Die Astronomie hat im Vergleich zu anderen Wissenschaften wie Physik oder Biologie einen großen Nachteil: sie kann ihre Forschungsobjekte nicht direkt untersuchen. Ein Physiker kann wiegen und abmessen; kann Dinge durch Zentrifugen jagen oder unter Strom setzen. Ein Chemiker kann Flüssigkeiten mischen, Festkörper pulverisieren und analysieren; ein Zoologe kann Tiere sezieren.
Ein Astronom kann seine Forschungsobjekte, die Sterne und Planeten, nur aus der Ferne beobachten (mit wenigen Ausnahmen die der modernen Raumfahrt zu verdanken sind). Uns bleiben nur Photonen, die wir mit unseren Instrumenten einfangen und analysieren können. Insofern ist es schon fast wieder erstaunlich, wie kreativ die Astronomen im Laufe der Zeit waren und wieviel Informationen sie aus diesen Photonen extrahieren können.
Verschärft wird die Situation noch durch die großen Entfernungen. Die Planeten in unserem Sonnensystem können wir zumindest noch tatsächlich beobachten, d.h. wir können Struktur und Details erkennen. Bei den Sternen ist das aber unmöglich. Hier gibt es quasi nur drei Parameter, die wir beobachten können. Neben der Richtung, aus der das Licht der Sterne kommt (Positionsastronomie bzw. Astrometrie) und der Qualität des Sternenlichts (Spektroskopie) ist die Messung der Helligkeit – die Photometrie – der dritte große Zweig der beobachtenden Stellarastronomie.
Man sollte meinen, zu messen wie hell etwas ist, wäre trivial und unkompliziert. Ganz so einfach ist es aber dann leider auch wieder nicht…
Eine 2000 Jahre alte Skala
Einer der ersten, der sich damit beschäftigte, wie man die Sterne anhand ihrer Helligkeit einteilen kann, war der Grieche Hipparchos von Nicäa (~190 v.Chr. bis ~120 v.Chr.) – einer der ersten wirklich wissenschaftlich arbeitenden Astronomen. Er teilte die mit freiem Auge sichtbaren Sterne in sechs Größenklassen
ein. Die hellsten Sterne am Himmel wurden als “Sterne erster Größe”
katalogisiert; diejenigen, die man gerade noch mit freiem Auge sehen
konnte als “Sterne sechster Größe”.
Dieser Einteilung von Hipparchos verdanken wir auch einige Eigenheiten unseres aktuellen Systems der Größenklassen. Denn im wesentlichen existiert die Klassifikation des alten Griechen noch heute. Die
(scheinbare oder absolute – dazu später mehr) Helligkeit eines Sterns wird immer noch in
Größenklassen bzw. Magnituden angegeben und mit “mag” oder einem hochgestellten m
gekennzeichnet. Und so wie bei Hipparch haben hellere Sterne eine kleinere Magnitude als dunklere. Ein Stern der Magnitude 1 ist also viel heller als ein Stern der Magnitude 6. Das kleinere Zahlen größere Helligkeiten bezeichnen ist für Laien oft verwirrend – aber aus historischen Gründen hat sich diese Einteilung bis heute gehalten.
Die Helligkeit war immer schon eine etwas knifflige
Messgröße. Vor der Verwendung von fotografischen Platten in der
Astronomie gab es keine objektive Möglichkeit die Helligkeit zu
bestimmen. Beobachter mussten durch freiäugige Beobachtung die
Größenklassen durch Vergleich mit Referenzsternen abschätzen. Das war natürlich unbequem und auch nicht wirklich wissenschaftlich (zumindest nach heutigen Standards). Man brauchte eine Möglichkeit, die Beobachtungen vergleichbar zu machen.
Die scheinbare Helligkeit
Um das
ganze also objektiver zu machen, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts
eine “neue” Helligkeitskala, basierend auf der Arbeit des britischen Astronomen Norman Pogson eingeführt. Da das menschliche Auge Reize logarithmisch verarbeitet waren auch die Sternehelligkeiten des Hipparchos logarithmisch. Bis vor kurzer Zeitz dachte man, dass das Auge Reize logarithmisch verarbeitet und deswegen schlug Pogson auch vor, das als Standard beizubehalten und verwendete auch eine logarithmische Skala! (Heute beschreibet den Helligkeitseindruck mit einer Potenzfunktion). Er definierte das Verhältnis der Helligkeit eines Sterns der Größenklasse m zur Größenklasse m+1 als die fünfte Wurzel aus 100, was ungefähr 2,512 ist
Die nichtlineare Reizverabeitung bedeutet,
das bei einer Verdoppelung des Reizes (also des auf das Auge treffenden
Lichtflusses) sich die Empfindung nicht verdoppelt.
Diese seltsame, inverse logarithmische Skalen wird auch heute noch verwendet – auch wenn sie weder dem SI-System noch der Intuition entspricht 😉 Die offizielle Formel lautet:
m ist hier die scheinbare Helligkeit und F und F0 sind die tatsächlichen Lichtflüsse, die vom Stern bzw. einem Referenzstern nullter Größenklasse ausgehen. Die Differenz in der scheinbaren Helligkeit zweier Sterne ist also dem logarithmischen Verhältnis ihrer Flüsse proportional:
Die besten Teleskope schaffen es heute übrigens, Sterne bis etwa zur
30. Größenklasse zu sehen. Das sind zwar “nur” 24 Größenklassen mehr als die
Sterne, die man gerade noch mit freiem Auge sehen kann – allerdings
entspricht das einem Unterschied von knapp 4 Milliarden im Lichtfluss!
Die besten Teleskope die heute existieren, können also Sterne sehen,
die 4 Milliarden mal schwächer leuchten als diejenigen, die wir mit
unseren Augen am Himmel sehen können!
Es gibt allerdings noch einen weiteren Faktor, der bei der Helligkeitsmessung von großer Bedeutung ist. Wenn wir am Himmel einen hellen Lichtpunkt sehen, dann sehen wir erstmal nur einen hellen Lichtpunkt. Ohne weitere Informationen haben wir keine Anhaltspunkte über die wahre Natur des Sterns, seine Größe und vor allem seine Entfernung.
Die absolute Helligkeit
Der helle Lichtpunkt könnte als deswegen so hell sein, weil der Stern uns sehr nahe ist. Oder er ist so hell, weil der der Stern so groß ist. Zwei physikalisch ganz unterschiedliche Objekte – beispielsweise ein Zwergstern und ein Überriese – können uns am Himmel identisch erscheinen, weil der Zwergstern zwar schwach leuchtet uns aber vielleicht sehr nahe ist; der Überriese aber weit weg und deswegen auch nicht so hell zu sehen ist.
Was wir von der Erde aus beobachten sind immer nur scheinbare Helligkeiten. Die reicht auch für viele Anwendungen aus – etwa, wenn man nur an der Änderung von Helligkeiten interessiert ist (zum Beispiel wenn man veränderliche Sterne untersucht). Oft muss man aber auch die Helligkeiten der Sterne direkt vergleichen – und da reicht dann eine scheinbare Helligkeit nicht mehr.
Deswegen hat man den Begriff der absoluten Helligkeit eingeführt. Dazu stellt man sich vor, wie hell die Sterne wären, wenn sie sich alle in einer Entfernung von 10 Parsec (das sind 32,6 Lichtjahre) von der Erde befinden würden. Die Helligkeit, die sie dann von uns aus gesehen hätten, ist die absolute Helligkeit und die kann man dann mit anderen absoluten Helligkeiten vergleichen.
Die Sonne hat zum Beispiel eine scheinbare Helligkeit von -26m,74 (die große negative Zahl heisst, dass sie enorm hell ist – was ja auch zutrifft). Würde man sie aber in einer Entfernung von 10 Parsec aufstellen, dann wäre sie nur noch 4M,83 hell (bei der absoluten Helligkeit verwendet man ein großes “M”). Deutlich schwächer als beispielsweise Sirius, der eine absolute Helligkeit von 1M,43 hat und sie verblasst geradezu gegen den Riesenstern Beteigeuze, der in 10 Parsec Entferung eine absolute Helligkeit von -5 Magnituden hätte!
Der unscheinbare Stern Cygnus OB2-12, der im nächsten Bild markiert ist, ist mit
freiem Auge nicht zu sehen. Seine scheinbare Helligkeit beträgt nur11 m,4
Magnituden. Wäre er allerdings nur 10 Parsec von der Erde entfernt
(anstatt knapp 2000), dann hätte er eine absolute Helligkeit von -10M,6 und wäre damit eines der hellsten Objekte an unserem Nachthimmel (gleich nach dem Mond der eine scheinbare Helligkeit von -12m,6 hat)!
Da die absolute Helligkeit eine genormte Helligkeit ist, lässt sich aus dem Unterschied zur scheinbaren Helligkeit auch die Entfernung des Sterns berechnen: wenn ich weiß, wie hell der Stern im Abstand von 10 Parsec aussehen würde, und wenn ich dann beobachte, wie hell er am Himmel tatsächlich erscheint, dann folgt daraus sofort, wie weit er weg sein muss.
Der Entfernungsmodul
Die zugehörige Formel, die zu den wichtigsten in der Astronomie gehört, nennt man Entfernungsmodul:
Die absolute Helligkeit ist – im Gegensatz zur scheinbaren – auch direkt mit den physikalischen Eigenschaften (z.B. Temperatur und Größe) des Sterns verbunden. Wenn man also auf anderem Weg etwas über diese Parameter in Erfahrung bringen kann, dann kann man daraus oft direkt die absolute Helligkeit berechnen. Und da man die scheinbare Helligkeit immer einfach beobachten kann, lässt sich dann mit dem Entfernungsmodul die Entfernung der Sterne berechnen!
Das war vor allem historisch gesehen ein wichtiger Schritt. Denn mit genau dieser Methode war es in den zwanziger Jahren erstmals möglich die Entferung zur Andromedagalaxie zu bestimmen. Edwin Hubble hat damals gezeigt, dass sie tatsächliche eine eigene, weit entfernte Ansammlung von Sternen ist und kein Nebel innerhalb der Milchstrasse, wie man früher dachte. Möglich war das, weil man in der Andromeda sogenannte Cepheiden gefunden hat. Das sind Sterne, die periodisch ihre Helligkeit verändern. Da diese Änderungen aber mit den physikalischen Vorgängen im Stern selbst verknüpft sind, hängt die Periode der Änderung auch direkt mit der absoluten Helligkeit zusammen. Kannte man die Periode, kannte man die absolute Helligkeit! Und kannte man die, kannte man die Entferung! (Hier habe ich das ganze einmal im Detail demonstriert)
Natürlich könnte man noch viel mehr über Helligkeiten und die Photometrie erzählen… Indem man misst, wie hell ein Stern am Himmel ist, kann an enorm viel über ihn heraus finden. Zum Beispiel wie ein Stern “schwingt” und bebt. Oder ob er Planeten hat. Aber das sind Themen für eigene Artikel, die ich hoffentlich auch noch irgendwann schreiben werde.
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