einer Hypernova kollabiert der Kern eines Sterns direkt zu einem schwarzen Loch. Damit das passiern kann, muss er sehr schwer sein – einige dutzend Male schwerer als die Sonne! Ich gehe davon aus, dass es auch hilfreich ist, wenn der Stern sehr alt/weit entfernt ist – also sehr früh nach dem Urknall entstanden ist. Denn je früher ein Stern entstanden ist, desto weniger schwere Elemente besitzt er. Nach dem Urknall gab es im wesentlichen ja nur Wasserstoff und Helium. Alle schweren Elemente mussten erst in Sternen fusioniert und durch Supernova-Explosionen im All verteilt werden. Je später ein Stern entsteht, desto mehr Elemente kann er also enthalten und desto einfacher ist es, einem Kollaps entgegenzuwirken.
Wenn nun der Kern eines so massereicher Sterns direkt zu einem schwarzen Loch kollabiert, dann wird restliches Material den Polen des Sterns in zwei extrem schnellen sogenannten Jets ausgestoßen. Die Geschwindigkeit der Teilchen erreicht annähernd Lichtgeschwindigkeit und die Jets sondern extrem viel Gammastrahlung ab – ein Gammablitz hat stattgefunden!
Wenn wir also einen Gammablitz am Himmel sehen, dann ist vermutlich gerade irgendwo im All, weit entfernt, ein enorm großer Stern explodiert.
Diese Erklärung funktioniert aber nur für die weiter oben erwähnten GRBs, die länger dauern. Für die ganz kurzen Gammablitze gibt es eine andere Theorie. Hier vermutet man, dass es sich um die Kollision zweier Neutronensterne handelt. Es gibt ja jede Menge Doppel- und Mehrfachsterne die nach ihrem Tod dann zum Beispiel einander umkreisenden Neutronensterne bilden können. Dabei werden Gravitationswellen abgestrahlt, die Neutronensterne verlieren Energie und kollidieren irgendwann miteinander.
Auch dabei entstanden gewaltige Mengen an Gammastrahlung und die soll für die kurzen GRBs verantwortlich sein.
Bei den GRBs handelt es sich also um dramatische Ereignisse im All. Der Kollaps gewaltiger Sterne zu schwarzen Löchern oder die Kollision zweier ehemaliger Sterne. Kann das nicht auch für uns gefährlich sein?
Erstmal nicht.
Die Gamma-Gefahr?
Wie ich im ersten Teil des Artikels schon erwähnt habe, lässt unsere Atmosphäre Gammastrahlung nicht durch. Deswegen müssen wir ja kompliziert Satelliten ins All schicken um sie beobachten zu können. Die Gammastrahlung kann aber, wenn sie auf die Erdatmosphäre trifft, Stickoxid erzeugen und der wiederrum kann die Ozonschicht schädigen. Dann kommt es zu vermehrter UV-Einstrahlung auf die Erdoberfläche was sich negativ auf die dort lebenden Organismen auswirken kann.
Aber dazu müsste der GRB schon relativ nahe an der Erde statfinden. Bisher hat man fast ausschließlich extragalaktische Gammablitze beobachtet – am nächsten kam uns GRB 041227 der sich zwar noch in unserer Milchstrasse befand, aber doch noch 50000 Lichtjahre weit weg war (und vergleichsweise schwach).
Manche Astronomen glauben, dass der Stern Eta Carinae irgendwann zu einer Hypernova werden könnte. Eta Carinae ist etwa 100 mal schwerer als die Sonne – wäre also groß genug. Er ist auch schon eher am Ende seines Lebens angelangt und hat schon ein paar beinahe Explosionen hinter sich. Im folgenden Bild sieht man gut das Material, das dabei ausgestoßen wurde:
In den nächsten 20000 Jahren könnte es ganz aus mit ihm sein und dann wird er vielleicht zur Hypernovae. Aber Grund zur Panik besteht erstmal nicht. Eta Carinae ist immerhin 7000 bis 10000 Lichtjahre entfernt. Das ist schon recht weit. Und der GRB muss uns dann außerdem erstmal treffen. Wir wissen auch noch nicht genug über Hypernovae um wirklich sagen zu können, das Eta Carinae eine werden wird. Wir können die Sache also gelassen angehen 😉
Gammablitze sind jedenfalls eine enorm faszinierende Angelegenheit. Sie können uns viel über das Universum beibringen. Weil sie so wahnsinnig hell sind, können wir sie noch sehen, auch wenn sie Milliarden Lichtjahre weit weg sind – und damit steht uns eine Möglichkeit zur Verfügung, etwas über das frühe Universum zu lernen!
Die Erforschung der Gammablitze hat eigentlich gerade erst angefangen. Ich vermute, hier werden noch viele Überraschungen und faszinierende Ergebnisse auf uns zukommen!
P.S. Wer noch mehr zum Thema wissen will, kann es sich von Harald Lesch erklären lassen. Bei Alpha Centauri gibt es zwei schöne Sendungen dazu: Was ist eine Hypernova? und Was ist der Superflare vom 27.12.2004?. Und wers noch mehr Details haben will, der findet hier eine coole interaktive Karte mit GRBs.
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